Max Josef Metzgers Adventsbrief „Licht leuchtet ins Dunkel“ von 1939: „Es ist ernste Stunde! Wir wis­sen nicht, wann der Herr die Nationen vor den Stuhl Seiner Maje­stät lädt, wenn Er Sein Reich sichtbar machen wird in der Fülle der Endzeit, im neuen Himmel und der neuen Erde. Irgendwie ist immer solche Ge­richtszeit.“

Gestapogefängnis am Katzenstadel in Augsburg

Da saß Max Josef Metzger nach Georg Elsers Bürgerbräukeller-Attentat auf Adolf Hitler vom 9. November bis 4. Dezember 1939 im Augsburger Gestapogefängnis, wo er folgenden Adventsbrief an die Mitglieder der Societas Christi Regis (= Christkönigsgesellschaft) schrieb:

Licht leuchtet ins Dunkel. Im Advent 1939

Von Max Josef Metzger

Friede Euch, Brüder, Schwestern! Gnade vom Gott allen Trostes und Vater unseres Herrn und Siegers Jesus! Und Freude in der Ge­meinschaft des Heiligen Geistes! Amen!

Kein Haar fällt von des Gerechten Haupt ohne den Willen des himmlischen Vaters. Darum bin ich auch gewiß, daß es eine Fü­gung war, daß ich Euch für einige Zeit entrissen bin. Allzeit ver­lange ich danach, Euch alle wiederzusehen, mit denen mich die Liebe in Christus so tief verbindet. Und ich weiß, daß auch Ihr Euch von Herzen danach sehnt, mich wieder bei Euch zu sehen, doch sagen wir ein frohes ja zu dem Willen des himmlischen Va­ters, der es in allem gut meint mit uns, Seinen Kindern.

Ich danke Gott für die Stunde, daß Er mir die Gnade gab, zu er­kennen, daß in der Tat denen, die Gott lieben, alles zum Besten gereicht. Schon lange empfand ich es als notwendig für meine Seele, mich einmal von allem „Geschäftlichen“ eine Zeitlang frei­zumachen und in der Stille Kraft zu sammeln für die geistliche Führung der Gemeinschaft, zu der der Herr mich in Gnaden beru­fen hat. Immer habe ich mich nicht losreißen können. So hat Er sanfte Gewalt gebraucht, um mich einmal in aller Entblößung vor Sein heiliges Angesicht zu stellen.

Einen Augenblick lang sträubte sich die Natur gegen manches Ungewohnte. Einen Augen­blick lang war auch etwas wie Furcht in mir ob der Unsicherheit meiner Existenz, weil der Glaube noch nicht alles Menschliche in mir verwandelt hat. Dann aber kam tiefe Freude und heilige Gottfröhlichkeit über mich, die ich bisher noch keine Stunde verloren habe. Mag es immerhin sein, daß noch schwere Tage mir bevorstehen, so hat mich der Herr doch in diesen Wochen, wie ich hoffe, durch Seine Güte gekräf­tigt, ihm auch auf Seinem Kreuzweg froh zu folgen. Was wäre auch ein jünger Christi, der nicht bereit wäre, das Los seines ge­liebten Meisters zu teilen?

Das Buch der Bücher ist das einzige, was ich in meine Zelle mit­nehmen durfte. Welch ein Schatz ist es mir in diesen Stunden! Ich lese in der Frohbotschaft täglich die Seligpreisungen des Herrn und werde immer aufs neue froh dabei. Ich lese in der Apostelge­schichte, wie die Zwölfboten in jeder Lage Zeugen des Todes und der Auferstehung des Herrn waren. Und wie sie sich freuten, für Seinen Namen auch Schmach zu leiden. Ich lese die Briefe des großen Apostels, dessen Namen ich unwürdigerweise trage, und verspüre, welche Kraft in diesem Worte Gottes liegt, das wie ein Schwert scheidet zwischen Wahrheit und Trug und zugleich besänf­tigt und heilt wie mildes Öl. Und die Geheime Offenbarung. „Al­leluja, der Herr, der Allmächtige, unser Gott ist König! Laßt uns in Freuden frohlocken und Ihm die Ehre geben! Die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Braut hält sich bereit…“ (Apk 19,6).

Wenn Ihr mich fragt, was mir in diesen Stunden der größte Trost ist, so muß ich mit dem Apostel sagen, das „einai en Cristō“, das Wissen um das Leben Christi in mir, ja das Leben der ganzen heiligen Dreifaltigkeit in meiner Seele. Ich schrieb ge­rade noch, bevor ich Euch entrissen wurde, einen Brief über den Himmel in uns, diese köstliche und fruchtbare Wahrheit, die wir viel zu wenig bedenken. Vielleicht hat mir Gott diese Erkenntnis so lebendig gemacht in diesen vergangenen Tagen, daß ich davon leben könnte, wenn aller äußerer Trost genom­men ist.

Gott in mir! In Ihm lebe ich, bewege ich mich und wese ich! Gott, der Schöpfer und Erhalter, der mir jeden Tag, ja jede Stunde das Leben schenkt und es väterlich hütet. Er ist nicht ferne über den Wolken, daß ich fürchten müßte, Ihn nicht zu erreichen. Er ist mir näher als ich mir selbst. Der ewig einzige Sohn des ewigen Vaters, der Menschengestalt annahm, um als Bruder mein Men­schenschicksal mit mir zu teilen, Er hat im Bade der Wiederge­burt mir geheimnis­voll Anteil an Seinem göttlichen Sein und Leben gegeben; mit dem Apostel darf ich so in Wahrheit sagen: Ich lebe, doch nicht eigentlich ich, Christus lebt in mir. Wie trost­voll ist dieser Gedanke, wenn die Möglichkeit genommen ist, täg­lich am heiligen Gemeinschaftsopfer teilzunehmen und zur „Kommunion“ zu gehen. Ist doch die Kommunion schon gegeben in der innigen Lebensgemeinschaft, die Er mit mir begründet hat und die Er täglich erneuerte und vertiefte, da Er mir Sein Fleisch und Blut zur Speise gab. Wenn ich auch das äußere Sak­rament entbehre, Er ist in Seiner Wirkkraft nicht an die äußeren Zeichen gebunden. Er selbst ist ja das Lebenssakrament, das aus der Wur­zel den ganzen Weinstock nährt mit Seinen Kräften und Säften; Er ist der Heilige durch Seinen Heiligen Geist. Und ich weiß im Glauben, daß ich durch die Gnade in der Tat Tempel des Heiligen Geistes bin und daß Gottes Geist wirklich in mir lebt. Was brau­che ich mehr, um den Himmel in mir zu haben? Ist nicht der Himmel, wo Gott der Dreieine ist? Gewiß ist dieser Himmel heute noch in Verborgenheit in mir, wie Blüte und Frucht gleichsam im Samenkorn stecken. Noch ist Er mehr Hoffnung und noch nicht seliger Besitz … Aber der Heilige Geist ist bereits als „Pfand und Angeld“ in mir, Er die persönliche Liebe des dreieinen Gottes, in deren Vollbesitz der Himmel bestehen wird.

Gott in mir! Was könnte ich entbehren, wenn ich in Ihm das All besitze, was könnte mir feh­len, wenn Er sich ganz mir schenkte? Wohl spüre ich auch wieder das „andere Gesetz“ in mei­nen Gliedern, die triebhafte Natur, die ihre Befriedigung ver­langt, aber als Geistmenschen lassen wir ja in der Gnade hinter uns, was dem fleischgebundenen Diesseitsmenschen „Gott“ ist, und säen auf Unverweslichkeit.

So stehe ich in ununterbrochener „Anbetung“, mit allen Ge­danken und Wünschen, die immer wieder um das große Geheim­nis kreisen, Gottes Leben in meiner Seele, Sein Leben in mei­nem Sein.

So feiere ich täglich im Geist und Wahrheit das „Heilige Opfer“ des Gedächtnisses Seines To­des und Seiner Auferstehung, und was anders wäre mir Trost als das Wissen um Leiden und Tod des­sen, der mir Seinen herrlichen Namen zu tragen verstattet hat. Täglich ist mir die Morgenstunde, da Ihr die heiligen Geheim­nisse feiert, auch eine heilige Stunde, in der ich mit Euch zu den gottinnigen „circumstantes“ gehöre, zusammen mit den Engeln und Heiligen.

Ja, ich fühle mich Euch nicht ferner denn in den Tagen, da ich leiblich bei Euch war. Das große Geheimnis des in der Zeit fortlebenden Gottes, die Wahrheit vom gnadenhaften Leib Christi, des­sen Glieder wir alle sind – in diesen Tagen liegt darin für mich eine Quelle unausschöpflichen Trostes und unerschöpflicher Freude. Wir sind alle ein Leib, vielmehr Glieder des einen Leibes Christi, der seit der Auferstehung in göttlicher Verklärung lebt und in geheimnisvoller Weise in sein geheimnisvolles Leben auf ­nimmt alle, die durch die Wie­dergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Pneuma gegangen sind. Glieder eines Leibes! jedes Glied hat seine eigenartige Aufgabe im lebendigen Organismus. Aber alle hängen sie unzertrennbar zusammen, alle dienen sie einander und sind einander lebendig nah im Leben des Hauptes. Ist’s nicht so auch bei uns allen? Trotz aller räumlichen Trennung? Was be­deutet überhaupt räumliche Trennung gegenüber der Nähe in Christus! ja, freuen wir uns dieser seli­gen Nähe allezeit und die­nen wir einander in Liebe! Mein Dienen Euch gegenüber kann in diesen Tagen nur ein ständiges Fürbitten, ein fürbittendes Opfern für jedes einzelne von Euch und für die ganze Gemeinschaft sein, ein Brechen des geistigen Brotes, vielleicht auch ein Sammeln neuer Kraft und Geistesfülle, um Euch wieder neu befruchten zu können zu der Stunde, die der Herr bestimmt. Ich weiß, ich be­gegne Euch in Gott mit Eurem Beten, und flehe um Kraft und Gnade, deren ich bedarf, um treu zu sein und meinen Weg in Ihm zu gehen. Brüder und Schwestern! Es ist ernste Stunde! Wir wis­sen nicht, wann der Herr die Nationen vor den Stuhl Seiner Maje­stät lädt, wenn Er Sein Reich sichtbar machen wird in der Fülle der Endzeit, im neuen Himmel und der neuen Erde. Irgendwie ist immer solche Ge­richtszeit. Und wir fühlen gerade heute, wie eine große Stunde für die Menschheit schlägt. Vielleicht ist es der letzte Aufruf des Herrn zur Metanoia, zur Umkehr von den We­gen der Gottvergessenheit und des Götzendienstes. Laßt uns je­denfalls bereit sein, wenn der Herr an das Tor klopft, um Einlaß zu begehren, laßt uns das Öl nicht vergessen für unsere Lampen! Die Bereitschaft der Liebe ist das große Gebot der Stunde! „Wir le­ben und sterben fürs eine, daß Liebe die Menschen vereine“, hat uns Bruder Franz selig gelehrt. Aber das Singen ist nur leerer Schall, wenn die Wirklichkeit des Lebens nicht dahinter steht. Es muß wieder neu offenbar werden in unserer Gemeinschaft, daß wir durch unser Sein Apostel der Liebe sein müssen, Boten der Bruderliebe, die ihre tiefste Kraft bezieht aus dem glaubenden Wissen um das Geheimnis der Gliedschaft aller im einen Leib des Herrn. Wenn Ihr mir einen Dienst leisten, eine Freude machen wollt als Trost in diesen Tagen der Drangsal, so trachtet nach der Liebe! Trachtet unablässig nach der Liebe! Nach der absichtslosen Liebe, die allein diesen göttlichen Namen verdient! Nach der op­ferbereiten Liebe, die den Stempel des heiligen Kreu­zes trägt. Nach der echten Liebe des Wohlwollens, die besonders in Barm­herzigkeit und Nachsicht im Urteilen, in zuvorkommender Hilfs­bereitschaft und eifersuchtsloser Güte sich auswirkt! Nach der tatentschlossenen Liebe, die sich zu jeder Stunde bewährt! Trach­tet nach der Liebe! Wenn Ihr täglich mit heiligem Bedacht Euch hineingebt in das heilige Liebesopfer des Herrn, wenn Ihr Sein göttliches Leben in Euch entfaltet, dann werden die Früchte des Heiligen Geistes allen offenbar. Gott ist die Liebe, und die wahr­haft in Ihm leben, können nicht andere als Früchte der Liebe brin­gen. Und nun grüße ich Euch alle aus der Liebe meines väterlichen Herzens heraus. Seid unbesorgt um mich! Ich bin in Gottes Hand. Macht Euch nicht viel Sorge um Euch und Eure Zu­kunft! Trachtet nach der Vollendung Seines Reiches in Euch, und alles wird Euch von Seiner Gnade hinzugegeben! Wir sind Pil­grime, die kein festes Haus auf Erden bauen. Leben wir aus die­sem Glauben! Bauen wir uns selbst auf als lebendige Bausteine des heiligen Tempels, in dem Gottes Herrlichkeit offenbar werden soll!

Die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters und die stete Gemeinschaft des Heiligen Geistes – das ist mein Wunsch für Euch, den ich jede Stunde dem himmlischen Vater bittend entge­genhalte.

Maranatha! Adveniat Regnum Tuum!

Br. Paulus

Adventsbrief an alle Mitglieder der Societas Christi Regis.

Quelle: Max Josef Metzger, Gefangenschaftsbriefe, hrsg. v. Matthias Laros, Mei­tingen: Kyrios-Verlag, 1947, S. 111-118.

Hier der Brief als pdf.

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