Emmanuel Lévinas, Der Name Gottes nach einigen talmudischen Texten (Le Nom de Dieu d’après quelques textes talmudiques, 1969): „Das Tetragramm – der ‚ausdrückliche‘ Name (Schem Hameforasch) – besitzt ein besonderes Vorrecht. Es besteht in der merkwürdigen Bedingung, dass er niemals ausgesprochen werden darf (außer wenn der Hohepriester am Versöhnungstag, dem sogenannten ‚Jom Kippur‘, ins Allerheiligste tritt – was im nachexilischen Judentum bedeutet: nie). Der Name Adonai – der wiederum nicht vergeblich ausgesprochen werden darf – ist der Name des Tetragramms. Der Name hat einen Namen! Der Name zeigt sich und verbirgt sich zugleich. Es ist notwendig, dass das Eintreten in den Bedeutungszusammenhang immer zugleich auch ein Rückzug (eine Anachorese) oder eine Heiligkeit ist; notwendig, dass die Stimme, die im Sprechen ertönt, auch die Stimme ist, die sich zurücknimmt oder schweigt. Der Eigenname kann diese Modalität haben. Er ist ein Name, der dem, was er bezeichnet, ‚anhaftet‘, ganz anders als der Gattungsname, der durch das Sprachsystem erhellt eine Art oder Klasse bezeichnet, aber nicht ‚haftet‘, sondern den Einzelnen in die Gleichgültigkeit des Allgemeinen einschließt, sozusagen. Der Eigenname, nahe dem Benannten, steht in keiner logischen Beziehung zu ihm und ist daher – trotz dieser Nähe – eine leere Hülle, eine permanente Zurücknahme dessen, worauf er verweist, eine Entleibung dessen, was sich durch ihn verkörpert. Durch das Verbot, ausgesprochen zu werden, bleibt er in diesem Dazwischen: ein Tetragramm, das nie so ausgesprochen wird, wie es geschrieben ist.“

Der Name Gottes nach einigen talmudischen Texten (Le Nom de Dieu d’après quelques textes talmudiques, 1969) Von Emmanuel Lévinas 1. … Mehr