Martin Luther, Brief an den Kurfürsten Johann den Beständigen zur Visitation vom 30. November 1525: „Da aber Eure Gnaden gnädigerweise um meinen Rat bitten, wie dies am besten zu bewerkstelligen sei, so will ich in aller Untertänigkeit meine Meinung äußern: Es wäre gut, wenn Eure Kurfürstliche Gnaden eine allgemeine Visitation aller Pfarreien im ganzen Fürstentum anordnen würden. Und wo man fände, dass die Gemeindemitglieder gerne evangelische Prediger hätten, aber die örtlichen Einkünfte zur Versorgung dieser Prediger nicht ausreichten, da sollte auf Befehl Eurer Gnaden die Gemeinde – sei es vom Rathaus aus oder anderweitig – verpflichtet werden, jährlich einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Denn wenn sie einen Pfarrer wünschen, so ist es Amt und Pflicht der Obrigkeit, dafür zu sorgen, dass der Arbeiter auch seinen Lohn empfängt – wie es das Evangelium lehrt“

Brief an den Kurfürsten Johann den Beständigen zur Visitation vom 30. November 1525

Von Martin Luther

Gottes Gnade und Friede in Christus!

Durchlauchtigster, hochgeborener Fürst, gnädigster Herr!

Eure Kurfürstliche Gnaden haben mir auf mein Anregen geantwortet, die Pfarrstellen im Land besser auszustatten. Nun ist es keineswegs meine Meinung gewesen, dass alle Pfarrstellen unter die Verwaltung der kurfürstlichen Kammer gestellt werden sollten.

Da aber Eure Gnaden gnädigerweise um meinen Rat bitten, wie dies am besten zu bewerkstelligen sei, so will ich in aller Untertänigkeit meine Meinung äußern: Es wäre gut, wenn Eure Kurfürstliche Gnaden eine allgemeine Visitation aller Pfarrstellen im ganzen Fürstentum anordnen würden. Und wo man fände, dass die Gemeindemitglieder gerne evangelische Prediger hätten, aber die örtlichen Einkünfte zur Versorgung dieser Prediger nicht ausreichten, da sollte auf Befehl Eurer Gnaden die Gemeinde – sei es vom Rathaus aus oder anderweitig – verpflichtet werden, jährlich einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Denn wenn sie einen Pfarrer wünschen, so ist es Amt und Pflicht der Obrigkeit, dafür zu sorgen, dass der Arbeiter auch seinen Lohn empfängt – wie es das Evangelium lehrt (vgl. Matthäus 10,10 und Lukas 10,7).

Eine solche Visitation könnte so durchgeführt werden, dass Eure Gnaden das Fürstentum in vier oder fünf Bezirke einteilen und in jeden Bezirk zwei Personen – etwa aus dem Adel oder aus den Amtsleuten – entsenden, um dort die Pfarrverhältnisse und Einkünfte zu prüfen und festzustellen, was der jeweilige Pfarrer benötigt. Diese Männer könnten sodann Vorschläge zu einer angemessenen jährlichen Unterstützung machen.

Falls der Aufwand oder die Kosten für Eure Gnaden zu groß wären, könnte man auch geeignete Bürger aus den Städten heranziehen oder die Landschaft (also die Landstände) anweisen, aus ihren Reihen einige angesehene Städte zu benennen, mit denen man das Vorhaben gemeinsam durchführen könnte. Doch möge geschehen, was Euren Gnaden am besten gefällt.

Gleichzeitig sollte auch auf die alten oder sonst untauglichen Pfarrer geachtet werden: Wenn sie fromm sind und dem Evangelium nicht entgegenstehen, sollte man sie – falls sie nicht selbst predigen können – dazu verpflichten, entweder die Evangelien mit Hilfe der Postille (Predigtsammlung) selbst zu lesen oder lesen zu lassen. So würde das Volk dennoch recht im Evangelium unterwiesen, was angemessen ist, da es diese Pfarrer auch weiterhin ernährt. Es wäre nicht gut, diese älteren Pfarrer einfach abzusetzen, wenn sie dem Evangelium nicht feindlich gesinnt sind, zumal ihnen bisher kein Fehlverhalten nachgewiesen wurde.

Dies, gnädigster Herr, wollte ich Euch auf Euer Verlangen hin in aller Untertänigkeit anzeigen.

Gott befohlen, Amen.

Wittenberg, am Donnerstag nach St. Andreas,
den 30. November im Jahr 1525.

Eurer Kurfürstlichen Gnaden
untertäniger
Martin Luther

WA.Br 3, Nr. 950, S. 628f.

Hier der Text als pdf.

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