Hans Joachim Iwand, Der Name des Herrn. Predigt zu Apostelgeschichte 4,11-12 (1935): „Mit einem Male ist es klar, mit einem Male ahnen alle, die einen mit Schrecken und die anderen mit seligster Gewißheit, daß mit der Auferweckung Jesu der Gegenangriff Gottes eingesetzt hat gegen das Gericht aller derer, die Jesus zu den Toten geworfen haben: daß diese Tat frevelnden Hochmutes den Himmel zerris­sen, daß sie Gott in seiner Majestät zum Eingreifen gebracht hat, daß dieser Name Gewalt bekommen hat wie noch nie ein Name auf Erden, daß er über der Erde steht wie eine Erinnerung, die nicht verblaßt und wie eine Verheißung, die alle Tage neu ist.“

Der Name des Herrn. Predigt zu Apostelgeschichte 4,11-12

Von Hans Joachim Iwand

Apostelgeschichte 4,11-12: Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist. Und ist in keinem an­dern Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.

Das Wort, das wir eben gehört haben, ist das Schlußwort der Verteidigungsrede, die Petrus und Johannes vor dem Rat der Juden hielten. Freilich, eine Verteidigungsrede eigener Art. Denn die Tat, um derentwillen die Apostel hier vor Gericht stehen, be­steht in nichts anderem, als daß sie zu einem gelähmten Mann, der vor der Tür des Tempels lag und bettelte, gesagt haben: «Im Na­men Jesu Christi von Nazareth, stehe auf und wandle“ und daß diesem Manne wirklich geschah, was sie im Glauben ihm zugespro­chen hatten. Oder, um es noch deutlicher zu sagen, die Tat, um derentwillen sich die Jünger vor Gericht zu verantworten haben, besteht in nichts anderem als daß Gott den Namen Jesu durch diese Heilung des Gelähmten verherrlicht hat. Darum ist die Verteidi­gung, die Petrus und Johannes hier zugefallen ist, eine so überaus einfache Sache. Sie haben ja gar nicht ihre Angelegenheit oder ihre Person zu verteidigen, sie haben schlicht und wahrheitsgetreu diese Tat Gottes zu bezeugen. Die Hohenpriester und Ältesten fragen sie: «In welcher Kraft und in welchem Namen habt ihr das getan?» und Petrus gibt auf diese eindeutige Frage eine eindeutige Ant­wort. Er sagt: diese an uns gestellte Frage ist eigentlich keine Frage, denn es ist ja am Tage und ist allem Volke offenbar, in welchem Namen wir das getan haben. Wir haben es getan im Namen des Jesus von Nazareth, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat.

Und doch ist dadurch mit einem Schlage das ganze Verhör der Apostel vor ihrer geistlichen Behörde auf eine andere Ebene ver­legt. Wer ist hier Angeklagter und wer ist Richter? Was bedeuten hier noch Titel und Würden? Was bedeutet hier noch kirchenamtliche Autorität und theologische Schriftgelehrsamkeit? Was der Herr den Seinen verheißen hatte, ist in Erfüllung gegangen. Der Heilige Geist gibt ihnen das rechte Wort zur rechten Zeit. Er vertritt sie wie vor dem himmlischen Richter, so auch vor dem irdischen. Denn so heißt es in dem Bericht, der uns von jener Stunde überliefert ist: «Petrus, voll des heiligen Geistes, sprach zu ihnen: Ihr Ober­sten des Volks und ihr Ältesten von Israel, so wir heute werden gerichtet über dieser Wohltat an dem kranken Menschen, durch welche er ist geheilt worden, so sei euch und allem Volke von Israel kundgetan, daß in dem Namen Jesu Christi von Nazareth, wel­chen ihr gekreuzigt habt, den Gott von den Toten auferweckt hat, steht dieser allhier vor euch gesund.» Die Apostel verteidigen sich nicht aus eigener Weisheit und Kunst, sie entschuldigen sich nicht, und sie beklagen sich nicht, sondern sie verweisen auf die Antwort Gottes, die in der Gestalt des Geheilten vor den Augen und Ohren des ganzen Volkes kund geworden ist.

Es ist uns besonders nötig, darauf zu achten, daß die Apostel nicht ihrerseits die Rolle eines Anklägers übernehmen, um mit den Obersten und Ältesten über den Mord an ihrem Meister zu rech­ten. Das tun sie gerade nicht. Ein andrer Richter ist auf den Plan getreten, und sie haben nichts anderes zu tun als sein Gericht zu be­zeugen. Sein Gericht? Jawohl, Gottes Gericht! Denn daß dem Ge­lähmten im Namen Jesu Gottes Gnade widerfuhr, ist das Gericht über die Bauleute, die den Stein, den Gott zum Eckstein ausersehen hatte, verworfen haben. Nun müssen sie erkennen, daß sie sich selbst damit zu den Toten geworfen haben.

So endet das Verhör der Apostel, das erste, das der hohe Rat nach der Kreuzigung Jesu vornahm. Die tot geglaubte Vergangen­heit ist auf einmal wieder lebendige, unmittelbar eingreifende Ge­genwart; die Männer, die über Jesus von Nazareth zu Gericht saßen, sitzen nicht mehr auf der sicheren Bank des Anklägers; der römi­sche Statthalter, der eben noch seine Macht für die Erledigung des ärgerlichen Prozesses zur Verfügung stellen konnte, ist keine ETilfe mehr; das Volk, das sich eben noch aufputschen und in blinde Rase­rei gegen seinen treuesten Freund und Nothelfer bringen ließ, ist angesichts dessen, was hier geschehen ist, keine Zuflucht mehr; hin­ter dem zu den Toten Geworfenen ist eine Hand sichtbar geworden, mit der niemand gerechnet hatte; der Tod, das letzte Mittel in der Rechnung der Menschen, wenn es gilt, die Wahrheit stumm zu ma­chen, hat versagt: «Den ihr gekreuzigt habt, den hat Gott aufer­weckt von den Toten.»

Und mit einem Male ist es klar, mit einem Male ahnen alle, die einen mit Schrecken und die anderen mit seligster Gewißheit, daß mit der Auferweckung Jesu der Gegenangriff Gottes eingesetzt hat gegen das Gericht aller derer, die Jesus zu den Toten geworfen haben: daß diese Tat frevelnden Hochmutes den Himmel zerris­sen, daß sie Gott in seiner Majestät zum Eingreifen gebracht hat, daß dieser Name Gewalt bekommen hat wie noch nie ein Name auf Erden, daß er über der Erde steht wie eine Erinnerung, die nicht verblaßt und wie eine Verheißung, die alle Tage neu ist. Mit einem Male ist klar, wer in diesem Verfahren Richter und wer Angeklagter ist, wer «das Wort» hat und wer nichts mehr vorzu­bringen vermag. Die Verteidigung der Apostel vor dem Hohen Rat zeichnet sich durch eine wunderbare Gelassenheit aus; schweigend von sich selbst bezeugen sie allein das eine, daß die Geschichte, die mit dem Erdendasein Jesu begonnen hat, nun ihren Lauf nimmt. Wer will sie jetzt noch aufhalten, nachdem die letzte Grenze, die Todesgrenze durchbrochen ist?

Man kann sich denken, daß der ganze Vorgang für die jüdische Geistlichkeit außerordentlich unangenehm war. Nachdem die pein­liche und aufsehenerregende Hinrichtung vollzogen war, mußte eigentlich Ruhe eintreten. Dazu war ja die ganze Sache angefan­gen. Es kam jetzt alles darauf an, die Dinge möglichst bald in Ver­gessenheit zu bringen. Es mußte alles vermieden werden, was den Namen des Gekreuzigten wieder zum Gegenstand der Debatte und der Aufmerksamkeit machen konnte. Wie kam es, daß diese Ruhe nicht eintrat, daß die Sache nicht einschlafen wollte, daß diese Frage plötzlich wieder mit ihrer ganzen Gewalt und Macht von neuem aufbrach? Die Jünger Jesu waren doch still gewesen, sie hatten nicht zum Schwert gegriffen, um die Lehre ihres Meisters kämpfe­risch durchzusetzen; sie hatten keinen Volksaufstand entfesselt, kei­ne Bewegung organisiert und Anhänger geworben, sie haben auch nicht — und das fällt uns heute nicht ganz leicht zu sehen und zu- zugeben — eine Kirchenspaltung herbeigeführt und eine Art Sekte gegründet; im Gegenteil, sie gehen immer noch in den Tempel be­ten und halten die religiösen Ordnungen, in denen sie groß gewor­den sind. Sie sind tatsächlich alles andere als Revolutionäre und Kirchenstürmer. Was haben sie dann aber Besonderes an sich? Le­diglich das eine, daß sie Bescheid wissen um das unerhört Neue, das sich mit der Welt von Gott her ereignet hat, und daß sie gerade darum nicht versuchen, dies Neue in irgendwelche revolutionäre oder separatistische Formen zu fassen. Hier ist nicht die Form neu geworden und der Mensch, der in diesen Lebensformen lebt, der alte geblieben; hier ist dem Menschen selbst die Erneuerung, die Wiedergeburt zuteil geworden. Hier ist etwas geschehen, das so unvergleichlich ist mit allem, was sonst geschehen und verwirklicht werden mag, daß es an Narrheit grenzen würde, wollte man ver­suchen, es irgendwie in diesem Äon einzuordnen oder unterzubrin­gen. Weil die Apostel gewürdigt sind, Zeugen dieser Tat Gottes zu sein, darum ist all ihr Sinnen und Trachten auf das eine gerichtet, das not tut. Sie sind gewiß, und darum haben sie Genüge an dem, was Gott ihnen offenbar gemacht hat. Sie kennen den Namen, der «gesetzt ist zum Fall und zur Auferstehung vieler». Vielleicht fra­gen wir heute: «Ist das alles?» Uns kommt es wenig vor. Was ist ein Name? «Name ist Schall und Rauch.» Uns ist es zur Gewohn­heit geworden, daß auch wir diesen Namen kennen; wir sehen dar­in etwas Selbstverständliches, Nichtssagendes, und darum fragen wir, ob es alles sei. Darum verstehen wir nicht mehr, was es auf sich hat, wenn sich ein Mensch zu diesem Namen bekennt und mei­nen, das Bekenntnis bedeute noch nichts, es müsse nun erst die Tat, die Gestaltung, die Wirkung und Leistung dazu kommen. So wird es immer wieder sein: Auf der einen Seite stehen die Menschen, die das Reich Gottes bauen wollen mit ihren Leistungen, Taten, Leiden und Plänen — und auf der anderen Seite stehen die, für die dieser eine Name alles bedeutet, denen in diesem Namen alles gegeben ist, die darum in ihm Genüge finden. In diesem Namen Genüge fin­den — das nennt die Schrift: Glauben. In ihm alles finden, was wir suchen: Heil, Leben, Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit, Freude — das nennt sie: Glaubensgehorsam. Es ist eine wunderbare Ruhe, die von diesem Namen ausgeht. Alle Sucht und alle Leidenschaft, alle Unruhe und Unrast wird hier gebunden; der Mensch, der nie ge­nug hat, findet hier sein Genüge. Der Drang nach oben und der Sturz in den Abgrund, das stolze und das verzweifelte Herz — sie finden beide hier ihre Grenze. In diesem Namen umfängt der Friede Gottes alle Aufgeregtheit und alle Unrast, in ihm umschließt er das unruhigste Ding in der Welt, das menschliche Herz zu dem Frieden, der von oben ist.

Friedfertige Menschen — das waren die ersten Jünger Jesu, aber gerade darum müssen sie vor der Welt als Ruhestörer dastehen. Denn dieser Friede hat eine Kehrseite. Der Name, an dem sie hän­gen, bleibt der Welt ein Ärgernis. Indem sie den Frieden suchen, ge­raten sie in das härteste Getümmel. Ein Zufall hatte die Dinge wie­der in Fluß gebracht. Petrus und Johannes gingen gewohnheits­mäßig in den Tempel um zu beten. Ein Krüppel, der vor der Tem­peltür lag, bat sie um ein Almosen. Und da sie selbst nichts hatten und nicht in Versuchung kommen konnten, die Not, die da um Hilfe flehte, mit Gold und Silber zu beschwichtigen, gaben sie, was sie bekommen hatten. Sie schenkten, was ihnen geschenkt worden war und erfuhren dabei das Wunder, daß sie durch dieses Weg­schenken selbst reich wurden und auch den reich machten, der in seiner Not vor ihnen stand. «Was ich habe, das gebe ich dir», sagt Petrus, «im Namen Jesu Christi von Nazareth, stehe auf und wandle.» Und dabei reicht er ihm seine Hand, stellt ihn auf die Füße, so wie man einem Menschen aufhilft, der gestürzt ist. Und siehe, der Gelähmte steht, seine Glieder tragen ihn, er kann sich bewegen und ist heil.

Es liegt uns heute nahe — und es lag den Menschen von damals nicht weniger nahe — mit unserer Aufmerksamkeit und unserem Erstaunen an dem Geschehnis hängen zu bleiben und zu fragen, wie das möglich ist. Es mag gar manchen unter uns geben, der die Dinge mit stillem Zweifel hört, es mag vielleicht auch der eine oder der andere bei sich denken: Wenn das doch heute noch einmal ge­schehen würde! Wenn sich doch heute der Name Jesu wieder in dieser Kraft erweisen würde, dann würden wir es leichter haben für diesen Namen zu zeugen, dann würden wir leichter an ihn glauben. Wenn das Volk erkennen würde, daß in diesem Namen Wunder geschehen, daß die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Tauben hören, die Aussätzigen rein werden, die Toten auferstehen — dann würden sich die Armen vielleicht auch das Evangelium ver­kündigen lassen. Es gibt mehr Christen unter uns, als wir wahr haben wollen, die so denken. Und vielleicht würde auch geschehen, was sie hoffen, wenn dieser Wunsch nicht aus dem Zweifel geboren wäre; wenn sie nicht wollten, daß diese Zeichen und Wunder an die Stelle des bloßen Namens treten, ja wohl gar ihn ersetzen sol­len; wenn sie nicht heimlich wünschten, an Stelle des Namens diese Wunder und Zeichen zu verkündigen und damit den zu vergessen, in dessen Namen alles geschieht. Wir kennen solche Leute, die un­ter dem Schein der größten Frömmigkeit der Kirche unserer Tage dies vorwerfen, daß sie im Namen Jesu keine Kranken heilt, keine Toten auf erweckt, nicht die Hungrigen satt macht und nicht die Arbeitslosen in Arbeit und Brot bringt. Wir kennen diese Leute, die uns sagen: Wenn ihr das fertig bringen würdet, dann würden auch wir dem Namen glauben, den ihr bekennt, aber bis dahin laßt uns mit ihm zufrieden, wir haben Wichtigeres zu tun. Man lese einmal das Kapitel: «Empörung» in Dostojewskis Roman «Die Brüder Karamasoff». Da wird man Ergreifendes zu diesem Thema finden. Da wird man vielleicht auch verstehen, warum das Wunder den Namen überstrahlt. Vielleicht hat der, der das nicht versteht, noch nie in die Tiefe des Elends und der Not dieser Welt geblickt. Vielleicht hat er noch nie begriffen, daß es nur eine Anfechtung für den Glauben gibt, die wahrhaft furchtbar ist — das Mitleid!

Aber lassen wir das jetzt. Es schadet nichts, wenn uns Staunen und Verwunderung ergreifen und wir uns unter die Menge derer mischen, die nun eine Antwort haben möchten auf die Frage, die diese Heilung in ihnen geweckt hat. Denn als die Menge, die über das Wunder der Heilung erschüttert ist und erfahren hat, wer sie vollbracht hat, zu den Aposteln vordringt, die im Tempel beten und sie am liebsten zu Wundertätern ausrufen möchte, sagt ihnen Petrus schonungslos, daß sie sich über die inneren Zusammenhänge dieses Ereignisses gründlich täuschen. Er sagt ihnen ohne Um­schweife, daß diese Heilung nichts zu tun hat mit irgendwelchen wunderbaren Kräften, die wir in solchem Falle einander gern zu­schreiben. «Was starrt ihr uns an», sagt Petrus, «als ob wir aus eige­ner Kraft oder aus eigener Frömmigkeit heraus bewirkt hätten, daß dieser Mann wieder gehen kann? Nein, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott eurer Väter, hat sein Kind Jesus verherr­licht.» Wieder vollzieht sich die Umkehrung, ganz ähnlich wie vor dem hohen Rat; das Wunder tritt in den Hintergrund, und der Name steht vor aller Augen. Das Wunder ist nicht mehr der Mit­telpunkt der Handlung, es ist nur der Rahmen, in dem der Name faßbar wird, die Tür, durch die wir eintreten, das Zeichen, das uns aufmerken ließ und das aus dem Blickfeld rückt, wenn es seinen Dienst getan hat, wenn wir in die Richtung schauen, in die es weist. So ist es mit allen Zeichen und Wundern, die Gott tut, es muß immer noch das rechte Wort hinzutreten, es muß nicht nur eine Geschichte da sein, sondern audi ein Prediger, damit unser Glaube nicht an Geschichten hängen bleibt, sondern die Geschichten uns zum Glauben treiben. So ist denn dies Wunder von der Heilung des Gelähmten nichts anderes als eines der Zeichen, die die Auf­erstehung des Gekreuzigten begleiten und das Zeugnis der Jünger von dieser einen Tat Gottes bestätigen. Wenn wir es recht verstün­den, dann sähen wir jetzt in das offene Grab und erkennten den, der dem Tode die Macht genommen. «Jesus von Nazareth, von den Menschen verworfen — von Gott auferweckt», das zu bezeu­gen hat Gott die Apostel neben den Gelähmten gestellt, das zu pre­digen hat er sein Wort seinen Machttaten beigesellt.

Nicht wahr, wenn es einen unter uns gäbe, der bereit wäre, alle Wunder, von der Schrift bezeugt, wortwörtlich zu glauben, ja mehr, wenn es einen unter uns gäbe, der sie nicht nur glaubte, son­dern selbst vollbrächte — der aber jene Tat Gottes, die Auferweckung seines Kindes Jesus nicht anerkennen, nicht von daher alle anderen Wunder glauben, nicht von daher die Mächte der Sünde und des Todes bekämpfen würde, dann wäre dieser so makellose Wunderglaube und diese imponierende Kraft bergeversetzenden Waltens nichts anderes als eine große Verführung und eine unge­heure Blasphemie. Wenn Gott dem Versucher solche Gewalt und Kraft überläßt, wer wird vor diesem gleißenden Schein bestehen? Denn es heißt von diesen Zeichen und Wundern in der Schrift, daß sie sogar den Auserwählten zur Verführung werden müssen. Wir wissen ja gar nicht, was wir tun, wenn wir nach Wundern Ausschau halten und dabei den aus dem Auge verlieren, der dem Wunder­glauben seine verführerische Macht und seinen bezaubernden Schein genommen hat. Denn in der Auferstehung Jesu ist das Wunder unserer Schaulust entzogen und ins Unsichtbare zurückgetreten. Wer weiß, was aus uns würde, wenn wir über diese geheimnis­vollen Kräfte verfügen und sie in den Dienst unserer Absichten stellen könnten? Wer weiß, was aus unserer Kirche würde, wenn das Wunder groß und der Name Jesu klein würde? Ein reforma­torischer Christ sollte eigentlich wissen, woher diese Verführung kommt und wohin sie treibt; er sollte eigentlich wissen, daß die Werke das Grab des Glaubens sind und daß die Kirche zu Grabe getragen wird, wo die Predigt des Glaubens zugeschüttet wird durch das Tun der guten Werke.

Die Apostel weichen jedenfalls nicht von ihrem Wege und blei­ben auf der Bahn, auf der sie den ersten Schritt getan haben. Dies Geschehen, das mit der Anrufung des Namens Jesu seinen Anfang nahm, bleibt auch weiterhin diesem Namen unterstellt. Das Wunder dient, und der Name regiert. Das Wunder ist der Vorhof, das Wort steht im Heiligtum. In diesem Namen werden nicht über­natürliche Kräfte geweckt, sondern der Mensch wird aufgeweckt, damit er erkenne zu seiner Zeit, was zu seinem Heile dient. «Tut Buße und wandelt euch, damit euch eure Sünden vergeben wer­den», das ist die Antwort, die der fragenden und staunenden Menge von den Aposteln zuteil wird. Das ist die göttliche Predigt, die er neben sein Tun gesetzt hat, damit wir das Wozu und War­um verstehen. Darum, damit wir Buße tun, dazu, daß wir um­kehren, ist dies Zeichen auf den Weg gestellt. Dazu ist ja auch das Zeichen aller Zeichen, Jesus Christus selbst, der Menschheit von Gott auf den Weg gesetzt. Der Gelähmte wird zum Gleichnis, zum Spiegel, in dem jeder der Fragenden sich selbst erkennt. Der Ge­lähmte in seiner Schwachheit und in seiner wiedergewonnenen Kraft ist zum Gleichnis geworden, darin wir alle unsere eigene Lage, un­ser eigenes Elend, aber auch die uns zugewandte Gnade Gottes und die uns offenstehenden Möglichkeiten Gottes erblicken können. Nicht mehr das Wunder steht zwischen Gott und uns, sondern der Name seines Sohnes, und damit steht nun nichts mehr zwischen unserer Not und seiner Kraft — nichts mehr! Das Wunder war das letzte Hindernis für den Glauben; nicht der Zweifel hat es hin­weggenommen, sondern das Wort ist darüber gekommen, um uns zu schenken, was wir staunend nicht fassen konnten. «Tut Buße und wandelt euch, damit euch eure Sünden vergeben werden» — das ist dasselbe Wort, das dem Gelähmten widerfahren ist: «Im Namen Jesu Christi von Nazareth, stehe auf und wandle.» Zwei­feln wir daran, daß es in der Tat einunddasselbe ist? Es wäre nicht das erste Mal, daß hier das Ärgernis am Evangelium aufbräche. Oder «was ist leichter, zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Stehe auf und wandle?» Verstehen wir, was die Schrift uns sagen will? Die Sündenvergebung ist das Zeichen des Namens Jesu, das in den Wundern Gottes eingegraben ist. Wo ihr dies Zeichen nicht findet, da dürft ihr gewiß sein, daß es der Gegen­spieler Gottes ist, der euch narrt.

So wollen wir uns denn von den Aposteln lehren lassen, daß das Wunder draußen bleiben muß, damit im Tempel die Verkündi­gung des Namens das Ein-und-alles sei; aber auch das andere, daß in dieser Verkündigung bezeugt wird, daß der Name Jesu mit jenen Geschehnissen auf der Straße in der Tat etwas zu tun hat: daß Gott nicht nur redet, sondern handelt, ja, daß wir zuerst sein Werk sehen, ehe wir auf sein Wort merken, daß wir aber seine Werke erst recht verstehen, wenn wir den Namen gehört haben, den Gott in allen seinen Werken verherrlicht. Was für ein einschneidendes Gericht liegt in dieser Erkenntnis! Was für ein einschneidendes Ge­richt gegenüber der Verkündigung, wie wir sie lieben und treiben. Wird doch damit all denen eine Absage erteilt, die wunderbare Ge­schehnisse und Erfahrungen in den Mittelpunkt ihrer Verkündi­gung stellen und meinen, gerade damit erwecklich und lebensnahe zu wirken. Dafür wird dann der Name Jesu und seine Bezeugung an den Rand gedrängt. Über dem Wunder wird der vergessen, des­sen Hand in ihm wirksam ist. Man komme uns hier nicht mit der Parole von der konkreten Offenbarung. Als ob das Wort Gottes erst dadurch «konkret», faßbar, wirklich würde, daß es sich mit unserer Wirklichkeit verbindet! Als ob das Wort Gottes nicht in sich und durch sich wirklich wäre! Als ob es seine Wirklichkeit und Wirksamkeit von dem entlehnen müßte, was wir dafür halten, von diesem Traum und Schaum einer Wirklichkeit, die jeden Tag anders ist und eines Tages nicht mehr sein wird! Haben wir denn ver­gessen, was es für ein Wort ist, das wir zu bezeugen und zu ver­kündigen haben? Daß es das ewige Wort vom Vater ist, durch das die Welt mit allem, was in ihr ist und auf ihr geschieht, erst ins Dasein gerufen wurde? Das Wort, das der Kirche aufgetragen ist, bedarf zu seiner Wirksamkeit keiner anderen Fleischwerdung als der einen, die bezeugt ist im Namen Jesu. In ihm ist das ewige Wort Ereignis, Wirklichkeit, Geschichte geworden. In ihm ist es — wenn wir so wollen — „konkret“ geworden. In ihm haben wir das Wort, das am Anfang und am Ende steht, gehört, geschaut, mit Händen gegriffen. An diesen Namen hat sich das freie Wort gebun­den, damit wir uns von ihm binden lassen.

«Du sollst dir kein Bild noch Gleichnis machen» — gegen dies Gebot verstoßen alle, die der Wirklichkeit des Wortes Gottes an­dere Bilder und Gleichnisse unterschieben, mögen diese Bilder und Gleichnisse aus der Natur, aus dem eigenen Erleben oder aus dem Erleben der Völker stammen. Denn es ist grundsätzlich gleich, ob der eine wunderbare Gebetserhörungen in den Mittelpunkt seiner Verkündigung stellt oder ob eine christliche Anstalt in der wunder­baren Erhaltung ihrer Einrichtungen die sichtbaren Gnadenerweise Gottes findet, an die sie sich hält; ob eine Kirche ihre Geschichte als das Wunder bestaunt, das heilig ist und nicht preisgegeben wer­den darf, oder ob andere ihre eigene Lebensgeschichte zum Mittel­punkt ihres Glaubens machen oder wieder andere uns sagen, die Wiedergeburt unseres Volkes sei das Wunder, durch das sie zum Glauben an Gott gekommen sind. Das alles liegt auf einer Linie, und diese Linie ist nicht die Linie der apostolischen Verkündigung, nicht die Linie, auf der die Kirche Jesu Christi sich zu halten hat.

Damit ist gegen die Fügungen und Wundertaten nichts gesagt; es ist auch keineswegs damit jenen Zweiflern und Skeptikern das Feld freigegeben, die in ihrem aufgeklärten Verstand nur das für mög­lich halten, was sie in das System ihrer Kategorien und Begriffe fassen können. Wir hätten wohl öfter, als wir ahnen, Grund, die Hände zu falten und einen Blick nach oben zu tun, in unserer eige­nen Lebensgeschichte nicht minder als in der Geschichte unseres Vol­kes und unserer Kirche. Wohl uns, wenn wir uns das nicht neh­men lassen. Aber diese Zeichen und Wunder sind im wahrsten Sinne des Wortes „Zufälle“, und wehe uns, wenn wir daraus Ge­setzlichkeiten machen. Aus dem, was ihm zufiel, hat das jüdische Volk ein Gesetz gemacht, und damit ist ihm das Wunder zum Ab­fall vom Glauben geworden. Hüten wir uns, daß wir nicht von derselben Höhe abstürzen. Wunderbare Ereignisse und Erfahrun­gen sind immer Höhepunkte in dem Leben des Menschen; darum sind diese Zeiten der wunderbaren Erweisungen Gottes besonders gefährliche Zeiten; denn so erhaben und majestätisch die Höhen sind, auf die uns Gott dann führt, so abgründig und furchtbar sind die Tiefen, an denen wir damit stehen. Wohl uns, wenn wir stehen! Wohl uns, wenn wir, je höher uns Gott führt, ihn desto mehr fürchten. Denn auf diesen Bergen seiner Macht zu stehen ohne zu stürzen, das vermag nur der, der den Herrn fürchtet.

Gott fürchten — das heißt aber die Ordnung beachten, die er selbst aufgerichtet hat, zuerst nach der Gottesherrschaft trachten und dann offen stehen für das, was uns zufällt, zuerst den Namen set­zen, in dem Gott seine Herrschaft über alle Mächte und Gewalten aufgerichtet hat und dann die Wunder schauen, mit denen er sich den Seinen nahe erweist. Denn zu greifen ist die Gottesherrschaft in all diesen wunderbaren Zeichen und Hilfen nicht. Sie kommt eben nicht mit diesen äußeren Zeichen und Gebärden; sondern sie ist gekommen und ist gebunden in dem einen Namen: Jesus Chri­stus. Und wo immer unter anderen Namen Gottes Herrschaft und Offenbarung ausgerufen wird, da ist es nicht Gottes, sondern des Teufels Herrschaft — mag sich der Teufel auch in einen Engel des Lichts verkleiden und dem Sohne Gottes die Reiche der Welt an­bieten. Darum heißt es wachen und von allen, die ins Lager ein­passieren wollen, die Parole fordern.

Es ist nötig, im Blick auf unsere Gemeinden und die Lage der Bekennenden Kirche noch etwas Besonderes hier herauszustellen. Es ist dies vor allem nötig in diesem Augenblick, da wir hinaus­gehen, um unsere Gemeinden um die rechte Parole zu sammeln. Auch bei uns darf die Erweckung und Erhebung, die wir erlebt haben, nicht zur Grundlage unserer Gewißheit und unseres Be­kenntnisses werden. Wir haben Großes in der Kirche erlebt, Dinge, die wir nie für möglich gehalten hätten; aber gerade darum sind sie die größte Gefahr für uns, wenn wir dabei stehen bleiben. Wir wollen doch nicht eine Kirche werden, deren Glaubensüberzeugung in den Erfahrungen der letzten beiden Jahre begründet liegt, ebensowenig wie wir eine Kirche sein sollten, deren tragende Gewißheit auf den Erfahrungen der Reformationszeit ruht. Oder soll es nun unser Geschäft und Bemühen sein, das «wiedererwachte religiöse Leben», wie die Kriegsberichterstatter das Geschehen, das unserer Kirche widerfahren ist, zu nennen belieben, immer von neuem an­zuregen und aufzufrischen bis der Tag kommt, da nichts mehr auf­zufrischen und anzuregen ist, weil das Leben in der Wurzel abge­storben ist? Die Bewegung, die wir erfahren haben, ist doch keine Zierblume, die wir abschneiden und ins Zimmer stellen können. Sie ist nicht dazu von Gott hervorgerufen, daß wir damit den «Raum der Kirche» ausschmücken. Sondern Dinge, die von Gott kommen, bleiben in seiner Hand, und niemand kann sie leiten, lenken, för­dern, erhalten, der versucht, diese Taten, über denen der Name Jesus steht, auf seinen eigenen Namen umzuschreiben. Ich fürchte, wir werden sonst bald die Feststellung machen müssen, daß wir das zarte Reis, das aus dem morschen Stamm aufgeschossen ist, begießen und hegen können, soviel wir wollen, und es doch dahinwelkt. Denn das Leben in der Kirche wurzelt in Gott und seinem Wort und muß verwelken, wenn es nicht wachsen kann, wo der Same ausgestreut ist. Alle, die in diesem Sinne aus der Bekennenden Kir­che eine von Menschen zu lenkende und zu leitende Sache machen wollten, die Gegner zur Linken und die Freunde zur Rechten, sind dabei bereits auf sehr geheimnisvolle Grenzen gestoßen, Grenzen, bei denen es meist den Anschein hatte, als lägen die Hemmnisse und Widerstände an dem bösen Willen der Menschen — aber im Grunde sind es nicht Menschen, an denen wir dabei scheitern. Es ist ein anderer, der verhütet und der verhüten möge, daß die Be­kennende Kirche zu einer Glaubensbewegung wird, die man orga­nisieren, erregen, weitertreiben, abstoppen, hochpredigen und ab­riegeln kann.

Wir werden also ganz bestimmte Ziele und Pläne, die wir viel­leicht haben — und wie sollten uns Hoffnung und Verantwortung für die Kirche nicht immer wieder ins Plänemachen und Zielsetzen hineintreiben! — wir werden sie dennoch abblenden, aus dem Sinn schlagen, preisgeben müssen. Wir werden auch hier aus der Erinnerung an das Gestern und aus der Sorge um das Morgen her­ausmüssen, um ganz im Heute zu stehen; um eingekeilt zwischen unseren Sünden und Gottes Verheißungen in dem engen Raum der gegenwärtigen Stunde das zu tun — was nun eben die Apostel da­mals taten, als sie von der Menge gestellt wurden: sagen, in welchem Namen der Lahme heil geworden ist.

Wir sind heute als Prediger der evangelischen Kirche in einer ganz ähnlichen Lage wie die Apostel damals im Tempel. Man muß sich nur einmal das Bild vor Augen halten, das unsere Kirche dem Beschauer darbot. Was dachten die Gebildeten von ihr? Was ist das stillschweigende Urteil der Arbeiter über die Kirche gewesen? Man hört es erst jetzt, wenn Gegner und Freunde immer wieder sagen: «Das hätten wir der protestantischen Kirche nicht zugetraut.» Und wenn man weiß, wie wenig das ist, was bisher an Glaubensmut und Bekenntnistreue aufgebrochen ist, dann weiß man auch, wieviel weniger man unserer Kirche zutraute. Sie glich nach dem Urteil der Menge in der Tat einem von Mutterleib an Gelähmten, der, vor der Tür des Tempels liegend, sich durch milde Gaben am Leben er­hält. Wenn dieser Gelähmte auf einmal auf den Füßen steht — müssen sich dann nicht alle wundern? Müssen sie nicht versuchen, sich dies Wunder irgendwie zu erklären, die einen im Guten, die anderen im Bösen; die einen so, daß sie das Ganze nur als Ruhe­störung, als Sektiererei, als Eigenmächtigkeit und Verführung an­sehen, die anderen aber so, daß sie von besonderen menschlichen Qualitäten, Tugenden, Leistungen und Fähigkeiten sprechen? Wir kennen die guten und bösen Gerüchte, die um dies Ereignis herum einen gefährlichen Dunstkreis geschaffen haben. Es ist hohe Zeit, daß die Sonne vom Himmel diesen Nebel, den unsere Sympathie oder unsere Antipathie über diese Morgenstunde der evangelischen Kirche gebreitet hat, zerstreut. Dazu sind wir da, das ist nun un­sere Aufgabe. Dazu hat Gott seine Predigt neben sein Tun gesetzt, damit offenbar werde, in welcher Kraft und Vollmacht wir das getan haben, was wir getan haben. Finden die Menschen, die in den Tempel kommen, um zu hören, wie das geschehen konnte, dort auch das Wort und das Bekenntnis, das allein die Antwort auf ihr Staunen und Fragen sein kann? Wollen wir nicht bei den Apo­steln in die Schule gehen, damit das fragende und verwunderte Volk die rechte Antwort findet? Denn zweierlei muß geantwortet werden. Einmal müssen wir die Menschen von uns wegweisen und ihnen sagen: «Was starrt ihr uns an, als ob wir es aus eigener Kraft oder auf Grund eigener Frömmigkeit fertig gebracht hätten, daß unsere Kirche, die so lange gelähmt war, wieder auf den Bei­nen steht!», und zweitens müssen wir sie in die Richtung weisen, von der aus dies Wunder geglaubt sein will: «Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter hat sein Kind Jesus verherrlicht, das ihr preisgegeben, das ihr verleugnet habt, Sein Na­me hat diesen Gelähmten wieder aufgerichtet. Der Name Jesu al­lein ist es gewesen, der ihm die Kraft zum Wandeln wiederge­schenkt hat.»

Denn alles, was wir an Erweckung und an Opfer erlebt haben, ist nutzlos und schädlich, wenn es nicht zur Verherrlichung des Namens Jesu in der Welt dient. Gewiß, es gibt auch menschliche Namen, die dabei eine Rolle gespielt haben, Namen von Lehrern der Kirche und Namen von einzelnen Bischöfen, Namen von vielen treuen Pfarrern und vielen treuen Christen, Namen von Gemeinden und ganzen Städten, die dabei laut geworden sind — aber wer auch immer im Ernst dabei mit im Spiel gewesen ist, der wird nicht wollen, daß sein Name groß geschrieben wird, im Gegenteil, er wird seine Freunde warnen und seine Gegner auslachen, wenn sie ihn dafür verantwortlich machen und seinen Namen über das Stück Kir­chengeschichte schreiben wollen, bei dem er dabei war. Unsere Na­men sollten hier auf Erden verschwiegen und vergessen sein, damit alles unter einem Namen geschieht und in ihm verantwortet wird, in dem Namen, mit dem wir als Lehrer und Prediger des Evan­geliums dem Kranken die Gesundheit geschenkt haben. Darauf kommt es an, ihn groß zu machen, wenn wir hinausgehen in unsere Gemeinden. Damit steht und fällt die Bekennende Kirche, daß in unseren Gottesdiensten die Verkündigung zu finden ist, die dem erstaunten Volke sagt, wer hier wirksam ist und wie er an ihm wirksam sein will; daß wir das Wort von der Umkehr und der Vergebung der Sünden sagen. Die Frage ist laut geworden gerade von der Straße, von der Gasse her, bei unseren Volksgenossen und auch über die Grenzen unseres Landes hinaus: «In welchem Namen habt ihr das getan?» Ist aber auch schon die Verkündigung laut geworden, die darauf antwortet? Ist sie laut geworden? Hat sie die vielen störenden Stimmen, die sich darüber erhoben haben, übertönt, überschrieen und zur Besinnung gerufen? Ist es schon kund geworden vor aller Welt, was kund werden muß, wenn nicht Zeit und Stunde ungenutzt vorübergehen sollen, daß die Rettung aller Welt und aller Zeiten zusammengefaßt ist in dem einen Namen Jesus von Nazareth, den die Menschen zu den Toten geworfen ha­ben, den Gott aber auferweckt hat, daß er lebt und regiert in Ewig­keit?

Diese Verkündigung will heute heraus. Wir werden sie nicht dämpfen können. Wenn wir schweigen, wird sich Gott andere Bo­ten suchen, die sie kund machen. Er ist nicht auf uns angewiesen. Wenn ein Kirchenregiment aus Sorge um die Existenz der Kirche dafür kein Verständnis aufbringt, wenn es die Fahrt, zu der wir aufgerufen sind, bei dem erregten Meer unverantwortlich findet, wenn hier und da Prediger aus Sorge oder Sorglosigkeit abseits ste­hen und sich gebärden, als ginge sie das Ereignis, das sich vor der Pforte des Tempels abgespielt hat, nichts weiter an, wenn die Leh­rer der Kirche diese Störung des akademischen Gleichgewichts, diese Erschütterungen ihrer Systeme und Lehrgebäude als plebejisch und roh empfinden und wenn andere wieder gar nicht müde werden, ihre Hände in Unschuld zu waschen und sich vom Schiff der Kirche ans feste Land zu retten suchen — dann soll uns das nicht verdrie­ßen: Wir müssen Schritt halten mit dem Siegeszug Gottes und dür­fen nicht müde werden, wenn uns auch darüber der Atem ausgeht. An der Stelle, wo wir als Lehrer und Prediger der Kirche stehen, fällt die Entscheidung. Denn hier will es aufbrechen mit unwiderstehlicher Gewalt, hier will der Name des eingeborenen Sohnes wieder zu der Ehre kommen, die ihm gebührt. Wenn wir dem im Wege sind, wird uns kein anderes Geschick beschieden sein als denen, die damals dieser Verkündigung im Wege waren. Wenn wir dem unseren Mund und unseren Geist zur Verfügung stellen, werden wir tun, was unseres Amtes ist.

Es soll nur kein Pfarrer und kein Bischof und kein Lehrer der Kirche meinen, sie hätten’s in der Hand, diese Kunde von Jesus Christus zu dämpfen oder totzuschweigen. Es sind andere da, die reden müssen! Die Luft in unserem Lande trägt heute weit, und was im Winkel des Landes gesprochen wird, wird auf den Dächern ge­hört. Es kommt der Tag, da unser Amt und Dienst nach der Ver­richtung gewogen wird und der treue Dienst der Adel und der Lohn der Knechte sein wird.

So laßt uns denn hingehen und den Namen kund machen, in dem unserer Kirche Heil widerfahren ist. Und laßt uns das tun ohne Furcht und ohne Heimlichkeit. Der Geist des Herrn wird mit uns sein, wenn wir uns ob solchen Tuns zu verantworten haben.

Gehalten im Juli 1935.

Quelle: Hans Joachim Iwand, Der Name des Herrn. Geistliche Reden, Bekennende Kirche Heft 38, München: Chr. Kaiser, 1936, S. 4-19.

Hier die Predigt als pdf.

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