In der jüngsten Ausgabe des Deutschen Pfarrerblattes ist von Eberhard Feucht folgende Rezension zu meinem Buch erschienen:
Jochen Teuffel, Im Angesicht der Katastrophe. Öffentliche Trauer- und Bittgottesdienste. Elemente, Modelle, Materialien, Gütersloher Verlagshaus 2012 (ISBN 978-3-579-05869-6), 224 S., 19,90€
Im Angesicht der Katastrophe ist es schwer, das Unbegreifliche auszuhalten und Menschen in angemessener Weise geistlich zu begleiten. Und es ist eine Herausforderung besonderer Art, unter dem Eindruck des Geschehenen öffentliche Trauer- und Bittgottesdienste zu gestalten. Dies habe ich selbst nach dem Amoklauf von Winnenden erlebt. Vor diesem Hintergrund habe ich die Veröffentlichung von Teuffel mit großem Interesse gelesen.
Anlass für dieses Buch war die Tsunami-Katastrophe vom März 2011 in Japan und die damit verbundene gottesdienstliche Herausforderung in der Gemeinde des Autors. Schon im Vorwort macht Teuffel deutlich: »Wo eine Katastrophe scheinbar unaufhaltsam um sich greift, wird auch für Pfarrerinnen und Pfarrer die eigene Lebensangst zum Thema« (9).
Im ersten Teil des Buches stellt Teuffel grundlegende systematisch-theologische Überlegungen zum liturgischen Handeln und zur theologisch verantwortlichen Rede von Gott an. »Im Raum der Kirche vollzieht sich der Aufstand des Gebets gegen die Katastrophe« (14). Für Teuffel soll dies in Anlehnung an eine, kirchliche Agende in Abgrenzung zu einer zivilreligiösen Agenda geschehen. Der Klage kommt dabei eine wichtige Aufgabe zu: »Wer dem Gott klagen kann, bewahrt sich seine Leidensempfindlichkeit – er muss nicht eigenes noch fremdes Leid verdrängen, um weiterleben zu können … Im Angesicht der Katastrophe darf kein Gottesdienst klaglos gefeiert werden, will er nicht in einem Gebetsautismus oder in ausweglosen Theodizeereflexionen enden« (28).
Kritisch setzt sich Teuffel ebenso mit einem schicksalhaften Vorsehungsglauben auseinander, wie mit dem Versuch »transzendenter Sinnstiftung«. Er stellt heraus, »im Angesicht der Katastrophe darf weder göttliche Lenkung geltend gemacht werden, noch darf sinnsuchend vom Katastrophengeschehen abstrahiert werden.« (39)
An Rede- und Predigtbeispielen entfaltet Teuffel, wie die christliche Verkündigung in [119] diesen Situationen nicht ohne die »apokalyptisch gebrochene Heilszusage« auskommt. Er lässt anschaulich werden, wie die apokalyptischen Bilder aus der Offb. auf dem Hintergrund von Unheilserfahrungen neu zur Sprache gebracht werden können. Bei der »Rede vom leidenden Gott« sieht Teuffel, bezugnehmend auf J.B. Metz, die Gefahr, dass so das konkrete Leiden der Menschen theologisch »entwichtigt« wird.
Ich selbst habe in Vorbereitung auf die Gottesdienste beim Amoklauf von Winnenden erlebt, wie wichtig in diesen Gottesdiensten die Fürbitten sind. Eine kritische und kontrovers diskutierte Frage war, ob es auch eine Fürbitte für den Täter und seine Angehörigen geben darf. Teuffel versteht die Fürbitten als Zumutungen im doppelten Sinne. »Die Gemeinde, die im Namen Jesu und in SEINER Geistesgegenwart zum HERRN betet, findet sich nicht schicksalsergeben mit dem Geschehen ab. Die Fürbitten sind vielmehr der christliche Aufstand gegen einen Schicksalsglauben«. (69) An Beispielen aus der Bibel und unserer Zeit wird dieses Gebetsverständnis anschaulich. Kritisch nimmt Teuffel auch kirchenamtliche Fürbitten, wie sie z.B. nach der Katastrophe von Japan vorgeschlagen wurden, in den Blick und sieht in diesen Beispielen mehr eine innere Stärkung als eine angemessene Form, die ganze Fragwürdigkeit der Katastrophe in den Blick zu nehmen. Teuffel bleibt nicht bei der Kritik stehen, er entfaltet in elf Regeln, was er unter »gottangehender Fürbitte« versteht.
Ein eigenes Kapitel widmet er dem Raum, der Frage der angemessenen Paramente sowie der symbolischen Präsenz der Katastrophe. An Beispielen zeigt er, wie hier »visuelle Enthaltsamkeit« einhergeht mit einer Symbolsprache, die dem Geschehenen gerecht wird. Die Entzündung von Kerzen für die Verstorbenen gehört mit zur stärksten symbolischen Handlung in einem Trauergottesdienst und bedarf daher auch in Vorbereitung und Ausführung einer besonderen Sorgfalt. Dasselbe gilt auch für die Auswahl der Lieder.
Praxisnah und verschiedenen Anlässen gemäß finden sich im 2. Teil der Veröffentlichung liturgische Texte, Gebete und konkrete Hilfen für die Gestaltung von konfessionsübergreifenden Gottesdiensten.
Mich beeindruckt an dieser Veröffentlichung die theologisch fundierte und kritische Aufarbeitung kirchlichen Handelns angesichts von Katastrophen. Diese basiert auf der Grundlage einer Theologie, die das Leid nicht sinnstiftend verklärt, sondern ihm standhält und in einer vom Unbegreiflichen gezeichneten Wirklichkeit dennoch theologisch sprachfähig bleibt.
Quelle: Deutsches Pfarrerblatt, Heft 2/2013, 113. Jahrgang, Seite 118f.
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