Erhard Eppler über Gotthilf Schenkel: „Er gehörte zu den Theologen. die sich bereits gegen Ende der Zwanzigerjahre eindeutig und schroff gegen die Kollegen wandten, die sich dann bei den „Deutschen Christen“ sammelten und Hitler verehrten. Und doch wird er kaum genannt, wo es um Widerstand in der evangeli­schen Kirche geht.“

Über Gotthilf Schenkel

Von Erhard Eppler

Über Gotthilf Schenkel (1889-1960), promovierter Theologe, Pazifist, religiöser Sozialist, Freimaurer, Pfarrer an der Pauluskirche in Suttgart-Zuffenhausen sowie baden-württembergischer „Kultminister“ ist 2020 von Jörg Thierfelder, Hans Norbert Janowski und Günter Wagner eine Biographie unter dem Titel „Kirche – Sozialismus – Demokratie. Gotthilf Schenkel – Pfarrer, Religiöser Sozialist, Politiker“ bei Kohlhammer in Stuttgart veröffentlicht worden. Dazu hat Erhard Eppler 2019 kurz vor seinem Tod folgendes kenntnisreiche Vorwort geschrieben:

Wer die Nachkriegsjahre im amerikanisch besetzten Württemberg-Baden im Gegensatz zum französisch besetzten Württemberg-Hohenzollern erlebt hat, erinnert sich durchaus an den Namen des Pfarrers Dr. Gotthilf Schenkel. Er war damals „Kultminister“, residierte in Stutt­gart, übrigens auch noch für kurze Zeit 1952/53 im neu gegründeten Baden-Württemberg, solange sich die Regierung Reinhold Maier – unter Ausschluss der CDU – halten konnte. Natürlich stand der Sozialdemokrat unter Beschuss der stärksten Partei.

Meist waren es nicht kontroverse Einzelfragen, welche die CDU-Opposition auf den Plan riefen, sondern Grundsatzfragen, über die sich trefflich streiten ließ: etwa, ob ein Kultminister denn sagen könne, was christlich ist, ob dies nicht doch Sache der Kirchen sei. Oder ob der Kultminister ganz frei sei, einen Philosophieprofessor nach Tübingen zu berufen, den die Fakultät ganz unten auf die Liste gesetzt hatte. Immerhin, an diesem Minister konnte man sich reiben.

Wenn er trotzdem fast vergessen wurde, dann, weil er schlecht einzuordnen, eher ein Einzel­kämpfer war. Natürlich hatte er schon als erwachsener Mann die NS-Zeit erlebt und überlebt. Er gehörte zu den Theologen, die sich bereits gegen Ende der Zwanzigerjahre eindeutig und schroff gegen die Kollegen wandten, die sich dann bei den „Deutschen Christen“ sammelten und Hitler verehrten. Und doch wird er kaum genannt, wo es um Widerstand in der evangeli­schen Kirche geht. Das hat gute Gründe: Einmal, weil sich dieser Widerstand theologisch fast ganz auf die dialektische Theologie Karl Barths stützte, Schenkel als liberaler Theologe und Freimaurer sich aber schon eindeutig von Barth abgesetzt hatte. So war er immer allein, nicht Teil eines verlässlichen Freundeskreises. Er war auch allein, als er 1933 sein Pfarramt in der Stuttgarter Arbeitervorstadt Zuffenhausen verlor, er war allein, als Landesbischof Wurm ihm am äußersten Ende der württembergischen Landeskirche, an der bayerischen Grenze in einem Dorf, in das niemand gehen wollte, ein Pfarramt übertrug, das Schenkel die ganzen zwölf Jahre innehatte unter der Bedingung, dass er sich politisch komplett zurückhielt. Schenkel war als Liberaler Naumanns DDP (Deutsche Demokratische Partei) beigetreten, später zur SPD, zu den Religiösen Sozialisten gegangen, dort aber schon vor ihrer Auflösung ausgetreten, so dass er auch politisch schließlich allein war.

Manche Handlungsweise, gerade in der NS-Zeit, dürfte die Kollegen von einst verwirrt haben. Aber auch als Einzelkampfer gebührt ihm Respekt.

Deshalb ist es gut, dass Jörg Thierfelder. Hans Norbert Janowski und Gunter Wagner sich sei­ner Biographie angenommen haben. Sie zeigt, dass es auch neben der Bekennenden Kirche Widerstand gegeben hat, und wohl ebenso, dass ein tapferer Landesbischof wie Theophil Wurm auch einen Theologen beschützt hat, dessen Überzeugungen ihm ziemlich fremd wa­ren.

Hier der Text als pdf.

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