Die Auferweckung von den Toten als ethische Revolution: „In Verbindung mit dem jüngsten Gericht wird der Verstorbene aus dem familiären Lebensgefüge herausgenommen. Das Leben der vom Tod Auferweckten ist auf Jesus Christus ausgerichtet und lässt familiäre Verbindungen und Verpflichtungen dabei hinfällig werden.“

Die Auferweckung von den Toten als ethische Revolution

Jesu Antwort auf die Sadduzäer-Frage nach der Wirklichkeit der Auferstehung (Mk 12,18-27; Mt 22,23-33; Lk 20,27-40) spricht die Revolution der Auferstehung im Hinblick auf die Ethik aus. Die Auferstehung von den Toten, wie sie in Jesus Christus zu glauben und zu erwarten ist, ist ein Kraftakt Gottes (vgl. Mk 12,24), der seiner Schöpfung die Treue hält und sich nicht als Totengott in eine Unterwelt verabschiedet. Die göttliche Auferweckung von den Toten schafft keine Parallelwirklichkeit, sondern stürzt die angeborenen wie auch die selbst erworbenen Lebensverhältnisse um. Um das zu begreifen, müsste man sich die volksreligiöse Ahnenverehrung vor Augen führen. Die Leviratsehe, wie sie nach Deuteronomium 25,5f geboten ist, dient dem patrilinealen Weiterleben nach dem Tod in der Erinnerung des eigenen Namens und des Status durch männliche Nachgeborene. Der Bruder hat stellvertretend für den Verstorbenen einen männlichen Nachkommen zu zeugen, damit dieser das Namensgedächtnis des unzeitig Verstorbenen aufnimmt. Wer als Mann keine männlichen Nachkommen hat, verliert seine postmortale Zukunft. Eigene Nachkommenschaft gilt als Seelenheil. So lässt es sich in den biblischen Erzvätererzählungen nachlesen (z.B. Gen 15,2f).

Die Sadduzäer-Frage „wessen Frau wird sie in der Auferstehung sein?“ ist eine Projektion einer patriarchal verfassten Wirklichkeit in ein Parallelwirklichkeit. Die zeitgebundenen Lebensverhältnisse mit dem jeweiligen Status lassen sich nicht in einer umfassenden Gleichzeitigkeit wiederfinden. Eine Frau kann – unter patriarchalen Vorzeichen – eben nicht gleichzeitig die Frau von sieben Männern sein.

Was Jesus – in der göttlichen Wirklichkeit der Auferstehung – unter dem engelgleichen Leben versteht, ist ein gottgegenwärtiges Leben, das weder genetisch noch durch Selbsterworbenes determiniert ist. Die Gleichzeitigkeit der Gottgegenwart nivelliert die Unterschiede hinsichtlich des Status. Die eigene Nachkommenschaft birgt kein Seelenheil. Die Auferstehung von den Toten egalisiert den eigene Status. Selbstlosigkeit, Barmherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe lassen einen nicht verlieren, sondern das eigene Leben in der Nachfolge Christi bei Gott wiederfinden. So heißt es aus Jesu Mund:

Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten; welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen. Denn sie können hinfort nicht sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder der Auferstehung sind.“ (Lukas 20,34-36)

Als „Kinder der Auferstehung“ muss das eigene Leben anderen gegenüber nicht durchgesetzt werden. Umgekehrt ist das andere Leben, das unter dem gleichen Vorbehalt – „gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen“ – steht, promissorisch dem eigenen gleichgestellt.

Die gemeinreligiöse Vorstellung eines Weiterlebens nach dem Tod lässt sich nicht mit der christlichen Lehre von der Auferstehung von den Toten gleichsetzen. Wird von einem Weiterleben nach dem Tod gesprochen, richtet sich dieses Weiterleben auf die Lebensbeziehungen des Verstorbenen mit Eltern, Geschwistern, Lebenspartner bzw. den eigenen Nachkommen aus. Der Familienverbund soll den Tod überdauern. Traditionell ist ein familiäres Weiterleben nach dem Tod in der Ahnenverehrung verortet. Damit das Weiterleben nach dem Tode gesichert ist, bedarf es eigener Nachkommen. Andernfalls verschwindet der Tote beziehungslos im Nirgendwo.

Ganz anders die christliche Lehre von der Auferstehung von den Toten. In Verbindung mit dem jüngsten Gericht wird der Verstorbene aus dem familiären Lebensgefüge herausgenommen. Das Leben der vom Tod Auferweckten ist auf Jesus Christus ausgerichtet und lässt familiäre Verbindungen und Verpflichtungen dabei hinfällig werden. So hat ja Jesus selbst der Sadduzäerfrage geantwortet: „In der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel.“ (Matthäus 22,30) In der Konsequenz der christlichen Lehre von der Auferstehung von den Toten wurde die Fortpflanzung entsoteriologisiert, also um ihre Heilswirklichkeit gebracht. Das wiederum hat die Gleichstellung der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft befördert.

Hier mein Text als pdf.

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