In diesen Tagen hat Heinrich Schliers Text „Mächte und Gewalten nach dem Neuen Testament“ eine bittere Aktualität:
„Diese Auslegung von Welt und Dasein durch die Mächte, die sie verborgen beherrschen, geschieht aber in einer bestimmten Intention. Man kann auch sagen: die Mächte legen Welt und Dasein nach bestimmten Kategorien fest, die ihre Grundintention verraten. Die eine Kategorie ist der Tod. Sie bemächtigen sich eines Menschen oder seines Geistes in der Weise, daß sie ihn zum Tod ermächtigen. d. h. daß er, selbst durch sie zerstört, anderen zur Zerstörung wird. Darin und überhaupt im Verstören, Vereiteln, Verderben, Vernichten, Verwesen erfüllt und erweist sich die Tendenz ihres Wesens. Der Teufel hat, wie Hebr 2,15 sagt, „die Gewalt des Todes“. Seine Gewalt ist der Tod. Und somit hält er auch die Menschen „durch Todesfurcht das ganze Leben in Sklaverei“. Seine andere Kategorie, in der er die Dinge erscheinen läßt, ist „Versuchung“. Personen und ihre Handlungen. ihre Gestalt, ihr Wort, ihre Gebärde, ihr Denken usw., Situationen, geistige Bewegungen und ihr Niederschlag, kurz die ganze Fülle des ständig wechselnden Lebens (und Sterbens!) erscheinen auf einmal kraft eines sie auslegenden Geistes verlockend und drohend. Das Zuträgliche und Abträgliche, Abbruch und Steigerung des Lebens sind Mittel und Weisen des Teufels, sein versucherisches Wesen durchzusetzen und den Menschen sich verfallen zu lassen in der Sünde zum Tod.“

Ausgerechnet ein Bultmannschüler, nämlich Heinrich Schlier (1900-1978), hat sich an einer „dämonologischen“ Interpretation des Neuen Testaments versucht. Sein Aufsatz „Mächte und Gewalten nach dem Neuen Testament„, der eine Zusammenfassung seines Büchleins Mächte und Gewalten im Neuen Testament (Freiburg-Basel-Wien: Herder 1958) ist, provoziert, wenn er schreibt:
Wenn es nun das Treiben der dämonischen Mächte ist, sich des Menschen und seiner Welt zu bemächtigen, um verborgen ihr Machtwesen durchzusetzen, was geschieht dann eigentlich unter solcher Bemächtigung? Das können wir noch etwas deutlicher sagen und dabei uns nun auch dem Kern ihres Wesens nähern. Es ist ihr Wesen, daß sie die Menschen, die Natur, die geschichtlichen Situationen und auch Institutionen, aber auch die geistigen Realitäten, deren sie sich bemächtigen, zu der Erscheinung ermächtigen, die sie ihnen auferlegen. Es ist das Wesen dieser seltsamen Wesen, daß sie Welt und menschliches Dasein in ihrer Weise auslegen. Dieses „Auslegen“ meint, daß sie die Dinge…
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