Luthers Brief an Nikolaus von Amsdorf zur Ausbruch der Pest in Wittenberg 1527: „So sind äußerlich Kämpfe, innerlich Angst, und gar harte; Christus sucht uns heim.“

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Francisco Goya – Das Pestlazarett (Hospital de apestados, 1798-1800)

Luthers Brief an Nikolaus von Amsdorf zur Ausbruch der Pest in Wittenberg 1527

Als im August 1527 die Pest in Wittenberg zum Ausbruch, blieb Martin Luther trotz der Aufforderung des Kurfürsten Johann, nach Jena überzusiedeln, mit Johannes Bugenhagen und zwei Kaplänen in Wittenberg, hielt Vorlesungen und Predigten und versah seinen Dienst als Seelsorger an den Bedürftigen. Er schrieb dazu folgenden Brief an Nikolaus von Amsdorf:

1. November 1527

Wie es dem Herrn gefällt, so geschieht es, lieber Amsdorf, daß ich, der ich bisher alle anderen zu trösten pflegte, selbst allen Trostes bedarf. Dies eine bitte ich und Du bitte mit mir, daß mein Christus mit mir tue, was ihm gefällt, nur davor bewahre er mich, daß ich nicht undankbar und ein Feind dessen werde, den ich bisher mit so großem Eifer und Inbrunst gepredigt und verehrt habe, obwohl ich ihn unterdessen freilich mit vielen und großen Sünden beleidigt habe. Der Satan begehrt, daß ihm von neuem ein Hiob gegeben werde und den Petrus samt den Brüdern zu sichten (Luk. 22, 31). Christus aber lasse sich herbei, ihm zu sagen: »Schone seines Lebens« (Hiob 2, 6), und zu mir: »Ich bin deine Hilfe« (Ps. 35, 3) wie ich noch hoffe, daß er nicht ewiglich über meine Sünden zürnen werde. Ich möchte gern den Sakramentierern antworten, aber wenn ich am Geist nicht stärker werde, kann ich es nicht. Dein Exemplar werde ich behalten, aber zu seiner Zeit zurückgeben.

In meinem Hause hat ein Hospital angefangen. Hanna, Augustin (Schurfs) Frau, hat in sich die Pest gehabt, kommt aber wieder auf. Margaretha von Mochau hat uns durch ein verdächtiges Geschwür und andere Anzeichen Furcht eingejagt, obwohl es ihr auch wieder besser geht. Ich fürchte sehr für meine Käthe, die ihrer Niederkunft nahe ist, denn auch mein Söhnchen ist schon seit drei Tagen krank, ißt nichts, und es geht ihm schlecht. Man sagt, es sei der Durchbruch der Zähne, aber man glaubt, daß beide in so großer Gefahr sind (ebenfalls von der Pest befallen zu werden). Denn die Frau des Kapellans Georg (Rörer), die ebenfalls der Niederkunft nahe ist, ist von der Pest gepackt; aber man bemüht sich jetzt darum, ob auf irgendeine Weise das Kind gerettet werden kann. Der Herr Jesus stehe ihr barmherzig bei. So sind äußerlich Kämpfe, innerlich Angst, und gar harte; Christus sucht uns heim. Ein Trost besteht, den wir dem wütenden Satan entgegensetzen: wir haben nämlich das Wort Gottes, um die Seelen der Gläubigen zu erhalten, wenn er auch immer die Leiber verschlingen mag. Darum empfiehl uns den Brüdern und Dir selbst, daß Ihr für uns betet, daß wir die Hand des Herrn tapfer tragen und des Satans Macht und List überwinden, sei es durch den Tod oder durch das Leben, Amen. Wittenberg, am Tage Allerheiligen, im zehnten Jahre, nachdem der Ablaß zu Boden getreten ist, zu dessen Andenken wir zu dieser Stunde trinken, nach beiden Seiten hin getröstet.

Hier der Brief als pdf.

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