Gerlind Schwöbel über Katharina Staritz (1903-1953): „Am 4. März 1942 wurde Katharina Staritz in Marburg von der Gestapo verhaftet. Jochen Klepper, ein in der Bekennenden Kirche aktiver, selbst mit einer jüdischen Frau verheirateter Theologe, mit dem Katharina Staritz vom Studium her befreundet war, hielt in seinem Tagebuch Unter dem Schatten deiner Flügel die Stationen ihrer Haft fest: Marburg, Kassel, das Arbeitshaus Breitenau und schließlich das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.“

Katharina Staritz

Geb. 25. 7. 1903 in Breslau; gest. 3.4. 1953 in Frankfurt/Main

Von Gerlind Schwöbel

»Die Staritze mögen die Juden getrost zum Kirchgang abholen, denn was von Deutschen zu halten ist, die sich mit Juden auf der Straße zeigen, hat Dr. Goeb­bels hinreichend deutlich ausge­drückt. Ja, niemand würde die Verfasserin ernstlich daran hin­dern wollen, sich selbst einen Judenstern auf den asketischen Busen zu heften, und noch lie­ber sähen wir es, wenn sie und ihresgleichen demnächst auch mit den Juden in das harrende östliche Kanaan abzögen.« So schrieb im Dezember 1941 ein SS-Blatt unter der Überschrift »Frau Knöterich als Stadtvikarin« über Katharina Staritz.

Katharina Staritz hatte nach der Judensternverordnung, die am 5. September 1941 im Reichsgesetzblatt veröffentlicht worden war, als Stadtvikarin in Breslau einen Hilferuf an ihre Amtsbrüder gesandt mit der Bitte, sich in besonderer Weise der »nicht­arischen Christen« anzunehmen. Dieser Brief gelangte in die Öffentlichkeit und Katharina Staritz wurde bei der Gauleitung angezeigt, vom Vorstand der Schlesischen Kirche als Stadtvikarin suspen­diert und aus Breslau ausgewiesen.

Katharina Staritz wurde am 25. Juli 1903 in Breslau geboren. Ihr Vater, Carl Staritz, unterrichtete Naturwissenschaften am Gymnasium St. Maria Magdalena, die Mutter, Margarete geb. Ismer, stammte aus einer schlesischen Gutsbesitzersfamilie. Die Eltern be­mühten sich, Katharina Staritz und ihrer sieben Jahre jüngeren Schwester Charlotte eine umfassende Erziehung zu geben. Nach dem Abitur 1922 wollte Katharina Staritz Theologie zu studieren, doch ihre Eltern ließen es nicht zu. So nahm sie in Breslau zunächst das Studium der Germanistik auf, wechselte aber 1926 an die theologische Fakultät Marburg zu Professor Hans von Soden, der durch seine Kritik am späteren kirchlichen »Arierpara­graphen« bekannt wurde. Durch v. Soden und ihre großen schon in Breslau erworbenen Kenntnisse in orientalischen Sprachen wurde Katharina Staritz wach für die Frage nach den Juden als dem Gottesvolk der Bibel. 1928 legte sie das Erste Theologische Examen vor der Marburger Theologischen Fakultät ab und erwarb gleichzeitig den »Licentiaten der Theologie« mit einer Arbeit bei Hans von Soden über das Thema Augustins Schöpfungsglaube. Am 6. November 1938, drei Tage vor dem großen Judenpogrom, wurde Katharina Staritz in der St. Maria-Magdalenenkirche in Breslau ordiniert. Die schlesische Landeskirche ge­hörte zur »Altpreußischen Union«, in der bereits seit 1927 Frauen ordiniert wurden. Sie erhielten die Berechtigung zum Predigtdienst und zur Sakramentsverwaltung, auch wenn ih­nen diese Rechte oft verweigert wurden.

Katharina Staritz engagierte sich also als »Stadtvikarin« in Breslau. Neben der Seelsorge in der Kinderklinik und der Tätigkeit im Arbeiter­vorort Oswitz erhielt sie den Auftrag, in Lehrstunden Men­schen zum Eintritt in die evangelische Kirche vorzubereiten. Dabei begegnete sie Juden, mit denen sie sich ins Studium des Alten Testaments vertiefte. Breslau hatte zu jener Zeit eine große jüdische Gemeinde, deren Synagoge am 9. November 1938 niederbrannte. Um Juden zu schützen, hatte die Be­kennende Kirche (der gegenüber dem Nazi-Regime kritisch eingestellte Teil der evangelischen Kirche) schon vorher die »Hilfsstelle für nichtarische Christen« ins Leben gerufen, nach ihrem Leiter kurz »Büro Grüber« genannt. Ihr Hauptsitz war in Berlin, eine der zahlreichen Außenstellen befand sich in Bres­lau, deren Leitung Katharina Staritz erhielt. Ihre eigene Wohnung in der Wagnerstraße 7 wurde zur Zufluchtsstätte für die Verfolgten. Gauleiter Karl Hanke, der später die Verhaftung von Katharina Staritz veran­laßte, wohnte nur zwei Straßen weiter.

Als dann 1940 Pfarrer Heinrich Grüber selbst ins KZ ver­schleppt wurde, zuerst nach Sachsenhausen, dann nach Dachau, mußte die Tätigkeit des Hilfsbüros noch konspirativer erfolgen. Es fanden sich nur noch wenige Helfer, darunter Katharina Staritzs Schwester Charlotte. Trotzdem gelang es Katharina Staritz, zahlreiche Juden so lange zu verbergen, u.a. in Heimen der Inneren Mission, bis sie in die USA vor allem ausreisen konnten. Am 4. März 1942 wurde Katharina Staritz in Marburg von der Gestapo verhaftet. Jochen Klepper, ein in der Bekennenden Kirche aktiver, selbst mit einer jüdischen Frau verheirateter Theologe, mit dem Katharina Staritz vom Studium her befreundet war, hielt in seinem Tagebuch Unter dem Schatten deiner Flügel die Stationen ihrer Haft fest: Marburg, Kassel, das Arbeitshaus Breitenau und schließlich das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Nach vielen zu­nächst vergeblichen Eingaben, besonders von seiten ihrer Schwester Charlotte, die damit bis zu Adolf Eichmann ge­langte, wurde man auf Katharina Staritz aufmerksam. Schließlich war es der Breslauer Paul Graf Yorck von Wartenburg, Bruder des nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten Widerstandskämpfers Peter Yorck von Wartenburg, der in Verhandlungen mit Gauleiter Hanke erreichte, daß die Nationalsozialisten Katharina Staritz am 18. Mai 1943 probeweise aus dem KZ entließen. Sie erhielt die Auflage, sich wöchentlich zweimal bei der Polizei zu melden und durfte nicht in der Öffentlichkeit auftreten. Im Januar 1945, als Adolf Hitler Breslau zur Festung erklärt hatte, gelang ihr im all­gemeinen Wirrwarr die Flucht. Sie kehrte nach Marburg zurück und konnte durch Vermittlung von Professor von Soden in der Kurhessischen Kirche Dienst tun.

Nach Kriegsende erhielt Katharina Staritz Vertretungsaufträge in Gemeinden, deren Pfarrer noch in Kriegsgefangenschaft waren, zuletzt in Albertshausen bei Bad Wildungen, wo sie als erste Frau auf die Kanzel trat. 1950 wurde sie Vikarin für die Frauenarbeit in allen Frankfurter Gemeinden – die erste Vikarin in der Evan­gelischen Kirche von Hessen und Nassau -, gleichzeitig bekam sie einen Predigt- und Seelsorgeauftrag in der St. Katharinen­gemeinde in der Frankfurter Innenstadt.

Da Katharina Staritz nie von ihrer Haft im Dritten Reich sprach, wußte man selbst in der weiteren Verwandtschaft nichts davon. Erst kurz vor ihrem Tod diktierte sie ihrer Schwester ihre Erinnerungen aus der Gefangenschaft in Ravensbrück mit dem Titel Des großen Lichtes Widerschein.

Schwöbel, G.: »Ich aber vertraue – Katharina Staritz, eine Theologin im Widerstand. (2. Aufl.) Frankfurt/Main 1993.

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