In der Luther-Bibel 2017 heißt es in Jesu Missionsbefehl nicht mehr „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker„, sondern „Darum gehet hin und lehret alle Völker“. An Stelle einer „Jünger-Machung“ tritt – wider den griechischen Urtext – das Lehren als kognitive Wissensvermittlung. Dass in der Wendung „Jünger-machen“ jedoch etwas ganz Wesentlichens für unser Christsein enthalten ist, dazu der Artikel von Manfred Marquardt aus der RGG4:
Jüngerschaft III.
Von Manfred Marquardt
Der in der deutschsprachigen Dogmatik nicht häufig verwendete Begriff Jüngerschaft bez. die spezifische, innere und geistl. Beziehung der Glaubenden zu Jesus Christus, die individuelle und gemeinschaftliche Unterordnung unter ihren auferstandenen und erhöhten Herrn (Meister, Lehrer, Rabbi) sowie die Hinwendung zu tätiger Nachfolge. Die von Jesus zur Jüngerschaft Berufenen bilden die »Urform« der christl. Gemeinde (K. Barth), die Gemeinschaft der durch die Taufe in seinen Leib eingegliederten Glaubenden, die als neue Menschen »von bes. Beschaffenheit« (S. Kierkegaard) ihr Leben nach seinem Willen gestalten und durch die Zugehörigkeit zu dem einen »Meister« Christus, neben dem es auch nach Ostern keine weiteren im gleichen Sinne geben kann, jenseits aller Unterschiede Brüder und Schwestern sind. Dieser prinzipiell unüberbietbare, durch kirchl. Ämter und Beauftragungen nicht aufzuhebende Status begründet eine hierarchiekritische Gleichunmittelbarkeit aller Glieder zu Christus, die der Vielfalt des Leibes Christi nicht entgegensteht, ihr aber ein eigenes Gepräge als Gemeinschaft der einander und anderen Menschen Dienenden gibt. Zugleich macht sie die Zusammengehörigkeit aller Glaubenden über konfessionelle, kulturelle, nationale und soziale Grenzen hinweg bewußt und erfahrbar. Der unlösbare Zusammenhang von Glaube und Lebensführung (Pannenberg 365), zu der auch Selbstverleugnung, Entbehrungen und Leiden gehören können, ist für die Jüngerschaft von essenzieller Bedeutung. D. Bonhoeffers Buch »Nachfolge« (1937), auch in engl. Übers. unter dem Titel »The Cost of Discipleship« weit verbreitet, hat nicht nur zum häufigeren Gebrauch des Begriffs Jüngerschaft/Discipleship, sondern auch zu einer stärkeren Akzentverschiebung ins Ethische beigetragen: Die Antwort auf den Ruf Jesu ist das gehorsame Tun des Jüngers. — Die »Einführung in die Jüngerschaft« ist ein wichtiger Teil der auf die Gewinnung kirchenfremder Menschen für den christl. Glauben ausgerichteten neueren Theol. des Gemeindeaufbaus.
Lit.: J. CALVIN, Inst., 1559, III,6: De vita hominis Christiani • S. KIERKEGAARD, Philos. Brocken, 1844 • D. BONHOEFFER, Nachfolge, 1937 • K. BARTH, KD IV/1, 1953, 372-379; IV/2, 1955, 603-626; IV/3, 1959, 598-636 • W.J. ABRAHAM, The Logic of Evangelism, 1989 • W. PANNENBERG, Syst. Theol., Bd. 3, 1993 • J. K. RICHES, Art. Nachfolge Jesu III. (TRE 23, 1994, 691-701) • S. H. MATTHAEI, Making Disciples, 2000.
RGG4, Bd. 4 (2001), Sp. 703.