Albrecht Grözinger, Karl Barth, die Predigt und der Pluralismus: „Predigt ist hier verstanden als eine menschliche Rede mit Respekt und Takt – Respekt und Takt gegenüber Gott und gegenüber den Menschen. Das aber sind die elementaren Anforderungen an eine Predigt in einer Gesellschaft des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus. Eine Predigt, die Gott nicht als eine irgendwie geartete Notwendigkeit postuliert, sowie eine Predigt, die Gott nicht aus Kosten des Menschen groß machen muß oder umgekehrt.“

Karl Barth, die Predigt und der Pluralismus

Von Albrecht Grözinger

Sich bei der Frage nach Christentum, Kirche und Theologie ausgerechnet bei Karl Barth Rat zu suchen, mutet zunächst einmal einigermaßen exotisch an. Gilt doch Barth gemeinhin als der Vertreter eines autoritären, unduldsamen, exklusiv an der christlichen Offenbarung orientierten und zudem noch theologisch-abstrakten Verständnisses von Theologie. Dies sind alles Dinge, die der Gemütslage unserer multireligiösen postmodernen Gegenwart diametral entgegengesetzt sind. Da mag man sich vielleicht an ein geflügeltes Wort des früheren bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß erinnern, der sagte: Er würde lieber Ananas in Alaska züchten, als deutscher Bundeskanzler sein. Also: Lieber Ananas in Alaska züchten als Barth um einen Theologischen Ratschlag in Sachen Christentum, Kirche und Theologie im Pluralismus befragen? Ich möchte mit meinen Überlegungen dieser Sichtweise entschieden widersprechen.

Ich möchte diese meine Sichtweise am Beispiel des Verständnisses der Predigt, der Homiletik also, bei Karl Barth entfalten. Für mich ist die Theologie Karl Barths, und die Homiletik Barths ist in diese Gesamttheologie quasi „organisch“ eingelassen, eine Theologie, deren eigentliche Wirkung sich erst in einer Gesellschaft des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus entfalten kann. Karl Barth – der Theologe des Pluralismus? Ich weiß, daß ich mit dieser These gegen ein Barthverständnis sowohl eingefleischter Barthianer wie auch der Barth­verächter antrete.

Dabei möchte ich zunächst die Geschichte des Predigtverständnisses bei Barth nachzeichnen und dann auf einige einzelne Aspekte von Barths Homiletik und seiner Predigtpraxis eingehen.

Wenn ich von der Geschichte des Predigtverständnisses bei Barth spreche, so habe ich damit bereits gesagt, daß seine Homiletik kein monolithischer Block ist. Als ein solcher monolithischer Block wird die Barth’sche Theologie ja insgesamt gerne wahrgenommen. Dies aber ist sie gerade nicht. Ich kenne keinen deutschsprachigen Theologen des 20. Jahrhunderts, der seine Theologie in einem solchen Ausmaß ständig umgebaut hat, wie dies Karl Barth getan hat. Deshalb gibt es auch nicht die Predigtlehre Karl Barths ebensowenig wie es die Anthropologie oder die Eschatologie Barths gibt. Seine Theologie ist eine Theologie im Werden, und die „Kirchliche Dogmatik“ ist nichts anderes als eine gigantische theologische Baustelle, die sich ständig verändert. Wenn man in den USA mit dem Auto über die langen, geraden Straßen durch oft wenig bewohnte Gegenden fährt, dann trifft man gelegentlich auf Warnschilder, die auf Bauarbeiten an der Straße hinweisen. Auf den grellgelben Schildern steht geschrieben: Work in progress. Man müßte solche Warnschilder für die potentiellen Leserinnen und Leser auf jedes Buch von Karl Barth kleben: Work in progress. In Diskussionen über die Barth’sche Theologie stelle ich deshalb mit einiger Hartnäckigkeit immer wieder die Frage: Wo und wann und in welchem Kontext hat Barth dies gesagt? Nur mit einer solchen Kontextualisierung werden wir den theologischen Aussagen Barths gerecht werden können.

Wenn ich sage, daß die Barth’sche Theologie eine Theologie im Werden ist, dann habe ich damit nicht gesagt, daß in seine Theologie ständige oder gar zufällige Wendungen eingeschrieben wären nach dem Motto: Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an? Wir sind in der Lage auf das Ganze dieser Theologie zurückzublicken. Und dieser Rückblick zeigt uns eine Theologie in stetiger Bewegung, die gleichwohl eine faszinierende Konsequenz aufweist. Barth steht mit seinem berühmten Vortrag über die „Menschlichkeit Gottes“ aus dem Jahre 1956 theologisch an einem völlig anderen Ort als mit seinem Römerbriefkommentar der Jahre 1919/21. Und gleichwohl weist dieser Weg eine theologische Konsequenz auf, die mich immer wieder beeindruckt. In dieser Hinsicht hat gerade die Bewegtheit der Barth’schen Theologie eine innere Logik. Es ist nicht eine Logik der Zwangsläufigkeit, so als wäre im Römerbriefkommentar schon die Rede von der Menschlichkeit Gottes vorgezeichnet gewesen. Das ganz und gar nicht. Aber im Rückblick weist dieser denkerische Weg eine theologische Plausibilität auf, die mich sagen läßt: Dieses theologische Werk im ständigen Umbau ist zugleich ein in sich konsistentes Werk mit weiterhin offenem Ausgang – in die Zukunft seiner Wirkungsgeschichte hinein. Noch in seinen letzten Jahren hat Barth immer wieder betont, das Ganze müsse eigentlich noch einmal angegangen werden und diesmal unter dem Gesichtspunkt des dritten Glaubensartikels, der Lehre vom Heiligen Geist.

Lassen Sie mich nun am Beispiel der Homiletik Karl Barths einige Stationen dieser Theologie im Werden skizzieren. Und ich möchte meine These von Barth als dem Theologen des Pluralismus, die ich dann später noch einmal deutlicher profilieren möchte, in der Weise vorbereiten, daß ich Barths Verständnis der Predigt konsequent in ihren zeitgeschichtlichen Kontext rücke. Bereits der frühe Barth hat dies ja selbst getan. In einem Brief an den Freund Eduard Thurneysen aus dieser Zeit sagt er einmal, man könne Theologie eigentlich nur vor der aufgeschlagenen Bibel und der aufgeschlagenen Zeitung gleichermaßen betreiben.

Der Kontext der frühen Dialektischen Theologie kann einigermaßen präzise beschrieben werden. Es sind dies die kulturellen Umbrüche, von denen die Krisenerfahrung des Ersten Weltkriegs nur quasi die Spitze darstellt. Barth selbst hat die Genese der frühen Dialektischen Theologie selbst ja etwas stilisiert darauf zurückgeführt, daß die meisten seiner Lehrer der aggressiven Kriegspolitik des Wilhelminischen Kaiserreichs ihren Segen gegeben haben. Aus der Rückschau schreibt er dazu: „Und dann brach der 1. Weltkrieg aus und brachte – für mich fast schlimmer noch als die Verletzung der belgischen Neutralität – das schreckliche Manifest der 93 deutschen Intellektuellen, die sich vor aller Welt mit der Kriegspolitik Kaiser Wilhelms II und seines Kanzlers Bethmann-Hollweg identifizierten. Unter denen, die es unterschrieben hatten, mußte ich mit Entsetzen auch die Namen ungefähr aller meiner deutschen Lehrer […] entdecken. Eine ganze Welt von theologischer Exegese, Ethik, Dogmatik und Predigt, die ich bis dahin für grundsätzlich glaubwürdig gehalten hatte, kam damit und mit dem, was man damals von deutschen Theologen zu lesen bekam, bis auf die Grundlagen ins Schwanken.“[1]

Nun stand Karl Barth mit dieser Erfahrung eines wegbrechenden Bodens in dieser Zeit nicht allein. Insofern ist die Frühe Dialektische Theologie weitaus mehr Ausdruck ihrer Zeit als Widerspruch gegen sie. Diese Feststellung schmälert m.E. nicht die Leistungen der frühen Dialektischen Theologie, sondern unterstreicht sie nur. Barth hat damals die Erfahrung der Krise auch und gerade als eine Erfahrung der Gottes-Rede, der Predigt mithin, verstanden. Hatte der Kulturprotestantismus seiner theologischen Lehrer die Gottes-Rede als Einheit von Religion und Kultur zu begründen versucht, so wird nun für Barth die Predigt zum Ausdruck einer grundsätzlichen Krise aller Theologie und aller selbstverständlichen Rede von Gott. Man kann Gott verunehren, daß man nicht über ihn redet, man kann Gott aber auch dadurch verunehren – und daran hat Barth mit Nachdruck erinnert –, daß wir allzu selbstverständlich von ihm reden. Diese Selbstverständlichkeit der Predigt ist Barth damals abhandengekommen. Es ist die Sprache des Expressionismus, in der Barth diese abhanden gekommene Selbstverständlichkeit der Gottes-Rede thematisiert: Ich zitiere nur ein Beispiel aus der zweiten Auflage des Römerbriefs: „Das Thema der Kirche ist eben wirklich das Wort Gottes, das Wort des Endes und des Anfangs, des Schöpfers und Erlösers, des Gerichts und der Gerechtigkeit – aber das Wort Gottes gehört von Menschenohren und ausgesprochen von Menschenlippen; denn die Kirche ist die immer wieder entstehende Gemeinschaft der Gottes Wort hörenden und aussprechenden Menschen. Und eben das aus dieser Lage sich ergebende: daß Menschenohren und Menschenlippen notwendig und immer wieder unendlich versagen müssen gegenüber dem nichtversagenden Gotteswort, daß der Mensch immer wieder hören und aussprechen muß, was wahr ist bei Gott, und daß es alsbald nicht mehr wahr ist, indem er es hört und ausspricht, daß also das Thema der Kirche so wahr ist, daß es als Thema der Kirche nie wahr sein kann – es geschehe denn das Wunder! – das ist ihre eigentliche Not. Sie ist gerichtet durch das, was sie aufrichtet. Sie zerbricht an dem, worauf sie gegründet ist. Sie stirbt an dem, wovon sie lebt. Denn das ist das selige und schreckliche Thema der Kirche, das ist das Wort Gottes, in welchem die Beziehung von Gott und Mensch sich betätigt: daß Gott wahr ist, jeder Mensch aber ein Lügner.“[2]

Man kann nun in diesen Worten entweder eine theologische Überspanntheit sehen oder – wozu ich rate – eine präzise theologische Reflexion in der expressionistischen Sprache der damaligen Kulturwelt auf den verloren gegangenen und deshalb erst wiederzugewinnenden Ort der Gottes-Rede in einer Gesellschaft, die das kulturell-institutionelle Bündnis von Thron und Altar hinter sich gelassen hat. Oder anders gesagt: Barth reflektiert den Ort der Gottes-Rede in der Gesellschaft eines beginnenden religiösen und weltanschaulichen Pluralismus. So hat dies Barth natürlich damals nicht gesagt und ich bin mir auch nicht sicher, ob er – wenn er heute meinen Worten zuhören würde – meiner Interpretation so ohne weiteres zustimmen würde. Aber mein Basler Kollege Georg Pfleiderer hat in seiner Habilitationsschrift sehr detailliert gezeigt, daß wir den frühen Barth eben sehr viel besser verstehen, wenn wir in ihm Kontext der kulturellen Moderne ansiedeln nur im Widerspruch dazu. Georg Pfleiderer hat diesen Zusammenhang in einem sehr schönen, manche sicher auch zum Widerspruch reizenden Bild ausgedrückt, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: „Die Titanic– (oder freundlicher ausgedrückt: die Britannia-) Phase der modernen Theologie dürfte vermutlich vor allem darum fürs Erste vorbei sein, weil sie – um im Bild zu bleiben – einer Klassengesellschaft angehört hat und die zahlungskräftige theologische Aristokratenkaste, die ihre Passagierdecks bevölkerten, heute keine Zeit mehr hat für Luxusfahrten, die vorrangig ihrer Selbstdarstellung dienen. Für die Gegenwart anschlußfähiger dürfte das avantgardistische Stadium der Barthʼ­schen Theologie sein, die Zeit der Römerbriefkommentare und des Tambacher Vortrags, also die Phase, in der Barth sozusagen eine ganze Flotte wendiger Barkassen, Segelschiffe und Ruderboote zu Wasser gelassen hatte, die freilich unter der Wasserlinie auch schon von modernen Dieselaggregaten angetrieben waren.“[3]

Eine dieser wendigen Barkassen, die Barth in den frühen 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom Stapel gelassen hatte, war die strikte Unterscheidung von Gott und Mensch, Gott und Welt. „Gott als der ganz Andere“ – diese Formel hat sich als Markenzeichen der Dialektischen Theologie eingeprägt. Eine – daran möchte ich keinen Zweifel lassen – durch und durch ambivalente theologische Formel. Mit ihr kann man nämlich die Gottesgeschichte und die Menschengeschichten auseinanderreißen. Gott gerät damit in eine solche Ferne zu den individuellen menschlichen Biographien, daß die Menschen mit diesem Gott aus gutem Grunde nichts mehr anzufangen wissen. Und es geht von der Dialektischen Theologie durchaus eine Traditionsspur aus, die in diese verhängnisvolle Richtung weist. Man kann dieselbe theologische Formel aber auch als eine heilsame Unterscheidung verstehen, die menschliche Tatbestände vor einer Vergöttlichung bewahrt. Und in dieser Weise hat sich die Barthʼsche Theologie in ganz anderer Situation bewährt.

Im Jahre 1933 machten sich die Deutschen Christen auf den Weg, der – wie sie es gerne nannten – „Mission Adolf Hitlers“ messianische Züge zu verleihen. Die Stunde Adolf Hitlers sei auch die Stunde Gottes, so war zu hören. Wir tun nun gut daran, die Deutschen Christen nicht einfach nur pauschal als verblendete und ideologisch verrannte Nationalsozialisten zu verstehen. Nein, unter ihnen gab es durchaus ernsthafte Theologen, die nun die Stunde einer neuen missionarischen Situation gekommen sahen. Die Bewegung der Deutschen Christen war im Kern eine missionarische Bewegung, die der Kirche die verlorenen gegangenen Massen wieder zuführen wollten. Der Schwung des politischen Aufbruchs sollte für den Schwung eines missionarischen Aufbruchs nutzbar gemacht werden. Das von Otto Dibelius aus der heutigen Rückschau etwas vorschnell ausgerufene „Jahrhundert der Kirche“ sollte nun endlich Wirklichkeit werden. Und ein bevorzugtes Medium dieses missionarischen Schwunges sollte der Gottesdienst und die Predigt sein. Und die „Deutschen Christen“ hatten damit zunächst auch Erfolg. Ein erster Höhepunkt dieser volksmissionarischen Aktionen war der sogenannte „Tag von Potsdam“, der Eröffnung des unter ersten terroristischen Drohungen gewählten neuen Reichstags. Dieser Tag begann mit einem evangelischen und katholischen Gottesdienst. Klaus Scholder hat in seinem zum Klassiker gewordenen Buch „Die Kirchen und das Dritte Reich“ das Szenario dieser Tage so beschrieben: „Die Bilder vom ‚Tag von Potsdam‘, die Deutschland in den kommenden Wochen in zahlreichen Sonderausgaben sah, zeigten den Reichspräsidenten und die evangelischen Mitglieder des Kabinetts beim Festgottesdienst in der Nikolaikirche; den Reichskanzler, wie er vom Lesepult vor dem Altar der Garnisonskirche seine programmatische Erklärung abgab; uniformierte Spaliere, Menschenmassen und Paraden, und immer wieder Gottesdienste: Festgottesdienst der Berliner Garnison im Schlüterhof des Schlosses, Feldgottesdienst der Schutzpolizei, Feldgottesdienste der SA.“[4]

Im Grunde hatte die nationalsozialistische Regie das Medium Gottesdienst und Predigt genutzt, um in einer Kette kultureller Gleichschaltung gerade jene Differenz zwischen Gott und Welt, Gott und Mensch einzureißen, an der der Frühen Dialektischen Theologie so gelegen war. Es ist für mich alles andere als ein Zufall, daß sich Barth in seiner Lehrtätigkeit an der Bonner Universität hellsichtig und vorausschauend im Wintersemester 1932/33 und im Sommersemester 1933, also genau in dieser Zeit als diese Serie der Propagandagottesdienste anlief, ein homiletisches Seminar zum Thema „Übungen in der Predigtvorbereitung“ anbot. Barth postulierte damals eine strenge Orientierung der Predigt am biblischen Text. Die Formel von Gott als dem „ganz Anderen“ tauch nicht mehr auf. Homiletisch-strategisch hat diese Stelle nun der Bibeltext eingenommen. Der Bibeltext soll nun die heilsame Differenz zwischen Gott und Welt, Gott und Mensch nun „sichern“. In diesen Zusammenhang gehört auch der wichtige Vortrag über die „Gemeindemäßigkeit der Predigt“, den Karl Barth im Januar 1935 gehalten hat. „Gemeinde“ wird hier von Barth scharf unterschieden von dem – ich zitiere – „was man eine Gefolgschaft nennt, der ein Führer vorangeht. Nicht um ein irdisches Gemeinschaftsverhältnis geht es hier, nicht um einen ‚Führungsring’ etwa, in welchem der Führer gleichzeitig Exponent und Vertreter des Ganzen ist und in seinem Namen handelt“[5]. Das ist nun aktuellste, zeitbezogene, zeitkritische Homiletik. Hier ist das vorgezeichnet, was sich dann zu den besten Stunden der Bekennenden Kirche in Deutschland wirklich ereignet hat: Der Gottesdienst der versammelten Gemeinde als Gegenöffentlichkeit im totalitären Führerstaat. Gemeindemäßigkeit der Predigt liegt deshalb für Barth dort vor, wo dem „Worte Gottes gedient wird“[6] und nicht etwa dort, wo die Massen in die Kirche strömen. Dort, wo – ich zitiere wiederum – „die interessierte Frage nach der Gemeinde und ihren anthropologischen, soziologischen und politischen Möglichkeiten“[7] zur ersten Frage würde, sieht Barth die Predigt an den schnellen Erfolg verraten. Daß Barth sich so spröde gegenüber der Frage nach den Hörerinnen und Hörern verhält, ist nur aus dem zeitgeschichtlichen Kontext heraus zu verstehen: Es geht nicht um die Abweisung der Rechte der Predigtgemeinde, sondern um deren Würde, die für ihn dort verraten ist, wo ihr die strenge gedankliche theologisch-homiletische Arbeit versagt wird und statt dessen mit allerhand inszenatorischen Aufwand irgendwelche Medienereignisse organisiert werden. Gerade die Erfahrung der medialen Präsenz des totalen Führerstaates macht Barth für Entwicklungen sensibel, die diese mediale Präsenz innerhalb der Kirche und vor allem im Gottesdienst und der Predigt nur verdoppeln wollen. Insofern ist Barths Interesse an der Textbindung der Predigt verschmolzen mit einem Eintreten für eine plural verfaßte Öffentlichkeit.

Es ist das Eine, Homiletik in einem totalitär-diktatorischen Staat zu betreiben und das Andere, dies in einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft zu tun. Deshalb hat Karl Barth nach seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahre 1935 noch einmal andere theologische Töne angeschlagen. Eine Schlüsselstellung für diese Theologie des späteren Barth nimmt für mich der Vortrag ein, den dieser am 25. September 1956 in Aarau gehalten hat. Barth gab seinem Vortrag den Titel „Die Menschlichkeit Gottes“. Noch einmal formuliert Barth den Einwand, den die frühe Dialektische Theologie seinerzeit gegen den Kulturprotestantismus erhob, nämlich daß, „der Mensch groß gemacht [worden sei] auf Kosten Gottes[8]. Aber weitaus kritischer nimmt Barth in diesem späten Vortrag die Art und Weise in den Blick, wie er und seine Mitstreiter damals ihren Einspruch gegen den Kulturprotestantismus formuliert haben: „Was sind da für Formulierungen teils übernommen, teils neu erfunden worden! Allen voran […] das berühmte ‚senkrecht von oben’ hereinbrechende totaliter aliter und der nicht weniger berühmte ‚unendlich qualitative Unterschied’ zwischen Gott und Mensch […] Alles, wie gut es auch gemeint sein und wieviel auch dran sein mochte, doch ein bißchen arg unmenschlich und teilweise auch schon wieder – nur eben nach der anderen Seite – häretisierend gesagt! Wir wurde da aufgeräumt und eben fast nur aufgeräumt!“[9] Im Grunde läuft diese selbstkritische Sicht Barths auf die These hinaus, daß die Frühe Dialektische Theologie im Grunde nur den spiegelbildverkehrten Affen des Kulturprotestantismus gespielt habe und das bedeutete: „Gott zur Abwechslung auf Kosten des Menschen groß zu machen.“[10]

Barths späte Theologie ist nun dadurch gekennzeichnet, daß die Göttlichkeit Gott nicht weiter gegen die Menschlichkeit des Menschen ausgespielt wurde. Aber eben – und darin ist sich Karl Barth in allen Wandlungen seiner Theologie treu geblieben – ist dies keine irgendwie zu bestimmende Göttlichkeit und keine irgendwie zu bestimmende Menschlichkeit, sondern diese Göttlichkeit und diese Menschlichkeit hat ihren klar zu benennenden Ort. In der Person Jesu Christi wird für Barth sichtbar, was Göttlichkeit Gottes und Menschlichkeit des Menschen meint: „Wer und was Gott und wer und was der Mensch in Wahrheit ist, das haben wir nicht frei schweifend zu erforschen und zu konstruieren, sondern dort abzulesen, wo ihrer beider Wahrheit wohnt: in der in Jesus Christus sich kundgebenden Fülle ihres Zusammenseins, ihres Bundes.“[11]

Mit dieser seiner späten Theologie der „Menschlichkeit Gottes“ hat Barth eine theologische Position formuliert, von der ich meine, daß sie ihre eigentliche Wirkung erst noch vor sich hat. Es ist die Theologie für eine Gesellschaft des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus, in der es eben – ich sag es sehr zugespitzt – nichts mehr selbstverständlich ist: Es ist nicht mehr selbstverständlich, von Gott zu reden. Es ist nicht mehr selbstverständlich, welchen Gott wir meinen, wenn wir von Gott reden. Und es ist nicht mehr selbstverständlich, was wir meinen, wenn wir von Humanität und vom Recht des Menschlichen sprechen. Die gegenwärtige Unübersichtlichkeit der Debatte etwa um Recht und Grenzen der Gen-Medizin zeigen uns etwas, von den Problemen, vor denen eine Gesellschaft des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus steht. Und – ich sage es noch einmal – die Theologie des späten Karl Barth scheint mir so etwas wie ein guter Ratgeber für uns heutige Theologen und Theologinnen zu sein, uns in dieser unserer so plural, und unhintergehbar plural gewordenen Gesellschaft zu sein. Ich möchte diese meine These nun in einem letzten Teil hinsichtlich der Predigt in drei Punkten konkretisieren.

Zum Ersten: Anfang des Jahres 1930 veröffentlichte Karl Barth in der Hauszeitschrift der Dialektischen Theologie, in „Zwischen den Zeiten“ einen Artikel unter der assoziationskräftigen Überschrift „Quousque tandem“. Der Artikel beginnt mit folgenden Worten: „Unter Außerachtlassung aller professoralen Umständlichkeit, Rücksicht und Vorsicht erkläre ich: Es ist ein zum Himmel schreiender Skandal, daß die evangelische Kirche andauernd diese Sprache redet, als sei sie eine Marktbude neben anderen als seien ihre Sprecher Reklamechefs …. Wo diese Sprache geredet wird, da ist Catilina, da ist die eigentliche gefährliche Verschwörung gegen die Substanz der evangelischen Kirche.“

Über alle zeitbedingte Polemik hinaus setzt Barth in diesem Aufsatz einen wichtigen theologischen Grenzstein, der auch in einer pluralistischen Gesellschaft seine Bedeutung nicht verloren hat. Barth erinnert daran, daß die Kirche nicht für sich selbst zu sprechen hat und daß die Kirche nicht die Aufgabe hat, Gott zu den Menschen zu bringen, weil Gott da längst schon am Werk ist. Die Kirche hat Gott bei den Menschen zu entdecken. Sie hat die Geschichte Gottes zu erzählen. Das ist Aufgabe der Predigt wie der Dogmatik gleichermaßen. Die Kirche muß nicht den Menschen sagen, daß sie Gott nötig haben, sondern sie soll den Menschen Gott schmackhaft machen.

Ein großer Teil unserer gegenwärtigen Theologie ist mit anderen Dingen beschäftigt. Sie versucht auf vielfältige Weise unserer Gesellschaft des Pluralismus einzureden, wie sehr sie Gott nötig hat. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen. Man kann für eine Zivilreligion plädieren, die jede Gesellschaft braucht und dann die Kirche als bester Agent dieser Zivilregion anpreisen. Man kann den Menschen aber auch einzureden versuchen, wie sehr sie noch religiös sind, auch wenn sie das selber vielleicht gar nicht merken. Und auch in vielen Predigten begegnen mir diese Strategien. Ich möchte solche Versuche nicht einfach denunzieren. Es verbirgt sich viel redlicher Wille dahinter. Nur sind m.E. solche Versuche vergeblich. Und im Grunde verfehlen sie auch die Realität dessen, wie Menschen heute leben und ihr Leben verstehen. Gott läßt sich heute nicht mehr als Notwendigkeit verkaufen. Vor Jahren schon hat Eberhard Jüngel gegen alle Versuche plädiert, Gott aus einer wie auch immer gearteten Notwendigkeit heraus zu begründen und den Menschen andienen zu wollen. Er stellt fest: „Der Mensch kann menschlich sein ohne Gott. Zweifellos, der Mensch kann das. Er kann leben, ohne Gott zu erleben. Er kann sprechen, hören, denken, handeln, ohne von Gott zu reden, ohne Gott zu vernehmen, ohne an ihn zu denken, ohne für ihn zu arbeiten. Und er kann das alles sogar recht gut und durchaus verantwortungsvoll. Der Mensch kann ohne Gott gut leben, aufmerksam hören, streng denken, verantwortungsvoll handeln. Die unübersehbaren und erschreckenden Gegenbeispiele, die sich leicht und reichlich aufzählen lassen, haben ihren Grund jedenfalls nicht unbedingt in der Gottlosigkeit der entsprechenden Aktionen – womit freilich nicht im geringsten bestritten sein soll, daß umgekehrt die Bekämpfung schlechter Lebensbedingungen und Lebensweisen, unerträglicher Zerstreutheit, verlotterten Denkens und verantwortungslosen Handelns durchaus durch Gottesgewißheit motiviert sein kann. Aber ebensowenig läßt sich bestreiten, daß man dazu auch ohne Gott veranlaßt sein kann und sein soll.“[12]

Ich denke Barth hat diesen Sachverhalt, den Jüngel hier sehr präzis beschreibt, sehr genau wahrgenommen. Und er hat dieser Beobachtung noch die theologische Spitze gegeben, daß Gott gerade dadurch verunehrt werden kann, wenn wir ihn als moralischen, kulturellen oder religiösen Platzhalter oder Lückenbüßer den Menschen anbieten. Gott ist um seiner selbst willen interessant. Dies ist die Pointe der Offenbarungstheologie Karl Barths. Deshalb kann man über diesen so interessanten Gott auch eine vielbändige Dogmatik schreiben, die über weite Strecken eher einem Roman als einer abstrakten theologischen Abhandlung ähnelt. Nicht für Gott oder gegen Gott hat eine Predigt zu argumentieren, sondern sie hat von ihm zu erzählen. In einer Gesellschaft des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus wird die Predigt zur elementaren Gotteserzählung. Damit aber bin ich schon bei meinem zweiten Punkt angelangt.

Im Jahre 1994 hat der deutsche Schriftsteller Günter Grass den „großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste“ erhalten. Seine Dankesrede stellte Grass unter das Thema „Über das Sekundäre aus primärer Sicht“. Was verbirgt sich hinter diesem etwas rätselhaften Titel. Grass polemisiert dagegen, daß in der literarischen Öffentlichkeit unserer Gegenwart weitaus mehr über die Kritiker und Kritiken gesprochen werde, als über die Werke der Literatur selbst. Grass führt dazu polemisch aus: „… die permanente Selbstfeier des Sekundären bestimmt nicht nur den Zeitgeist, sie verkörpert ihn. Das Sekundäre erlaubt sich, als Original zu aufzutreten. Nicht das neuerschienene Buch ist das Ereignis, sondern der sekundäre Reflex […] Ich rede von der Hybris des Sekundären. Meine Rede handelt vom Ausverkauf. Wir werden aus zweiter Hand bedient.“[13]

Gewiß – diese Worte von Grass sind polemisch. Aber sie treffen in der Tat einen weithin zu beobachtenden Sachverhalt Und vor allem enthalten diese Sätze ein leidenschaftliches Plädoyer für das Kunstwerk. Grass erinnert an das Erste und an das Zweite. Das Erste ist das Werk der Kunst und das Zweite ist die Kunstkritik. Ich transportiere nun diese Fragestellung nach dem Ersten und dem Zweiten in den homiletischen Kontext. Und damit bin ich schon wieder bei Karl Barth angelangt. Wenn es ein Kontinuum seines stets im Umbau und in Wandlung begriffenen theologischen Werkes geht, dann ist es die Frage nach dem Ersten und dem Zweiten. Das Erste der Theologie – oder vielleicht muß ich noch schärfer sagen: das aller Theologie immer schon Vorausliegende ist Gott. Das ist das Thema der frühen Römerbriefkommentare, die Gott in die weite Ferne eines „Ganz Anderen“ rücken, und das ist das Thema des späten Barth, der vom menschenfreundlichen Gott spricht, der den Menschen nahe kommt. Und deshalb gilt auch: Die Predigt spricht von Gott. So schlicht und einfach hat es Barth immer wieder gesagt.

Dieses „schlicht und einfach“ ist nun aber seinerseits alles andere als „schlicht und einfach“ und schon gar nicht selbstverständlich. Gerade im öffentlichen Diskurs, sei es in den vielfältigen Talk-Shows im Fernsehen, sei es in öffentlichen Auftritten von VertreterInnen der Kirche oder sei es in der alltäglichen Lobby-Arbeit, in die in einer Gesellschaft des Pluralismus auch die Kirchen verstrickt sein müssen, ist zunächst einmal anderes zu beobachten. Mir fällt auf, daß wenn nach dem gesellschaftlichen Nutzen der Kirche gefragt wird, in der Regel ganz andere Dinge genannt werden. Da wird dann gerne an die Vermittlung eines Werte-Bewußteins oder die vielfältige diakonische Arbeit der Kirche erinnert. Selten aber habe ich gehört, daß schlicht und einfach gesagt wird: Der gesellschaftliche Nutzen der Kirche besteht darin, daß sie von Gott redet. Offensichtlich gehen die VertreterInnen der Kirche davon aus, daß gerade diese elementare Aufgabe der Kirche im öffentlichen Diskurs am schwersten zu vermitteln ist.

Doch ist dem wirklich so, daß unsere Gesellschaft der Kirche prioritär ethische und diakonische Aufgaben und Kompetenzen zuspricht? Die Basler ökumenische Kirchenstudie des Jahres 1998 hat gezeigt, daß unseren Kirchen auch und gerade eine im engeren Sinn theologische Kompetenz zugeschrieben wird. In einer repräsentativen Umfrage werden der Kirche quer durch die Altersgruppen hindurch gleichwertig drei Aufgabenbereiche zugeschrieben: nämlich diakonisch-soziale, kulturelle und in nicht minderen Maße liturgisch-katechetische Aufgaben. Nicht zuletzt die Perspektive des Marketings, die einem in der Kirche eher fremden und mit Sicherheit umstrittenen Sprachspiel folgt, stellt die Frage nach der theologischen Kompetenz mit neuer Dringlichkeit. Viele ökonomische Turbulenzen bis hin zu spektakulären Firmenzusammenbrüchen haben – darin sind sich die Marketing- und Wirtschaftsfachleute einig – ihren Grund mit darin, daß viele Firmen maßlos expandiert haben und daß in diesem Expansionsprozeß das eigentliche Kerngeschäft der Betriebe oft aus den Augen geraten ist. Und es fällt auf, daß gegenwärtig nicht wenige Firmen diese Fehlentwicklungen korrigieren und sich erneut auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Es ist mit guten Gründen höchst umstritten, wie weit sich die Kirche auf den Horizont des Marketings einlassen darf und soll. Eines aber kann sie mit Sicherheit aus den Erkenntnissen der Marketingtheorien lernen, nämlich sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Und deshalb beginnt in einer Gesellschaft des Pluralismus die Barth’sche These „Die Predigt spricht von Gott“ in einer neuen Weise zu sprechen.

Damit eine solche aber Predigt gehört wird, bedarf es aber eines bestimmten Verständnisses und eines bestimmten Profils der Predigt. Und damit bin ich bei meinem dritten und letzten Punkt angelangt. Barths späte Theologie von der Humanität Gottes läßt ihn in den letzten Bänden der Kirchlichen Dogmatik ein Verständnis von Predigt entwickeln, das nun in der Tat meilenweit entfernt ist von den steilen und – wie Barth selbst betont hat – letztlich recht menschenfernen sprachlichen Kaskaden der frühen theologischen Arbeiten Barth. Es ist – so kann die Quintessenz dieses nunmehr neu akzentuierten Predigtverständnisses zusammengefaßt werden – die menschliche Rede des von Gott zu seinem Partner, zu seiner Partnerin erwählten Menschen, die von dieser göttlichen Partnerschaft erzählen vermag. Diese Erzählung von der Partnerschaft Gottes mit dem Menschen sucht sich eine Sprache, die die Menschen, an die sich die Predigt wendet, ihrerseits als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner anspricht. Die Predigt bekommt damit etwas Ernstes und Leichtes zugleich. Sie ist alles andere als autoritäre Rede, die die Menschen an die sie sich richtet, klein machen muß. Sie ist aber auch alles andere als sprachliche Anbiederung, die die intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten von uns Menschen und die damit verbundenen Ansprüche nur beleidigen würde.

Karl Barth hat in einer sehr schönen Wendung das „Predigen als Grüßen des Nächsten verstanden. Die Sätze, die Barth in diesem Zusammenhang gefunden, gehören für mich zum Schönsten, was über das Predigen in der protestantischen Theologie geschrieben wurde, und ich möchte Sie ihnen deshalb vortragen: „Das Zeugnis im christlichen Sinn des Begriffs ist der Gruß, mit dem ich… meinen Nächsten zu grüßen habe, die Bekun­dung meiner Gemeinschaft mit dem, in welchem ich einen Bruder Jesu Christi und also meinen eigenen Bruder zu fin­den erwarte… Ein Zeuge ist weder ein Fürsorger noch Er­zieher. Ein Zeuge wird seinem Nächsten gerade nicht zu nahe treten. Er wird ihn nicht ‚behandeln’. Er wird ihn sich nicht zum Gegenstand seiner Tätigkeit machen, auch nicht in be­ster Absicht. Zeugnis gibt es nur im höchsten Respekt vor der Freiheit der göttlichen Gnade und darum auch im höchsten Respekt vor dem Anderen, der von mir gar nichts, sondern Alles von Gott zu erwarten hat.“[14]

Predigt ist hier verstanden als eine menschliche Rede mit Respekt und Takt – Respekt und Takt gegenüber Gott und gegenüber den Menschen. Das aber sind die elementaren Anforderungen an eine Predigt in einer Gesellschaft des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus. Eine Predigt, die Gott nicht als eine irgendwie geartete Notwendigkeit postuliert, sowie eine Predigt, die Gott nicht aus Kosten des Menschen groß machen muß oder umgekehrt.

Daß dies nicht nur Predigt-Theorie, Homiletik also, ist, sondern auch etwas mit dem homilein, mit dem konkreten Predigen Barths zu tun hat, zeigen viele seiner Predigten. Nicht zuletzt die späten Predigten, die Karl Barth in der Basler Strafanstalt gehalten. Und deshalb möchte ich meine Überlegungen enden mit dem Schluß einer dieser Predigten. Am 27. Dezember 1959 hat Karl Barth dort ausgehend von Jesaja 54,10 über Gott den Erbarmer gepredigt. Und am Ende dieser Predigt wird sehr schön deutlich, wie Barth noch in der kleinsten menschlichen Geste etwas von der großen Partnerschaft zwischen Gott und Mensch entdecken kann, wie er diese kleine menschlichen Gesten in ihrem Eigenrecht würdigen kann und wie sie im Lichte der Erbarmung Gottes zu leuchten beginnen: Predigen also als Grüßen des Nächsten. Die Predigt endet so:

„Man pflegt sich zum Neuen Jahr Gutes zu wünschen: Glück und Segen und Gesundheit und frohe Tage. Das ist schön und recht so, und das wollen wir uns auch gegenseitig wünschen: ich Euch und ihr mir auch. Aber im Grunde gibt es ja nur ein ganz Gutes, das wir einander wünschen können: daß, was wir eben gehört haben, uns wirklich aufrichte, halte tröste und erfreue: ‚Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen.‘ Das gilt, denn das sagt nicht irgendein Mensch, das spricht der Herr: dein, mein, unser aller Erbarmer. Amen.“

Dr. Albrecht Grözinger ist emeritierter Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Basel und Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.


[1] Nachwort zu Heinz Bolli (Hg.), Schleiermacher-Auswahl, München und Hamburg 1968, S. 293.

[2] Karl Barth, Der Römerbrief (1922), Zürich 131984, S. 325f.

[3] Georg Pfleiderer, Karl Barths praktische Theologie, Tübingen 2000, S. 463.

[4] Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Band 1, Frankfurt / Berlin / Wien 1977, S. 286.

[5] Karl Barth, Die Gemeindemäßigkeit der Predigt, in: Gert Hummel (Hg.), Aufgabe der Predigt, Darmstadt 1971, S.165-178, zit. Stelle S. 164.

[6] A.a.O., S. 168.

[7] A.a.O., S. 169.

[8] Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, Zollikon-Zürich 1956, S. 5.

[9] A.a.O., S. 8.

[10] Ebd.

[11] A.a.O., S. 11.

[12] Eberhard Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 31978, S. 24f.

[13] Günter Grass, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 107 vom 9. Mai 1994, S. 17.

[14] Karl Barth, KD I/2, S. 487.

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