Dietrich Bonhoeffer, Krieg und Frieden (Auszug aus einem Bericht zum Thema der Weltkirchenkonferenz Oxford 1937): „Ein Krieg bedeutet für die Kirche immer eine schwere Anfechtung und zugleich den Ruf zur Bewährung des Glaubens und Gehorsams gegen ihren Herrn. Gerade darum darf auch in solchem Schicksal die ökumenische Verbundenheit der Kirche Christi nicht zerbrechen.“

Krieg und Frieden. Auszug aus einem Bericht zum Thema der Weltkirchenkonferenz Oxford 1937

Von Dietrich Bonhoeffer

1. Das Evangelium ist die Botschaft des Friedens. „Christus ist unser Friede“. Ist dieser Friede auch ein verborgenes Gut als Friede mit Gott, so will er doch hervorbrechen und in Erscheinung treten in den Gemeinschaftsordnungen der Menschen, so gewiß der Herrschaftsanspruch Christi sich auf die ganze Welt erstreckt.

2. Diese Botschaft hat die Kirche Christi aller Welt zu bezeugen, sowohl der Gemeinde des Herren als auch der Völkerwelt. Diesen im Evangelium enthaltenen weltumspannenden Auftrag darf sie sich von niemandem nehmen lassen. „Ihr seid das Salz der Erde“.

3. Um dieses Auftrages willen bezeugt die Kirche der Christenheit, daß sie sich in allen Spannungen und Trennungen leiten und tragen lassen muß von dem Glauben an den einen Herrn der Kirche und von dem Gebot: „Ist es möglich, soviel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden.“

4. Die Völker hat die Kirche zurückzurufen von der Anbetung falscher Götter zu dem Gehorsam gegen den einigen Gott, den Vater Jesu Christi. Sie hat ihnen das Kreuz zu bezeugen als einzige Rettung aus aller Ohnmacht, Angst und Sünde und als die Stätte, von der immer neue Wege des Friedens ausgehen.

5. Heute muß die Kirche diesen Auftrag besonders in dem Gedanken erfüllen, daß das nationale Bewußtsein sich auch in den „christlichen“ Völkern weithin zu einer neuen Nationalreligion und zum Staatskultus steigert. Andererseits drohen außer wirtschaftlichen Fragen politische, rassische, klassenkämpferische Ideologien aller Art, die Völkerwelt weiterhin zu zerreißen.

6. Die Kirche hat es bewiesen, daß sie auf Grund ihrer Wertung von Volk und Staat wohl weiß, was sie diesem an Dienst und Opfern schuldet. Aber um der Liebe und Barmherzigkeit willen ist sie gehalten, darauf hinzuweisen, daß ein neuer Weltkrieg nicht nur über die schwer geprüften Völker nie dagewesenes Leid und Elend bringen würde, sondern auch durch die Vernichtung des Lebens und durch die Zerstörung des Gehorsams gegen alle Gebote Gottes die sittlichen Grundlagen des Völkerlebens beseitigen muß.

7. Die Kirche begrüßt es, wenn Staatsmänner mit Ernst den Versuch machen, bei widerstreitenden Lebensnotwendigkeiten der Völker auf friedliche Weise den Ausgleich zu suchen und auch im Völkerleben Wege zu finden, wie eines das andere in seinen elementaren Nöten nicht ohne Hilfe lasse und dadurch der Erhaltung des Friedens diene.

8. So ruft die Kirche die Christenheit und die Völker zum Frieden und verschweigt dabei gerade um des wahren Friedens willen und um der Reinheit des Kampfes für ihn nicht, daß ein äußerer Friede noch nicht die Erfüllung der Gebote Gottes bedeuten muß und daß wir auch im Ringen um den Frieden von der Versuchung eigengesetzlichen und gottentzogenen Weltdenkens und Welthandelns und von der Dämonie der Zeit bedroht sein können. Die Kirche weiß, daß die Erfüllung der Botschaft „Friede auf Erden“ immer Gegenstand der christlichen Hoffnung sein wird bis auf die Erscheinung Jesu Christi.

9. Ein Krieg bedeutet für die Kirche immer eine schwere Anfechtung und zugleich den Ruf zur Bewährung des Glaubens und Gehorsams gegen ihren Herrn. Gerade darum darf auch in solchem Schicksal die ökumenische Verbundenheit der Kirche Christi nicht zerbrechen, sondern muß sich bezeugen in der Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Fürbitte. Die Bande des Heiligen Geistes sind stärker als die Bande der geschaffenen Welt.

Quelle: Dietrich Bonhoeffer Werke (DBW 14): Illegale Theologen-Ausbildung: Finkenwalde 1935-1937, hrsg. v. Otto Dudzus und Jürgen Henkys, Gütersloh: Chr. Kaiser 1996, S. 280-282.

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