Netti Boleslav (1923-1981): „Jerusalem, deine Steine haben Stimmen, / ich höre deine Erde rufen. / Der Klang deiner Glocken / rauscht in mir. / Jerusalem, / aus deinem Kelche trank ich den Saft / der Liebe in mich ein.“

Jerusalem (I)

Jerusalem, deine Steine haben Stimmen,
ich höre deine Erde rufen.
Der Klang deiner Glocken
rauscht in mir.
Jerusalem,
aus deinem Kelche trank ich den Saft
der Liebe in mich ein.
Mein Leib ist feucht
vom Morgentau deiner Berge.
So bliebst nur du,
meine Sehnsucht,
der Reichtum der Erinnerung an euch Stunden,
die ihr ohne Uhr und ohne Zeiger wart.

Jerusalem (II)

Jeruschalajim, meine Braut,
über deine Kuppeln
spanne ich ein seidenes Netz
und ich sage dir
ich bin mit dir vermählt.
Jeruschalajim
wenn es in deinen Bergen finster wird,
komme ich und bringe dir ein Licht.
Jeruschalajim,
wenn in deinen Tempeln
die Kerzen sich entzünden
und ein Fluch der Götter sie stürzt,
dann wird meine Zunge
das Feuer deines Brandes löschen.
Jeruschalajim,
ich werde den Schild schwingen,
und um dich eifern.

Jerusalem (III)

Jeruschalajim,
Stadt meiner Blumen.
Als Biene flog ich zu dir.
Mein Atem zeichnete dich.
Deine Glocken waren mein Gott.
Ich wollte immer beten.
Jahre verstaubten den Weg zu dir,
Ich bin zur Greisin geworden.
Nur in deinen Tempeln
sehen meine Augen das Licht.
Jeruschalajim
ich bin versteint
in deine Mauern.
An deinen Säulen
brennt mein Herz.

Netti Boleslav (1923-1981)

HEILIGE STADT

Jeruschalajim du heilige Stadt,
im Glanze deiner Nacht
wache ich in dir.
Die Steine deiner Mauern sind die Last
meines Herzens.
Jeruschalajim
du bist der Zauber meiner Träume,
du bist die Zuflucht meiner Lieder,
du wirst die Stätte meiner Liebe bleiben,
ich muß in dir verblühen.
Jeruschalajim
in einem glänzend-seidenem Kleid
will ich neben dir sein
und der Musik deiner Harfe lauschen.
Meine Hände werde ich auf deinen Altar legen.
Und du reiche mir den goldenen Leuchter
deines Glaubens.
Dann will ich meine Krone
und das Schwert zu deinen Füßen legen.

Netti Boleslav (1923-1981)

Quelle: Netti Boleslav, Der Weg ist tausend Schlangen weit, Rothenburg ob d. Tauber: J. P. Peter, Gebr. Holstein, 1965, S. 48-51.

Hier die Gedichte als pdf.

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