Georg Frölich Schrift „Ob eine weltliche Obrigkeit das Recht habe, in des Glaubens Sachen mit dem Schwert zu handeln“ war ein Gutachten, dass dieser als Kanzleischreiber im März 1530 für die Reichsstadt Nürnberg erstellt hatte. Wolfgang Huber, Mitherausgeber der Erlanger Spengler-Edition, konnte durch Handschriftenvergleiche und ergänzende Recherchen klären, dass Georg Frölich als Verfasser des Gutachtens anzusehen ist. Frölichs Schrift argumentiert konsequent mit der Zwei-Reiche-Lehre und hat als erstes reformatorisches Plädoyer für eine umfassende staatliche Religionstoleranz zu gelten. Er kommt jedenfalls dem Traktat „De Haereticis, an sint persequendi et omnino quomodo sit cum eis agendum, doctorum virorum tum veterum, tum recentiorum sententiae“, das Sebastian Castellio unter dem Pseudonym Martin Bellie 1553 geschrieben hatte, um mehr als zwanzig Jahre zuvor. Hier – zum ersten Mal – Frölichs Text in heutigem Deutsch:
Ob eine weltliche Obrigkeit das Recht hat, in Glaubenssachen mit dem Schwert zu handeln (Ob ein weltliche oberkeit recht habe, in des glaubens Sachen mit dem schwerdt zu handeln, 1530)
Von Georg Frölich
Es scheint kein Ende zu nehmen mit dem Würgen und Verjagen um des Glaubens willen. Die lutherischen Obrigkeiten wollen die Wiedertäufer und Sakramentierer nicht dulden, und die zwinglianischen Obrigkeiten wollen die Wiedertäufer auch nicht haben. Die Päpstlichen dagegen gehen mit Verbrennen, Würgen und Verjagen gegen Evangelische, Lutheraner, Zwinglianer, Wiedertäufer und alles, was nicht ihrem Glauben entspricht, vor.
Ich denke, dass die Päpstlichen keinen anderen Grund für dieses Vorgehen haben als ihr faules Recht. Diese sollte man lassen, wenn sie dabei bleiben und weder auf Gottes Wort noch auf Vernunft und Billigkeit achten wollen, wie Gott es zulässt.
Von den Obrigkeiten, die evangelisch, lutherisch oder zwinglianisch sind und sich anmaßen, Gottes Wort zu hören, ihm zu folgen und in keinem Punkt dagegen zu handeln, selbst wenn das päpstliche Recht zusammen mit dem kaiserlichen, das unter dem Papsttum geschaffen wurde, etwas anderes fordert (wie es ja auch sein sollte, dass alle Gesetze, Ordnungen und Bräuche Gottes Wort weichen), würde ich gerne hören, woher sie das Recht haben, den Glauben zu meistern, also diejenigen, die nicht ihrem Glauben angehören wollen, zu würgen oder ihnen Hab und Gut, Weib und Kinder zu nehmen und sie aus dem Land zu verbannen. Ich habe noch nichts anderes als ihre Willkür vernommen, denn sie sagen: Weil jeder Obrigkeit zusteht, sich in weltlichen Dingen, die Leib und Gut betreffen, um ihre eigenen Leute zu kümmern, damit ihnen kein Schaden widerfährt, sei es umso mehr ihre Pflicht, dies auch in geistlichen Dingen zu tun, wenn es um den Glauben und das höchste Gut geht, damit ihre Leute nicht vergiftet oder verführt werden.
Wenn man jedoch fordert, dass sie Schriftstellen vorweisen sollen, um diese Meinung zu bestätigen, so ist niemand zu Hause oder sie weisen uns auf das Alte Testament hin, wie die jüdischen Könige damals den von Gott befohlenen Dienst durchgeführt haben, den Abgöttern entgegenwirkten und die Götzen abgeschafft haben. Wenn man jedoch entgegnet, dass uns das Alte Testament oder das jüdische Gesetz nicht bindet und sie beweisen sollen, wo im Neuen Testament der weltlichen Obrigkeit befohlen ist, für den Glauben zu sorgen oder Ungläubige mit Gewalt oder dem Schwert zu bestrafen, dann scheitern sie.
Es ist ganz sicher wahr, dass das Alte Testament keinen Menschen mehr bindet, und wenn man sich in einem Punkt daran hält, als ob man es darum tun müsste, weil es im Alten Testament so geboten ist, wie wollen wir uns dann von den anderen Geboten lösen? Wenn eines notwendig wäre, wären alle notwendig, wie Paulus in Galater 5 klar sagt und gegen jene spricht, die die Beschneidung notwendig machen: „Wer sich beschneiden lässt, der ist verpflichtet, das ganze Gesetz zu halten.“ Darum müssen wir uns vom Alten Testament nicht vorschreiben lassen, sondern uns auf unser Neues Testament berufen.
Das Neue Testament spricht von zwei Reichen auf Erden, nämlich von einem geistlichen und von einem weltlichen. Das geistliche Reich ist das Reich Christi, in dem Christus König ist. Das weltliche Reich hat ebenfalls seinen König, nämlich den Kaiser und andere Obrigkeiten. So unterschiedlich wie jedes der beiden Reiche seinen König hat, so unterschiedlich hat es auch sein Zepter, sein Ziel und Ende. Das Zepter des geistlichen Reichs ist das Wort Gottes; das Ziel und Ende, wohin dieses Zepter leiten und bewegen soll, ist, dass sich die Menschen zu Gott wenden und nach diesem Leben selig werden. Das Zepter des weltlichen Reichs ist das Schwert; sein Ziel und Ende ist, dass äußerer Frieden erhalten bleibt.
Dass dies die richtige Aufteilung und Unterscheidung beider Reiche ist, zeigt sich deutlich im Neuen Testament. Christus und seine Amtsträger, die Apostel, halten sich genau an die Ordnung seines Reiches und regieren nichts anderes als mit ihrem Zepter, dem Wort Gottes. Mit diesem lehren, ermahnen und strafen sie die Menschen und sagen: „Wer es annimmt und glaubt, der wird selig, wer nicht will, der sei verdammt.“ Dies ist ihr Regiment, dabei belassen sie es, und damit erfüllen sie auch ihr Amt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie, wenn jemand ihre Lehre und Predigt nicht annahm, die weltliche Obrigkeit angerufen hätten, um jemanden zu ihrem Glauben zu zwingen oder ihn nicht zu dulden.
Ebenso findet man im gesamten Neuen Testament nirgends, dass eine weltliche Obrigkeit dafür gelobt wird, wenn sie so etwas selbst unternommen hat. Ja, Christus verbietet dies sogar, insbesondere in der Auslegung seines Gleichnisses vom guten Samen und Unkraut in Matthäus 13, wo er spricht: „Der gute Same sind die Kinder des Reichs, die Söhne des Menschensohnes. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit, die Söhne des Teufels. Die Ernte ist das Ende der Welt, die Schnitter sind die Engel.“ Er schließt daraus, dass man das Unkraut nicht ausreißen soll, damit man nicht auch den Weizen mit herausreißt. „Denn wie man das Unkraut ausreißt und mit Feuer verbrennt, so wird es auch am Ende der Welt geschehen: Der Menschensohn wird seine Engel senden, die alle Ärgernisse aus seinem Reich sammeln und diejenigen, die Unrecht tun, in den Feuerofen werfen.“ Daraus versteht man, dass Christus das Schwert oder die Ausrottung durch die weltliche Obrigkeit in seinem Reich nicht haben will, sondern bis zum Ende der Welt allein mit seinem Wort kämpfen will. Wie auch der Prophet Jesaja verkündet und spricht, Christus werde in seinem Reich mit dem Geist seines Mundes kämpfen und mit der Rute seiner Lippen – deutlich wird gesagt, Christus will kämpfen, nicht die weltliche Obrigkeit für ihn, mit dem Geist seines Mundes und der Rute seiner Lippen, nicht mit dem Schwert der weltlichen Obrigkeit. Dazu stimmt auch der Prophet Daniel, der sagt: Der Antichrist (das ist alles, was sich gegen den christlichen Glauben und die Lehre stellt) soll ohne Hand zerstört werden. Wer nun mit weltlicher Gewalt den rechten Glauben und die Lehre verteidigen und den falschen Glauben und die Lehre vertreiben will, der tut nichts anderes, als das gesamte Neue Testament und die Propheten zu verachten und zu verspotten. Gegen das, was Jesaja und Daniel sagen – dass Christus in seinem Reich mit dem Geist seines Mundes kämpfen wird und der Antichrist ohne Hand zerstört wird – behauptet er, der Geist des Mundes Christi tue es nicht und man müsse es mit der Hand ausrichten.
Weiterhin halten Christus und seine Apostel nicht nur die Ordnung seines Reiches, sondern lassen auch die weltliche Obrigkeit in ihrem Reich ganz unversehrt bestehen. Denn als einer zu Christus kam und ihn bat, er solle seinem Bruder befehlen, das Erbe mit ihm zu teilen, wies er ihn mit ernsten Worten zurück und sagte: „Mensch, wer hat mich zum Richter über euch gesetzt?“ Und vor Pilatus sprach er: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Auch lehrt er seine Jünger und spricht: „Die Könige der Welt herrschen, und die Großen nennt man gnädige Herren. Bei euch aber soll es nicht so sein.“ Daraus sieht man, wie Gott die beiden Reiche unterschieden haben will. Und da Christus bei seinem Reich bleibt und das weltliche Reich für sich bestehen lässt, obwohl er viel mächtiger ist als alle Kaiser und Könige, wie viel mehr sollte dann eine weltliche Obrigkeit sich um ihr eigenes Reich kümmern und Christus das Seine ungeregelt lassen!
Die Quintessenz ist also: Eine Obrigkeit, die ihr Amt ausüben und nicht weitergehen will als ihr aufgetragen ist, soll und muss die Lehre vom Glauben, wie man zu Gott kommt und selig wird, allein dem König Christus überlassen, der durch sein Zepter, das göttliche Wort, darüber urteilt und richtet, ob sie richtig oder falsch ist. Wie man dann auch offen sieht, dass Christus in seinem Reich beides tut: den rechten Glauben lehrt und den falschen verwirft, den Heiligen Geist ins Herz gibt und den Teufel austreibt, und beides tut er durch sein Zepter, das Wort, ohne eine weltliche Obrigkeit anzurufen, ihm dabei zu helfen. Darum steht es der Obrigkeit auch nicht zu, sondern sie soll ihr Zepter oder Schwert im weltlichen Reich gegen äußere Frevel einsetzen, wodurch jemand an Leib oder Gut geschädigt wird. In solchen Angelegenheiten soll das weltliche Schwert walten, und Gott hat es zu diesem Zweck eingesetzt. Aber um jemanden zu zwingen, diesem oder jenem Glauben anzuhängen, ist das Schwert nutzlos, und zuletzt muss man jedem die Wahl lassen: Wer nicht in den Himmel will, der soll in die Hölle zum Teufel oder zu seiner Mutter fahren.
Falls jedoch jemand sagt, dass dies zu schroff formuliert sei und es vielleicht eine türkische oder heidnische Obrigkeit geben könnte, die sich nicht um das Seelenheil ihrer Untertanen kümmert, aber eine Obrigkeit, die auch Christ ist, solle keineswegs so zusehen, wie ihre Untertanen durch falsche Lehren verführt werden, antworte ich: Zuerst wurde gesagt, dass Christus, der König im geistlichen Reich, nicht nur den rechten Glauben und den Heiligen Geist gibt, sondern auch den falschen Glauben und den Teufel austreibt. Wenn es nun so wenig recht ist oder sein kann, dass eine weltliche Obrigkeit durch ihr Schwert jemandem den rechten Glauben und den Heiligen Geist geben will, so wenig ist es auch recht oder möglich, mit dem Schwert falschen Glauben, Ketzerei oder den Teufel auszutreiben. Daraus folgt, dass die türkische, heidnische, christliche und päpstliche Obrigkeit gleiches Recht hat. Und es sind zwei Dinge – nämlich für oder gegen den rechten Glauben zu kämpfen –, die gleichermaßen falsch sind und eine Einmischung in das Reich Christi darstellen und Unruhen verursachen. Wenn jedoch eine Obrigkeit ein Christ sein und das Reich Christi fördern will, dann kann sie das persönlich tun, aber ihr Amt bleibt in beiden Fällen dasselbe. Und so wie es den Türken und Heiden nicht zusteht, mit ihrem Schwert in das Reich Christi einzugreifen, so steht es auch dieser Obrigkeit nicht zu, und noch viel weniger. Die Obrigkeit kann aber einen anderen Weg gehen, der dem Reich Christi angemessen ist, nämlich gute Prediger zu bestellen, die durch das Wort Gottes kämpfen. Ebenso, wenn sie selbst andere vom falschen Glauben zu Christus bringen will, soll sie im Reich Christi bleiben, sein Zepter, das Wort, benutzen und nicht in ihrem weltlichen Reich nach dem Schwert greifen.
Wenn jemand sagt: „Du redest lang und breit darüber, dass die Obrigkeit sich nicht in die Lehre vom Glauben oder Unglauben einmischen soll. Es entstehen jedoch viele Unruhen, wenn mehr als ein Glaube geduldet wird, was die Obrigkeit nicht ertragen kann.“ Dann antworte ich: Unruhen darf die Obrigkeit natürlich nicht dulden. Aber Unruhen, oder wenn noch Schlimmeres hinzukommt, sind kein Grund, Christus in sein Reich zu fallen und ebenfalls Unruhen zu stiften. Denn wenn Unruhen oder andere Verbrechen entstehen, ist das weder die Schuld des falschen oder rechten Glaubens oder der Glaubenslehre, sondern allein die der bösen Menschen, die sich sowohl unter dem christlichen als auch unter dem nichtchristlichen, rechten und falschen Glauben überall vermischen. Es ist bekannt, dass zur Zeit Christi und seiner Apostel, und auch zuvor zu den Zeiten der Propheten, die doch die rechte Glaubenslehre verkündeten, ebenfalls Unruhen entstanden, so dass sie selbst als Aufrührer bezeichnet wurden. Wäre es darum richtig gewesen, ihren Glauben und ihre Lehre vom Glauben zu vernichten?
Und was sage ich von alten Geschichten? Hat sich nicht in unserer Zeit der Bauernaufstand teilweise auch aufgrund des Evangeliums erhoben? Und damals hatte man in unseren Ländern noch nichts von Wiedertäufern gehört. Sollte man darum die Predigt des Evangeliums einstellen? Das sei ferne! Wenn aber ein Aufruhr entsteht oder jemand einen solchen inszenieren will, und dies durch Worte oder Taten erkennbar wird, sei es unter Christen, Wiedertäufern, Juden oder welchem Glauben auch immer, dann soll man diejenigen bestrafen, die es tun oder durch Worte oder Taten dazu anstiften oder es inszenieren. Die anderen jedoch, die einfach ihren rechten oder falschen Glauben ausüben und friedlich sind, soll man in Ruhe lassen und das Zepter des geistlichen Reiches, das Wort Gottes, unter ihnen regieren und kämpfen lassen.
Wenn jemand weiter sagt: „Soll man nicht eher eingreifen, bevor der Aufruhr offensichtlich ist oder man durch Worte oder Taten erkennt, dass jemand einen plant? Es wäre zu lange gewartet, denn solche Sekten treffen sich heimlich in Winkeln und halten ihre Dinge verborgen, so dass, bevor man ihre Taten und Wesen erkennt, der Aufruhr bereits begonnen hat und nicht mehr zu verhindern ist.“ Dann antworte ich: Wenn ein geschehener Aufruhr nicht Grund genug ist, den Glauben, unter dem er sich erhoben hat, auszurotten, wie oben beschlossen, so ist ein ungeschehener Aufruhr, vor dem man sich nur fürchtet, noch viel weniger Grund dafür. Der Großteil aller Menschen auf der Erde ist böse, und man muss sich immer vor dem Schlimmsten fürchten. Sollte man sie deswegen alle töten oder vertreiben, um diese Sorge loszuwerden? Nein, Gott erlaubt das der weltlichen Obrigkeit nicht, ebenso wenig erlaubt das Gesetz, jemanden aufgrund von Befürchtungen oder Vermutungen zu verurteilen oder zu bestrafen. Der weltlichen Obrigkeit ist aufgetragen, äußere Verbrechen zu bestrafen, wie sie sie in Worten oder Taten erkennt, und nicht heimliche Angelegenheiten oder das, was jemand denkt. Ja, es wäre auch zu schwer für sie, denn sie könnte sich genauso vor jemandem fürchten, der nichts Böses im Sinn hat, wie vor jemandem, der Böses plant.
Dazu, dass einige Sekten heimlich in Winkel kriechen, sieht man offen, dass dies nicht die Schuld der Sekten oder ihrer Anhänger ist, sondern der Obrigkeit, die sie nicht dulden will. Warum lassen sie den Glauben nicht im geistlichen Reich und unter ihrem König Christus und stellen ihre Kämpfe, Würgen und Vertreibungen um die Lehre des rechten oder falschen Glaubens ein? Dann würde jede Sekte lieber offen über ihren Glauben sprechen als heimlich im Winkel. Die Obrigkeit hätte auch mehr Grund, jemanden, der sich über seinen Glauben nicht scheuen müsste, offen zu reden, nicht heimlich in Winkel kriechen zu lassen. Sie könnte dann zu einem solchen sagen: „Da du deine Lehre nicht offen darlegen willst, sodass man sie prüfen und bewerten kann, ob sie richtig ist, so sollst du sie auch nicht heimlich im Winkel verbreiten oder das Land verlassen.“
Wenn man jedoch eine öffentliche Rede oder Lehre über den Glauben mit dem Schwert verbietet, dann treibt man die Menschen gewaltsam in den Winkel. Dabei entsteht neben der Glaubenslehre bald auch der Widerstand, dass die Bösen, die unwillig gegen die verfolgenden Obrigkeiten sind, anfangen, über Anschläge nachzudenken, wie sie ihre Lehre frei verbreiten und dabei ungestört bleiben können. So verursacht und fördert die Obrigkeit in gewissem Maße selbst die heimlichen Verschwörungen. Denn obwohl man sagen könnte, wenn jemand so fest in seinem Glauben wäre, dass er es öffentlich zeigen sollte und nicht heimlich in Winkel kriechen müsste, selbst wenn er dafür getötet würde, so ist das wahr und sollte auch so sein. Aber nicht jeder ist so vollkommen, dass er um seines Glaubens willen sterben kann, und doch drängt das Gewissen manchen dazu, dass er nicht einmal heimlich schweigen kann. Ja, wir sehen täglich, dass viele von uns, die doch die rechte Lehre haben, wenn sie an Orte kommen, wo ihre Lehre Widerstand erfährt, ebenfalls heimlich die Leute lehren und nicht so offen vor der Obrigkeit auftreten. Man sollte jedoch wegen solcher Schwächen die Lehre nicht verachten, sondern sie dennoch als recht betrachten und mit den Schwachen geduldig sein, bis sie stärker werden.
Die Sorge, dass ein Aufruhr zu plötzlich überhandnehmen könnte, zeugt von Kleinmut. Wenn sich bereits eine heidnische Obrigkeit damit zufriedengeben muss, dass sie nur offenkundige Vergehen bestrafen kann, die sie entweder offen sieht oder durch ausreichende Zeugenaussagen erfährt, warum sollte dann eine christliche Obrigkeit ihrem Gott nicht vertrauen, dass er sie schützt, solange sie nicht unrechtmäßig handelt oder gegen das Reich Christi verstößt? Sie sollte also niemanden bestrafen, außer diejenigen, bei denen offenkundige Vergehen bekannt sind, und die anderen in Ruhe lassen, solange nichts sicher ist. Ihr Trost soll in den Worten Christi liegen: „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.“ Nun erheben die Aufrührer das Schwert, obwohl es ihnen weder gegeben noch erlaubt ist. Deshalb wird Gott es durch das Schwert der Obrigkeit, das er gegeben und befohlen hat, gegen sie einsetzen und sie bestrafen. König Salomo warnt treu: „Mein Kind, fürchte Gott und den König und mische dich nicht unter die Aufrührer, denn ihr Untergang wird plötzlich kommen, und wer weiß um ihr Verderben?“ David sagt auch, dass Gott „diejenigen zerstreuen wird, die Lust zum Krieg haben“.
Eine jede Obrigkeit sollte auf diese Worte vertrauen und sich nicht so sehr vor niederträchtigen Leuten fürchten, dass sie sich an jemandem vergreift oder aus deren Willen heraus gegen das Reich Christi oder gegen Recht und Gewissen handelt.
Meines Erachtens – offen für Verbesserungen – sollte jede Obrigkeit, sei sie christlich oder heidnisch, nichts anderes tun, als für die Wahrung des äußeren Friedens zu sorgen und das Schwert in Glaubensfragen stecken lassen. In Glaubens- oder Sektensachen sollte sie getrost dem Rat des Gamaliels in Apostelgeschichte 5 folgen: „Ist dieser Plan oder dieses Werk von Menschen, wird es zugrunde gehen; ist es aber von Gott, so könnt ihr es nicht vernichten.“ Und wie der römische Statthalter Gallio in Apostelgeschichte 18 sagte: „Wenn es um ein Vergehen oder eine üble Tat ginge, dann würde ich es hören; geht es aber um Fragen von Worten, Namen und eurem Gesetz, so seht selbst zu. Ich habe nicht vor, darüber Richter zu sein“ und er trieb sie weg vom Richterstuhl. So kann auch eine Obrigkeit sagen, wenn es zu Glaubensstreitigkeiten kommt: „Sie haben das Wort Gottes und seine Lehrer und Predigten, wollen sie diese nicht hören, so werden sie auch nicht gläubig werden, selbst wenn ich täglich eine ganze Menge verjagen oder töten würde.“
Wie könnte eine Obrigkeit besser handeln, um sowohl das Gewissen zu beruhigen als auch den äußeren Frieden zu bewahren?
Auch zu unserer Zeit stimmt sich Doktor Martin Luther in seinem Sendbrief vom aufrührerischen Geist an die Fürsten zu Sachsen mit diesem Rat überein. Er schreibt: Da Paulus sagt, „es müssen Spaltungen unter euch sein, damit die Bewährten offenbar werden“, sollte man die falschen Geister ruhig predigen lassen und sie mit ihrem und unserem Geist „aufeinanderprallen“ lassen. Wenn ihr Geist der rechte ist, wird er sich vor dem unsrigen nicht fürchten, und umgekehrt, wenn der unsere der rechte ist, wird er gegen den ihren bestehen. Wenn einige dabei verführt werden, so sei es. Dies entspricht dem gerechten Verlauf eines Krieges, bei dem es unvermeidlich ist, dass einige fallen oder verwundet werden. Wer jedoch redlich kämpft, wird gekrönt.
Falls aber die Geister über das Predigen hinausgehen und nicht nur mit dem Wort kämpfen, sondern auch zur Faust greifen, so soll die Obrigkeit das nicht dulden, sondern sie schnell aus dem Land verbannen. „Wir wollen gern zulassen und zuschauen, dass eure Geister mit dem Wort kämpfen, damit die rechte Lehre bewährt wird, aber die Faust müsst ihr stillhalten, denn das ist unser Amt; andernfalls verlasst das Land!“
Da im Reich Christi „Sekten und Spaltungen notwendig sein müssen“, um das Gute zu fördern, nämlich „damit die Bewährten offenbar werden“, warum sollte dann eine Obrigkeit versuchen, durch das Schwert etwas aus dem Reich Christi zu vertreiben, das die Schrift als notwendig bezeichnet? Dies würde dem Wort Gottes widersprechen und versuchen, durch das Schwert das zu erzwingen, was Gottes Wort im geistlichen Reich hervorbringen sollte.
Unser Herrgott hat jedoch eine Weise, die aufzeigt, dass das Schwert in solchen Glaubens- und Ketzereisachen nichts bewirken kann. Was der Teufel für ein Spiel mit den Täufern getrieben hat, zeigt, dass je mehr die Obrigkeit mit dem Schwert gegen sie vorging, desto mehr Menschen sich ihnen anschlossen. So hat die Obrigkeit schließlich müde vom Würgen aufgehört. Dies beweist, dass das Schwert in Glaubensfragen nur Schaden anrichtet und nichts erreicht, während der Glaube der Verfolgten umso mehr Herzen gewinnt, je mehr Menschen sie wegen ihres Glaubens getötet sehen.
Da dies die Wahrheit ist, warum sollte eine Obrigkeit sich gegen das Reich Christi auflehnen, das ihr nicht anvertraut ist? All ihr Würgen, ihre Mühen und Anstrengungen sind nicht nur vergeblich, sondern führen auch dazu, dass das, was sie auszureißen versucht, umso mehr wächst.
Wenn eine christliche Obrigkeit auf ihrer Seite den falschen Glauben bekämpft, gibt sie gleichzeitig den falschglaubenden Obrigkeiten Raum und Recht, ihrerseits gegen den rechten Glauben vorzugehen. Sobald man zulässt, dass eine Obrigkeit den Unglauben mit Strafe bekämpfen darf, wird jede Obrigkeit dieses Recht für sich in Anspruch nehmen und jeweils diejenigen töten oder vertreiben, die nicht ihren Glauben teilen.
Falls sich aber ein Aufruhr erhebt, soll man deswegen nicht verzagen, denn man muss damit auch wegen geringerer Anlässe rechnen. Doch die Obrigkeit hat stets ihren Trost, wie oben gezeigt wurde, dass sie bestehen bleiben und die Aufrührer fallen und umkommen werden, wie man es auch beim Bauernaufstand gesehen hat: Auch wenn dieser größtenteils deshalb stattfand, weil die Obrigkeiten das Evangelium nicht dulden wollten und Gott daher durchaus einen Grund hatte, sie zu strafen, wie er es vielleicht zu gegebener Zeit noch tun wird, so wollte er es doch nicht durch den Aufruhr der Untertanen tun. Vielmehr, als es am schlimmsten stand, wendete sich das Blatt, und die Bauern wurden in ihrem eigenen Verderben vernichtet, während man wohl sagen kann, dass den Obrigkeiten dabei nicht einmal ein Haar gekrümmt wurde. Umso lieber wird Gott dann der Obrigkeit helfen, wenn sie ihr Amt wahrnimmt und Christi Reich unversehrt lässt! Möge Gott geben, dass alle Obrigkeiten dies glauben. Amen.
Andernfalls wird das tägliche Drücken und Würgen, sowohl der recht- als auch der falschgläubigen Menschen, kein Ende nehmen, und es besteht große Sorge, dass eines Tages die Obrigkeiten sich über dieses Thema – nämlich den falschen Glauben mit dem Schwert auszurotten – verbünden und dass dann die stärkste von ihnen den anderen ihren Glauben aufzwingt. Dann wird es erst recht zu einem gewaltigen Blutvergießen kommen, das, wie man aus einigen Anzeichen bereits erahnen kann, der Teufel fleißig zu suchen und zu fördern scheint!
Quelle: Lazarus Spengler, Schriften, Bd. 3: Schriften der Jahre Mai 1529 bis März 1530, hrsg. u. bearb. v. Berndt Hamm, Felix Breitling, Gudrun Litz und Andreas Zecherle, Gütersloh: GVH, 2010, S. 377-390.
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