Kaj Munks Predigt über Matthäus 25,1-13 (1943): „Die weltlichen Machthaber sind mit den sogenannten frommen Christen darin einig, dass keine Politik in der Kirche getrieben werden soll, und darin kommt die Kirche ihnen auch gerne solange entgegen, wie sie eine Politik führen, die Christus nicht fremd ist. Aber schlagen sie Wege ein, die Christus als Wege gegen Gottes Willen bezeichnet hat, Wege, die für ihre Völker in den Abgrund führen, – dann wäre die Kirche, die dazu schweigt, nicht Jesu Christi Kirche! Denn die Sünde zu verschweigen, ist die Sprache des Teufels.“

Predigt über Matthäus 25,1-13 (Von den klugen und törichten Jungfrauen)

Von Kaj Munk

Kaj Munk hielt diese Predigt am 5. Dezember 1943 (zweiter Adventssonntag) in der Kopenhagener Domkirche trotz Verbot der deutschen Besatzungsmacht. Wider Erwarten erfolgten unmittelbar danach keine Repressalien gegen ihn, aber einen Monat später, am 4. Januar 1944, wurde er von einem SS-Kommando verhaftet und erschossen. Der Predigttext wurde als Flugblatt der dänischen Freiheitskämpfer in hektographierten Abschriften im Untergrund verteilt, zuerst als Sonderdruck von „Folk og Frihed“, Januar 1944. Er erschien 1946 in Kaj Munk, I Guds Bismer – Sidste danske Prædikener, Kopenhagen 1946, Seite 37 – 54 und findet sich in: Kaj Munk, Mindeudgave. Prædikener, S. 349 – 355.
(Paul Gerhard Schoenborn)

1) Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. (2) Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. (3) Die törichten nahmen Öl in ihren Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich. (4) Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen. (5) Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. (6) Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; geht aus ihm entgegen! (7) Da standen diese Jungfrauen alle auf und schmückten ihre Lampen. (8) Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen. (9) Da antworteten die klugen und sprachen: Nicht also, auf dass nicht uns und euch gebreche; geht aber hin zu den Krämern und kauft für euch selbst. (10) Und da sie hingingen, zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen. (11) Zuletzt kamen auch die anderen Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! (12) Er antwortete aber und sprach: Wahrlich ich sage euch: Ich kenne euch nicht. (13) Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird. (Matthäus 25,1-13)

Die Großmächte kämpfen einen Kampf auf Leben und Tod. Aber solch einen Kampf kämpft auch die Großmacht, die wir Kirche nennen. Denn die Kirche ist eine Großmacht, größer als andere. Die anderen kämpfen für sich selber. Gleichgültig, mit was für schönen Namen sie ihren Kampf schmücken, – sie kämpfen für sich selber, um ihr eigenes Sein oder Nichtsein. Die Kirche ist eine Großmacht, weil ihr Ziel etwas viel Größeres ist. Sie kämpft für die Seele der Menschheit. Und kämpft sie für sich selber, dann ist sie zum Tode verurteilt. Als ich ein Kind war, da fasste ich die Geschichte von den zehn Jungfrauen ganz einfältig so auf, dass wir Menschen, wenn wir nicht Busse tun und unsere Herzen zu Gott bekehren, verloren sind. Es ist bestimmt richtig, dass die Geschichte auch dieses meint. Es gibt viele andere Anliegen der Kirche als nur die, die auf das Mahnen und Erwecken ausgehen; aber es soll sie auch geben. Bedenklich ernst steht es um die Kirche, die das Zeugnis von sich weist: »Du musst dir deines Christentums bewusst werden; du musst dich Gott anvertrauen mit allem, was du bist und hast; Gott ruft dich zur Umkehr, zum Abschied von dir selber in einem mystischen Willensakt; wenn du dich nicht umwendest, kannst du nicht in das Reich Gottes eingehen!» Hast du erst einmal wirklich und wahrhaftig den Ruf gehört: der Bräutigam kommt! und gehst ihm dann nicht entgegen, dann wisse, erbärmliche Seele, dass du dich am Auferstehungsmorgen vor einer verschlossenen Tür finden wirst. Oh, wohl ist es wahr, dass Gottes Barmherzigkeit unendlich ist; aber gerade deshalb auch meint er es todernst. Schiebst du ihn von dir, dann wirst du erleben, dass der Gott der Barmherzigkeit gerade aus Barmherzigkeit unbarmherzig ist. Denn das Drama von Golgatha war blutige Wirklichkeit und kein Theaterstück, das man je nach Belieben besuchen oder von dem man weg bleiben kann. Ich sage noch einmal: solche Töne muss die Kirche, die in Christi Namen kämpft, immer finden. Aber seht, oftmals ist es nun so oder kann leicht dahin kommen, dass man sich einbildet – Christentum, – das ist eine Sache zwischen Gott und mir allein. Habe ich Gott einmal mein Herz geschenkt, dann weiß ich, dass ich ein gläubiger Christ bin, und kann glücklich und zufrieden sein, dass meine Sünden mir vergeben worden sind um des Blutes willen, das für mich vergossen worden ist. Und dann kann man in erbaulichen Betrachtungen schwelgen, dass man jetzt – Gott sei Dank! – das Seine in Sicherheit hätte und dass die anderen selber zusehen könnten, wie sie sich aus der Sache herausziehen wollen.

Das, was mich am meisten bewegt an dem Gleichnis, das unser Herr uns heute erzählt, ist der Umstand: dass sie alle in Schlaf fielen. Bei den törichten Jungfrauen mit ihrem oberflächlichen: »Abwarten und Sehen, das wird schon werden!» wundert einen das nicht weiter. Aber die klugen Jungfrauen – haben die sich von ihrem Gefühl: dass sie ja alles in Ordnung hätten, verleiten lassen? Nun gut, sie kamen ja mit hinein, aber sie mussten ihre Gefährtinnen im Stich lassen. Dein Bräutigam wurde ein schlaftrunkener Empfang zuteil. Und das letzte, was uns die Geschichte berichtet, sind diese dumpfen, verworrenen Geräusche der kleinen, erschreckten, schweißigen Mädchenhände, die sich an einer verschlossenen Tür zu schaffen machen, und die harte Stimme von drinnen, die harte Stimme des barmherzigen Gottes: Wahrlich, ich kenne euch nicht!

Das ist eine strenge Geschichte, wie so viele, die unser milder Erlöser uns hinterließ. Das einzig erbauliche an ihr ist, dass sie eben nicht erbaulich ist. Denn es ist ja zu guter Letzt unsere Lage, von der sie handelt. Könnt ihr das nicht heraushören? Sie ruft uns durch die Wolken zu: Was habe ich euch gesagt? Ein bitteres und schweres, ein ewigkeits‑ernstes: Was habe ich euch gesagt? Es waren zehn Jungfrauen, und sie fielen in Schlaf. Nur weil meine Wiederkunft sich um ein Kleines hinauszog, fiel meine ganze Kirche in Schlaf …

Denn das ist ja die Wahrheit über uns. Und die gilt für alle, angefangen vom Papst bis zum Gemeindepastor von Vedersø: wir sind in Schlaf gefallen, weil sich die Wiederkunft des Herrn etwas verzögert hat. Das heißt auf gut Dänisch: dass Christus nicht lebendig genug für uns ist und dass alles, was wir verkünden, eben nur Verkündigung an Stelle von Wirklichkeit ist. Es gab einmal einen Arzt im mittleren Jütland, der in einer Gesellschaft von gläubigen Menschen aufstand und den Vorschlag machte: jetzt wollen wir auf das Wohl des Diktators trinken! – Das war lange vor dem 9. April. Ein Teil der Anwesenden erhob Einspruch, und da rief der Arzt: Hunderttausende gibt es, die bereit sind, ihr Leben für ihn zu opfern; wie viele von euch Christen würden das für Christus tun? Das war ein Wort, das mich jedenfalls tief getroffen hat. Wenn die Kirche so verhältnismäßig schwach inmitten der voranstürmenden neuen Religionen stand, dann war daran nicht der Herr der Kirche schuld, der ewig der Gleiche ist, sondern das war unsere eigene Schuld, die Schuld der Kirche selber, die ihr nächst teuerstes Kleinod verloren hat. Das teuerste, – das ist Christus selber; aber das nächst teuerste, das ist der Märtyrermut der Christen. Nicht dass sie Helden sein wollen und der Ehrgeiz sie plage, nicht dass sie sich krankhafter Befriedigung in Selbstquälereien hingeben, – aber dass sie Christus so lieben, dass ihnen kein Opfer zu groß wäre für ihn! Mit diesem Mär­tyrermut haben wir einmal die Welt überwunden, und ohne ihn wird die Welt uns überwinden. Die Römer glaubten, dass, wenn man die Christen nur totschlüge, sie auch tot wären. Aber das Blut der Christen war Saatgut. Wenn man sie totschlug, wurden ihrer noch mehr.

Man spricht über die Freidenkerei, über die neue Moral zwischen den Geschlechtern, über den Fluch der Technik, über den Materialismus der Jugend … aber all das ist ja völlig bedeutungslos. Das Suchlicht müssen wir auf uns selber richten! Die ersten Christen weiland standen in vieler Hinsicht hinter uns zurück. Sie waren ärmer, sie steckten voller Aberglauben und besaßen nur mangelhafte Kenntnisse in den ärztlichen Wissen­schaften, sie waren mäßige Prediger. Paulus zum Beispiel litt an dem bitterbösen Pastorenfehler, dass er niemals ein Ende finden konnte. Er konnte, wie man in Jütland sagt, das Amen nicht finden, und die Leute fielen darüber in Schlaf, – ja, ein junger Mann war nahe daran, sich zu Tode zu fallen. Aber Christus war für sie alle lebendigste Wirklichkeit! Er hatte eine Flut von Unglück über sie heraufbeschworen. Auch dazu hatte er den Mut. Man hört heutzutage viele Menschen sagen: Ja, wir selber hätten schon den Mut, aber dann würden auch andere darunter leiden, ‑und folglich unterlassen sie es um dieser anderen willen, etwas zu tun, und erlassen dadurch auch sich selber alles, – um der anderen willen. Christus war ein Streiter, er stand selber in vorderster Front, aber er scheute sich auch nicht, die Seinen dorthin mit sich zu ziehen, wo Tod und Qual und Verstümmelung der Lohn des Helden waren. Und sie folgten ihm ohne Zögern. Stolz. »Sonderlich freudig, entehrt zu sein um seines Namens willen.» – Ach! meine Freunde, dahin, dahin müssen wir selber wieder gelangen! Nicht um unsertwillen, nicht um uns einen Parkettplatz im Himmel zu sichern. Sondern weil wir ja doch Christen sind. Wie laue und verschlafene Christen wir auch sein mögen, so sind wir doch Christen, das Reich ist uns anvertraut.

Die Botschaft, die Christus der Menschheit schenkte, und das Opfer, das er für sie brachte, – ihr Zweck war ja doch nicht, die Nimmersatten dahin zu bringen, eine Versicherung auf die ewige Seligkeit einzugehen. Paulus hat, soweit ich’s beurteilen kann, nicht recht darin, wenn er meint, dass wir Christen die unglücklichsten aller Menschen seien, wenn es wirklich kein anderes als dieses Leben gäbe. Jesus selber war erstaunlich diesseitig. In seinem Programm heißt es: dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden. Und die Jungfrauen, die ihre Lampen genommen haben, um dem Bräutigam entgegen zu gehen, – die gerade sind seine Gemeinde hienieden, und »ihm entgegen zu gehen» ist die Ausdrucksweise des Gleichnisses dafür: mit im Kampfe zu stehen für die Gründung seines Reiches hier auf Erden. Deshalb hat Holger Drachmann recht in seinem Zorn: Wenn wir Pastoren uns damit begnügen, Wechsel auf die Ewigkeit auszustellen, dann sind wir nicht mehr die Priester dessen, der niemals einen Wechsel ausschrieb, sondern wo immer er auch ging und stand und saß, die Ewigkeit einführte. Das Christentum war in Wirklichkeit immer eine recht ungeistige Religion. Der Zimmermannssohn aus Nazareth wurde als guter Jude, der er war, niemals der Erde untreu, – der Erde, die Gott der Vater geschaffen, die das Böse verdorben hatte, aber die nun einmal doch von Gott dem Vater geschaffen worden war und ihren Sinn in ihm allein hat. Diesen Sinn zu verwirklichen, – das war das Werk des Sohnes.

Also muss so scharf wie nur irgend möglich gesagt werden: Wenn verzückte Christen darüber klagen, dass in der Kirche Politik gepredigt wird, so führen sie unchristliche Reden. »ja, aber … Politik hören wir doch schon im Rundfunk und lesen wir doch in den Zeitungen; können wir denn nicht einmal im Gotteshaus der Politik entgehen?» – Gut, aber wie hören wir sie im Rundfunk? Wie wird sie in den Zeitungen behandelt? Im Hause Gottes sollen wir die Politik in ihrem Verhältnis zu Gottes Wort hören. Es ist gut und schön, seine Seligkeit auf der sicheren Kante zu haben und seines Glaubens und alles möglichen anderen, das dem Phantasieleben und den Geistesgaben zugehört, gewiss zu sein. Aber niemals vergesse ich, was der verehrte Lehrer meiner Jugend, Professor Geismar, einmal erzählte. Er hatte in Deutschland an einer großen christlichen Versammlung unter freiem Himmel teilgenommen, und mit der Zeit hatte man sich selber und einander derartig in Begeisterung geredet, dass die ganze Versammlung spürte: jetzt brauchte man sich nur auf die Knie zu werfen und zu beten, und dann würde das Wunder­ bare geschehen, mit feurigen Zungen und der Ausgießung des Heiligen Geistes und Christi Erscheinung in den Wolken. Da rief ein Engländer über die Köpfe der anderen hinweg in gebrochenem Deutsch: Wir müssen Gottes Willen tun!

Die weltlichen Machthaber sind mit den sogenannten from­men Christen darin einig, dass keine Politik in der Kirche getrieben werden soll, und darin kommt die Kirche ihnen auch gerne solange entgegen, wie sie eine Politik führen, die Christus nicht fremd ist. Aber schlagen sie Wege ein, die Christus als Wege gegen Gottes Willen bezeichnet hat, Wege, die für ihre Völker in den Abgrund führen, – dann wäre die Kirche, die dazu schweigt, nicht Jesu Christi Kirche! Denn die Sünde zu verschweigen, ist die Sprache des Teufels. Als Christus gegen die Reichen wetterte, als er die Pharisäer anprangerte, ging er ja auf ökonomische und juristische Gebiete ein.

Wenn die ersten Christen sich weigerten, dem Bildnis des Kaisers Opfer darzu­bringen, begingen sie offenen Aufruhr. Gott gnade uns, wenn wir nicht verstehen, dass die Kirche gerade dazu geschaffen ist, in jedem gegebenen Augenblick die Ewigkeit zu vergegenwärtigen!

Es würde in dieser einfachen Predigt zu weit führen, auf Einzelheiten einzugehen. Nur eins will ich sagen. Wenn man hier im Lande mit der Verfolgung einer gewissen Gruppe unserer Landsleute anfängt, nur um ihrer Abstammung willen, dann ist es christliche Pflicht der Kirche zu rufen: Das ist gegen das Grundgesetz im Reiche Christi, die Barmherzigkeit, und das ist verabscheuungswürdig für jedes freie nordische Denken. Und die Kirche muss weitergehen, ohne sich beirren zu lassen. Geschieht das noch einmal, dann wollen wir mit Gottes Hilfe versuchen, das Volk zum Aufruhr zu bringen. Denn ein christliches Volk, das tatenlos zusieht, wenn seine Ideale mit Füßen begriffen Vorträge halten und getreten werden, gibt dem tödlichen Keim der Verwesung Einlass in seinem Sinn, und Gottes Zorn wird es treffen

Unser Volk! Unser Volk! Wir sind ja eine christliche dänische Gemeinde, und als Christen kann uns das Schicksal unseres Volkes nicht gleichgültig lassen. Es liegt etwas in dem Gleichnis des heutigen Tages, das uns nicht nur als Christen, sondern auch Volk unmittelbar angeht; als ein unternehmungslustiges und waches Volk auf vielen Gebieten, das sich aber in den Daseinsfragen selber erweist als ein Volk des lächerlichen „Das‑wird‑sich‑schon‑deichseln‑lassen“.

Es erscholl ein Ruf um Mitternacht. Nicht der Ruf: der Bräutigam kommt! Nein, es war der Ruf: der Wolf ist los! Der Krieg brach über uns herein, und wir hatten kein öl auf unseren Lampen, und die, die uns welches leihen sollten, gingen uns aus dem Wege, – wie es immer denen ergeht, die bei Zeiten hätten Vorsorge treffen können und es doch nicht taten. Wie muss uns eisig‑bange werden, es könnte für das dänische Volk damit enden, dass es als Folge seiner Sorglosigkeit ausgeschlossen draußen vor der Tür des Lebens stehen und der strenge Herr des Lebens, der von den Seinen Kampf und Opfer verlangt, auf unser Rufen antworten könnte: Ich kenne euch nicht: Aber wir bitten darum, dass an dem Gleichnis etwas abgeändert, dass uns eine Gnadenfrist vergönnt sein möge, um Öl für unsere Lampen zu besorgen.

Und lasst uns nicht denen glauben, die uns lauter Selbstaufgabe und Zerknirschung predigen. Es gibt viele gute Zeichen dafür, dass das dänische Volk eben dabei ist, aus seinem geistigen Schlaf zu erwachen. Wenn Leute mit nicht ganz unbeschadeten Ehrbegriffen Vorträge halten und Stücke schreiben, so hat doch das dänische Volk sich einen klaren Kopf bewahrt. Und wenn das große Publikum im Königlichen Theater Evalds »Fischerweise» huldigt, so gelten die Bravorufe nicht nur dem jungen Schauspieler und der meerfrischen Art, wie er sie singt, – dann ist das nicht nur ein Gruß an den toten Dichter für die gewaltige Gabe, die er seinem Volk schenkte, und nicht nur ein Ausdruck von Ehrfurcht und Dank an den König Christian, unseren König Christian, sondern dann ist das all dieses und noch mehr: es ist ein Dank an die dänische Flotte, die sich zu allen Zeiten der Worte unserer Nationalhymne wert gezeigt hat. Und es ist eine Bitte, wir alle möchten des Geistes werden, der den von der Gicht verkrümmten Dichter in den beiden höchsten Augenblicken seines Lebens erfüllte: da er mit König Christian am hohen Mast einem ehrenvollen Grabe entgegenfuhr und da er mit seines Erlösers Hilfe etwas anderem, darüber hinaus, entgegenfuhr:

„Rüst aus dich, Held von Golgatha, den roten Schild mir halt‘,
denn Sünd‘ und Tod, du siehst es ja, bedräu’n mich mit Gewalt.“

Man fällt viele harte Urteile über die Jugend in unserer Zeit, und manche gewiss auch mit Recht. Aber wenn das gesagt wird, dann soll man auch nicht vergessen, dass es eine Jugend ist, die frisch und gesund und tatkräftig ist und sich auf ihre eigene schöne Art und Weise die höchsten Ideale erhalten hat, – eine Jugend, die bereit ist, Leben, Leib und Ehre aufs Spiel zu setzen für ihr Land und das, woran sie glaubt.

Die Kirche will Dänemark zu einem nationalen Erwachen aufrütteln, aber sie will sich um keinen Preis mit diesem Erwachen begnügen. Einen Nationalismus ohne Christentum verdammen wir als ein Übel. Es gedeiht Hass auf der ganzen Welt, – ein wilder Hass, verzehrend böse. Christus hat uns das Grosse darin gelehrt, sich von ganzem Herzen und ganzem Vermögen wider das Böse aufzulehnen, ohne zu hassen und ohne sich vom Hass vergiften zu lassen. Christus hat uns den tiefen Unterschied zwischen gerechter Strafe und Rache gelehrt.

Wenn dieser Krieg sein blutiges Ende gefunden hat, wird der Fürst der Finsternis aus den Gräbern nach Rache schreien. Auch wir kennen ein Volk, mit dem Abrechnung gehalten werden muss, aber das soll im Namen Gottes geschehen und nicht im Namen des Teufels. Möge es so sein, dass jeder von uns dann bereit ist, auf dem Posten, auf dem wir stehen, und mit den Gaben, die wir besitzen, ohne einen Augenblick danach zu schielen, was es uns kosten könnte, unser Teil daran zu tun, der Welt vorwärts zu helfen: seines Reiches Kommen entgegen und seines Willens Herrschaft, hier auf Erden wie in seinem ewigen Himmel.

Quelle: Kaj Munk, Dänische Predigten, übersetzt von Edzard Schaper und mit einem Vorwort von Pastor primarius Olle Nystedt, Stockholm: Neuer Verlag, o. J. [1944], S. 30 – 40.

Literaturempfehlung: Kaj Munk, Fünf politische Predigten in einem besetzten Land.
Aus dem Dänischen übersetzt und herausgegeben von Paul Gerhard Schoenborn, Wuppertal: Verlag NordPark, 2018.

Hier der Text als pdf.

1 Kommentar

  1. Besser wäre
    er hätte den Mut gehabt
    seinen eigenen Schatten
    anzunehmen
    anzuerkennen
    den Fluch
    gegen den Zweifler
    für sich selbst
    umgedeutet
    für sich zu behalten
    um die Wirklichkeit
    des göttlichen Bösen
    als einfacher Mensch
    besser zu verstehen

Hinterlasse eine Antwort zu Gamma Hans Antwort abbrechen