Romano Guardini, Gebet in der währenden Stunde: „Heiliger Geist, / zu uns gesendet, / weilend bei uns, wenn auch leer die Räume hallen, / als seiest Du fein. / In Deine Hand sind die Zeiten gegeben. / Im Geheimnis des Schweigens waltest Du / und wirst alles vollenden.“

Gebet in der währenden Stunde

Von Romano Guardini

Lebendiger Gott, wir glauben an Dich.
Lehr uns die Stunde verstehen, in der es ist,
als habest Du uns verlassen.
Du. dessen Treue die Ewigkeit ist,
als seiest Du nicht,
Du, der uns seinen Namen genannt:
Der da ist.
Lebendiger Gott, wir glauben an Dich.
Gib uns Stärke auszuharren,
wenn alles wesenlos wird.

Allmächtiger Vater.
der Du lebst,
Herr, in Dir selbst, keines Dinges bedürfend.
Ewig frei hast Du die Welt erschaffen,
denn ihrer bedarfst Du nicht.
Sie ist, weil Du willst, daß sie sei,
Deiner Gedanken voll.
Den Ratschluß, dem sie entsprungen,
weiß kein irdischer Sinn.
Aber der Offenbarer, der Sohn,
hat uns das Wort gegeben, das Liebe heißt.
Deine, o Vater, keines irdischen Herzens Liebe.
Wir glauben an Dich, denn was uns Welt heißt,
es ist Dein Werk.
Du hast es erdacht. Du hast gewollt, daß es sei,
und Dauer hat es und Glanz durch Dich allein.
Alles lenkest Du. auch unser kleines Leben.
Lenkst es in Deines lautlosen Waltens Geheimnis.
Auf Deine Liebe müssen wir trauen allein.
Doch Deine Großmut will unsrer bedürfen.
Du hast Deine Welt in unsre Hand gegeben,
willst, wir sollen Deine Gedanken denken,
in Deinen Ordnungen wirken.

Christus Jesus,
Erlöser der Welt,
heimgegangen zum Vater, da alles vollendet war.
Du sitzest zu seiner Rechten
auf dem Throne der Herrlichkeit,
wartend der Stunde,
in welcher Du wiederkehrest in Macht,
die Lebenden und die Toten zu richten.
Wir glauben an Dich.
Lehr uns, den einsamen Glauben zu leisten,
den die Stunde von uns verlangt,
da Dein Licht nicht zu leuchten scheint.
und leuchtet doch, mächtiger im Dunkel als je.
In Deiner Liebe Geheimnis, in Deinem Gehorsam,
groß wie des Vaters Gebot,
hast Du alles erlöst.
Laß Deine Liebe an uns nicht vergeblich sein.

Heiliger Geist,
zu uns gesendet,
weilend bei uns, wenn auch leer die Räume hallen,
als seiest Du fein.
In Deine Hand sind die Zeiten gegeben.
Im Geheimnis des Schweigens waltest Du
und wirst alles vollenden.
Also glauben und warten wir auf die kommende Welt.
Lehr uns warten in Hoffnung.
An der kommenden Welt gib uns Teil,
daß wahr an uns werde die Verheißung der Herrlichkeit.

Quelle: Werner Becker (Hrsg.), Romano Guardini. Ein Gedenkbuch mit einer Auswahl aus seinem Werk, Leipzig: St. Benno, 1970, S. 28-30.

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