
In Martin Luthers Sermon „Von den guten Werken“ (1520) findet sich in Sachen allgemeines Kirchengebet (Fürbitten) und Kirchengebäude folgende Worte, die für unsere evangelische Kirchengegenwart durchaus von Bedeutung sind:
Von der Macht des allgemeinen Kirchengebets
„Die christliche Kirche auf Erden verfügt über keine größere, wirksamere Macht als dieses allgemeine Gebet, das alles aufnimmt, was ihr zustoßen kann. Das weiß der böse Geist wohl. Darum tut er auch alles, was er kann, um dieses Gebet zu verhindern. Da läßt er uns hübsche Kirchen bauen, viel stiften, pfeifen, lesen und singen, viele Messen halten und ein maßloses Gepränge treiben; dafür ist ihm nichts zu schade. Ja, er hilft noch dazu, daß wir ein solches Treiben für das Beste halten und uns einbilden, wir hätten’s damit wohl ausgerichtet. Aber dass dieses allgemeine, starke, fruchtbare Kirchengebet daneben untergeht und wegen solchen Blendwerks unvermerkt unterbleibt: Da hat er erreicht, was er sucht! Denn wenn das Gebet darniederliegt, wird ihm niemand mehr etwas nehmen, auch niemand widerstehen. Wo er aber gewahr würde, daß wir dieses Gebet üben wollten, wenn es gleich unter einem Strohdach wäre oder in einem Saustall, würde er es ganz sicher nicht hingehen lassen, sondern sich weit mehr vor diesem Saustall fürchten als vor allen hohen, großen, schönen Kirchen, Türmen, Glocken, wo immer sie sein mögen, wenn nur solches Gebet nicht drin wäre! Es liegt gewiß nicht an den Stätten oder Gebäuden, in denen wir zusammenkommen, sondern allein an diesem unüberwindlichen Gebet: daran, daß wir dies in rechter Weise zusammen tun und vor Gott kommen lassen.“
Quelle: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hrsg. v. Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Bd. 1: Aufbruch zur Reformation, Frankfurt a. Main: Insel Verlag 1982, 94f.