Walter Benjamins Wiedergabe einer Gesprächserinnerung Max Brods an Franz Kafka in Sachen Hoffnung: „›Oh nein‹, meinte er, ›unsere Welt ist nur eine schlechte Laune Gottes, ein schlechter Tag.‹ – ›So gäbe es außerhalb dieser Erscheinungsform Welt, die wir kennen, Hoffnung?‹ – Er lächelte: ›Oh, Hoffnung genug, unendlich viel Hoffnung – nur nicht für uns.‹«“

Franz Kafka über die Hoffnung

Aus dem »Prozeß« läßt sich entnehmen, daß dieses Verfahren hoffnungslos für die Angeklagten zu sein pflegt — selbst dann hoffnungslos, wenn ihnen die Hoffnung auf Freispruch bleibt. Diese Hoffnungslosigkeit mag es sein, die an ihnen als den einzigen Kafkaschen Kreaturen Schönheit zum Vorschein bringt. Zumindest würde das sehr gut mit einem Gesprächsfragment übereinstimmen,das durch Max Brod überliefert wurde. »Ich entsinne mich«, schreibt er, »eines Gesprächs mit Kafka, das vom heutigen Europa und dem Verfall der Menschheit ausging. ›Wir sind‹, so sagte er, ›nihilistische Gedanken, Selbstmordgedanken, die in Gottes Kopf aufsteigen.‹ Mich erinnerte das zuerst an das Weltbild der Gnosis: Gott als böser Demiurg, die Welt sein Sündenfall. ›Oh nein‹, meinte er, ›unsere Welt ist nur eine schlechte Laune Gottes, ein schlechter Tag.‹ – ›So gäbe es außerhalb dieser Erscheinungsform Welt, die wir kennen, Hoffnung?‹ – Er lächelte: ›Oh, Hoffnung genug, unendlich viel Hoffnung – nur nicht für uns.‹«

Quelle: Walter Benjamin, Franz Kafka. Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages [1934], in: Gesammelte Schriften, Bd. II/1, hrsg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1977, S. 413f.

Hier der Text als pdf.

Und hier Max Brod, Der Dichter Franz Kafka (1921)

Ich erinnere mich eines Gesprächs mit Kafka, das vom heutigen Europa und dem Verfall der Menschheit ausging. „Wir sind“, so sagte er, „nihilistische Gedanken, Selbstmordgedanken, die in Gottes Kopf aufsteigen“. Mich erinnerte das zuerst an das Weltbild der Gnosis: Gott als böser Demiurg, die Welt sein Sündenfall. „O nein,“ meinte er, „unsere Welt ist nur eine schlechte Laune Gottes, ein schlechter Tag.“ — „So gäbe es außerhalb dieser Erscheinungsform Welt, die wir kennen, Hoffnung?“ — Er lächelte: „Oh, Hoffnung genug, unendlich viel Hoffnung, — nur nicht für uns.“

Quelle: Die Neue Rundschau 32, Heft 11 (1921), S. 1210-1216. 1213

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