Nachdem Georg Fritze (1874-1939), Pfarrer an der Kölner Kartäuserkirche ab 1928, in seinem Schreiben an den Konsistorialpräsidenten in Düsseldorf seine Verweigerung eines kirchlichen Treueeids auf Adolf Hitler begründet hatte, wurde daraufhin ihm die Auszahlung seiner Dienstbezüge verweigert. Am 17. Oktober 1938 wurde Fritze von seinen Amtsgeschäften entbunden. Am 3. Januar 1939 starb er infolge eines Schlaganfalls:
Brief an den Konsistorialpräsidenten
Köln, den 20. Juli 1938
Gr. Witschgasse 17
An den
Herrn Konsitorial-Präsidenten
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich habe Ihre Einladung zur Eidesleistung gestern empfangen. Mit tiefem inneren Schmerz teile ich Ihnen mit, dass es mir unmöglich ist, Ihrer Einladung Folge zu leisten.
Die Gründe meines Fernbleibens bitte ich Sie, zu ersehen aus der folgenden Erklärung, die ich zu der an mich ergangenen Aufforderung zur Eidesleistung abzugeben habe:
1. Der Wortlaut des Eides und die nicht erfolgte amtliche Widerrufung der der ersten Aufforderung angefügten „Ansprache“ lässt Zweifel zu über den eigentlichen Sinn und die Tragweite des Eides.
2. Der evangelische Verkündiger hat in der Kirche und gegenüber Volk und Welt in ganz besonderer Weise die Verpflichtung, jedes von ihm, auch das vom Staate her von ihm verlangte Handeln, z.B. hinsichtlich der in unserem Volk zu fördernden nationalsozialistischen Weltanschauung, zu prüfen an der Wahrheit des Evangeliums. Es ist mir nicht bekannt geworden, dass von amtlicher Seite einwandfrei klar und öffentlich ausgesprochen wäre, dass diese Verpflichtung unangetastet sei. Im Gegenteil: viele Geschehnisse und öffentliche Erklärungen drängen zu der Befürchtung, dass der Eid eine Bindung dahin bedeute, dass um des Staates willen der Pfarrer die Substanz seiner Verkündigung mindestens mitbestimmt sein lassen solle von der nationalsozialistischen Weltanschauung, dass jedenfalls, die Verkündigung sich frei zu halten habe von allem, was als gegen die nationalsozialistische Weltanschauung gerichtet erscheinen könnte (z.B. sich frei zu halten habe von der Zurückweisung der Angriffe auf das Alte Testament, der uneingeschränkten Verherrlichung der Hasse u. ä.).
3. Unter diesen Umständen würde es für mich – so sehr ich Volksgemeinschaft ersehne und stets erstrebt habe – einen Mangel an innerer Sauberkeit bedeuten, wenn ich den Eid leistete.
4. Von dieser meiner Haltung her ist Treue und Gehorsam gegenüber dem Staat in allem, was dem Willen Gottes im Geiste Jesu Christi nicht widerspricht, eine Selbstverständlichkeit. Mein gesamtes kirchliches Handeln ist nicht gegen den Staat gerichtet, sondern es ist der durch Gottes Wort von mir geforderte Dienst, den ich für Staat und Volk zu leisten habe.
5. Einen Staatstreueid in dem unter 4. gekennzeichneten Sinne könnte ich leisten. Auf Grund mannigfacher maßgeblicher Stimmen muss ich jedoch annehmen, dass dem Staat, um dessen Willen der Eid von uns Pfarrern verlangt wird, an einem so begrenzten Eid nichts gelegen ist.
Ihr sehr ergebener
gez. Pfarrer Georg Fritze