Von Hans Joachim Iwand
Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten. Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht. (Jesaja 43,24.25)
Es geht ohne Frage hier … um Geltendmachen des ersten Gebots, um Gottes souveräne, Aufweisung und Tilgung der Sünde umfassende Gerechtigkeit …
»Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden!« Damit tritt Gott selbst in diesem Rechtsstreit auf den Plan, er trägt die Sünde, wir sehen ihn mit ihr befaßt, wir, die wir meinten, daß sie vielleicht uns, aber kaum jemals ihn etwas angeht! Das muß für das Volk im Exil, welches an der Strafe seiner Sünde trug, ebenso ungeheuerlich zu hören gewesen sein, wie es heute für uns immer noch ungeheuerlich erscheint, Gott zu sehen, wie ihm unsere Sünde Arbeit macht … Gott allein nimmt unsere Sünde ernst. Er, als der Herr im Himmel und der Knecht auf Erden. Wir sehen ihn hier heraustreten aus seiner Verborgenheit und seine Arbeit tun, sein »Werk« (Luther: opus proprium [sein eigentliches Werk]) …
Es ist also nicht so …, als ob Gott einen Mittler wählte, auf den er stellvertretend die Strafe legt, so daß sowohl er in seiner Forderung wie auch wir in unserem Unvermögen, die Strafe abzuleisten, gerechtfertigt sind. Hier ist eine leere dogmatische Konstruktion an die Stelle eines wirklichen Prozesses getreten. Sondern eben dieser Knecht, welcher Gottes Arbeiten mit unserer Sünde vor aller Welt sichtbar, anschaulich macht, ist Gott selbst … Gott selbst tritt in diesem Rechtshandel für unsere Sünde ein … Der Richter und der Gerichtete sind eins (Karl Barth)! Das ist nicht zu begreifen, aber gerade darum ist es zu verkündigen! Als Verkündigung der Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus ist es die Wahrheit, auf der der Glaube ruht …
Nicht der Mensch und seine Schuld stehen im Mittelpunkte dieses Rechtshandels, sondern Gott und seine Arbeit, Gott und sein Sieg. Daß Gott für mich eintritt, liegt darin begründet (Gott sei Dank, daß es darin begründet ist), daß er für sich eintritt. Mein Heil liegt darin begründet, daß es Gott um seine Sache geht und meine (böse) Sache in diese seine (gute) Sache eingeschlossen ist. Dem pro me [für mich] Gottes, an das ich mich im festen Glauben halte, liegt ein pro se [für sich] Gottes zugrunde! Es geht Gott hier, in der Tilgung und Aufhebung meiner Sünden, um seine Gerechtigkeit und seine Gnadenwahl.
Quelle: Christa Charlotte Lauther (Hrsg.), Morgenröte der Verheißung. Texte zum Kirchenjahr von Hans Joachim Iwand, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1990, S. 54f.