„Wir sind bereit, für das Evangelium alles zu verlieren und jeden Preis zu zahlen, bis hin zum Verlust von Freiheit und Leben.“ Ein Ruf für den Glauben an Christus aus den chinesischen Hauskirchen

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Mitglieder der Early Rain Covenant Church protestieren in Chengdu (Provinz Sichuan) für Christus

Dass sich in der staatlichen Religionspolitik in der Volksrepublik China ein grundsätzlicher Wandel abzeichnet, ist in den am 1. Februar 2018 in Kraft getretenen „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ manifest geworden. Gegen die neue chinesische Religionspolitik hat sich jüngst am 30. August/1. September eine Gruppe von Vertretetern der Hauskirchen mit einer gemeinsamen offenen Erklärung gestellt. Initiiert wurde die Erlärung von der Early Rain Covenant Church in Chengdu, Sichuan. Deren Kirchengebäude wurde am 4. Juni 2018 geschlossen, um eine Gebetsversammlung für die Opfer des Tian’anmen-Massaker vom 4. Juni 1989 zu verhindern. Pastor Wang Yi – ein vormaliger Menschenrechtsanwalt – wurde mit weiteren Gemeindegliedern am 21. Oktober vorübergehend festgenommen, nachdem sie in den Straßen Flugblätter verteilt und öffentlich für die christliche Botschaft geworben hatten.

Die evangelikal geprägte Erklärung „Ein Ruf für den Glauben an Christus“ weist Anklänge an die Barmer Theologische Erklärung auf und wurde dankenswerterweise von Isabel Friemann, Referentin im Ostasienreferat und Chinainfo­stelle (Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit) übersetzt. Auf Deutsch ist sie in der jüngsten Ausgabe von China heute. Informationen über Religion und Christentum im chinesischen Raum abgedruckt worden. Hier der vollständige Text:

Gemeinsame Erklärung von Pastoren: Ein Ruf für den Glauben an Christus

Wir sind eine Gruppe Christen, von Gott dem Höchsten ausgewählt, um als seine bescheide­nen Diener in Städten und Dörfern Pastoren der Kirche zu sein.

Wir halten es für unsere unbedingte Pflicht, die Menschen der Welt zum wahren und leben­digen dreifaltigen Gott hinzuführen. Er hat das Universum, die Erde und alle darauf lebenden Völker erschaffen. Die Menschheit sollte Gott ehren, anstelle irgendwelcher Menschen oder Dinge. Wir halten es für unsere unbedingte Pflicht, die Menschen der Welt zu unterweisen, hinauf bis zu den höchsten Staatsoberhäuptern und hinab bis zu Bettlern und Gefangenen, dass alle Menschen Sünden begehen, dass alle sterben müssen und nach dem Tod ein unab­hängiges Gericht erwartet. Ohne die Gnade Gottes und ohne die Erlösung durch ihn sind alle Menschen auf ewig verloren. Wir glauben, es ist unsere unbedingte Pflicht, der Welt zu sagen, dass dieser zum Sterben ans Kreuz genagelte und wieder auferstandene Jesus das alleinige Oberhaupt aller Kirchen dieser Erde ist und der einzige Erlöser der gesamten Menschheit. Er ist auch der ewige Herrscher des Universums und oberster Richter. Allen, die glauben und sich läutern lassen, gewährt Gott ewiges Leben und einen Platz in seinem ewigen Reich. Nachdem im September 2017 der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses die neuen „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ verabschiedet hat und sie im Februar 2018 in Kraft getreten sind, bekamen christliche Kirchen in unterschiedlichem Ausmaß überall in China die Gewalt der staatlichen Behörden zu spüren, bei öffentlichen Gottesdiens­ten ebenso wie in ihrer religiösen Praxis. Geringschätzung und Missverständnisse gehen bis hin zu allen erdenklichen Maßnahmen, den christlichen Glauben zu beeinflussen und zu ver­drehen. Es kam stellenweise zu groben Übergriffen, wie es sie nach dem Ende der Kulturre­volution nicht mehr gegeben hat. So wurden unter anderem Kreuze von Kirchen demontiert; in brutaler Weise wurde in christliche Wohnhäuser eingedrungen, um an den Wänden aufge­hängte Zeichen des Glaubens wie Kreuze oder segnende Spruchbänder zu entfernen; Kirchen wurden bedrängt und eingeschüchtert, religiösen Organisationen unter staatlicher Kontrolle beizutreten; Kirchen wurden unter Druck gesetzt, die Nationalflagge aufzuhängen oder Lobes­hymnen auf Vaterland und Partei zu singen; Minderjährige christlicher Familien wurden vom Besuch von Kirchen und christlichen Erziehungsangeboten ausgeschlossen; Kirchen und Gläubige wurden an ihrer Versammlungsfreiheit gehindert.

Wir halten diese Vorkommnisse für einen Machtmissbrauch, der die chinesische Gesellschaft in einen ernsthaften Konflikt zwischen Politik und Religion treibt. Derartige Aktionen ver­stoßen gegen humane Glaubens- und Gewissensfreiheit und sind unvereinbar mit universellen Rechtsprinzipien. Wir nehmen die Verantwortung auf uns, den Autoritäten und der ganzen Gesellschaft eine schlechte Nachricht zu überbringen: jegliche Unterdrückung der Seele und jegliche Verfolgung von Christen wird von Gott verabscheut und zieht unweigerlich seine gerechte Verurteilung auf sich.

Noch mehr liegt es in unserer Verantwortung, den Autoritäten und der ganzen Gesellschaft eine gute Nachricht zu verkünden: Gottes eingeborener Sohn, Retter und Herr­ scher der Menschheit, Jesus, wurde ermordet, begraben und durch Gottes Allmacht vom Tod zum Leben auferweckt, um uns Sünder zu erlösen. Er hat die Macht des Bösen und des Todes besiegt. Aus Liebe und Erbarmen bietet Gott allen Menschen, die an Jesus glauben wollen, Chinesen inbegriffen, Vergebung und Heil an. Es steht jederzeit jedermann frei, sich von jeglichem Übel ab- und reuevoll dem Herrn zuzuwenden, Christus zu folgen und Gott zu ehren, so dass jeder Einzelne das ewige Leben erlangt, jede Familie, jede Nation den durchdringenden Segen Gottes erhält.

Treu unserem Glauben und Gewissen, dem seelischen Wohl der chinesischen Autoritäten und der ganzen Gesellschaft verpflichtet und schließlich im Dienste von Gottes [175] Ehre, Heilig­keit und Gerechtigkeit, erklären wir der chinesischen Regierung und der ganzen Gesellschaft Folgendes:

  1. In chinesischen christlichen Kirchen wird uneingeschränkt geglaubt, dass die „Bibel“ Gottes Wort und Offenbarung ist. Sie ist Ursprung und höchste Instanz von Gerechtigkeit, Ethik und Heil. Wenn auch immer der Wille einer politischen Partei, die Gesetzgebung einer Regierung oder menschliche Befehle im Widerspruch zu den Lehren der „Bibel“ stehen, sie Menschen seelischen Schaden zufügen und das Evangelium angreifen, an das die Kirchen glauben, ist es unsere Pflicht, Gott zu gehorchen, nicht den Menschen, und es ist unsere Pflicht, alle, die miteinander die Kirche bilden, anzuleiten, es uns gleich zu tun.
  2. Die christlichen Kirchen in China sind bereit und entschlossen, Jesu Weg des Kreuzes von Anfang bis Ende zu gehen und dem Beispiel derer willig zu folgen, die für den Glauben gelit­ten haben, die als frühere Apostel der chinesischen Kirche gestorben sind. Unter allen Um­ständen wollen wir Zwang, Verleumdung und Gewalt, die durch Staat und Gesellschaft ausge­übt werden könnten, ertragen. Wir verpflichten uns selbst zu Frieden, Geduld und Mitgefühl. Denn wenn Kirchen schlechten Gesetzen nicht Folge leisten, ist es nicht ihre Absicht, sich gegen Politik zu wenden, Hass zu schüren oder eine Opposition zu bilden; es ist einzig und allein ein Gebot des Evangeliums und der Liebe zur chinesischen Kirche.
  3. Die christlichen Kirchen in China erkennen die von Gott eingesetzten Autoritäten an und respektieren die exekutive Macht der Regierung in der Verwaltung von gesellschaftlichen und individuellen Belangen. Wir glauben, dass die Macht der Regierung von Gott gewährt ist, und halten es für unsere Pflicht, alle Gläubigen in den Kirchen entsprechend zu unterweisen. So­lange die Regierung den Bereich der säkularen Macht nicht überschreitet, der in der „Bibel“ beschrieben ist, und sich in Angelegenheiten des Glaubens und der Spiritualität nicht ein­mischt oder sie einschränkt, sind Christen gehalten, die machthabenden Organe zu respektie­ren, für ihr Wohlergehen aus tiefstem Herzen zu beten, ebenso natürlich auch für die chinesi­sche Gesellschaft. Für das Evangelium erdulden wir sogar bereitwillig alle äußeren Verluste, die ungerechte Verordnungen mit sich bringen können. Aus Liebe zu unseren Blutsverwand­ten lassen wir jeden Anspruch auf leiblich-materielle Macht fallen.
  4. Folglich glauben wir, dass es unsere Pflicht ist, die Gläubigen aller wahrhaft zu Christus gehörenden Kirchen in China zu lehren, das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche zu verteidigen und an Christus als alleinigem Oberhaupt der Kirche festzuhalten. Wir erklären in allen externen Belangen die Hoheit der zivilen Verwaltungsorgane oder anderer legaler staat­licher Abteilungen anzuerkennen, so wie es andere gesellschaftliche Gruppierungen auch tun. Unter keinerlei Umständen werden wir aber als Kirchen den religiösen Organisationen unter staatlicher Kontrolle beitreten oder uns als Kirchen bei den Religionsbehörden registrieren, ebenso wenig akzeptieren wir irgendeine Form von Vormundschaft. Aufgrund unseres Glau­bens sind „Verbote“ und „Strafen“ gegen die christlichen Kirchen für uns nicht zu ertragen. Wir sind bereit, für das Evangelium alles zu verlieren und jeden Preis zu zahlen, bis hin zum Verlust von Freiheit und Leben.

29 erstunterzeichnende Pastoren der Erklärung [aus den chinesischen Schriftzeichen geht nicht eindeutig hervor, ob auch weibliche Kirchenführer darunter sind; Red.]:

Pastor Wang Yi (Chengdu, Early Rain Covenant Church)
Pastor Yang Hua (Guiyang, Living Stone Church)
Pastor Jin Mingri (Beijing, Zion Church)
Pastor Zhang Xiaofeng sowie Presbyter Sun Yi und You Guanhui (Beijing, Gemeinderat Shouwang Church)
Pastor Huang Xiaoning (Guangzhou, Bible Reformed Church)
Pastor Dou Shaowen (Zhengzhou, Cornerstone Church)
Presbyter Zhang Chunlei (Guiyang, Ren’ai Reformed Church)
Presbyter Wen Hongbin (Chengdu, Xishuipang Reformed Church)
Prediger Yang Xibo (Xiamen, Xunsiding Church)
Prediger Jiang Jianping (Foshan, Olive Tree Church)
Presbyter Xue Honggen (Chengdu, Yudu Zhu’en Reformed Church)
Presbyter Cha Changping (Chengdu, Shengming zhi quan Church)
Prediger Shi Shangbiao (Zhangzhou, Feili zhi jia Church)
Pastor Li Tao (Kunming, Endian Church)
Pastor Shen Xianfeng (Wuhan, Zhongfu Chenxing Church)
Presbyter Tang Bohu (Shanghai, Caihong Reformed Church)
Pastor Cui Quan (Shanghai, Wangbang Xunjiao Church)
Pastor Su Yaorong (Taizhou, Tianfu Reformed Church)
Prediger Wang Teng (Taizhou, Mingdao Reformed Church)
Pastor Wang Changyi (Taizhou, Tiantai Fuyin Church)
Presbyter Ji Jianyang (Taizhou, Xianju Meng’en Church)
Pastor Guo Chunyu (Changchun, Linhe zhi fu Reformed Church)
Pastor Li Lianmin (Shenzhen, Shajing Bible Reformed Church)
Pastor Zhuang Zhiyong (Shenzhen, Huaqiangbei Bible Reformed Church)
Pastor Chen Jingtang (Shenzhen, Guifangyuan Bible Reformed Church)
Pastor Huang Lei (Wuhan, Shangxiatang Church)
Pastor Zhang Yong (Changchun, Yangguang zhi jia Reformed Church)

Pastoren, Älteste und Prediger aller Kirchen in China mögen bitte unter Angabe des Kürzels ihrer Kirchen unterschreiben. Senden Sie Ihre Mail an: earlyraincovenantchurch@gmail.com.

Bis zum 6. September 2018 haben insgesamt 279 Pastoren unterschrieben.

Hier der Text als pdf.

1 Kommentar

  1. Sollte das nicht ein Aufruf an alle Christen sein, lieber Jochen.

    Bin jetzt mal etwas herausfordernd, was ja auch in gewisserweiser von Jesus abgekupfert ist:
    Wie weit gehen wir in der Nachfolge…?
    Und mit dem Spiegel, den du hier freundlicherweise eingestellt hast, von den Schwestern und Brüdern in China – ist dieser „Trend“ nicht auch in der westlichen Welt zu finden.

    Ich mißbrauche mal das „Beispiel Olaf Latzel“ exemplarisch. Nicht, das wir uns zu sehr auf die Person Latzel konzentrieren, sondern auf das,
    was da so von „staatlicher Seite“ und der „inneren Seite“ als Reaktion aufpoppte?!!
    Wenn wir ehrlich sind, Hand auf´s Herz, geht das doch auch schon in Richtung Berufs- und Berufungs-Verbot….

    Nur mal so ein Gedanke, ein Anstoß, vielleicht auch ein anstößiger.

    Sind wir bereit,
    Raffa.

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