Martin Luther „Wer voll wie ein Schwein und täglich ein Trunkenbold ist, der wird weder zum Beten noch zu anderen christlichen Dingen nützlich sein“ – Ermahnung zu Nüchternheit und Mäßigung

Völlerei (aus Hieronymus Boschs Gemälde
Völlerei (aus Hieronymus Boschs Gemälde „Die Sieben Todsünden“)

Da redet Martin Luther dem Volk nicht nach dem Mund, wenn er in seiner Predigt über 1. Petrus 4,8 ff am 18. Mai 1539 (Exaudi) mit deftigen Worten zu Nüchternheit und Mäßigung aufruft:

Predigt über 1. Petrus 4,8 ff am 18. Mai 1539 (Exaudi)

Von Martin Luther

Die Christen müssen, damit ihr Herz stets zu Gott hin gerich­tet sein kann, in zweifacher Hinsicht zugerüstet werden: im Festhalten an seinem Wort und mit anhaltendem Seufzen ein ewiges „Vaterunser“ beten können. Dies lehren ihn zwar schon Anfechtung und Not, womit er fortwährend von Teufel, Welt und Fleisch bedrängt wird. Trotzdem muß er, weil der Feind keinen Augenblick schläft noch ruht, ohne zu wanken an der Spitze stehen, wachen und aufmerksam sein.

Dazu gehört nun, wie Petrus hier sagt, daß ein Christ ein Mensch sei, der auch im Essen und Trinken seinen Leib an­gemessen versorge und nüchtern halte, ihn also nicht mit unmäßigem Fressen und anderem Überflüssigem belade und zu Schaden kommen lasse. Das bewirkt, daß er tüchtig, klug und fähig zum Beten wird. Denn wer nicht danach strebt, daß er nüchtern und mäßig seinen Dienst oder sein Amt ausübt, son­dern voll wie ein Schwein und täglich ein Trunkenbold ist, der wird weder zum Beten noch zu anderen christlichen Dingen nützlich sein, ja, er taugt dann überhaupt zu keiner Sache. Hier täte uns zuchtlosen Deutschen wohl eine besondere Predigt und Ermahnung gegen unser Schlemmen, Fressen und Saufen not. Aber woher wollten wir denn die Predigt nehmen, die so kraftvoll und mächtig wäre, um unserem schändlichen, schwei­nischen Leben und Saufteufel zu wehren? Leider ist doch ge­genwärtig alles restlos durch einen Wolkenbruch und eine Sintflut dieser Art eingestürzt und überschwemmt. Und jeden Tag dringt es mehr und mehr in alle Stände ein, in die höchsten und in die niedrigsten, so daß das ganze Predigen und Ermahnen viel zu schwach ist — fast gar nicht der Rede wert. Es ist offen­sichtlich umsonst und wird nicht gehört, sondern wird ver­achtet und verlacht. Daß am Ende der Weltzeit so etwas herr­schen würde, das hatten die Apostel und Christus ja schon vor­ausgesagt. Deshalb hat er die Christen dazu aufgefordert, sich davor zu hüten, ihre Herzen nicht mit Fressen und Saufen und den Sorgen dieses Lebens zu beschweren, damit sie der Jüngste Tag nicht schnell und plötzlich — wie ein Fallstrick — überrasche.

Gerechterweise sollten besonders wir Deutschen, weil Gott uns in jüngster Zeit aus großen Gnaden das Licht des Evan­geliums so reichlich geschenkt hat, uns — ihm zu Ehren und Dank — in diesem Teil bessern, damit wir nicht über die anderen Sünden hinaus auch noch durch dieses Laster Gottes Zorn und Strafe auf uns häufen. Denn das ist gewiß, daß aus einem wüsten Lebenswandel nichts anderes folgen kann als falsche Sicherheit und Gottesverachtung, ja, daß die Menschen, die sich wie die Schweine in ständiger Fresserei ergehen, gleich­sam tot und begraben sind und keine Furcht vor Gott haben, noch sich um göttliche Dinge kümmern können.

Und wenn überhaupt nichts helfen will, so sollte uns wenig­stens die Schande berühren, die uns dazu in anderen Ländern anhaftet. Gerade der bewußten Angelegenheit wegen haben andere Nationen — besonders Italien — eine große Überheblich­keit und Feindseligkeit gegen uns. Sie nennen uns die „vollen Deutschen“. Denn daß sie mehr taugen, findet sich bei jenen, weil sie nicht derartig trunkene, volle Leute sind.“

Hier Luthers vollständige Predigt als pdf.

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