Vorrede auf den Prediger Salomo (1524)
Von Martin Luther
Dies Buch heißt auf Hebräisch Koheleth, das ist einer, der öffentlich in einer Gemeinde redet. Denn Kahal heißt eine Gemeinde, versammelt bei einander, die man auf Griechisch ecclesia nennet. Es ist aber das Buch sicherlich nicht durch den König Salomo selbst mit eigener Hand geschrieben oder gestellet, sondern aus seinem Munde durch andere gehöret und von den Gelehrten so zusammengefaßt; wie sie denn selbst am Ende bekennen, da sie sagen: »Diese Worte der Weisen sind Spieße und Nägel, gestellt durch die Meister der Gemeinde, und von einem Hirten dargegeben.« Das ist, es sind zu der Zeit von Königen und Volk etliche Auserwählte verordnet gewesen, dies und andere Bücher, von Salomo, dem einzigen Hirten, dargereicht, so zu stellen und ordnen, daß nicht ein jeglicher hat dürfen Bücher machen, wie ihn gelüstet; wie sie daselbst auch klagen, daß Büchermachens kein Ende ist, und verbieten andere anzunehmen.
Solche Leute nennen sich hier Meister der Gemeinde, weil die Bücher haben müssen durch ihre Hand und Amt angenommen und bestätigt werden. Denn das jüdische Volk hatte ein äußerlich Regiment, von Gott eingesetzt; darum solches wohl gewiß und recht geschehen konnte. Also ist auch das Buch der Sprüche Salomos zusammengestückt durch andere, und hinten dran etlicher weiser Männer Lehre und Sprüche hinzugesetzt. Item, das Hohe Lied Salomos siehet auch aus wie ein gestückt Buch, von andern aus Salomos Mund genommen. Daher auch keine Ordnung in diesen Büchern gehalten ist, sondern eins ins andere gemengt, wie sie es nicht alles zu einer Zeit noch auf einmal von ihm gehört haben: wie solcher Bücher Art sein muß.
Nun dies Buch sollte billig den Titel haben, daß es wider den freien Willen geschrieben wäre. Denn es zieht alles dahin, daß aller Menschen Rat, Anschläge und Vornehmen umsonst und vergeblich sind, und es immer anders hinausgehet, als wir wollen und denken, auf daß er uns lehre gelassen stehen, und Gott lassen allein alle Dinge über, wider und ohne unser Wissen und Rat tun. Darum mußt du nicht dies Buch also verstehen, als schelte es die Kreaturen Gottes, wenn es spricht: es sei alles eitel und Jammer etc.; denn Gottes Kreaturen sind alle gut, 1.Mose 1(31) und 1.Tim. 4(4), auch lehret es selbst, daß einer soll guten Mut haben mit seinem Weibe und des Lebens brauchen etc.; sondern daß die Anschläge und das Vornehmen des Menschen, mit den Kreaturen zu fahren, allzumal fehlen und vergeblich sind, wenn man sich nicht läßt genügen an dem, das vorhanden gegenwärtig ist, sondern will aufs Künftige sie meistern und regieren. So gehet’s allwege den Krebsgang, daß man nicht mehr als verlorne Sorge und Mühe gehabt hat; und geschieht doch, was Gott will und denkt, nicht was wir wollen und denken. Summa, da Christus spricht Matth. 6(34): »Sorget nicht für den morgenden Tag, denn der morgende Tag wird sein selbst Sorge haben; es ist genug, daß ein jeglicher Tag sein Übel hat.« Dieser Spruch ist die Glosse und Inhalt dieses Buchs. Sorgen für uns gehört Gott zu; unser Sorgen fehlt doch und gibt eitel verlorene Mühe.
WA.DB 10/2, 104-106.