
Wer meint, dass universitäre Gender Studies Gaga seien, sollte sich die Rede „Über das Frauenstudium“ von Ernst Bumm (1858-1925), seinerzeit Rektor der Universität Berlin und Leiter der Universitätsfrauenklinik an der Charité in Berlin zur Gedächtnisfeier des Stifters der Berliner Universität König Friedrich Wilhelms III vom 3. August 1917 zu Gemüte führen, wenn es dort heißt:
Rede zur Gedächtnisfeier des Stifters der Berliner Universität König Friedrich Wilhelms III in der Aula am 3. August 1917 gehalten von Ernst Bumm.
[3] Hochansehnliche Versammlung! Verehrte Kollegen!
Liehe Kommilitonen!
Das Gedächtnis ihres Stifters zu ehren, hat sich die Friedrich-Wilhelms-Universität zu festlicher Sitzung in der Aula versammelt.
Wir haben diesen Tag gefeiert vor drei Jahren in der flammenden Erregung des Anfangs und in der Vorahnung ungeheuren Geschehens; hochgestimmt waren wir hier versammelt ein Jahr später, als es nach einem Winter harten Stellungskrieges wieder vorwärts ging und eine glänzende Folge von Siegen schon die Entscheidung von Osten her zu bringen schien. Wir hielten unsere Gedenkfeier vor einem Jahr unter dem Eindruck der Kämpfe, die aufs neue und gewaltiger als je an allen Fronten tobten. und wir stehen jetzt zu Beginn des vierten Kriegsjahres wieder hier und sehen unser Volk weiter um den Sieg ringen, ungebeugt, wenn auch die ganze Welt sich gegen deutsches Wesen verschwor. Stolz dürfen wir heute fragen: wo in der Geschichte der Menschheit ist ein Volk, dem Gleiches geschah, das Gleiches trug und [4] vollbrachte? Wir wissen es, fest steht die Wacht in West und Ost, fest und stark, wie unsere Jungen draussen stehen, wollen wir auch in der Heimat bleiben. Wir vertrauen: der Sieg und der Friede kommen übers Meer!
In solcher Stimmung bringen wir den Manen Friedrich Wilhelm III., des erhabenen Stifters der Universität, unsere dankbare Huldigung dar. Besser als je vermögen wir seine und seiner Berater mutvolle Tat heute einzuschätzen. Denn wir haben es jetzt selbst erfahren, wie gewaltig langdauernde Kriege in das gesamte innere Leben des Volkes eingreifen, und wie sehr sie alle Kräfte für das einzige Ziel des Sieges aufsaugen. Wir verstehen, was es bedeutete, in der viel grösseren Not jener Zeiten, den Feind im Lande, einen neuen Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung und geistiger Bildung zu schaffen, und werden uns in dem heutigen Kampfe ums nationale Dasein ein erhebendes Beispiel daran nehmen.
Mancherlei hat sich an unserer Universität seit den Tagen ihrer Stiftung geändert: sie ist aus kleinen Anfängen heraus zu einer mächtigen Institution herangewachsen, der prächtige Palast, den ihr des Stifters Freigebigkeit anwies, ist längst zu eng geworden, die Zahl der Professoren und Dozenten ist von den 44 des Anfangs auf 500 gestiegen, Studenten sind es jetzt doppelt soviel Tausende, als es im 1. Semester Hunderte waren, und damit es für sie an Beihilfe nicht fehle, [5] ist die Summe der zinstragenden Gelder für Stipendien von Nichts auf 8 Millionen gewachsen. Die Entwicklung der Naturwissenschaften hat in steigender Zahl neue Universitätsinstitute ins Leben gerufen, von denen manche einzelne grösser sind als das ganze Mutterhaus. Noch beträchtlicher sind die Unterschiede und Fortschritte, wenn man vergleicht, was und wie damals gelehrt wurde und heute gelehrt wird. Das alles mochte dem Stifter, wenn er in die ferne Zukunft sah, seinen Wünschen und seiner Phantasie Spielraum liess, in einem Augenblick dunkler Vorahnung vielleicht einmal vorgeschwebt haben. Eines aber wäre ihm bei seiner schlichten Denkart und seinen Ratgebern bei ihrer strengen Lebensauffassung wohl nie in den Sinn gekommen: dass nach hundert Jahren mitten unter den Studenten, ernst und eifrig, sich auch Studentinnen der Wissenschaft befleissigen und in der Kriegszeit durch ihre Anwesenheit die Abhaltung manches Kollegs überhaupt erst ermöglichen würden.
Noch vor einem Menschenalter hätte der Rektor als phantastischer Neuerer gegolten, wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, das Frauenstudium zum Gegenstand einer akademischen Rede zu machen. Unsere männliche studierende Jugend war damals noch nicht gewohnt, Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts bei ihren wissenschaftlichen Bestrebungen gegenwärtig zu sehen, und es gab auch viel später [6] noch manchen Professor, dem die Anwesenheit junger Damen im Kolleg peinlich war und den freien Fluss der Rede verschlug. Aber die Zeiten ändern sich und die Menschen. Es sind jetzt 20 Jahre her, dass der Umschwung unter dem Einfluss frauenrechtlicher Strömungen und ausländischen Beispiels einsetzte. Wie man damals über die Befähigung und Berechtigung der Frauen zum Universitätsstudium dachte, zeigt ein 1897 in Berlin erschienenes Buch, das unter dem vielversprechenden Titel „Die akademische Frau“ wohlgeordnet nach Fakultäten die Meinungen der berühmtesten Professoren und Schriftsteller Deutschlands wiedergibt und. in einzelnen Stücken, z. B. in der mehrfach geforderten Trennung der Geschlechter, schon reichlich veraltet anmutet.
Nach dem Grundsatze, dass die Erfahrung die beste Lehrmeisterin ist, haben die Bundesregierungen im Jahre 1908 durch die Zulassung der Frauen zu allen deutschen Universitäten den Streit der Meinungen kurzerhand entschieden. Ob Mann oder Frau, wer die Vorbedingungen erfüllt, ist seitdem zum akademischen Studium berechtigt. Es gibt also in dieser· Frage keinen Kampf um Hechte mehr, und das gestattet uns heute sine ira et studio das Problem des Frauenstudiums zu erörtern und dabei unsere zehnjährigen Erfahrungen zu befragen.
Die merkwürdige Erscheinung, dass die Frau im Wandel langer Zeiten und unter allen Kulturen von [7] wissenschaftlicher Betätigung und damit von den höheren Berufen ausgeschlossen blieb, wurde von jeher mit ihrer geringeren Begabung für Kunst und Wissenschaft erklärt. Forschungen über die Beziehungen zwischen Gehirn und Geistestätigkeit schienen dieser Anschauung eine objektive Stütze zu geben. Schon den Physiologen des 18. Jahrhunderts ist der kleinere Kopfumfang der Frauen aufgefallen, und sie führen auf die verschiedene Ausbildung der Gehirnfasern die Verschiedenheit des Denkens und Fühlens bei Mann und Frau zurück. Später hat der bekannte Phrenologe Gall darauf hingewiesen, dass schon die Bildhauer des klassischen Altertums in ihrem feinen Gefühl für die Wirklichkeit ihren Göttern, Heroen und Philosophen viel grössere Köpfe gaben als den Athleten, Gladiatoren – und den Frauen. Gall erscheint es zweifellos, dass das vordere obere Stirnhirn der Frau schwächer, die Gehirnteile am Hinterhaupt stärker ausgebildet sind und dass diese physiologischen Unterschiede das Ueberwiegen der intellektuellen Eigenschaften beim Man ne, der mütterlichen bei der Frau erklären.
Dazu kam dann der Nachweis des geringeren weiblichen Hirngewichts. An der Tatsache selbst ist nicht zu rütteln. Der Gewichtsunterschied zwischen dem männlichen und weiblichen Gehirn ist bei den höher stehenden Rassen stärker ausgesprochen als bei den niederen, im übrigen aber überall da nachgewiesen, wo vergleichende Untersuchungen vorgenommen sind. [8] Schon beim Neugeborenen beträgt die Differenz 10 Gramm zuungunsten der Mädchen; sie steigt bis zum Alter von 2 ½ Jahren rasch auf 110 Gramm und erreicht beim ausgewachsenen Gehirn ein Maxim um von 135 Gramm. Die oberen Grenzen der Gehirngewichte werden nur bei Männern, die unteren nur bei Frauen erreicht. Ob man aus dem geringeren Gehirngewicht der Frau auf eine geringere geistige Begabung schliessen darf, ist seit der ersten Abhandlung Bischoffs über diesen Punkt eine nicht nur viel, sondern auch heftig umstrittene Frage, über deren Beantwortung man sich bis heute noch nicht zu allgemeiner Befriedigung hat einigen können. Zweifellos ist jede geistige Tätigkeit an die Ausbildung und Funktion bestimmter Zellen und Faserkomplexe der Hirnmasse geknüpft. Mit der Entwicklung dieses materiellen Substrates beim Kind geht dessen geistige Entwicklung Hand in Hand. Im heranwachsenden Gehirn treten neue Zellen in Funktion, es werden neue Verbindungen geknüpft, immer neue Bahnen ausgeschliffen, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass auch im späteren Leben der Grad der Intelligenz von dem Reichtum der Gehirnrinde an Nervenzellen und Faserverzweigungen abhängt. Werden diese Zellen und Fasern zerstört oder ausser Funktion gesetzt, so hört auch beim grössten Genie der Flug des Geistes auf, mühsam nur entwickelt sich der Gedanke, schwerfällig wird die Urteilskraft, das Gedächtnis [9] versagt, die Erinnerungsbilder sind wie ausgelöscht und als ob sie nie gewesen wären.
Nun sind es aber nur ganz bestimmte Bezirke der grauen Rinde des Gehirns, welche die organische Unterlage für die Geistestätigkeit bilden. Die grössere, darunter liegende Masse des Gehirns dient körperlichen Funktionen und stellt eine Art von Zentrale für die motorische und sensible Innervation der zahllosen Körperorgane dar. Wer auf Grund des Gewichtsunterschiedes zwischen Männer- und Frauengehirn eine Inferiorität der Leistungen bei der Frau behauptet, müsste also nachweisen dass das geringere Gewicht bedingt ist durch eine geringere Ausbildung und Masse der psychischen Sphären der Gehirnrinde. Ein solcher Beweis ist bis jetzt nie geführt worden. Es ist sehr wohl möglich und sogar wahrscheinlich, dass das geringere Gehirngewicht der Frau auf ihr durchschnittlich geringeres Körpergewicht und ihre geringere Körperoberfläche zurückzuführen ist, die eine weniger massige Ausbildung der somatischen Gehirnzentren nötig machen. Bei all dem ist noch zu bedenken, dass für die Leistungen der Gehirnsubstanz nicht allein das Gewicht, d. h. die Masse ausschlaggebend sein muss, sondern dass auch die Organisation und der feinere Bau der Zellen und Fasern in Betracht kommt. Man hat hierzu mit Recht bemerkt, dass eine Turmuhr nicht notwendig besser gehen muss als eine Taschenuhr. [10]
Unsicher wie die anatomischen Befunde sind auch die Ergebnisse der Experimente, welche die vergleichende Psychologie der Geschlechter über die geistige Leistungsfähigkeit des Männer- und Frauengehirns anstellen kann. Es ist schwer, die psychischen Leistungen, welche je nach der Stimmung, Erregung, Ermüdung, je nach dem körperlichen Befinden und anderen Einflüssen schwanken, beim Versuch zuverlässig festzustellen und dabei noch auseinanderzuhalten, was der angeborene Verstand und das hinzugelernte Wissen und die Uebung tun. Wie sehr man sich selbst nach jahrelanger Beobachtung und vielen Prüfungen bei dem sich entwickelnden Gehirn irren kann, beweisen die Schulzeugnisse.
Beim fertigen Gehirn ist die Aufgabe nicht viel leichter, weder für den Experimentator, noch für die anderen, welche sich auf Grund eigener Erlebnisse und Beobachtungen berechtigt fühlen, für oder gegen die Befähigung der Frau ein Urteil abzugeben. Als unbrauchbar für die Entscheidung muss in erster Linie alles ausgeschlossen werden, was Dichter und Romanschriftsteller aus dem Ueberschwang ihrer eigenen Gefühle in die Frauenseele hineinlegen und aus ihr wieder herauslesen. Sie geben zuviel und zuwenig, manche trefflich beobachteten Einzelzüge, aber nicht die Wirklichkeit. Dasselbe gilt von jenen Philosophen, die sich, wie Schopenhauer, dann E. v. Hartmann und Nietzsche, recht geringschätzig geäussert haben und denen zur [11] Entschuldigung dienen kann, dass sie auf diesem Gebiete graue Theoretiker waren und in ihrem Leben nur selten und wenig Gelegenheit hatten, die Frau kennen zu lernen. Auch was aus Tagebüchern und Selbstschilderungen von Frauen hervorgeht, darf nicht als vollgültig angenommen werden; es ist den Memoirenschreiberinnen nicht ohne Berechtigung vorgehalten worden, dass sie ihr geistiges Inneres nie vollkommen entkleiden, sondern sich auch Nahestehenden gegenüber immer noch ein wenig drapieren. Alles Grübeln und Nachdenken hilft da nichts. Wer ein zutreffendes Urteil über die weibliche Befähigung abgeben will, muss viele Frauen aus allen Volksschichten kennengelernt und mit nüchternen Augen in allen Lagen ihres Lebensweges beobachtet haben. Es kommen deshalb die Erfahrungen von Juristen, Aerzten, Lehrern, Kaufleuten und allen solchen Personen in erster Linie in Betracht, die der Beruf in vielfache Beziehungen mit der Frau bringt, und diese stimmen mit dem Volksmund, der von langen Haaren und kurzem Verstand spricht, keineswegs überein. Selbst diejenigen, welche die Gesamtheit der geistigen Funktionen der Frau im Vergleich zum Manne geringer bewerten und, wie Moebius in seinem bekannten Buche, in diesem Sinne von einem physiologischen Schwachsinn des Weibes sprechen, müssen zugeben, dass die Intelligenz der Frau, die Fähigkeit, Vorstellungen zu bilden, aufzufassen, zu logischen Urteilen zu verknüpfen und im [12] Gedächtnis festzuhalten, den männlichen Fähigkeiten gleichkommen. Die Frauen, sagt Moebius, fassen, wenn sie wollen, recht gut auf und merken sich das Gelernte ebensogut, wie die Männer. Da noch dazukommt, dass sie fügsam und geduldig sind, haben sie wirklich Anlage zum Musterschüler. Ueberall da, wo sie es sich in den Kopf gesetzt haben, am höheren Unterricht teilzunehmen, ist nur eine Stimme darüber, dass sie ausgezeichnete Schülerinnen sind, und je gedankenloser der Lehrer ist, um so befriedigter pflegt er von dem eifrigen Lernen der Schülerinnen, das meist ein Auswendiglernen ist, zu sein.
Abgesehen von der kleinen Bosheit der Schlussbemerkung, werden alle Universitätslehrer, die genügend Gelegenheit gehabt haben, die Studentin im Kolleg, bei den praktischen Uebungen und im Examen zu beobachten und mit ihren männlichen Kollegen zu vergleichen, diesem Urteil über die Intelligenz der Frau und ihre Befähigung zum Studium beistimmen. Die der Studentin als spezifisch weiblich vorgeworfene Abneigung gegen abstrakte Gedankengänge, die Vorliebe für konkrete Anschauungen und Empfindungen finden sich bei gleichalterigen Studenten ebenso und sind eine gemeinsame Eigenschaft des jugendlichen Geistes, der sich lieber an die Realitäten des Lebens hält und darin glücklich fühlt.
Was die Schule zeigt, bestätigt die Erfahrung des täglichen Lebens. Natürlich gibt es dumme Frauen, [13] wie es dumme Männer gibt, vielseitige und. einseitige Begabungen finden sich hier wie dort. Wenn man aber das angelernte Wissen, die durch Uebung erlangte Fertigkeit in der Verwendung des Verstandes und die oft durch äussere Umstände künstlich unterdrückte Aeusserung der Verstandestätigkeit bei Seite lässt und nur das ins Auge fasst, was man gesunden Menschenverstand und Mutterwitz nennt, dann kommen die Frauen nicht schlechter weg und sind im Punkte der Intelligenz dem Manne ebenbürtig. Der Krieg hat den Frauen die langersehnte Gelegenheit gebracht, den praktischen Nachweis ihrer Intelligenz und Brauchbarkeit in allen möglichen Stellungen zu liefern, und wer gesehen hat, was Frauen in einfachen Berufen leisten und wie sich ihre ausgewählten Vertreterinnen bei schwierigen ehrenamtlichen Aufgaben durch rasche Auffassung, scharfe Beurteilung, Schlagfertigkeit in aufreibender Arbeit auszeichnen und dabei nie Geduld und Entgegenkommen verlieren, muss zugeben, dass dieser Beweis glänzend erbracht ist.
Wenn es sich also um nichts weiter handelte, als um genug Verstand und die Fähigkeit, das Lernpensum der verschiedenen Fakultäten aufzunehmen und sich die nötigen technischen Fertigkeiten anzueignen, dann könnte das Frauenstudium heute kaum mehr ein Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten sein.
Die Sache hat aber noch eine andere Seite: Nur um als akademisch gebildete Frau zu gelten und den [14] Doktortitel zu führen, nur des Versuches halber bis zur Heirat all die Jahre der Vorbereitung und der Universität mit mühevollen Studien hinzubringen, die weit über das Bedürfnis der Geistesbildung hinausgehen, wäre eine sinnlose Vergeudung von Arbeit. Jedes akademische Studium erfordert mit Notwendigkeit als Erfüllung die Verwendung des Gelernten im Leben, den Beruf. Und hier im Beruf, der nicht wie die Universität ein paar Jahre, sondern das ganze Leben umfasst, liegen die Schwierigkeiten des Frauenstudiums und die Bedenken, die ihm entgegenstehen.
Was wird aus der akademischen Frau? Um zu erfahren, wie unsere Studentinnen sich mit den Schwierigkeiten des Lebens und der Berufstätigkeit abfinden, bin ich den Schicksalen aller Frauen, die von der Freigabe des Studiums im Jahre 1908 bis zum Jahre 1912 mit voller Matrikel in unsere Bücher eingeschrieben waren, nachgegangen. Das war keine leichte Arbeit, aber mit dem treuen Beistand der Hilfskräfte meiner Klinik, die sich durch das Verfolgen der Schicksale unserer Operierten eine gewisse Uebung in solchen Arbeiten erworben haben, ist es mittels mehr als 7000 Briefen gelungen, zu erfahren, was aus den 1242 bei uns immatrikulierten Frauen geworden ist. 18 sind während der Studienzeit oder nachher gestorben, 27 studieren noch, 119 sind verschollen, d. h. wir konnten trotz aller Umfragen nichts über sie er-[15]mitteln. Es bleibt also der Lebensgang von 1078 Frauen mit akademischem Studium zur Verwertung übrig.
Die Mehrzahl unserer Studentinnen hat sich dem Lehrberuf zugewandt. Es sind, wenn man die Nebenfächer der Philologie, neuere Sprachen, Geschichte, Literatur, Mathematik usw. hinzunimmt, 593, also weit über die Hälfte. Dann kommen 193 Medizinerinnen, 59 Philosophinnen, 54, die Nationalökonomie, 50, die Naturwissenschaften, 39, die Kunstgeschichte, 28, die Zahnheilkunde, 20, die Jura, 20, die Chemie, 10, die Geographie und einzelne wenige, die Physik, Pharmazie, Astronomie, Zoologie, Theologie, Psychologie zu ihrem Spezialfach erwählt haben.
Von 1078 Studentinnen sind 649 = 60 % zur Ausübung eines Berufes gelangt und dauernd in ihm tätig, 429 = 40 %, haben das Studium resp. den schon erreichten Beruf wieder aufgegeben. Der Grund für diesen Entschluss war bei 225 Frauen, also in über der Hälfte der Fälle, die Heirat, und zwar haben 181 noch während der Studienzeit, 44 aus dem Berufe heraus geheiratet. In 204 Fällen waren Krankheit, Unlust oder ungünstige äussere Umstände die Ursache des Rücktritts. Es zeigt sich auch hier, dass während der Zeit des Studiums der Entschluss dazu leichter gefasst wird als nach erlangtem Beruf, denn das Studium haben 171, den Beruf nur 29 aufgegeben. 7 Witwen haben den Beruf nach dem Tode des Mannes wieder aufgenommen, öfter wird angegeben, dass das Bedürfnis [16] des Krieges die Wiederaufnahme des Berufes veranlasst hat, so dass sich also die Verhältnisse etwas günstiger für die Berufstätigkeit stellen als sie im Frieden wären.
Von den 1078 Studentinnen aus den Jahren 1908 bis 1912, über die wir Aufschlüsse bekamen, sind 346 = 32 % verheiratet, 732 = 68 % sind unverheiratet geblieben. Wenn es auch nicht unmöglich ist, dass von den letzteren noch manche heiraten werden, so zeigt doch die hohe Zahl von 2/3 Unverheirateten, dass das Studium der Ehe nicht günstig ist. Umgekehrt ist die Heirat dem Beruf nicht günstig. Denn von 346 Studentinnen, die geheiratet haben, sind nur 121 = 35 % zu beruflicher Tätigkeit gekommen, von den 732 unverheiratet gebliebenen dagegen 528 = 72 %. Die Art des Faches macht dabei nicht viel aus, die prozentualen Verhältnisse sind überall annähernd die gleichen.
Diese Erfahrungen deuten ohne weiteres darauf hin, wo die bedenkliche Seite des Frauenstudiums liegt: es ist die sexuelle Bindung der Frau mit ihrem von der Natur geschaffenen und deshalb unlösbaren Zwang. Zur Fortpflanzung und Erhaltung aller Lebewesen, von den niederen herauf bis zum Menschen, bedient sich die Natur der Arbeitsteilung. Dem weiblichen Teil, und zumal der menschlichen Frau, ist dabei die schwerere Aufgabe zugefallen. Man mag die ungerechte Verteilung der Lasten beklagen, ändern werden [17] daran alle Bestrebungen der Frauenemanzipation niemals etwas können. Gerechtigkeit in unserem menschlichen Sinne und Rücksichtnahme auf das Individuum sucht man im Walten der Naturkräfte vergeblich. Alles ist auf die Erhaltung der Art gestellt. Die Natur verlangt aber nicht Leistungen, ohne dazu die Ausrüstung mit entsprechenden Fähigkeiten zu geben. Je vollkommener die weibliche Veranlagung, je weiblicher die Frau, desto weniger wird die Last der Fortpflanzung als solche empfunden, die Aufzucht der Nachkommenschaft ist im Gegenteil, wie jede freie Betätigung einer natürlichen Anlage, die Quelle hoher innerer Befriedigung und Freude am Werk.
Umgekehrt wird alles, was ausserhalb der natürlichen Veranlagung liegt oder ihr zuwider ist, als Beschwernis gefühlt und entweder ganz abgelehnt oder, wenn es unter äusserem Zwang geschieht, nur mit unverhältnismässigem Aufwand von Kraft und selbst dann noch unvollkommen durchgeführt.
Gewiss gibt es Frauen, welche die vorbereitenden Gymnasialstudien und die Universität mit Leichtigkeit absolvieren und die Aufgaben des erwählten Berufes, unbeirrt durch Ablenkungen irgendwelcher Art, vollkommen bewältigen. Das sind aber Frauen mit männlicher oder doch ohne ausgesprochen weibliche Veranlagung, die ebenso vorkommen, wie die weibischen Männer und wie diese ihren konträren Charakter meist auch schon äusserlich zur Schau tragen. Die Mehrzahl [18] der Frauen verhält sich anders und lässt den Zwang, der ihrer weiblichen Veranlagung angetan wird, schon beim Studium erkennen. Nicht weil die Intelligenz fehlt, sondern weil die natürlichen Anlagen anderwärts gehen, vollzieht sich schon die Lernzeit am Gymnasium unter grösseren Mühen. Die angestrengte geistige Tätigkeit hat wiederum einen ungünstigen Einfluss auf die körperliche Entwickelung, eine Erscheinung, die wir oft genug bei unseren Gymnasiasten beobachten, die sich aber bei den Schülerinnen während der Gymnasialzeit in viel ernsterer Weise bemerkbar macht und die Gesundheit und Tüchtigkeit des Organismus auch für spätere Zeiten dauernd schädigen kann. Stört das geschädigte körperliche Befinden die geistige Aufnahmefähigkeit und ist zur Bewältigung des Lernstoffes eine neue Arbeitssteigerung nötig, so kann dieser circulus vitiosus zum völligen Zusammenbruch führen. Besser steht es in dieser Hinsicht auf der Universität. In der Freiheit des akademischen Studiums fallen die Ueberanstrengung und ihre Folgen weg, und wer darauf achtet, wird mit Freude sehen, dass sich die meisten unserer Studentinnen in guter körperlicher und geistiger Verfassung, voller Kenntnisse und begierig, ihr Wissen dem Examinator vorzuführen, zur Prüfung stellen. Aber auch hier gilt die Erfahrung: je ausgesprochener weiblich die Veranlagung, desto oberflächlicher und weniger innerlich verarbeitet bleibt das Erlernte. [19]
In viel stärkerem Maasse als beim Studium tritt die Eigenart des weiblichen Seelenlebens bei der Berufstätigkeit in Erscheinung, Körper und Geist sind ein Ganzes und in inniger Abhängigkeit von einander, alle seelischen Aeusserungen sind Leistungen der Nervenzellen des Gehirns und durch diese körperlichen Einflüssen unterworfen. Es handelt sich dabei nicht um mystische Beziehungen zwischen Leib und Seele, sondern um reale Vorgänge, um eine Beeinflussung der Nervenzellen durch Stoffe, welche in den Keimdrüsen abgesondert werden, von hier aus ins Blut und mit diesem in alle Organe des Körpers und auch ins Gehirn gelangen. Obwohl der Organismus dabei nur mit kleinsten Mengen, mit Spuren arbeitet, ist die Wirkung dieser inneren Sekretion doch eine tiefgreifende. Wie der Körper durch die Sekrete seinen weiblichen Charakter erhält, so wird auch die seelische Tätigkeit des Gehirns in besonderer, der Frau eigentümlicher Weise abgestimmt, was sich oft dem An- und Abschwellen der Drüsenfunktion entsprechend in wechselndem Maasse äussert und beobachten lässt. Die weibliche Anlage und ihre Funktionen bewirken eine stärkere Erregbarkeit und deshalb bei allen geistigen Vorgängen ein stärkeres Mitklingen der Gefühlssphäre. Frauen sind im allgemeinen mehr als Männer Stimmungen und unbewussten Gefühlserregungen unterworfen, welche die Arbeit ungleichmässig machen, die rein verstandesmässige Ueberlegung einschränken und [20] das Urteil trüben können. Die Stimmungen greifen auch auf die Willenskraft über, die anscheinend unbegründeten Schwankungen ausgesetzt ist und leichter beeinflusst wird. Bekannt ist die überfeine Empfindsamkeit gegen Lob und Tadel, man kann bei Frauen durch Lob und Anregung des Ehrgeizes alles herausholen, Tadel und Widerstände drücken ihre Leistungen herab und können sie vollständig hemmen. Weil sich in den Willensakt leicht Gefühle einmischen, fällt es der Frau schwer, weittragende Entschlüsse zu fassen und Verantwortungen zu übernehmen, sie liebt die Kompromisse, sie ist konservativ und zieht dem Einschlagen neuer Bahnen das ruhige Wandeln auf dem ausgetretenen Wege der Gewohnheit vor. Der vollen dauernden Hingabe der Seele ans Werk wirft sich der Körper entgegen: Deshalb bringt die Frau, die im Bereiche ihrer Veranlagung als Mutter zur höchsten Selbstentäusserung fähig und immer bereit ist, den Grad von Konzentration der Seelenkräfte nur selten auf, wie er zu grossen Taten auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft nötig ist. Berufe, welche ein ruhiges Arbeiten in vorgeschriebenen Bahnen verlangen, erfüllt die Frau so gut wie der Mann. Wo rasche Entschlussfähigkeit und grosse Verantwortung in Frage kommen und besondere Ansprüche an kaltblütiges, von momentanen Stimmungen unabhängiges Handeln gestellt werden, passt die Frau nicht, passen allerdings. wie man zugeben muss, auch viele Männer nicht. [21] Immer wieder hört und liest man die Aufforderung an Aerztinnen, sich das Gebiet der Frauenheilkunde und der Geburtshilfe als ein von der Natur angewiesenes Arbeitsfeld zu erobern. Ich spreche nicht pro domo, aber aus Erfahrung, wenn ich sage, dass das kein guter Rat ist, für die Frauenwelt nicht und für die Aerztinnen nicht, die – von seltenen Ausnahmen abgesehen – physisch und psychisch den Anforderungen an eine Tätigkeit, wo es in einer Viertelstunde um Leben und Tod zweier Menschen gehen kann, nicht gewachsen sind. Tausende von ,Jahren besassen die Frauen auf diesem Gebiet die unbestrittene Alleinherrschaft, sie liessen es gehen, wie’s Gott gefiel, und eine Wissenschaft und helfende Kunst ist dort erst entstanden, als der Mann hinzukam.
Von unseren Studentinnen sind 649 zum Beruf gelangt, aber 528 von diesen, also 81 %, sind unverheiratet geblieben und haben ihrer natürlichen Lebensbestimmung entsagt. Und von den Verheirateten klagen manche, dass es ihn en schwer wird, die Pflichten des Berufes mit denen der Frau und Mutter zu vereinigen. Entweder leidet der Beruf oder die Familie, stets aber die Frau selbst, welche eine doppelte Last auf sich nimmt, hier und dort ihres Lebens nicht froh werden kann und ihre Kräfte dahinschwinden sieht, die ohnedies bei der Frau im natürlichen Lauf der Dinge zu einer Zeit schon rückgängig zu werden anfangen, wo der Mann auf der Höhe seiner Leistungs-[22]fähigkeit anlangt und noch ein Jahrzehnt voller Kraft vor sich hat.
Das sind nicht künstlich konstruierte Einwände gegen das Frauenstudi um, sondern Wirklichkeiten, die in der weiblichen Natur begründet sind und es nötig machen, dass bei der Auswahl der Frauen zum akademischen Studium nicht nur wie bei unseren Studenten der Nachweis einer gewissen allgemeinen Begabung und Geistesreife gefordert, sondern auch auf eine besondere Veranlagung, Eignung und Vorliebe für den erwählten Beruf Rücksicht genommen wird. Diese Art von Auswahl hat sich in den ersten Jahren des akademischen Frauenstudi ums von selbst vollzogen. Die jungen Damen, welche damals den Mut hatten, mit dem alten Herkommen zu brechen, sich als einsame unter die Menge ihrer männlichen Kommilitonen zu mischen und als manchem Spott und Anfeindungen ausgesetzte Bahnbrecherinnen ins Leben hinauszutreten, haben dadurch allein schon bewiesen, dass sie das Zeug in sich trugen, wie es zum richtigen Studium und zur richtigen Berufserfüllung gehört. Dies ist jetzt anders geworden und der Krieg mit seinem Umsturz der gewohnten Verhältnisse und seinem Anreiz zur Betätigung ausser dem Hause hat, wie es scheint, die Neigung zum Studium noch gesteigert. Viele Eltern schicken ihre Töchter zunächst einmal ins Gymnasium, und von da erfolgt ohne Bedenken der Uebergang an die Universität. Damit muss sich natürlich die Zahl derer mehren, die nicht berufen sind und das glückliche Sichausleben im Bereiche ihrer natürlichen Veranlagung dahingeben für das Linsengericht eines lustlos erfüllten und kümmerlich ernährenden sogen. höheren Berufes und für die Aussicht auf eine kärgliche Pension. Leider ist es richtig, dass sich unter unseren heutigen Kulturverhältnissen nicht allen Frauen der natürliche Zweck ihres Daseins erfüllen kann. Aus dieser traurigen Notwendigkeit folgt aber nicht der Zwang zum akademischen Studium und es ist die Frage, ob sich nicht viele Frauen in anderen und der weiblichen Natur angemesseneren Berufen glücklicher und der Allgemeinheit nützlicher betätigen können, als durch das Universitätsstudium. An unserer Universität betrug die Zahl der studierenden Frauen im Jahre 1908 400, im Wintersemester 1916/17 1276, während sich die Zahl der Studenten all die Jahre hindurch mit geringen Schwankungen um 8000 herum gehalten hat. An allen deutschen Universitäten zusammen ist die Zahl der Frauen von 1200 im Jahre 1908 auf 5730 im vergangenen Wintersemester gestiegen und hat sich also in einem Dezennium verfünffacht.
Das sieht so aus, als ob das Frauenstudium Mode werden wollte, und das wäre nicht gut. Allen den Frauen, die das heilige Feuer in sich fühlen, sollen die Pforten der Universitäten weit offen stehen. Die Alma Mater wird ihren Töchtern gewiss nicht weniger [24] liebevolle Fürsorge für ihre geistigen Fortschritte entgegenbringen als ihren Söhnen. Aber die Mehrzahl der Frauen, und gerade der Frauen der mittleren Stände, die der Anreiz zum Studium am ehesten trifft, muss ihrer natürlichen Bestimmung erhalten bleiben. Unsere Kinder sollen von Müttern geboren werden, die ein ausgeruhtes Gehirn und genug Zeit zur Aufzucht einer zahlreichen Nachkommenschaft haben. So leistet die Frau sich, der Familie und dem Staate den höchsten Dienst, so ist das Geschlecht entstanden, das heute gegen eine Welt von Feinden die Heimat schützt und trotz allen Hasses und aller Schmähungen, im Grunde doch von der ganzen Welt bewundert wird.
Quelle: Ernst Bumm, Über das Frauenstudium. Rede zur Gedächtnisfeier des Stifters der Berliner Universität König Friedrich Wilhelms III in der Aula am 3. August 1917, Berlin 1917 (Druck der Norddeutschen Buchdruckerei, SW., Wilhelmstraße 32.)
Als Vater von vier studierten bzw. studierenden Töchtern muß ich zu Herrn Bumm nicht viel sagen, den überlassen wir der Geschichte, er sagt mir nichts und für Frau Kelle, die über die aktuellen Auswüchse des Genderismus als Pendelschlag zu Herrn Prof. Bumm schreibt, ist er keine große Hilfe.
Als (Halt) suchender Ehemann und Vater frage ich den mit der Lehre und Seelsorge, der biblischen Wahrheit (-ssuche) verpflichteten Pfarrer und Theologen: entsorgen wir mit Herrn Bumm gleich die gesamte christliche Haustafel? Muß in unseren Zeiten in allen Lebensbereichen alles „täglich neu ausgehandelt“ (Frau Özoguz zur Integration) werden?
Als Kaufmann weiß ich: beim Handel gibt es eindeutig stärkere und schwächere Positionen, Käufermärkte und Anbietermärkte, Monopole und unelastische Nachfragen, alles neu aushandeln müssen zwingt mich erst recht dazu, als der Stärkere aufzutreten.
Oder gibt die Bibel, wenn Gott schon die Ehe gestiftet und mit Auftrag (1. Mos. 1, 27+28) versehen hat, nicht noch weitere Hilfe dazu? Ordnungen, die wir lieben können, sollen und dürfen (Ps. 119)? Was sagen die Universitäts-Theologie und ihre ordinierten Schüler dazu? Warum lassen sie hier einen großen weißen Fleck auf der Landkarte und überlassen diese terra incognita den Freikirchen und ihren Verlagen und Predigern?