Martin Luther, Auslegungen zu den Seligpreisungen (Matthäus 5,1-6): „Siehe, solche tolle Heiligen straft hier Christus, die da meinen, ein jeglicher sei Herr in der ganzen Welt, und habe Recht dazu, dass er nichts leide, sondern nur poltern und rumoren, und mit Gewalt fahren, das Ihre zu schützen; und lehrt uns, dass, wer da will das Seine, Gut, Haus und Hof usw. mit Frieden regieren und besitzen, der müsse sanftmütig sein, dass er könne versehen und mit Vernunft fahren und leiden, was er immer leiden kann.“

Auslegungen zu den Seligpreisungen (Matthäus 5,1-6)

Von Martin Luther

Da er das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie, und sprach.

Da macht der Evangelist eine Vorrede und Gepränge, wie sich Christus gestehet habe zu der Predigt, die er tun wollte: daß er auf einen Berg gehet und sich setzet und seinen Mund auftut; daß man siehet, es sei sein Ernst. Denn das sind die drei Stücke, wie man sagt, so zu einem guten Prediger gehören: zum ersten, daß er auftrete; zum andern, daß er das Maul auftu, und etwas sage; zum dritten, daß er auch könne aufhören.

Auftreten ist, daß er sich stelle als ein Meister oder Prediger, der es kann und tun soll, als dazu berufen und nicht von ihm selbst kommet, sondern dem es gebühret aus Pflicht und Gehorsam; daß er sagen könne: Ich komme nicht getrollt aus eigenem Vornehmen und Gutdünken, sondern muß es tun von Amts wegen.

Das ist wider die gesagt, die uns bisher und noch so viel Plage und Marter anlegen, die Rottenbuben und Schwärmer, so hin und wieder in Landen irr laufen und streichen, vergiften die Leute, ehe es Pfarrer, und die im Amt oder Obrigkeit sitzen, erfahren, und so ein Haus nach dem andern beschmeißen, bis sie eine ganze Stadt, darnach aus der Stadt ein ganzes Land vergiften. Solchen Schleichern und Streichern zu wehren, sollte man schlechthin nicht zulassen jemand zu predigen, dem es nicht befohlen und das Amt aufgelegt ist; auch niemand sich unterstehen, ob er schon ein Prediger ist, wo er einen Lügenprediger höret in einer papistischen oder andern Kirchen, der die Leute verführet, wider ihn zu predigen; auch nicht hin und wieder in die Häuser schleichen, und sonder­liche Winkelpredigt anrichten, sondern daheim bleiben und seines Amts oder Predigtstuhls warten oder Stillschweigen, wo er nicht will oder kann öffentlich auf die Kanzel treten.

Denn Gott will nicht, daß man mit seinem Wort irre laufe, als treibe jemand der Heilige Geist, und müsse predigen, und also Stätte und Winkel, Häuser oder Predigtstühle suche, da er kein Amt hat. Denn auch S. Paulus selbst nicht wollte, ob er wohl zu einem Apostel von Gott berufen war, an den Orten predigen, da die andern Apostel vorher gepredigt hatten. Darum steht hier, daß Christus frei öffentlich auf den Berg geht, als er sein Predigtamt anfängt, und bald hernach spricht er zu den Jüngern: Ihr seid das Licht der Welt. Und: Man zündet kein Licht an und steckts unter einen Scheffel, son­dern setzts auf einen Leuchter, daß es leuchte allen, die im Hause sind. Denn das Predigtamt und Gottes Wort soll daher leuchten wie die Sonne, nicht im Dunkeln schleichen und meuchlings, wie man Blindekuh spielt; sondern frei am Tage handeln und ihm wohl lassen unter die Augen sehen, daß beide, Prediger und Zuhörer, des gewiß seien, daß es recht gelehrt, und das Amt befohlen sei, daß sie es kein Hehl haben dürfe. So tu du auch! Wenn du im Amt bist und Befehl hast zu predigen, so tritt frei öffentlich hervor und scheue niemand, auf daß du könnest rühmen mit Christo: Ich habe frei öffentlich gelehrt vor der Welt und habe nichts im Winkel geredet usw. Joh. 18 (20).

Sprichst du aber: Wie? soll denn niemand nichts lehren, es geschehe denn öffentlich? Oder, sollte ein Hausvater in seinem Haus sein Gesinde nicht lehren oder einen Schüler oder andern bei sich halten, der ihnen vorlese? Antwort: Traun ja, das ist auch wohlgetan, dazu ein rechter Raum und Stätte dazu. Denn ein jeglicher Hausvater ist schuldig, daß er sein Kind und Gesinde ziehe und lehre oder lehren lasse. Denn er ist in seinem Hause als ein Pfarrer oder Bischof über sein Gesinde, und ist ihm befohlen, daß er drauf sehe, was sie lernen, und für sie antworte. Aber das gilt nicht, daß du solches außer deinem Hause tun wollest und dich von dir selbst in andre Häuser oder zu Nachbarn eindringen; sollst auch nicht leiden, daß irgendein Schleicher zu dir komme und in deinem Haus ein Sonderliches mache mit Predigen, das ihm nicht befohlen ist. Kommt aber einer in ein Haus oder Stadt, so heiße man ihn Zeugnis bringen, daß er bekannt sei, oder Siegel und Brief zeigen, daß er Befehl habe. Denn man muß nicht allen Streichern glauben, die sich des heiligen Geists rühmen, und sich damit hin und her in die Häuser drehen. Kurz, es heißt: Das Evangelium oder Predigtamt soll nicht im Winkel, sondern hoch empor aufm Berg, und frei öffentlich am Licht sich lassen hören. Das ist eines, das hier Matthäus will anzeigen.

Das andre ist, daß er seinen Mund auftut. Das gehört (wie gesagt) auch zu einem Prediger, daß er nicht das Maul zuhalte und nicht allein öffentlich das Amt führe, daß jedermann schweigen müsse und ihn auftreten lasse als den, der göttlich Recht und Befehl hat, sondern auch das Maul frisch und getrost auftue, das ist: die Wahrheit, und was ihm befohlen ist, zu predigen; nicht schweige noch mummele, sondern ohn Scheu und unerschrocken bekenne, und frei heraus sage, niemand angesehen noch geschonet, es treffe, wen oder was es wolle.

Denn das hindert einen Prediger gar sehr, wenn er sich will umsehen und sich damit bekümmern, was man gerne höret oder nicht, oder was ihm Ungunst, Schaden oder Gefahr bringen möchte; sondern, wie er hoch auf dem Berg, an einem öffentlichen Ort, stehet, und frei um sich siehet, so soll er auch frei reden und niemand scheuen, ob er gleich mancherlei Leute und Köpfe sieht, und kein Blatt vors Maul nehmen, weder gnädige noch zornige Herren und Junker, weder Geld, Reichtum, Ehre, Gewalt, noch Schande, Armut, Schaden ansehen, und nicht weiter denken, denn daß er rede, was sein Amt fordert, darum er da stehet.

Denn Christus hat das Predigtamt nicht dazu gestiftet und eingesetzt, daß es diene, Geld, Gut, Gunst, Ehre, Freund­schaft zu erwerben oder seinen Vorteil damit zu suchen; sondern, daß man die Wahrheit frei öffentlich an den Tag stelle, das Böse strafe und sage, was zur Seelen Nutz, Heil und Seligkeit gehöret usw. Denn Gottes Wort ist nicht darum hier, daß es lehre, wie eine Magd oder Knecht im Haus arbeiten soll und sein Brot verdienen, oder ein Bürgermeister regieren, ein Ackermann pflügen oder Heu machen. Summa: es gibt und zeiget nicht zeitliche Güter, dadurch man dieses Leben erhalte; denn solches hat die Vernunft vorhin alles einen jeglichen gelehret: sondern das will es lehren, wie wir sollen kommen zu jenem Leben, und heißt dich dieses Lebens brauchen und den Bauch hier nähren, so lange es währt, doch, daß du wissest, wo du bleiben und leben sollst, wenn solches aufhören muß.

Wenn nun solches angehet, daß man predigen soll von einem andern Leben, darnach wir sollen trachten, und um deswillen wir des nicht sollen achten, als wollten wir ewig hier bleiben, so gehet denn Hader und Streit an, daß es die Welt nicht leiden will. Wo denn da einem Prediger der Bauch und zeitlich Leben lieber ist, der tuts nicht; steht wohl und wäscht auf der Kanzel, aber er predigt nicht die Wahrheit, tut das Maul nimmer nicht auf; wo es will übel gehen, da hält er inne, und beißet den Fuchs nicht. Siehe, darum hat Matthäus das Gepränge vorher beschrieben, daß Christus, als ein rechter Prediger, auf den Berg gehet und den Mund frisch auftut, die Wahrheit lehret, und strafet beide, falsche Lehre und Leben, wie wir hören werden.

Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr.

Das ist ja ein feiner, süßer, freundlicher Anfang seiner Lehre und Predigt. Denn er fährt nicht daher, wie Moses oder ein Gesetzlehrer, mit Gebieten, Dräuen und Schrecken; sondern aufs allerfreundlichste, mit eitel Reizen und Locken und lieblichen Verheißungen. Und zwar, wo es nicht also gefaßt, und uns allen vorgetragen wären die lieben Worte und Predigt, die der Herr Christus zum ersten getan hat, so würde einen jeglichen der Vorwitz reiten und treiben, danach zu laufen bis gen Jerusalem, ja, bis ans Ende der Welt, da man nur ein Wort davon hören möchte. Da sollt man Geld genug finden, daß die Straße wohl gebaut würde, und würde jedermann gar herrlich rühmen, wie er die Worte und Predigt gehöret oder gelesen hätte, die der Herr Christus selbst geredet hätte. O welch ein trefflicher seliger Mann sollte der geachtet werden, dem solches möchte widerfahren! So würde es gewißlich gehen, wenn wir nichts davon geschrieben hätten, obgleich sonst viel von andern geschrieben wäre; und würde ein jeglicher sagen: »Ja, ich höre wohl, was S. Paulus und andere seiner Apostel gelehret haben, aber viel lieber wollte ich hören, was er doch selbst geredet und gepredigt hätte.« Jetzt aber, nun es so gemein ist, daß es jedermann im Buch geschrieben hat, und täglich lesen kann, achtets nie­mand für was Sonderliches und Köstliches. Ja, wir werdens dazu überdrüssig und schlagens in den Wind, als hätte es nicht die hohe Majestät vom Himmel, sondern irgendein Schuster geredet. Darum widerfähret uns auch, zur Strafe unseres Undanks und Verachtung, daß wir wenig genug davon haben und nimmer fühlen noch schmecken, was für ein Schatz, Kraft und Gewalt in Christi Worten ist. Wer aber die Gnade hat, daß ers recht ansehe als Gottes und nicht Menschen Wort, der wirds auch wohl höher und teurer achten und nimmermehr müde noch überdrüssig werden.

Wie freundlich aber und süß diese Predigt ist für die Christen, die seine Schüler sind, so verdrießlich und unleidlich ist sie für die Juden und ihre großen Heiligen. Denn er gibt ihnen bald im Anfang einen harten Stoß mit diesen Worten, verwirft und verdammet ihre Lehre, und predigt gleich das Widerspiel; ja, er schreiet Weh über ihr Leben und Lehren, wie Luk. 6 (24) anzeigt. Denn das ist die Summa ihrer Lehre gewesen: wenn es einem Menschen wohl ginge hier auf Erden, der wäre selig und wohl dran; und dahin hatten sie alles gerichtet: wenn sie fromm wären und Gott dieneten, daß ihnen Gott genug sollte geben auf Erden und nichts gebrechen lassen, wie David Ps. 144 von ihnen sagt: Das ist ihre Lehre: Daß alle Winkel und Kammern voll Vorrat seien, und die Anger voll Schafe, die allzumal voll und viel tragen, und das Vieh viel erarbeite, dazu kein Schade noch Verlust noch Unfall oder Plage sie treffe. Das heißen sie selige Leute usw.

Dawider tut hier Christus seinen Mund auf und spricht, es gehöre ein andres dazu, denn daß man hier genug habe auf Erden, als wollte er sagen: Ihr lieben Jünger, wenn ihr unter den Leuten predigen sollt, so werdet ihr finden, daß sie alle so lehren und glauben: wer da reich, gewaltig usw. sei, der sei allerdinge selig; und wiederum, wer da arm, elend ist, der sei vor Gott verworfen und verdammt. Denn in dem Glauben standen die Juden stark: wenn es einem Menschen wohl ginge, das wäre ein Zeichen, daß er einen gnädigen Gott hätte; und wiederum. Das machte, daß sie viele und große Verhei­ßungen von Gott hatten von zeitlichen, leiblichen Gütern, die er den Frommen wollte geben. Darauf verließen sie sich, meineten, wenn sie solches hätten, so wären sie wohl mit ihm dran. Darauf ist auch das Buch Hiob gemacht. Denn darüber zanken und sperren sich seine Freunde wider ihn und treiben hart darauf, er müsse etwas Großes wider Gott verschuldet haben und auf sich wissen, daß er so gestraft werde. Darum soll ers bekennen, sich bekehren und fromm werden, so werde Gott die Strafe wieder von ihm nehmen usw.Darum ists eine nötige Predigt gewesen zum Anfang, daß er solchen Wahn umstieß und aus dem Herzen risse, als der größten Hindernisse eines wider den Glauben, der den rechten Abgott Mammon im Herzen stärket. Denn aus solcher Lehre hat nichts andres können folgen, denn daß die Leute geizig wurden, und ein jeglicher nur darnach trachtete, wie er genug und gute Tage hätte, ohne Mangel und Unge­mach; und jedermann hat müssen denken: »Ist der selig, dem es wohl gehet und Guts genug hat, so muß ich zusehen, daß ich auch nicht am wenigsten habe.«

Das ist auch noch heutiges Tages aller Welt Glaube, sonder­lich der Türken, die sich am höchsten darauf verlassen und stärken und daher schließen, es wäre nicht möglich, daß sie soviel Glück und Sieg hätten, wo sie nicht Gottes Volk wären, und er ihnen vor allen andern gnädig wäre. So glaubt auch bei uns das ganze Papsttum, und stehet der Grund ihrer Lehre und Lebens darauf, daß sie nur genug haben, und haben damit aller Welt Güter zu sich gebracht, wie man vor Augen siehet. Summa: dies ist der größte und weiteste Glaube oder Religion auf Erden, darauf alle Menschen nach Fleisch und Blut bleiben, können auch kein andres für Seligkeit achten.

Darum bringet er hier gar eine andre neue Predigt für die Christen, daß, wenn es ihnen übel gehet, Armut leiden, und sich hier Reichtums, Gewalt, Ehre und guter Tage verzeihen müssen, sollen sie dennoch selig sein und nicht einen zeit­lichen, sondern einen andern, ewigen Lohn haben, daß sie im Himmelreich genug haben.

Sprichst du aber: »Wie, müssen denn die Christen alle arm sein, und darf niemand Geld, Gut, Ehre, Gewalt usw. haben? Oder wie sollen die Reichen, als Fürsten, Herren, Könige tun? müssen sie alle ihr Gut, Ehre usw. fahren lassen, oder den Armen das Himmelreich abkaufen? wie etliche gelehrt haben. Antwort: Nein; es heißt nicht den Armen abkaufen, sondern selbst arm sein und unter solchen Armen erfunden werden, wer da will das Himmelreich haben. Denn es ist deutlich und entschieden gesetzt: Selig sind die Armen; und steht doch dabei das Wörtlein: geistlich arm, also, daß auch nicht damit ausgerichtet ist, daß jemand leiblich arm sei und kein Geld und Gut habe. Denn äußer­lich Geld, Güter, Land und Leute haben, ist an sich selbst nicht unrecht, sondern Gottes Gabe und Ordnung. So ist niemand darum selig, der ein Bettler ist, und nichts überall Eignes hat, sondern es heißt: geistlich arm sein. Denn ich habe droben im Anfang gesagt, daß Christus hier gar nichts handelt von weltlichem Regiment und Ordnung; sondern will allein von dem geistlichen reden, wie man außer und über das Äußerliche vor Gott leben soll.

Zum weltlichen Regiment gehöret, daß man Geld, Gut, Ehre, Gewalt, Land und Leute habe, und kann ohne dies nicht bestehen. Darum soll und kann ein Herr oder Fürst nicht arm sein; denn er muß allerlei solche Güter zu seinem Amt und Stand haben. Darum ists nicht die Meinung, daß man so müsse arm sein, daß man gar nichts Eignes habe. Denn es kann die Welt nicht so bestehen, daß wir alle sollten Bettler sein und nichts haben. Denn auch kein Hausvater nicht sein Haus und Gesinde nähren könnte, wenn er selbst gar nichts hätte. Summa: leiblich arm sein tuts nicht. Denn man findet manchen Bettler, der das Brot vor der Tür nimmt, so stolz und böse, als kein Reicher, und manchen schäbichten Bauern, mit dem weniger umzukommen ist, denn mit einem Herrn und Fürsten.

Darum sei leiblich und äußerlich arm oder reich, wie dirs beschert ist! da fragt Gott nicht nach; und wisse, daß ein jeglicher müsse vor Gott, das ist: geistlich und von Herzen, arm sein; das ist: daß er seine Zuversicht, Trost und Trotz nicht setze auf zeitliche Güter noch das Herze drein stecke und lasse den Mammon seinen Abgott sein. David war ein trefflicher König und mußte wahrlich seinen Beutel und Kasten voll Gelds, die Böden voll Korns, das Land voll allerlei Güter und Vorrat haben: noch mußte er daneben geistlich ein armer Bettler sein; wie er von sich singt: »Ich bin arm und ein Gast im Land, gleichwie alle meine Väter.« Siehe, der König, der in solchen Gütern sitzet, ein Herr über Land und Leute, darf sich nicht anders denn einen Gast oder Pilger nennen, als der auf der Straße gehet, da er nichts hat, da er bleiben kann. Das heißet ein Herz, das sich nicht bindet an Gut und Reichtum; sondern, ob es gleich hat, dennoch ist ihm gleich als hätte es nichts; wie Paulus von den Christen rühmet 2. Kor. 6 (10): »Als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts innehaben, und doch alles haben« usw.

Alles dahin geredet, daß man aller zeitlicher Güter und leiblicher Notdurft, dieweil wir hier leben, nicht anders brauche, denn als ein Gast an einem fremden Ort, da er über Nacht liegt und des Morgens davon zieht, brauchet nicht mehr denn Futter und Lager zur Notdurft, darf nicht sagen: Das ist mein, hier will ich bleiben; noch sich ins Gut setzen, als gebühre es ihm von Recht; sonst müßte er bald hören, daß der Wirt zu ihm sagt: »Lieber, weißt du auch, daß du ein Gast hier bist? geh deines Wegs, wo du hingehörest.« Also auch hier: daß du zeitlich Gut hast, hat dir Gott gegeben zu diesem Leben, und gönnet dir wohl, daß du seiner brauchst und den Madensack damit füllest, den du am Hals trägst; aber nicht das Herz daran hängest und heftest, als wolltest du ewig leben: sondern immer weiterfährest und denkest nach einem andern hohem und bessern Schatz, der dein eigen ist und ewig bleiben soll.

Das sei grob für den gemeinen Mann geredet, daß man lerne verstehen nach der Schrift zu reden, was geistlich arm oder vor Gott arm heiße, nicht äußerlich nach Geld und Gut oder nach Mangel oder Überfluß zu rechnen, da man siehet (wie gesagt), daß die ärmsten, elendesten Bettelbuben die ärgsten, verzweifeltsten Schälke sind und alle Büberei und Untugend begehen dürfen, welches feine, ehrliche Leute, reiche Bürger oder Herrn und Fürsten nicht tun; wiederum auch viel heiliger Leute, die Geld und Gut, Ehre, Land und Leute genug gehabt haben, und dennoch mit so viel Gütern arm gewesen sind: sondern nach dem Herzen muß mans rechnen, das ihm nicht lasse hart angelegen sein, ob es etwas oder nichts, viel oder wenig habe, und was es für Güter hat, immer so hinsetze, als hätte mans nicht, und alle Stunde drum kommen und verliern müßte, und das Herz immer am Himmelreich behalte.

Wiederum heißet der reich nach der Schrift, welcher, ob er gleich kein Geld noch Gut hat, dennoch darnach reißet und kratzet, daß er nimmer kann genug haben. Das sind die rechten, die das Evangelium reiche Wänste heißet, die in großem Gut am allerwenigsten haben und sich nimmer lassen genügen an dem, das ihnen Gott bescheret. Denn es siehet ins Herz, das da voll Gelds und Guts steckt, und richtet danach, obgleich nichts im Beutel und Kasten liegt. Wiederum richtet es den Armen auch nach dem Herzen, ob er gleich Kasten, Haus und Hof voll hat. So gehet der christliche Glaube hindurch, siehet weder Armut noch Reichtum an, sondern wie das Herz steht. Wo darin ein Geizwanst steckt, so heißet er geistlich reich; und wiederum, geistlich arm, wer nicht daran hänget und kanns aus dem Herzen lassen; wie Christus anderswo sagt: Wer da verläßt Häuser, Äcker, Kind, Weib usw., der solls hundertfältig wiederhaben und dazu das ewige Leben ererben. Damit er die Herzen vom Gut will reißen, daß sie es nicht für ihren Schatz halten, und die Seinen trösten, die es lassen müssen, daß sie viel mehr und besseres, auch in diesem Leben, empfangen sollen, denn sie verlassen können. Nicht, daß man von Gut, Haus, Hof, Weib und Kind solle laufen und im Land solle irrgehen, andre Leute beschweren, wie die Wiedertäuferrotte tut, die uns Schuld geben, daß wir das Evangelium nicht recht predigen, weil wir Haus und Hof behalten, bei Weib und Kind bleiben. Nein, solche tolle Heiligen will er nicht haben, sondern es heißt also: Wer mit dem Herzen Haus, Hof, Weib und Kind lassen kann, ob er gleich darin sitzet und dabei bleibt, sich mit ihnen nähret und aus der Liebe dienet, wie Gott geboten hat, und doch dahin setzet, wo es die Not fordert, daß ers könne um Gottes willen alle Stunde fahren lassen. Bist du so geschickt, so hast du alles verlassen; also, daß das Herz nur nicht gefangen sei, sondern rein bleibe vom Geiz und Ankleben, Trost und Zuversicht aller Dinge. Und kann wohl ein Reicher geistlich arm heißen, und darf darum sein Gut nicht wegwerfen; ohne wenn er aus Not davon lassen soll, so lasset ers in Gottes Namen; nicht darum, daß er gerne von Weib, Kind, Haus und Hof sei, sondern viel lieber behält, so lang es Gott gibt, und ihm damit dienet, und doch auch bereit, wenn ers ihm wieder nehmen will. So siehest du, was geistlich und vor Gott arm sein, oder geistlich nichts haben und alles verlassen heiße.

Nun siehe auch an die Verheißung, die Christus dazusetzet und spricht: »Denn solcher ist das Himmelreich.« Das ist ja eine große, treffliche, herrliche Verheißung, daß wir sollen dafür, daß wir hier gerne arm sind und zeitlich Gut nicht achten, ein schön, herrlich, groß, ewig Gut im Himmel haben. Und da du hier eine kleine Parteke fahren läßt, der du doch brauchen kannst solange und soviel du des haben kannst, sollst du dagegen eine Krone erlangen, daß du ein Bürger und Herr im Himmel seist. Solches sollte uns ja bewegen, wenn wir wollten Christen sein, und dafür hielten, daß seine Worte wahr wären. Aber es achtet niemand, wer der sei, der es sagt, und viel weniger, was er sagt; lassens an den Ohren vorübergehen, daß sich niemand weiter darum be­kümmert, noch zu Herzen fasset.

Er zeiget aber eben mit diesen Worten, daß niemand solches fasset, er sei denn zuvor ein rechter Christ. Denn beide, dies Stück und alle andern, die hernach folgen, sind eitel Früchte des Glaubens, die der Heilige Geist selbst im Herzen schaffen muß. Wo nun der Glaube nicht ist, da wird das Himmelreich auch wohl außen bleiben, auch nicht geistliche Armut, Sanft­mut usw. folgen, sondern eitel Scharren und Geizen, Zanken und Rumoren um zeitlich Gut bleiben. Darum ists verloren bei solchen Weltherzen, daß sie nimmermehr lernen noch erfahren, was geistliche Armut sei, auch nicht glauben noch achten, was er vom Himmelreich sagt und verheißet; wiewohl ers doch denselbigen zu Dienst so schicket und ordnet, daß, wer nicht will geistlich arm sein in Gottes Namen, um des Himmelreichs willen, der muß doch arm sein in Teufels Namen, und keinen Dank dazu haben. Denn Gott hat die Geizigen so gehängt an ihren Wanst, daß sie ihres ergeizten Guts nimmer satt noch froh werden können. Denn Junker Geiz ist ein solcher fröhlicher Gast, der keinen läßt ruhen, suchet, treibt, und jagt ohn Unterlaß, daß er des lieben Guts keine Stunde genießen muß; wie auch der Prediger Salomon sich wundert und spricht: Ists nicht eine schändliche Plage, daß Gott einem Menschen Geld und Gut, Land und Leute genug gibt, und er doch nicht so viel vermag, daß ers gebrauche? muß immerdar fürchten, sorgen und beben, wie ers behalte und mehre, daß es nicht umkomme noch weniger werde, und ist so gar gefangen, daß er nicht einen Heller fröhlich darf angreifen. Wo aber ein Herz wäre, das sich genügen lassen und zufrieden sein könnte, so hätte es Ruhe und das Himmelreich dazu; da es sonst bei großem Gut, oder ja mit seinem Geiz hier das Fegefeuer und dort das höllische Feuer dazu muß haben, und wie man sagt: Hier mit einem Karren, dort mit einem Rad muß fahren; das ist: hier Jammer und Angst, dort das Herzeleid haben.

Siehe, so schaffets Gott allezeit, daß sein Wort doch muß wahr bleiben, und niemand selig sein noch genug haben, denn die Christen, und die andern, ob sie gleich alles haben, doch nichts desto besser haben, ja, nimmermehr so gut haben, und müssen doch arme Bettler bleiben, dem Herzen nach zu rechnen; ohne daß diese gerne arm sind und an einem unvergänglichen, ewigen Gut, das ist: am Himmelreich hän­gen und selige Gotteskinder sind, jene aber nach zeitlichem Gut geizen und doch nicht erlangen, was sie wollen, müssen dazu ewig des Teufels Märtyrer sein. Und ist, kurz, kein Unterschied unter einem Bettler vor der Tür, und einem solchen leidigen Wanst, ohne daß jener nichts hat und läßt sich mit einem Stück Brots abweisen, dieser aber, je mehr er hat, je weniger er zu erfüllen ist, wenn er auch gleich aller Welt Geld und Gut auf einem Haufen kriegte.

Darum dienet diese Predigt, wie ich gesagt habe, für die Welt nicht, schaffet auch nichts; denn sie bleibet dabei, daß sie ihres Dinges will gewiß sein, und nicht glauben, sondern vor Augen sehen und in der Hand haben und spricht, es sei besser ein Sperling in der Faust, denn nach einem Kranich in der Luft gaffen. Darum läßt sie Christus auch fahren, will niemand zwingen noch mit den Haaren herzuziehen, sondern gibt seinen treuen Rat, wer ihm will raten lassen, und hält uns die allerteuersten Verheißungen vor. Willst du, so hast du hier Friede und Ruhe im Herzen und dort ewig, was dein Herz begehren soll. Willst du nicht, so fahre immer hin, und habe lieber hier und dort alles Herzeleid und Unglück. Denn wir sehen und erfahren, daß alles daran liegt, wer sich läßt genügen und nicht an zeitlichem Gut klebt; wie mancher ist, wenn er gleich nur einen Bissen Brot hat, kann ihm Gott das Herz füllen, daß er fröhlich und besser zufrieden ist, denn kein Fürst noch König. Summa: er ist ein reicher Herr und Kaiser, darf keine Sorge, Mühe und Herzeleid haben.

Das ist das erste Stück dieser Predigt: Wer hier und dort genug will haben, der denke, daß er nicht so geize und kratze, sondern nehme an und brauche, was Gott gibt, und nähre sich seiner Arbeit im Glauben: so hat er hier das Paradies und das Himmelreich gar, wie S. Paulus auch saget 1. Tim. 4: »Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Ver­heißung nicht allein dieses, sondern auch des zukünftigen Lebens.«

Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.

Wie er diese Predigt hat angefangen wider der Juden Lehre und Glauben (und zwar nicht allein ihre, sondern der ganzen Welt, wo sie am besten ist, welche allezeit auf dem Wahn bleibt, wenn sie nur hier Gut, Ehre und ihren Mammon habe, so stehe sie wohl, und allein um desselben willen Gott dienet): also fähret er nun fort, und stößt auch um, das sie hielten für das beste, seligste Leben auf Erden: wer es dazu könnte bringen daß er gute, sanfte Tage hätte und kein Ungemach dürfte leiden, von welchen der 73. Psalm sagt: »Sie sind nicht im Unglück wie andre Leute, und werden nicht wie andre Leute geplagt.« Denn das ist das Höchste, das die Menschen begehren, daß sie Freude und Lust haben mögen, und ohne Übelsein. Nun kehrt Christus das Blatt um, setzt stracks das Widerspiel und heißt die selig, die da trauern und Leid tragen; und so fort durchaus sind alle diese Stücke gestellt und gerichtet wider der Welt Sinn und Gedanken, wie sie es gern hätte. Denn sie will nicht Hunger, Kummer, Unehre, Schmach, Unrecht und Gewalt leiden, und die solches kön­nen überhoben sein, hält sie für selige Leute.

So will er nun hier sagen, daß ein ander Leben sein müsse, denn sie suchen und meinen, und sich ein Christ darnach muß richten, daß er traure und Leiden trage in der Welt. Wer das nicht tun will, mag hier wohl gute Tage haben und nach allem seinem Willen leben, aber hernach soll er ewig trauern; wie er Luk. 6 (25) spricht: »Wehe euch, die ihr hier lachet und gutes Muts seid, denn ihr werdet heulen und weinen müssen«; wie es dem reichen Mann ging Luk. 16 (19), der »alle Tage herrlich und in Freuden lebt, und sich schmückt in köstliche Seide und Purpur«, ließ sich dünken, er wäre ein großer Heiliger und vor Gott wohl dran, daß er ihm so viel Gutes gegeben hatte; und ließ gleichwohl dieweil den armen Lazarus täglich vor der Tür liegen voll Schwären, in Hunger und Kummer und großem Elend. Aber was höret er zuletzt für ein Urteil, da er in der Hölle Glut lag? »Gedenk, daß du im Leben hast Gutes empfangen, Lazarus aber Böses; darum wirst du nun gequält, er aber getröstet« usw. Siehe, das ist eben dieser Text: »Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden«, und wiederum soviel gesagt: Wer hier nichts denn Freude und Lust suchen und haben will, die sollen ewig weinen und heulen.

Fragst du abermal: »Wie soll man denn tun? sollen sie denn alle verdammt sein, die da lachen, singen, springen und sich wohl kleiden, essen und trinken?« Lesen wir doch von Königen und heiligen Leuten, die auch fröhlich gewesen sind und wohl gelebt haben! Und sonderlich ist Paulus ein wun­derlicher Heiliger, der haben will, daß wir allezeit fröhlich sein sollen, Phil. 4 (4) und spricht Röm. 12 (15): »Seid fröhlich mit den Fröhlichen«; und wiederum »weinet mit den Wei­nenden«. Siehe, das lautet ja widereinander: allezeit fröhlich sein, und doch mit andern weinen und trauern. Antwort: Gleichwie ich gesagt habe, daß Reichtum haben ist nicht Sünde noch verboten: also ist auch fröhlich sein, wohl essen und trinken nicht Sünde noch verdammlich; desgleichen auch nicht Ehre und guten Namen haben; und soll doch selig sein, wenn ich solches nicht habe oder lassen kann, und dafür Armut, Elend, Schmach und Verfolgung leide. Also ist es beides da und muß auch beides sein, trauern und fröhlich sein, essen und Hunger leiden, wie Paulus Phil. 4 (11f.) von sich rühmet: »Ich habe die Kunst gelernt, daß, wo ich bin, ich mir genügen lasse. Ich kann niedrig sein, ich kann hoch fahren; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt zu beidem, satt sein und hungern; zu beidem, übrig haben und Mangel leiden«; item 2. Kor. 6 (8f.): »Durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich« usw.

Darum ist das die Meinung: Gleichwie der geistlich arm heißt, nicht, der kein Geld noch etwas Eignes hat, sondern, der nicht danach geizt noch seinen Trost und Trotz darauf setzt, als sei es sein Himmelreich: also auch heißt das Leid tragen und trauern, nicht, der äußerlich immer den Kopf hänget, sauer sieht und nimmermehr lacht, sondern, der seinen Trost nicht darauf setzt, daß er hier nur gute Tage habe und im Sause lebe; wie die Welt tut, die nicht weiter trachtet, denn wie sie eitel Freude und Lust hier habe, und sich darin weidet, und nichts achtet noch sorgt, wie es Gott oder den Leuten gehe.

Also haben viel treffliche, große Leute, Könige und andere, so Christen sind gewesen, trauern und Leid müssen tragen, ob sie gleich vor der Welt herrlich gelebt haben, wie David allenthal­ben im Psalter von seinem Weinen und Leiden klagt. Und auch jetzt könnte ich wohl Exempel anzeigen von großen Leuten, Herren und Fürsten, so über dem lieben Evangelium dies Stück wohl erfahren und gelernt haben; als, jetzt auf dem vergangenen Reichstag zu Augsburg, und sonst, ob sie gleich auch auswendig wohl gelebt und fürstlich in Seide und Gold sich gekleidet und anzusehen gewesen, als die auf eitel Rosen gingen, aber täglich unter eitel giftigen Schlangen müssen sein, und im Herzen gefühlt, solchen unerhörten Hochmut, Trotz und Schmach, so viel böse Tücke und Worte von den schändlichen Papisten, die ihre Lust und Freude davon gehabt, daß sie ihr Herz durchbittert, und so viel an ihnen gewesen, keine fröhliche Stunde gegönnt haben, daß sie alles haben müssen in sich fressen und nicht mehr tun, denn Gott klagen mit Seufzen und Weinen. Solche Leute wissen etwas davon, was da heißt: »Selig sind, die da trauern und leid tragen«; ob mans ihnen gleich nicht ansieht, und mit andern essen und trinken, und zuweilen mußt nicht denken, daß trauern allein heiße weinen und klagen oder heulen wie die Kinder und Weiber; welches ist noch nicht das rechte tiefe Leiden, wenn es übers Herz gekommen ist und zu den Augen herausquillet; sondern das ists, wenn die rechten großen Stöße kommen, die das Herz treffen und stürmen, daß man nicht kann weinen, und niemand darf klagen.

Darum ist Trauern und Leidtragen nicht ein seltsam Kraut bei den Christen, ob es gleich auswendig nicht scheint, auch wenn sie gerne wollten fröhlich sein in Christo, und auch äußerlich soviel sie können. Denn sie müssen täglich sehen und fühlen im Herzen, wenn sie die Welt ansehen, so viel Bosheit, Mutwillen, Verachtung und Lästerung Gottes und seines Worts, dazu so viel Jammer und Unglück, so der Teufel anrichtet, beide, in geistlichem und weltlichem Regi­ment, daß sie nicht viel fröhliche Gedanken können haben, und ihre geistliche Freude sehr schwach ist. Und wo sie es stets sollten ansehen und nicht zuweilen die Augen wegwer­fen, könnten sie keinen Augenblick fröhlich sein; ist genug, daß es sonst mehr vorfällt und trifft, denn sie es gerne hätten, daß sie es nicht dürfen weit suchen.

Darum hebe nur an und werde ein Christ, so wirst du wohl lernen, was Trauern und Leidtragen heiße. Kannst du nicht mehr, so nimm ein Weib und setze dich und nähre dich im Glauben, daß du Gottes Wort lieb habest und tust, was dir in deinem Stand befohlen ist; so sollst du bald erfahren, beide, von Nachbarn und in deinem eigen Haus, daß es nicht gehen wird, wie du gerne hättest, und dich überall hindern und hemmen, daß du genug zu leiden kriegst und sehen mußt, das dir im Herzen wird wehe tun. Sonderlich aber die lieben Prediger müssen solches wohl lernen, und täglich damit geübt werden, daß sie allerlei Neid, Haß, Hohn und Spott, Undank, Verachtung und Lästerung dazu müssen in sich fressen, damit ihr Herz und Seele durchstochen und ohn Unterlaß gequält wird.

Die Welt aber will solch Trauern oder Leidtragen nicht haben, darum suchet sie solche Stände und Leben, darin sie gute Tage habe, und von niemand nichts leiden dürfe, wie der Mönche und Pfaffen Stand gewesen ist. Denn sie kann nicht leiden, daß sie in göttlichem Stande andern Leuten dienen sollte mit eitel Sorgen, Mühe und Arbeit, und dazu nichts denn Undank und Verachtung und andre böse Tücke zu Lohn kriegen. Darum, wenn es ihr nicht geht, wie sie will, und einer den andern sauer ansieht, so können sie nichts denn poltern mit Fluchen, mit Donnern, ja, mit der Faust dazu, wollen bald Gut und Ehre, Land und Leute hinansetzen. Aber Gott schickts also, daß sie dennoch nicht müssen so frei hingehen, daß sie kein Leid sehen noch leiden dürften, und gibt ihnen zu Lohn, weil sie es nicht gerne tun, daß sie es doch leiden müssen, und dasselbe mit Zorn und Ungeduld zwiefältig größer und schwerer machen, und keinen Trost noch gut Gewissen haben können. Die Christen aber haben den Vor­teil, daß, ob sie gleich Leid tragen, dennoch sollen getröstet werden und beide, hier und dort, selig sind.

Darum, wer nicht will gar ein Weltkind sein und mit den Christen teilhaben, der laß sich auch in dem Register finden, daß er helfe seufzen und Leid tragen, auf daß er auch getröstet werde, wie diese Verheißung lautet. Daher liest man ein Exempel in dem Propheten Ezechiel 9, wie Gott sechs Män­ner aussendete mit tödlicher Wehre über die Stadt Jerusalem. Aber einen unter ihnen schickte er mit einem Schreibzeug, der sollte mitten durch die Stadt gehen und allen, die da seufzeten und Leid trügen, ein Zeichen auf die Stirn schrei­ben, daß es so schändlich zuginge, und sehen mußten, das ihnen durchs Herz ginge; und wer so gezeichnet wurde, der sollte lebendig bleiben, die andern aber alle totgeschlagen werden. Siehe, das ist der Christen Vorteil, daß, ob sie gleich eitel Leid und Jammer in der Welt sehen müssen, es zuletzt dahin kommt, wenn die Welt am sichersten ist und in eitel Freuden fährt, daß sich das Rädlein umkehrt, und plötzlich ein Unglück über sie kommt, darin sie bleiben und verderben muß, sie aber herausgerissen und errettet werden; wie der liebe Lot zu Sodom errettet ward, da sie lange sein Herz gequälet und zermartert hatten (wie S. Petrus sagt), mit ihrem schändlichen Wesen. Darum laß die Welt jetzt lachen und im Sause leben nach ihrer Lust und Mutwillen. Und ob du mußt trauern und Leid tragen und täglich sehen, das dein Herz betrübt, so leide dich und halte dich des Spruchs, daß du dirs lassest wohlgefallen und dich damit tröstest und auch äußerlich dich erquickest und fröhlich machest, soviel du kannst.

Denn die also Leid tragen, die mögen wohl Freude haben und nehmen, wo sie können, daß sie nicht vor Traurigkeit versin­ken. Denn auch Christus eben diese Worte setzet und den Trost verheißet, daß sie in ihrem Leid nicht verzagen noch des Herzens Freude gar nehmen und verlöschen lassen, sondern solch Trauern mit dem Trost und Labsal mengen; sonst, wo sie nimmer keinen Trost noch Freude hätten, müßten sie verschmachten und verdorren. Denn es vermag kein Mensch eitel Trauern zu ertragen; denn es saugt Saft und Kraft im Leib aus, wie der weise Mann sagt: »Traurigkeit hat viel Leute ums Leben gebracht«. Item: »Ein trauriger Mut vertrocknet das Mark in Beinen«. Darum soll man solchen nicht allein nachlassen, sondern auch heißen und dazu treiben, daß sie sich zuweilen fröhlich machen, womit sie können, oder ja solch Trauern lindern und ein wenig vergessen.

Darum will Christus nicht, daß allein eitel Trauern und Betrübnis da sein soll, sondern will denen wehren, die gar nicht trauern wollen, und eitel gute Tage und allen ihren Trost hier haben, und seine Christen lehren, wenns ihnen übel gehet und trauern müssen, daß sie wissen, daß solches Gott wohl gefällt und ihnen auch wohl gefallen lassen, nicht fluchen und toben oder verzweifeln, als wolle ihr Gott keine Gnade haben. Wo das ist, da soll das bittre Tränklein mit Honig und Zucker gemenget und gelindert oder gemildert werden, wel­ches ist diese Verheißung, daß ihm solches wohlgefällt, und daß er sie selig spricht, dazu auch hier getröstet, und dort das Leid gar von ihnen soll genommen werden.

Darum laß gehen Welt und alle, die uns Leid tun, in ihres Herrn, des Teufels Namen und uns dies Lied singen und fröhlich sein in Gottes und Christi Namen. Denn es soll ihnen doch nicht hinausgehen, wie sie wollen, sondern, ob sie gleich sich jetzt unsres Unglücks freuen und uns viel zuleid tun, wollen wir dennoch einen guten Mut haben und erleben, daß sie zuletzt heulen und weinen müssen, wenn wir getröstet und fröhlich werden.

Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.

Dies Stück folgt fein auf das erste, da er gesagt hat: »Selig sind, die geistlich arm sind usw.« Denn wie er droben das Himmel­reich und ewig Gut verheißt, also setzet er hier auch dazu eine Verheißung von diesem zeitlichen Leben und Gütern hier auf Erden.

Wie reimt sichs aber zusammen: arm sein, und das Land besitzen? Ich meine, der Prediger habe vergessen, was er angefangen hat. Denn, soll man das Land und Güter besitzen, so muß man ja nicht arm sein? Es heißet aber hier das Land besitzen: allerlei Güter haben hier auf Erden, nicht, daß ein jeglicher ein ganzes Land solle innehaben; sonst müßte Gott noch mehr Welten schaffen; sondern die Güter, so einem jeglichen Gott beschert, daß er einem Weib Kinder, Vieh, Haus, Hof gibt, und was darein gehört, daß er im Land (wo er wohnt), sitzen und bleiben kann, und seines Guts ein Herr sei, wie die Schrift sonst pflegt zu reden, und Ps. 37 oft steht: »Die des Herrn harren, werden das Land erben«; item: »Seine Gesegneten erben das Land« usw. Darum bringt er hier die Glosse selbst mit, daß geistlich arm sein, davon er zuvor gesagt, nicht heißt ein Bettler sein oder Geld und Gut wegwerfen. Denn er will hier, daß sie im Land wohnen und bleiben sollen, und mit irdischem Gut umgehen; wie wir weiter hören werden.

Was heißt nun sanftmütig sein? Hier mußt du erstlich abermal wissen, daß Christus gar nichts redet von der Obrig­keit und ihrem Amt; denn derselbigen gehört nicht zu, daß sie sanftmütig sei (wie wir auf deutsch Sanftmut nennen); denn sie führt das Schwert, damit sie die Bösen strafen muß, und hat einen Zorn und Rache, die heißt Gottes Zorn und Rache: sondern er sagt allein von einzelnen Personen, wie ein jeglicher für sich leben soll gegen andere, außer dem Amt und Regiment; als Vater und Mutter, wo sie nicht als Vater und Mutter gegen ihre Kinder leben, noch ihr Vater- und Mutter­amt treiben, das ist: gegen die, so sie nicht Vater oder Mutter heißen, als Nachbar und andre Leute. Denn ich sonst oft gesagt habe, daß man die zwei weit unterscheiden muß, Amt und Person. Es ist viel ein andrer Mann, der da Hans oder Martin heißt, und, der Kurfürst oder Doktor und Prediger heißt.

Denn hier werden gleich zwei unterschiedliche Personen in einem Menschen. Eine, darin wir geschaffen und geboren sind, nach welcher wir alle untereinander gleich sind, Mann, Weib, Kind, Jung, Alt usw. Aber wenn wir nun geboren sind, so kleidet und schmückt dich Gott zu einer andern Person, macht dich zu einem Kind, mich zum Vater, einen zum Herrn, den andern zum Knecht, diesen zu einem Fürsten, jenen zum Bürger, und so fortan. Das heißt denn eine göttliche Person, als die ein göttlich Amt führt, und in seiner Herrlichkeit geschmückt geht, und nicht schlecht Hans oder Klaus, sondern ein Fürst zu Sachsen oder Vater und Herr heißet. Von dieser redet er hier nichts, sondern läßt sie vor sich gehen in ihrem Amt und Regiment, wie ers geordnet hat; sondern von der bloßen, einzelnen natürlichen Person, was ein jeglicher für sich selbst, als ein Mensch, gegen den andern tun soll.

Darum, wo wir im Amt und Obrigkeit gehen, da sollen und müssen wir scharf und streng sein, zürnen, strafen usw. Denn hier müssen wir tun, was uns Gott in die Hand gibt und von seinetwegen zu tun heißt. Sonst, was außer dem Amt geht, da lerne ein jeglicher für sich selbst, daß er sanftmütig sei gegen jedermann, das ist: nicht mit Unvernunft, aus Haß oder Rachgier mit dem Nächsten fahre und handle, als die, so man heißt Hans mit dem Kopf hindurch, die nimmer nichts leiden noch weichen wollen, sondern Welt und Berg umreißen und Bäume versetzen, wollen niemand kein Wort verhören noch zugut halten können, und flugs Sack und Seil aufbinden, nichts denken, denn wie sie sich rächen und wieder schlagen wollen. Damit ist der Obrigkeit nicht gewehret zu strafen und Rache zu führen von Gottes wegen, aber auch nicht Raum gegeben, wo ein Richter, Bürgermeister, Herr oder Fürst ein Schalk ist und die zwei Personen ineinander mengt, und über sein Amt greift aus eigenem Mutwillen, oder aus Neid, Haß und Feindschaft (wie gemeiniglich geschieht), unter dem Schein und Deckel des Amts und Rechts; als, wo unsre Nachbarn unter der Obrigkeit Namen wollten etwas wider uns ausrichten, dazu sie sonst nicht kommen könnten.

Und sonderlich redet er abermal mit seinen Juden, wie er hat angefangen, welche stracks auf dem Sinn standen, daß sie meinten, sie dürften von keinem Heiden und Fremden nichts leiden und täten wohl dran, daß sie nur getrost sich rächeten, und führten dazu Sprüche aus Mose, als Deuter. 28 (13): Der Herr wird dich zum Haupt machen und nicht zum Schwanz, und wirst nur oben schweben, und nicht unterliegen usw., das wäre wohl recht. Es heißt aber also, wenn es Gott selbst tut, so ists wohlgetan. Denn es ist viel ein andres, wenn ers heißt und spricht: Ich wills tun, und wenn wirs selbst ohne Befehl tun. Was er sagt, das soll und muß geschehen. Was wir sagen, das geschieht, wenn es kann, oder bleibt wohl gar nach. Darum gilts nicht, daß du es wolltest tun, da ers tun sollte, und nicht harren, bis er dichs heißt, und dennoch dich solcher Verheißung annehmen und darauf trotzen.

Siehe, solche tolle Heiligen straft hier Christus, die da meinen, ein jeglicher sei Herr in der ganzen Welt, und habe Recht dazu, daß er nichts leide, sondern nur poltern und rumoren, und mit Gewalt fahren, das Ihre zu schützen; und lehrt uns, daß, wer da will das Seine, Gut, Haus und Hof usw. mit Frieden regieren und besitzen, der müsse sanftmütig sein, daß er könne versehen und mit Vernunft fahren und leiden, was er immer leiden kann. Denn es kann nicht fehlen, es wird zuweilen dein Nachbar sich an dir vergreifen und zu viel tun, entweder aus Versehen oder auch aus Mutwillen. Ists Ver­sehen, so machst dus deinethalben nicht gut, daß du nichts willst noch kannst vertragen. Ists aber Mutwillen, so machst du ihn nur ärger, daß du feindlich scharrst und pochst, und er dazu lacht und seine Lust büßt, daß er dich erzürnt und Leid tut, so, daß du doch keinen Frieden kannst haben noch des deinen mit Ruhe brauchen.

Darum wähle der zweier eins, welches du willst: daß du entweder mit Sanftmut und Geduld unter den Leuten lebst und behältst, was du hast, mit Frieden und gutem Gewissen; oder mit Poltern und Rumoren das Deine verlierst und keine Ruhe dazu habst. Denn da steht beschlossen: Die Sanft­mütigen sollen das Land besitzen. Und siehe nur selbst die seltsamen Köpfe, die immerdar zanken und hadern um Gut und ander Ding und niemand weichen, sondern alles mit dem Kopf hindurch ausführen wollen, ob sie nicht mehr ver- hadern und verkriegen, denn sie immer gewinnen möchten, und zuletzt Land und Leute, Haus und Hof verlieren, mit Unfrieden und bösem Gewissen dazu; so spricht auch Gott seinen Segen dazu, der heißt also: »Seid ja nicht sanftmütig, daß ihr das liebe Land ja nicht behaltet noch einen Bissen mit Frieden genießet.« Willst du aber recht fahren und Ruhe haben, so laß deines Nachbarn Mutwillen und Frevel sich selbst dämpfen und verlöschen; sonst kannst du dem Teufel nichts Lieberes, noch dir selbst mehr zu leid tun, denn daß du feindlich zürnst und rumorst. Hast du eine Obrigkeit, so sage es an und laß sie darauf sehen. Denn sie ist darum gesetzt, daß sie es nicht leide, daß man die Unschuldigen gar unterdrücke; so wird Gott auch wohl darüber halten, daß sein Wort und Ordnung bleibe, und du dieser Verheißung nach das Land besitzest. So hast du Frieden und Segen von Gott; ein Nachbar aber Unfrieden samt Gottes Ungnade und Fluch.

Aber diese Predigt gehet niemand ein denn die Christen sind und glauben und wissen, daß sie ihren Schatz haben im Himmel, der ihnen gewiß ist und nicht kann genommen werden: daher sie auch hier müssen genug haben, ob sie gleich nicht Kasten und Taschen voll roter Gulden haben. Weil du denn das weißt, warum wolltest du dir deine Freude zerrütten und nehmen lassen, ja selbst Unruhe machen, und dich solches trefflichen Segens berauben?

Siehe, so hast du nun drei Stücke mit dreien reichen Verhei­ßungen, daß, wer ein Christ ist, der muß genug haben, beides, zeitlich und ewig, ob er gleich hier muß viel leiden, beides, inwendig im Herzen und auswendig; wiederum die Welt­kinder, weil sie keine Armut noch Leid noch Gewalt leiden wollen, weder das Himmelreich noch zeitlich Gut mit Frie­den und Ruhe behalten und genießen. Davon magst du weiter lesen Ps. 37, welcher ist die rechte Glosse über dies Stück, und reichlich beschreibt, wie die Sanftmütigen das Land besitzen, und die Gottlosen sollen ausgerottet werden.

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.

Gerechtigkeit muß an diesem Ort nicht heißen die christliche Hauptgerechtigkeit, dadurch die Person fromm und ange­nehm wird vor Gott. Denn ich habe zuvor gesagt, daß diese acht Stücke nichts andres sind denn eine Lehre von den Früchten und guten Werken eines Christen, vor welchen der Glaube zuvor muß da sein als der Baum und Hauptstück oder Summa seiner Gerechtigkeit und Seligkeit ohn alle Werke und Verdienst, daraus solche Stücke alle wachsen und folgen müssen. Darum verstehe hier die äußerliche Gerechtigkeit vor der Welt, so wir unter uns gegeneinander vorhalten; daß dies kurz und einfältig die Meinung sei von diesen Worten: Das ist ein rechtschaffener seliger Mensch, der immer anhält und mit allen Kräften danach strebt, daß es allenthalben wohl zugehe, und jedermann recht tue, und solches mit Worten und Werken, mit Rat und Tat hilft halten und fördern.

Dies ist nun auch ein köstlich Stück, welches sehr viel guter Werke begreift, aber auch gar seltsam ist. Als, daß wirs in Exempel fassen: wenn ein Prediger will in diesem Stück erfunden werden, der muß so geschickt sein, daß er einen jeglichen in seinem Stande unterweise und helfe, daß er denselbigen recht führe und tue, was dazu gehört; und wo er sieht, daß es mangelt, und nicht recht geht, daß er da sei, warne, strafe und bessere, wie und womit er kann: also, daß ichs, als ein Prediger, nicht mangeln lasse an meinem Amt, noch die andern an ihrem, daß sie meiner Lehre und Predigen folgen, und es also auf beiden Seiten recht zugehe. Wo nun solche Leute sind, die sich darum annehmen und lassens ihnen Ernst sein, daß sie gerne wollten recht tun oder in rechtem Wesen und Werken erfunden werden, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit. Und wenn es so ginge, so wäre keine Büberei noch Unrecht, sondern eitel Gerechtigkeit und seliges Wesen auf Erden. Denn was ist der Welt Gerechtigkeit andres, denn daß jedermann tue in seinem Stande, was er schuldig ist? welches heißt desselbigen Stands Recht, als Mannsrecht und Frauenrecht, Kindsrecht, Knechts- und Magdrecht im Hause, Bürgerrecht oder Stadtrecht im Lande; welches alles steht darin, daß die, so andern Leuten vorstehen und regieren sollen, solch Amt mit Fleiß, Sorgen und Treuen ausrichten, die andern auch desgleichen schuldigen Dienst und Gehorsam treulich und willig leisten.

Er setzt aber nicht umsonst solche Worte: hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; damit er will anzeigen, daß ein großer Ernst, Begierde und Brunst, dazu ein unablässiger Fleiß dazu gehöre: daß, wo solcher Hunger und Durst nicht ist, da wird nimmer nichts draus. Ursache ist diese: denn es hat zu große und viel Hindernisse, beides, vom Teufel, der sich allenthalben in den Weg legt und sperrt, und von der Welt, als von seinen Kindern, welche so böse ist, daß sie keinen frommen Menschen leiden kann, der gerne für sich recht tun oder andern Leuten dazu helfen wollte; sondern legt ihnen alle Plage an, daß einer die Länge möchte müd und verdrossen darüber werden. Denn es tut wehe, daß man sehen soll, daß es so schändlich zugeht, und dazu für eitel Wohltat nichts denn Undank, Verachtung, Haß und Verfolgung zu Lohn haben. Daher auch viele Leute, die solchen Unwillen nicht haben sehen mögen, zuletzt gar daran verzweifelt, und von den Leuten in die Wüste gelaufen und Mönche daraus geworden sind, also, daß dies Sprichwort je und je wahr gewesen ist: Verzweifeln macht einen Mönch; entweder, daß man sich nicht trauet zu ernähren und um des Bauchs willen ins Kloster läuft, wie der große Haufe getan hat, oder, daß man an der Welt verzweifelt und nicht traut, darin fromm zu bleiben noch den Leuten zu helfen.

Aber das heißt nicht gehungert und gedürstet nach der Gerechtigkeit. Denn wer so will predigen oder regieren, daß er sich läßt müde und ungeduldig machen und in einen Winkel jagen, der wird langsam den Leuten helfen. Es heißt nicht zu Winkel oder in die Wüste kriechen, sondern heraus­laufen, wenn du drinnen wärst, und beides, Hände und Füße und deinen ganzen Leib darreichen und alles dransetzen, was du hast und vermagst; und es will einen solchen Menschen haben, der hart gegen hart sei, daß er sich nichts abschrecken noch übertäuben und keinen Undank noch Bosheit der Welt überwinden lasse, sondern immer treibe und anhalte, so viel er aus allen Kräften vermag. Summa: es gehöret dazu ein solcher Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, der da nimmer ablasse noch aufhöre und nicht satt werden könne, nichts andres suche noch denke und alles dagegen verachte, was ihn will hindern, daß er nur Recht fordere und erhalte. Kann er die Welt nicht gar fromm machen, so tue er, was er kann. Ist genug, daß er das Seine getan und ja etlichen geholfen hat, obs gleich nur einer oder zwei wären. Wollen die andern nicht hernach, so laß er sie fahren in Gottes Namen. Man muß um der Bösen willen nicht davonlaufen, sondern so denken: Es ist um ihretwillen nicht angefangen und um ihretwillen auch nicht gelassen; vielleicht können mit der Zeit noch derselben auch etliche herzukommen oder ja ihrer weniger werden und etlichermaßen sich bessern.

Denn hier hast du eine tröstliche, gewisse Verheißung, damit Christus seine Christen lockt und reizt, daß, welche so hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die sollen gesättigt, das ist: ihres Hungers und Dursts ergötzt werden, daß sie nicht umsonst gearbeitet haben, und dennoch endlich ein Häuflein herzugebracht werde, bei welchen es wohl angelegt sei, und nicht allein hier auf Erden, sondern vielmehr in jenem Leben offenbar werden, da jedermann wird sehen, was solche Leute für Frucht geschafft haben durch ihren Fleiß und stetiges Anhalten, ob es gleich jetzt nicht will gehen, wie sie gerne wollten, und wohl halb daran verzweifeln müssen; als daß ein frommer Prediger so viele Seelen aus des Teufels Rachen gerissen und gen Himmel gebracht, oder ein from­mer, treuer Regent vielen Ländern und Leuten geholfen hat, die ihm solches bezeugen und vor aller Welt preisen werden.

Dawider sind nun die falschen Heiligen, die vor großer Heiligkeit die Welt meiden und in die Wüste laufen oder sich in die Winkel verkriechen, auf daß sie solcher Mühe und Unlust, so sie sonst haben müßten, überhoben seien und sich nichts dürfen annehmen, wie es in der Welt gehe; denken nicht einmal dran, daß sie andern Leuten helfen oder raten sollten mit Lehren, Unterweisen, Vermahnen, Strafen und Bessern oder zum wenigsten mit Beten und Seufzen zu Gott. Ja es ekelt ihnen davor und wäre ihnen leid, daß andre Leute fromm wären, auf daß man sie allein für heilig halte, daß, wer da will gen Himmel kommen, muß ihnen ihre guten Werke und Verdienste abkaufen. Summa: sie sind der Gerechtigkeit so voll, daß sie die andern armen Sünder angucken, gleichwie der große heilige Pharisäer, Luk. 18 (9-14), vor großer Trunkenheit heraus guckte, und speite über den armen Zöllner, tat ihm so herzlich sanft, daß er Gott hofierte und dankte, daß er allein fromm, und andre Leute böse wären.

Siehe, das sind sie, wider die Christus hier redet, die schänd­lichen, stolzen, sattsamen Geister, die sich damit kitzeln, und ihre Freude und Lust haben, daß andre Leute nicht fromm sind, dafür sie sich erbarmen, mitleiden und helfen sollten: können nicht mehr, denn jedermann verachten, afterreden, urteilen und verdammen; und muß alles Stank und Unflat sein, ohne was sie selbst tun. Aber, daß sie sollten hingehen und einen armen gebrechlichen Sünder vermahnen oder bessern, davor hüten sie sich, als vor dem Teufel. Darum werden sie auch wiederum müssen hören, wie Christus über sie schreit, Luk. 6 (25): »Weh euch, die ihr satt und voll seid, denn euch wird hungern.« Denn wie die satt müssen werden, so jetzt hungert und dürstet, so müssen jene ewig hungern, die jetzt so voll und satt sind, und doch niemand ihrer genießen kann noch rühmen, daß sie einem Menschen hätten geholfen oder zurechtgebracht. Also hast du kurz die Mei­nung dieses Stücks, welche (wie gesagt) viel gute Werke, ja alle guten Werke begreift, damit ein jeglicher für sich unter den Leuten recht lebe und allerlei Amt und Stände fördern helfe; davon ich oft anderswo weiter gesagt habe.

Aus den Wochenpredigten über die Bergpredigt 1530-1532.

WA 32, 302-321.

Quelle: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hrsg. v. Karl Gerhard Steck, Frankfurt a.M.: S. Fischer, 1983, S. 239-262.

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