Johann Eberlin von Günzburg über die Pfarrer im Utopiestaat Wolfaria: „Der Bischof soll jedoch fünfzehn Gulden weniger bekommen als die anderen Pfaffen. Unter großer Strafe soll niemand einem Pfaffen etwas besonders für seine Arbeit geben, weder Opfer, Bußgeld noch Seelen-Messen.“

Der Reformator und vormalige Franziskanermönch Johann Eberlin von Günzburg (1460-1533) hat im zehnten seiner „15 Bundsgenossen“, einer Sammlung reformatorischer Flugschriften, Folgendes über Pfarrer im utopischen Gemeinwesen „Wolfaria“ geschrieben:

Von den Pfaffen

Ein Pfarrer soll zwei Pfaffen haben und nicht mehr. Sie sollen Ehefrauen haben, es sei denn, einer möchte freiwillig keusch bleiben. Ihre Frauen sollen aus dem Ort stammen, an dem sie Pfarrstellen innehaben. Die Pfaffen sollen aus dem Ort geboren sein, in dem sie Pfarrstellen haben oder nicht weit davon entfernt.

Zwanzig Pfarrer sollen einen Bischof unter sich haben, den sie für einen Bischof halten. Dieser soll alle geistlichen Angelegenheiten in ihrem Rat regeln. Jeden Monat soll er alle Pfaffen zusammenrufen und ihnen Gottes Gebote vor Augen führen. Jeder Pfaff soll jährlich vom allgemeinen Geldbeutel des Fleckens 200 Gulden erhalten und nicht mehr.

Der Bischof soll jedoch fünfzehn Gulden weniger bekommen als die anderen Pfaffen.

Unter großer Strafe soll niemand einem Pfaffen etwas besonders für seine Arbeit geben, weder Opfer, Bußgeld noch Seelen-Messen.

Jeder Pfarrer soll einen Diakon haben, der als Mesner fungiert. Ihm sollen jährlich hundert Gulden gegeben werden. Wenn er willig und geschickt ist, soll ihm eine Pfarrstelle zugeteilt werden, sobald diese frei wird.

Kein Pfaff soll seine Pfründe verkaufen, nur im Falle eines dringenden Bedarfs.

Man soll niemals Pfaffen weihen, es sei denn, ein Pfaff oder Diakon stirbt oder geht zu Gott. In diesem Fall sollen die Pfarrbewohner an diesem Ort mit ihren Pfaffen einen neuen wählen, der dann vom Vogt und Gericht an diesem Ort mit dem Bischof in sein Amt eingesetzt wird.

Wenn einem Pfaffen die Frau stirbt, kann er eine andere heiraten.

Man soll den Pfaffen keine Zinsen geben.

Die Pfaffen sollen ehrenvoll gekleidet sein, wie es auch bei anderen ehrbaren Leuten in der Stadt der Fall ist.

Kein Pfaff soll Blenden tragen.

Sie sollen auch keine Freiheiten für andere Bürger haben, sondern ihnen sollen Ehrung und Respekt wie den oberen Ständen entgegengebracht werden.

Der Vogt im Flecken und der Rat sollen über die Pfaffen genauso Gewalt ausüben können wie über andere Leute.

Wer sich unredlich verhält in seiner Lehre oder in öffentlicher Missachtung von Gottes Geboten, der soll ohne alle Hindernisse vor dem ganzen Volk als ein öffentlicher schädlicher Übeltäter entlarvt werden.

Wenn jemand nicht mehr Pfaff sein will, kann er das Amt ablegen und wieder ein Laie werden. Wird er erneut gewählt, kann er wieder Pfaff sein.

Alle ehrliche Arbeit und Handwerke sind den Pfaffen erlaubt.

Kein Pfaff soll Kaufmann, Vogt, Wirt oder Ratsherr sein.

Sie sollen studieren und beten und ihre Häuser gut regieren.

Keiner soll Pfaff werden, es sei denn, er ist über 30 Jahre alt, unter hoher Strafe.

Die Pfaffen dürfen für ihr Gehalt Liegenschaften kaufen und diese von Haus zu Haus verkaufen wie andere Leute.

Von Pfaffen.

Ein Pfarr soll zwen pfaffen haben vnd nit meer. Sie söllen ee wyber haben, einer wöll dann williglich keüsch sin. Ire weiber söllen sein geboren auß dem fläcken, dar inn sie pfrůnden haben. Die pfaffen söllen geboren sein auß dem ort, do sie pfrůnden haben oder nit weit dar von.

Zwaintzig pfarrer söllen ein han vnder yn, den sy halten für ein byschoff, der soll all geistlich sachen vßrichten mit rat ir aller. Alle monat soll er alle pfaffen berüffen vnd inen gots gsatz inbilden. Jetlicher Pfaff soll järlich vom gemeinen seckel deß flecken haben .cc. guldin vnd nit meer. [110]

Der byschoff soll allwägen .xv. guldin minder haben dann andere pfaffen.

By grosser straff soll man keim pfaffen etwas in sunderheit geben für sin arbeit, weder opffer, bycht gält noch seel gerädt.

Jetliche Pfarr soll haben ein Diacon, der soll meßner sin, dem soll man geben järlich hundert gulden, vnd ist er willig vnd geschickt, soll im der pfrůnd eine werden, so sy ledig wirt.

Kein pfaff soll sin pfrůnd verwächßlen, in trieb dann lybs not.

Mann soll nümmer kein pfaffen wyhen haben, aber so ein pfaff oder diacon stirbt oder ab godt, söllen die pfarr lüt am selben ort mit iren pfaffen einen anderen welen, den soll der vogt vnd gericht am selben ort mit dem byschoff intronisieren.

Als offt eim pfaffen ein wyb stirbt, mag er ein andre nämen.

Man soll den pfaffen kein zähenden geben.

Die pfaffen söllen erberlich gekleidet sein, wie eim anderen erber man zů stadt.

Kein blatten söllen sy tragen.

Send auch kein fryheit für andere burger haben, doch sol man inen eer bewysen als einem obern.

Der vogt im fläcken vnd der radt soll gewalt haben vber pfaffen wie vber ander leüt.

Welcher pfaff sich vnerlich halt yn siner leer oder yn offentlicher vberträttung der gots gebot, so soll man yn on alle hindernüß vor allem volck vervrteilen als ein anderen offentlichen schädlichen vbelthäter.

Wann einer kein pfaff me will sein, mag er das ampt vffgeben vnd wider ein ley sein, wann man yn wider erwelt mag er wider ein pfaff sein.

Alle eerliche arbeit vnd handtwerck ist den pfaffen erloubt.

Kein pfaff soll sein ein kouffman, vogt, Wirt oder ratsherr.

Sie söllen studieren vnd bätten vnd ire hüser wol regieren. [111]

Keiner soll pfaff werden, er sy denn vber sine .xxx. jar, by hoher straff.

Die pfaffen mögen vmb iren sold kouffen ligende güter vnd sy von huß vß buwen wie ander leüt.

Quelle: Johann Eberlin von Günzburg, Sämtliche Schriften, Band 1,  hrsg. v. Ernst Ludwig Enders, Halle a. S. 1896, S. 109-111.

Hier der Text als pdf.

Hinterlasse einen Kommentar