„Werden“-Zukunft versus ankommende Zukunft: „Dass diese göttliche Zukunft als Ankunft erwartet werden kann, braucht eine Rückbindung in der gegenwärtigen irdischen Wirklichkeit. Wenn in der christlichen Lehre von der Wiederkunft Christi die Rede ist („von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und Toten“ – Glaubensbekenntnis), verweist dies auf das Evangelium, also auf das Kreuz- und Auferstehungsgeschehen Jesu Christi.“

Zukunft als genetische Entwicklung („Werdende“) und adventliche Apokalypse („Kommende“)

Wenn es um das deutsche Wort „Zukunft“ geht, sind damit zwei gegenläufige Aspekte bezüglich der über die Gegenwart hinausreichenden Zeit benannt.

1. „Werden“-Zukunft

Zum einen bedeutet Zukunft „Futurum“ als das, was werden (fieri, futurus esse) kann. Aus Dagewesenem bzw. Da-Seiendem wird werden … Dieses Werden lässt sich auch mit dem Schema der Entwicklung verbinden: Aus gegenwärtiger Potentialität bzw. genetisch angelegten Möglichkeiten können sich die Dinge weiterentwickeln kann, gleichsam wie eine Pflanze aus einem Saatgut erwächst. Für Entwicklung (bzw. Evolution) und Wachstum gilt, dass sich in einem Zeitkontinuum etwas Vorhandenes bzw. Gegenwärtiges prozesshaft verändert und dabei erkenntlich bleibt. Aus der Vergangenheit entwickeln sich Dinge in der Gegenwart auf die Zukunft hin. Man versucht „zukünftige“ Zustände erkenntnismäßig bzw. prognostisch vorwegzunehmen, sie also zu antizipieren.

Die menschliche Hoffnung besteht darin, dass sich in einem Werden, Entwickeln bzw. Fortschritt neue Zustände ergeben, die sowohl gesellschaftlich wie auch individuell als gut bzw. besser beurteilt werden.

Gesellschaftlich bzw. weltgesellschaftlich treten bei einer „Werden“-Zukunft drei Leitbegriffe in den Vordergrund – Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung:

  1. In Sachen Gerechtigkeit werden das Verhältnis von arm und reich, die Verteilung von Gütern sowie die Chancengleichheit hinterfragt.
  2. Bezüglich Frieden richtet sich das Augenmerk auf innerstaatliche Konfliktherde, Bürger- und Bandenkriege, zwischenstaatliche Kriege sowie die atomare Bedrohung. Lassen sich Atomwaffen in friedenssichernder Weise unter einer Machtkontrolle halten oder können sich Terroristen deren Besitz verschaffen bzw. Diktatoren sie eigenmächtig einsetzen.
  3. Bezüglich der Bewahrung der Schöpfung gilt das Augenmerk des Umwelt- bzw. Naturschutzes, der Artenvielfalt. Das Bevölkerungswachstum und die Ressourcenbegrenzung stellen weitere Herausforderungen dar. Schließlich kommt auch noch der Klimawandel in den Blick.

Individuell bzw. familiär treten bei einer „Werden“-Zukunft eigenes Wohlergehen, Wohlstandsbewahrung, Erfolg, Gesundung und Weiterleben in den Vordergrund.

Eine „Werden“-Zukunft versteht sich als „säkular“, das heißt ohne göttliches Eingreifen bzw. göttliche Präsenz. Die Wirklichkeit durch Naturgesetze determiniert. Progressive Veränderungen werden einem individuellen bzw. kollektiven Bewusstseinswandel zugeschrieben.

2. Ankommende Zukunft

Im Wort „Zukunft“ ist der zweiter Zukunftsaspekt enthalten: „Kunft“ als Nomen bezieht sich auf „kommen“. Zukunft wird nicht, sondern kommt als das Nicht-Dagewesene zu. Zukunft will demzufolge auf eine Ankunft (adventus) hin erwartet sein, so als stünde man an einem Bahnsteig und erwarten die Ankunft eines Zuges, der noch nie dagewesen ist. Das Neue ergibt sich nicht aus dem Gewesenen, sondern kommt uns zu.

Aus bzw. in der Zukunft kommt eine Wirklichkeit entgegen, die sich der gegenwärtigen Situation annimmt, sie vereinnahmt. Man könnte auch von einer Gegenwirklichkeit sprechen, die sich eben nicht aus Bestehendem ergibt. „Ankommende Zukunft“ ist die Vorstellung, die sich mit dem religiösen Glauben an ein bzw. den Gott verbindet. Die christliche Apokalyptik ist im Wesentlichen die Ansage einer göttlichen Gegenwirklichkeit, die sich gegenwärtig in einer visionären Botschaft erschließt.

In 2.Petrus 3,1-13 kommt diese ankommende Zukunft zur Sprache. Sie lässt sich nicht aus der Gegenwart ableiten. Eigenen Zeitrechnungen gehen fehl. Analog zur urgeschichtlichen Sintflut (Genesis 6-8) ist vom Tag des Herrn als einer hereinbrechenden Wirklichkeit die Rede:

10 Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden nicht mehr zu finden sein. 11 Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, 12 die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ihm entgegeneilt, wenn die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen. 13 Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.

Die göttliche Zukunft zerbricht die gegenwärtige Wirklichkeit in einem „apokalyptischen“ Maße katastrophal. Dennoch lässt der „Tag des Herrn“ Menschen in eine unmittelbare Begegnung zu Gott bzw. Jesus Christus bringen. Die finale göttliche Zukunft zeigt sich als allumfassende Gottesgegenwart, die nach dem Weltgericht eine endgültige Neuschöpfung von Himmel und Erde und die Seligkeit der Geschöpfe bedingt.

Dass diese göttliche Zukunft als Ankunft erwartet werden kann, braucht eine Rückbindung in der gegenwärtigen irdischen Wirklichkeit. Wenn in der christlichen Lehre von der Wiederkunft Christi die Rede ist („von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und Toten“ – Glaubensbekenntnis), verweist dies auf das Evangelium, also auf das Kreuz- und Auferstehungsgeschehen Jesu Christi. Der zur Erlösung der Menschen von Sünde und Tod Gestorbene und Auferstandene ist derjenige, dessen Wiederkunft erwartet bzw. erhofft wird.

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