Eine Weihnachtspredigt zur Franziskus-Krippe
Von Friedemann Jung
Liebe Gemeinde,
eine Krippe, eine Futterkrippe für Tiere, in die man Heu und Stroh schüttet – das ist ja nun wahrlich nichts besonderes.
Eigentlich.
Obwohl vielleicht viele, die heute hier sind, so was gar nicht mehr wirklich kennen. Bloß noch aus Bilderbüchern oder alten Filmen oder aus Erzählungen. Oder eben von den Weihnachtskrippen. Dabei gibt es solche Krippen noch gar nicht von Anfang an. Und die erste Weihnachtskrippe, die war auch ganz anders. Nicht aus Holz oder aus Ton, sondern – aber ich will euch erzählen, wie es dazu kam.
Dazu müssen wir ins 13. Jahrhundert zurückreisen. Nach Italien. Genauer: Ins Jahr 1223 in das kleine umbrische Städtchen Greccio.
Dort wohnte um die Weihnachtszeit dieses Jahres ein ganz besonderer Mann. Einer, von dem die meisten von euch sicher schon gehört haben. Francesco Bernardone hieß er und war der Sohn eines reichen Tuchhändlers. Aber das war er nicht lange. Mit 25 Jahren warf er nämlich seinen ganzen Reichtum über Bord, warf seinem Vater die Kleider vor die Füße und ging in die Einsamkeit. Denn er hatte entdeckt, dass Reich-Sein und Christsein schwerlich zusammenpassen. Er hatte sich verliebt: In die Armut und in Gott.
Und damit begann das Leben des Franz von Assisi, wie er später von allen genannt wurde. Viel hat er für die Armen getan – und vieles, was von ihm erzählt wird, sind wundersame und wunderbare Geschichten.
Bald fanden sich andere, die auch so leben wollten wie er: Ganz frei von allen Dingen, bloß mit Gott, sich selber und den anderen Menschen.
Und im Jahr 1223 also, als es auf Weihnachten zuging, da hatte Franz einen ganz besonderen Wunsch. Er wollte einmal anders Weihnachten feiern als sonst. Nicht mit einem prächtigen und feierlichen Gottesdienst in einer schönen Kirche. Nein, er wollte einmal die ganze Geschichte richtig erleben.
Zum Glück gab es in der kleinen Stadt noch mehr Leute, die so wie er zu leben versuchten, die nur das Nötigste für sich wollten und die, wie Franz, einfach nur tun wollten, was Gott wollte.
Einer von ihnen war sogar der Herr über die kleine Stadt. Der hatte seine Waffen an den Nagel gehängt. Und das wollte für einen Ritter schon was heißen, damals.
Zu dem also ging Franz und sagte: Bruder Johannes, ich möchte Weihnachten mit euch diesmal anders als sonst feiern. Ich möchte es selber sehen, wie das damals war, als der Herr Jesus in einer Krippe lag, als es kalt war in der Nacht, so kalt, dass alle froh waren über den warmen Atem der Tiere an der Krippe. Das möchte ich sehen und erleben können.
Und deswegen will ich Weihnachten mit euch diesmal nicht in der Kirche, sondern im Wald feiern.
Das war vielleicht eine Idee! Was sollte man davon halten! Weihnachten im Wald! Und wie sollte das gehen, ohne Kirche und ohne Glocken – und überhaupt! Was sollte das denn werden?
Aber die Leute wurde neugierig. Und natürlich – sie machten ja den Franz, sehr sogar. Und was er predigte, das war auch was! Da konnten einem die alten Glaubenssachen richtig neu und interessant werden. Und – was der alles aus der Bibel vorlas! Oder erzählte! Vieles davon wussten die Leute ja gar nicht. Hatten ´s nie gehört.
Und dann hörten sie: Dass die Armen selig sein sollten. Dass Gott bei denen ist, die Frieden machen. Und bei denen, die nichts haben. Das hatten ihnen die Priester bisher nie erzählt. Und dass die Kirche arm sein sollte, weil Jesus und seine Jünger auch arm waren! Das waren lauter Neuigkeiten.
Denn die Leute konnten ja nicht selber in der Bibel lesen. Selbst wenn sie lesen konnten. Denn eine Bibel, die konnte damals keiner bezahlen. Immerhin, dreihundert Schaffelle brauchte man, um das Pergament für eine Bibel herzustellen. Das konnte sich keiner leisten.
Aber, wie auch immer: „Hast du gehört? Franz will Weihnachten im Wald feiern!“ – „Was, im Wald?“ – „Ja, im Wald. Also – ich geh da hin. Ich schau mir das an. Ich feiere mit!“
Und so taten es viele.
Es war ein langer Zug, der da am Abend durch den Wald zog, mit Fackeln und Lichtern. Frauen, Männer und Kinder, Arme vor allem, aber auch ein paar Reiche, Freunde von Franz und Mitbrüder – und sicher auch einige Neugierige.
Und als sie zu der vorbestimmten Stelle kamen, da staunten sie nicht schlecht. Unter den Zweigen stand doch wahrhaftig eine Krippe, mit Heu gefüllt, und ein Ochse und ein Esel waren da und ein paar Schafe.
Und dann begann dieser sonderbare Gottesdienst. Franz las die Weihnachtsgeschichte. Und plötzlich bekamen die Wörter ein Gesicht, wurde aus der Geschichte ein kleines Stück Wirklichkeit. Dann sangen sie ein Lied – und es klang ganz anders als sonst, viel fröhlicher, lauter – und irgendwie echter.
Und dann predigte Franz.
Erzählte von Josef und Maria – und von Jesus. Von dem kleinen Kind, in dem alle Macht Gottes sich verbarg. Von dem Säugling, der da in aller Armut geboren wurde, so arm, wie die ärmsten Bauern – und der doch die Welt so reich machte, weil er Gottes Liebe mitbrachte auf die Erde und Gottes Licht scheinen ließ in der Finsternis.
Franz redete so begeistert, dass er manchmal gar nicht mehr weiter wusste. Zu schnell waren seine Gedanken für die Zunge, zu voll war sein herz für den langsamen Mund.
„Da liegt es, das Kind, auf Heu und auf Stroh. Wie weggeworfen, hineingeworfen in unsere Angst und Not. Und da liegt Gott, in diesem Kind, da kriegt seine Liebe Hand und Fuß.
Da, in so einer Krippe, kam Gottes Herrlichkeit. Jesus, der für uns lebt, der uns Gott nahe bringt, der Gottes Liebe ist, da, in der Krippe.“
Und Franz reckt seine Hand zu der Krippe hin.
Aber – was ist das?
Die Menschen recken die Hälse. Liegt da nicht ein Kind – aber nein, das geht doch nicht, das darf doch nicht sein, bei dieser Kälte – und es ist ja ganz leblos – aber schaut! Jetzt! Es bewegt sich! Es wacht auf. Es schaut Franz an – es – lächelt! Kann das sein? Was ist das? Zauberei?
Was Franz noch sagen will, kann kaum mehr einer hören, so voll sind ihre Augen von dem Bild des Kindes, das da plötzlich in der Krippe erschien, dass alles andere wie weggeblasen ist.
Aber er hat auch nicht mehr viel gesagt. Was wäre da auch noch zu sagen, wo plötzlich, mitten im Leben, ein Wunder geschieht?
Nach dem Gottesdienst ziehen die Menschen an der Krippe vorbei. Jeder nimmt ein bisschen Heu aus ihr mit – und weiß es auch zu nutzen.
Kranke Tiere werden davon gesund. Frauen bekommen gesunde Kinder, überstehen gut die Geburt.
Das hat die Menschen mehr als beeindruckt. Es war, als wären sie damals in Bethlehem dabei gewesen. Als hätten sie selber das Jesuskind gesehen, als hätte ihr Franz ihnen Gott gezeigt. Oder, besser gesagt: Als hätte sich Gott selber gezeigt.
Später haben sie auch solche Krippen aufgestellt zur Weihnachtszeit. Echte – oder, wenn sie keinen Platz hatten, dann vielleicht kleine aus Holz oder aus Ton. Mit Ochs und Esel, Schafen, Hirten, Josef, Maria – bloß ein Kind, das legten sie nie hinein.
Das kam erst später, als keiner mehr an Wunder glauben mochte, als sie nicht mehr daran dachten, daß in dieser Krippe ja Platz sein musste für Gott.
So war das damals. Und heute stehen die Krippen fast überall. Gehören auch zum Fest dazu, weit mehr als Tannenbäume und Weihnachtsbraten.
Habt ihr eigentlich schon mal geschaut, an Weihnachten, ob in eurer Krippe auch – Gott ist? Oder habt ihr ihn an Weihnachten schon mal gespürt, seine Menschenfreundlichkeit, seine Liebe?
Dazu soll das Ganze ja dienen. Dass wir Gott erleben ihn spüren und ihm wieder neu begegnen.
Die Menschen damals, die konnten das. Deswegen haben sie ihn auch gesehen. Weil sie nämlich auf ihn hofften und ihm vertrauten.
Ob ich ihn auch gesehen hätte, wäre ich dabeigestanden? Oder hätte mein Verstand „Nein“ gesagt, hätte ich gedacht: „Die spinnen alle“, – oder hätte ich mich anstecken lassen, bezaubern und verzaubern lassen von dieser Geschichte, dieser Krippe, diesem Gott?
Ich wünsche es mir. Und ich wünsche es euch, Kindern und Erwachsenen, dass ihr an diesem Weihnachtsfest Jesus seht, Gottes Liebe spürt, Gottes Leben erfahrt.
Dann wird das wirklich ein Fest, eine Heilige Nacht, eine Nacht, in der der Himmel die Erde und in der Gott euer Herz berührt.
Amen.