Martin Luther über Vögel als Lehrmeister der Sorglosigkeit (zu Matthäus 6,26): „Das ist uns zu einer mächtigen, großen Schande gesagt, dass wir nicht so handeln können, wie die Vögel es tun. Ein Christ sollte sich vor einem Vogel schämen, weil dieser eine Kunst beherrscht, die er nie gelernt hat. Wenn du ihm im Frühling, wenn die Vögel am schönsten singen, sagen würdest: ‚Warum singst du so fröhlich, hast du doch noch kein Getreide in den Scheunen?‘, er würde dich verspotten. Es ist ein gewaltiges Beispiel, das uns wahrlich ins Herz treffen und uns anspornen sollte, Gott mehr zu vertrauen, als wir es tun.“

Vögel als Lehrmeister der Sorglosigkeit (zu Matthäus 6,26)

Von Martin Luther

Von den Vögeln spricht er [Jesus] so:

Seht die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.

Als wollte der Herr sagen: Ihr habt noch nie einen Vogel gesehen, der mit einer Sichel geerntet und in die Scheunen gesammelt hätte. Die Vögel arbeiten auch nicht wie wir, dennoch werden sie ernährt. Damit will der Herr jedoch nicht sagen, dass wir nicht arbeiten sollen, sondern er will uns mit diesem Beispiel die Sorge nehmen. Denn ein Vogel kann keine Feldarbeit treiben wie wir, doch ist er nicht ohne Arbeit, sondern er tut das, wozu er geschaffen ist, nämlich dass er Junge zeugt, sie ernährt und unserem Herrn Gott ein Liedlein dafür singt. Hätte Gott ihm mehr Arbeit aufgetragen, so täte er auch mehr. Er steht früh auf, setzt sich auf einen Zweig und singt das Lied, das er gelernt hat, und weiß nichts von Speise, sorgt sich auch nicht darum. Danach, wenn er hungrig ist, so fliegt er dahin und sucht ein Körnlein, da hat Gott ihm irgendwo eines hingelegt, an das er nie gedacht hat, als er sang, und hätte doch Grund genug gehabt, sich um die Nahrung zu sorgen. Schaut euch nun, wie die Vögel frommer und gläubiger sind als ihr, die fröhlich sind und mit Freuden singen und nicht wissen, was sie zu essen haben.

Das ist uns zu einer mächtigen, großen Schande gesagt, dass wir nicht so handeln können, wie die Vögel es tun. Ein Christ sollte sich vor einem Vogel schämen, weil dieser eine Kunst beherrscht, die er nie gelernt hat. Wenn du ihm im Frühling, wenn die Vögel am schönsten singen, sagen würdest: „Warum singst du so fröhlich, hast du doch noch kein Getreide in den Scheunen?“, er würde dich verspotten. Es ist ein gewaltiges Beispiel, das uns wahrlich ins Herz treffen und uns anspornen sollte, Gott mehr zu vertrauen, als wir es tun. Darum beschließt er [Jesus] auch mit einem heftigen Spruch und sagt: „Seid ihr nicht viel mehr als sie?

Ist es uns nicht eine große Schande, dass der Herr uns die Vögel zu Meistern macht und vorhält, dass wir erst von ihnen lernen sollen? Pfui über den hässlichen, schändlichen Unglauben, die Vögel tun, was sie sollen, wir aber nicht. [1. Mose 1, 28] Im ersten Buch Mose haben wir ein Gebot, dass wir Herren sind über alle Kreaturen, und die Vögel sollen unsere Herren sein in der Klugheit. Fort mit dem heillosen Unglauben! Gott macht uns zu Narren und stellt uns die Vögel als Lehrer vor, dass sie unsere Meister sein und uns regieren, die wir sie regieren sollten, nur um uns zu zeigen, wie wir dem Mammon dienen und den rechten, wahren Gott verlassen.

WA 10-I-1, S. 379f (Roths Sommerpostille von 1526).

Hier der Text als pdf.

1 Kommentar

  1. Ich finde, dass das ein wunderschöner Gedanke ist, dass man sich schämen sollte, wenn man kein Vertrauen in die Zukunft hat, keine Hoffnung. Gerade heute ist das ein wertvoller Text, der einem helfen könnte, Ängste zu überwinden. LG Nadia

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