Wie wird man Christ? Was man dazu von Autofahrern lernen kann
Wie wird man Christ? Für Menschen gerade in Süddeutschland ist dies weithin eine unverständliche Frage. Wir – zumindest als Einheimische – sind doch alle irgendwie christlich und mehrheitlich staatlich registrierte Mitglieder einer Kirche. Das Christsein scheint uns in die Wiege gelegt worden zu sein: Als Christ gilt gemeinhin, wer in eine christlichen Familie geboren worden ist und damit quasi die Christlichkeit mit der Muttermilch eingesogen hat. Und sollte das Christsein inhaltlich benannt werden, ist von einem allgemeinen Glauben an Gott und von christlichen Werten die Rede.
Wie wird man Autofahrer? Obwohl bei uns die meisten von Eltern abstammen, die selbst einen Führerschein besitzen, macht niemand einen Geburtsstatus als Autofahrer geltend. Das Autofahrersein ist uns nicht angeboren. Stattdessen lassen sich Schritte des Autofahrerwerdens aufzählen, angefangen von der Mitfahrt im Kindersitz auf der Rückbank, die eigene Teilnahme am Straßenverkehr als Fußgänger, als Rollerfahrer oder als Radfahrer, die kostspieligen Fahrstunden, die aufregende Führerscheinprüfung und schließlich der eigene Autokauf. Einen Autofahrer macht dessen Fähigkeit aus, ein Automobil eigenhändig und verkehrsgerecht zu steuern, wobei sich diese Kompetenz wiederum in Fähigkeiten wie Starten, Schalten, Bremsen, Beschleunigen, Abbiegen oder Überholen unterteilen lässt. Ein Autofahrer hat dies alles gelernt hat, kann dies alles und tut dies alles immer noch.
Über das Autofahrersein dürften wir uns einig sein. Es bedarf dazu bestimmter, eingeübter und praktizierter Fähigkeiten. Andernfalls würde man sich wohl kaum als Mitfahrer einem anderen Menschen in dessen Auto anvertrauen. Wenn hingegen von einem Christsein die Rede ist, bleiben dessen besonderen Fähigkeiten meist unberücksichtigt. Stattdessen wird in unserer bürgerlichen Gesellschaft Christsein als kulturell geprägte und demzufolge „unpraktische“ Weltanschauung angesehen.
Als Weltanschauung vermag einem das Christsein nicht auf Dauer einzuleuchten. Wie beim Schaltkreis einer Batterie mit einem Glühlämpchen leuchtet es sich bei abnehmender Lebensspannung sukzessive aus und erlischt schließlich ganz. Spätestens im Tod steht man damit vor dem Nichts.
Christsein ist keine autistische Weltanschauung, sondern dynamische Lebensverbindung mit dem dreieinigen Gott. Ein Christ vertraut sich mit Leib und Seele Jesus Christus als Herrn und Heiland auf dessen Wiederkunft hin an. Er vermag die Dinge des eigenen Lebens wie auch das Geschehen in der Welt mit dem einen Gott und Vater Jesu Christi vertrauensvoll, aber auch klagend in Beziehung zu setzen. Und schließlich lässt er sich durch den Heiligen Geist von der Gemeinschaft der Kirche einnehmen und zu eigenem Lobpreis und Zeugnis bewegen.
In der Lebensspannung des Glaubens weist sich ein Christ durch sieben Fähigkeiten aus:
- Er weiß alltägliche Gespräche mit dem Gott zu führen, also in Jesu Namen zu beten und zu bitten „wie die lieben Kinder ihren lieben Vater“ (Luther).
- Er kann den dreieinige Gott mit eigenen Worten loben und preisen und sich dabei mit Herz und Sinnen in die Gottesherrschaft einstimmen.
- Er vermag Gottes Wort in der Bibel als persönlichen Zuspruch und Anspruch zu lesen.
- Er kann sich auf die Gemeinschaft mit anderen Christen in der Kirche einlassen, mit ihnen regelmäßig Gottesdienst feiern sowie das Sakrament des Altars empfangen.
- Er kann im Spiegel der göttlichen Gebote eigene Verfehlungen und Sünden offen vor dem dreieinigen Gott, vor Mitchristen, aber auch vor anderen Mitmenschen eingestehen und im Vertrauen auf Christi Hingabe am Kreuz um Vergebung bitten.
- Er kann anderen Menschen leiblich und seelisch mit dem dienen, was er selbst aus seiner Lebensbeziehung zu Christus empfängt, ohne sich dabei zu verausgaben.
- Er kann anderen Menschen gegenüber seine Lebensbeziehung zu Jesus Christus zur Sprache bringen und ihnen damit das Evangelium bezeugen.
Christsein zeigt sich in diesen sieben Fähigkeiten. Mit deren Praxis wird die Lebensspannung des christlichen Glaubens regeneriert, und es kommt zum Vorschein, was Christus seinen Jüngern in der Bergpredigt aufgetragen hat: „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Matthäus 5,16)

„Wie wird man Christ?“ ist eine zeitlos gültige Frage gerade für Christen. Im eigenen Christsein sind wir niemals mit uns selbst fertig, sondern nur gerechtfertigt – im Glauben an die Selbsthingabe Christi für uns. Unser Christsein bleibt im Werden. Dazu heißt es im Brief des Apostel Paulus an die Epheser:
Christus soll durch den Glauben
in euren Herzen wohnen.
Und ihr sollt in der Liebe verwurzelt bleiben
und unerschütterlich an ihr festhalten.
Sie in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe zu erfassen –
dazu sollt ihr befähigt werden
zusammen mit allen Heiligen.
Und ebenso dazu,
die Liebe von Christus zu erkennen,
die alle Erkenntnis übersteigt.
So werdet ihr Anteil bekommen
an der Gegenwart Gottes, die alles erfüllt.
(Epheser 3,17-19 Basisbibel)