Karl Steinbauers Schrift „Ich glaube, darum rede ich“ vom März 1939 aus dem Amtsgerichtsgefängnis in Neu-Ulm: „Gott be­wahre uns davor, dass wir uns auf ein unwahrhaftiges, faules, stummes sogenanntes Herzens­bekenntnis zurückziehen und daran sterben.“

Nachdem Pfarrer Karl Steinbauer am 15. Januar 1939 nach einem nächtlichen SA-Überfall auf das Pfarrhaus in Senden-Ay im Amtsgerichtsgefängnis Neu-Ulm inhaftiert wurde, verfasste er dort am 21. März in kalligraphischer Form folgendes „Bekennerschreiben“:

Ich glaube, darum rede ich

Denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig. Römer 10,10

Von den beiden Sätzen sagt im Grunde jeder das Gleiche, nur will jeder dafür sorgen, daß der andere nicht mißverstanden wird.

Das Herzensbekenntnis ist nur echt, wenn es Mundbekenntnis wird. Das Mundbekenntnis ist nur echt, wenn es Herzensbekenntnis ist. Das Mundbekenntnis ist nicht leicht auf seine Echt­heit zu prüfen – in geruhsamen Zeiten. Solange das Bekenntnis etwas einbringt, und wenn es nur der Schein der Heiligkeit ist, wird der und jener es reichlich pflegen. Wenn das Mundbe­kenntnis aber dann verstummt, wenn es nichts einbringt, wenn es vielleicht sogar Kreuz bringt, dann ist es in seiner Hohlheit entlarvt. –

Und es ist damit offenbar geworden, daß es kein Herzensbekenntnis war. Denn „wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ [Lukas 6,45] Calvin sagt zum Herzensbekenntnis ein feines Wort: „Wir machen (an diesem Wort) die Beobachtung, daß die Samenkörner des Glaubens nicht im Hirn, sondern im Herzen liegen. Und mit Herz ist gemeint eine ernste und tiefe Be­wegung des inneren Lebens.“ Zum Mundbekenntnis sagt er: „Das Herz muß mit solchem Eifer für Gottes Ehre brennen, daß die Flammen auch nach außen schlagen.“ Man könnte sagen: Wo Feuer ist, da brennts! „Ich bin gekommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden, was wollte ich lieber, denn es brennte schon.“ Lukas 12,49.

Ein Glaube, den wir nicht bekennen, ist kein Glaube! „Ich glaube, darum rede ich!“ Das ist ein Todesurteil, daß man sich selber spricht, wenn man sagt: „Herr Pfarrer, ich denke [3] ja genau so wie Sie, aber man darf ja nichts sagen.“ – Oder: „Da kann kommen, was mag: mei­nen Glauben laß ich mir nicht nehmen,“ und man deutet dann vielleicht auf seine Brust – aber man schweigt sich tapfer aus! – Ich weiß wohl, wie schwer es oft ist, seinen Mund aufzutun, aber wollen wir uns gegenseitig brüderlich dazu mahnen und Mut machen, unsern Mund für unsern Herrn Christus aufzutun und wollen wir allein dabei auf Ihn schauen, dem alle Gewalt gege­ben ist im Himmel und auf Erden.

Liebe Brüder, es kommt im jüngsten Gericht der Augenblick, wo wir ganz von selber verler­nen werden, auf irgend einen Menschen noch zu schauen, wo alle unsere Blicke auf Seinen Mund hangen und wir warten, ob Er für uns ein aller-einziges, das rettende Wörtlein sagen wird. Und dabei wird unser schwaches, armseliges Bekenntnis, das wir mit Furcht und Zittern abgelegt haben, eine nicht unwesentliche Rolle spielen. „Wer mich bekennet vor den Men­schen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater!“ [Matthäus 10,32] Unser Jenseitsglaube ist ein glatter Schwindel, wenn wir ihn nicht diesseits im Tun und Lassen be­kennen. Hier in diesem Erdenleben muß sich an unseren kleinen und großen Entscheidungen ablesen lassen: Das ist einer, der glaubt wirklich an ein jenseitiges, ewiges Leben. Gott be­wahre uns davor, daß wir uns auf ein unwahrhaftiges, faules, stummes sogenanntes Herzens­bekenntnis zurückziehen und daran sterben. Aber ich weiß, daß dies je länger, je mehr schwer und hart gehen wird, wenn wir auf uns und unsere Schwachheit, Schuld und Sünde schauen und auf die Bedränger; es wird für uns befreiend und beglückend sein, wenn wir immer mehr dabei lernen, allein auf Ihn zu schauen, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens! [Hebräer 12,2]

„Ich will predigen die Gerechtigkeit in der großen Gemeinde; siehe, ich will mir meinen Mund nicht stopfen lassen, Herr, das weißt Du. Deine Gerechtigkeit verberge ich nicht in meinem Herzen, von deiner Wahrheit und deinem Heil rede ich; ich verhehle Deine Güte und Treue nicht vor der großen Gemeinde.“ (Psalm 40,10f)

Diese eine Bitte habe ich an Gott, daß ich, solange ich atme, Seine Gerechtigkeit und Wahr­heit verkündigen darf [4] und sein Lob singen. Wie und wo ich dies tun darf, das will ich Ihm überlassen, aber darum bitte ich Ihn, daß auch mein letzter Hauch Ihm gelte! Das ist mein Gebet für die Meinigen und meine Gemeinde und Kirche und Euer Gebet für mich sein.

Kalligraphisch auf einem Faltblatt am 21. März 1939 in Zelle 18 des Amtsgerichtsgefäng­nisses Neu-Ulm geschrieben.

Quelle: Karl Steinbauer, Einander das Zeugnis gönnen, Bd. 4, herausgegeben von Elisabeth und Martin Giesen, Erlangen 1987, S. X-XIII.

Hier Steinbauers Text als pdf.
Und hier das Faksimile als pdf.

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