Martin Luther, Trostbrief an die Christen zu Augsburg (1523): „Wer das Kreuz nicht will, der muss des Wortes auch mangeln. Wahr ist’s, nichts Lieblicheres wäre im Himmel und auf Erden, denn das Wort ohne Kreuz. Aber es würde die Lust nicht lange bleiben; sintemal die Natur nicht vermag eitel Freude und Lust zu tragen die Länge; wie man spricht: der Mensch kann alles wohl er­leiden ohne gute Tage; und müssen starke Beine sein, die gute Tage ertragen sollen.“

An die Christen zu Augsburg, Trostbrief in Widerwärtigkeiten um des Evangeliums willen vom 11. Dezember 1523

Den auserwählten Lieben Gottes, allen Gliedern Christi zu Augsburg, meinen lieben Herren und Brüdern, Gnade und Friede in Christo Jesu, unserm Heilande.

Es ist vor uns gekommen, liebe Brüder und Herren, wie dass bei euch etliche sind in Widerwärtigkeiten geraten um einer Pfaffen­hochzeit willen, unschuldiglich, und über den Schaden auch Spott und Schmach leiden müssen von denjenigen, so sich freuen, wenn Christus gekreuzigt wird, und lachen, so ihres Vaters Noah Blöße gesehen wird. Nun aber durch Gottes Gnaden wir in der Gemeinschaft der Heiligen und untereinander Glieder sind, müssen wir uns, wie Paulus spricht, Röm. 12,13.15, „der Heiligen Notdurft annehmen und mit denjenigen, so da leiden, Mitleiden tragen“. Denn gleichwie St. Paulus sagt abermals, 1.Kor. 12,26: „Leidet ein Glied, so leiden die andern alle mit; wird eines geehrt, so freuen sich die andern alle.“ Es sei nun bei und unter euch Ehre oder Schmach, Friede oder Ungemach, so achten wir, es sei auch unser und treffe uns. Wie wir uns denn auch zu eurer Liebe versehen, unsere Freude sei eure Freude und unser Unfall sei euer Unfall um des ge­meinen Glaubens und Wortes willen, damit uns Gott beraten hat durch seine große Barm­herzigkeit. Derhalben ich’s nicht habe wollen noch sollen unterlassen, eurer Liebe eine Er­mahnung zu tun „und trösten mit dem Trost, damit wir von Gott getröstet werden“, 1.Kor. 1,4, das ist, durch sein heiliges Wort: auf dass eure Liebe nicht allein solches geduldiglich leide, sondern auch frisch und stark werde, noch Größeres zu warten und überwinden; wiewohl ich achte, dass meines armen Schreibens eurer Liebe nicht not sei.

Auf’s erste spricht St. Paulus, Röm. 8,17. 2.Tim. 2,11: „Wollen wir mit herr­schen, so müssen wir auch mit leiden.“ Denn, so wir Lust und Freude haben am Evangelium und begehren seines unaussprechlichen Reichtums und seines ewigen Schatzes teilhaftig zu sein, müssen wir auch nicht ausschlagen sein Kreuz, Matth. 10, 38., und was es mit sich Ungemach bringt, angesehen, dass sein Reichtum und Schatz ewig ist, und sein Ungemach zeitlich, ja, augenblicklich. Er hat selber gesagt, Joh. 15,20: „In der Welt werdet ihr Un­gemach haben, in mir aber den Frieden.“ Wollen wir Friede in ihm haben; wohlan, so müssen wir Ungemach von der Welt haben. Da wird nichts anders aus. „Gedenkt“, sagt er, „meines Worts, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht besser, denn der Herr. Haben sie mich verfolgt, sie werden euch auch verfolgen“, Joh. 16,32.34. Ein fauler, un­nützer Knecht wäre mir das, der auf einem sammeten Polster sitzen wollte und wohl leben, da sein Herr draußen hungert, arbeitet und streitet wider seine Feinde. Ja, ein törichter Kaufmann wäre das, der sein Gold und Silber darum von sich würfe oder nicht haben wollte, dass es in groben, unsaubern Beuteln und nicht in Sammet oder schöner Seide gebunden wäre, oder würde seinem Schatz darum feind, dass er schwer und nicht so leicht als eine Feder wäre; so doch die Natur des Schatzes ist, dass er schwer sei, und je größer, je schwerer; und der Brauch auch nicht ist, Gold und Silber in schönen Säcklein und Beuteln zu führen, sondern in schwarzem, groben, unsauberen Tuch, das sonst niemand gern am Leibe trüge.

Also ist’s und hält sich’s mit unserm Schatz auch, 2.Kor. 4,7, der ist wahrlich groß, teuer, köstlich und edel; aber wir müssen ihn führen in Ungemach und Leiden; das ist seine Last und seine unsauberen Säcke, darinnen er verborgen liegt. Wer nun diesen Schatz wollte öffentlich hertragen in schönen Säcken, das ist, wer ein Christ sein will und will herrlich ge­halten sein, Lust und Freude, Gut und Ehre davon haben, und will nicht verachtet sein, Un­lust, Schande, Schaden und Feinde davon haben, was sucht er anders, denn dass er des Schatzes will beraubt sein? Trägt ihn zu herr­lich und öffentlich und zu scheinbarlich; so doch des Schatzes Art ist, dass er unter Schande, Schaden, Leiden will verdeckt sein, wie in einem rostigen Beutel oder Sack, auf dass ihn die Welt nicht erkenne oder raube, welches geschieht, wo sie uns darum ehren, lieben und fördern würde. Derhalben auch Christus spricht, Matth. 13,44, dass der Mann, der den Schatz im Acker fand, ihn wiederum vergrub und verscharrte. Das ist nicht anders; das Evange­lium will und kann nicht in großen Ehren, Gemach, Luft und Gut hervorbrechen und emporschweben, oder wird nicht bleiben; son­dern es muss verscharret und verborgen sein unter Ungemach und Schande, dass es nicht her­vorbreche vor der Welt und sich derselben ge­fällig stelle; so bleibt es sicher und frei.

Derhalben Gott auch euch jetzt gnädig ansieht und bewährt euren Schatz, dass er ihn auch verwahre; dafür ihr Gott billig danken und loben sollt mit Freuden, der euch dazu würdig macht, solchen Schatz zu haben und in den rechten Beutel zu fassen, dass er euch bleiben möge. Darum seid getrost, meine lieben Herren und Brüder, es stehet wohl mit euch, und es will gut werden. Entfallet nur nicht aus der Hand Gottes, der euch jetzt gefasst hat, euch zu rechtschaffenen Christen zu machen, die nicht mit Worten allein, wie ich und meinesgleichen lei­der sind, sondern mit der Tat und der Wahr­heit evangelisch leben sollen.

Es ist also geschrieben, Jes. 64,8: „Wir sind sein Ton, er ist unser Töpfer.“ Der Ton muss die Kunst und Hand des Töpfers nicht meistern, sondern sich meistern und machen lassen. Darum führt auch das Evangelium seinen Reim, den ihm St. Paulus gibt, 1.Kor. 1,18: Verbum Crucis „ein Kreuzwort“. Wer das Kreuz nicht will, der muss des Wortes auch mangeln. Wahr ist’s, nichts Lieblicheres wäre im Himmel und auf Erden, denn das Wort ohne Kreuz. Aber es würde die Lust nicht lange bleiben; sintemal die Natur nicht vermag eitel Freude und Lust zu tragen die Länge; wie man spricht: der Mensch kann alles wohl er­leiden ohne gute Tage; und müssen starke Beine sein, die gute Tage ertragen sollen.

Darum hat uns Gott auch diesen süßen, lieblichen Schatz ein wenig gewürzt und mit Essig und Myrrhen scharfschmeckend gemacht, dass wir sein nicht überdrüssig werden. Denn sauer macht essen, spricht man; also macht auch das Ungemach auf Erden, dass unser Herz desto fröhlicher, frischer und immer durstiger wird nach diesem Schatz. Denn seine Kraft wird da­durch geschmeckt und erkundet, wie er das Herz in Gott tröste. Also gibt ihm auch Salomo, Sprüchw. 9, 5., den Namen: Vinum mixtum (gemischter Wein), da die Weisheit spricht: „Kommt und trinket den Wein, den ich euch ge­mischt habe“, und Psalm 75, V. 9.: Calix in manu Domini meri vini plenus mixto: Ein lauterer Wein ist es, der die Seelen trunken macht; aber doch mit Leiden gemischt, dass er schmackhaftig bleibe.

Aber was soll ich viel mehr erzählen? Eure Liebe weiß selbst wohl, dass in der ganzen Schrift durch und durch allezeit Gottes Wort also gepreiset wird, dass es Ungemach, Schande und allerlei Trübsal mit sich bringt zeitlich; daneben auch Ermahnung und Trost vorhält, wie ein großes Gut der Schatz sei, und wie trefflich er durch solche Trübsal zunehme. Derhalben ihr euch selbst untereinander wohl trö­sten könnt. Aber was ich tue, ist wohl als eine Vermessenheit anzusehen. Doch weil ich sehe, dass Gott euch gleichen Reichtum mit uns geschenkt hat durch die Erkenntnis unsers Herrn Jesu Christi, kann ich’s nicht lassen, Narr zu sein, und aus Freude und Lust, so ich an eurer Gemeinschaft habe, zu schwatzen mit euch und ermahnen, so ich wohl selbst bedürfte beides, Ermahnung und Lehre.

Derhalben bitte ich, Eure Liebe wollte mir diese Schrift, guter Meinung geschehen, zu gut halten und mich schwaches, armes, ge­brechliches Gefäß durch euer Gebet Gott be­fehlen. Ich bitte euch, lasset euch auch diesen Boten, M. Jacobus, befohlen sein. Der Gott aber aller Gnaden, der angefangen hat, bei euch sich zu offenbaren und seines Sohnes Bild in euch zu erneuern, wolle nach dem Reichtum seiner Ehre sein Werk reichlich, beide an euch und uns, vollführen auf den Tag unseres Herrn Jesu Christi; dess wir tröstlich warten, dass er uns erlöse von dem übrigen alles Übels in diesem Fleisch, Amen.

Gottes Gnade sei mit euch allen, Amen.

Zu Wittenberg, Frei­tags nach Nicolai, Anno Domini 1523.

Martinus Luther. D.

WA 12, 224–227.

Quelle: Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften herausgegeben von Dr. Joh. Georg Walch, Bd. 10: Catechetische Schriften und Predigten, St. Louis: Concordia, 1885, Sp. 1916-1921.

Hier der Text als pdf.

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