
Von Adolf von Harnack gibt es einen wunderschön geschriebenen Text „Zehn Gebote für Autoren, die mit Anmerkungen umgehen“ über Praxis und Ethik der akademischen Abfassung von Anmerkungen (und der Setzung von Fußnoten). Diese Gebote, die im Zeitalter der Textverarbeitung wohl an Bedeutung gewonnen haben, stehen am Ende des Vortrags „Über Anmerkungen in Büchern“, den Harnack 1906 vor dem Verein Berliner Bibliothekare gehalten hatte.
Zehn Gebote für Autoren, die mit Anmerkungen umgehen
- Fasse deinen Text so, dass er auch ohne die Anmerkungen gelesen werden kann.
- Vergiss nicht, dass es auch Parenthesen im Texte gibt und Exkurse am Schlusse des Buchs, welche Anmerkungen ersetzen können.
- Sei sehr sparsam mit Anmerkungen und wisse, dass du deinem Leser Rechenschaft geben musst für jede unnütze Anmerkung; er will in deinen Anmerkungen ein Schatzhaus sehen, aber keine Rumpelkammer.
- Halte dich nicht für zu vornehm, um Anmerkungen zu machen, und wisse, dass du niemals so berühmt bist, um dir Beweise ersparen zu können.
- Schreibe keine Anmerkung, weil du in der Darstellung etwas vergessen hast; schreibe überhaupt die Anmerkungen nicht nachträglich.
- Schreibe nichts in die Anmerkung, was den Text in Frage stellt, und schreibe auch nichts hinein, was wichtiger ist als der Text.
- Betrachte die Anmerkungen nicht als Katakomben, in denen du deine Voruntersuchungen beisetzest, sondern entschließe dich zur Feuerbestattung.
- Mach die Anmerkungen nicht ohne Not zum Kampfplatz; tust du es, so stelle deinen Gegner so günstig auf wie dich selbst.
- Versuche es, die Kunst zu lernen, durch Anmerkungen die lineare Form der Darstellung zu ergänzen, Akkorde anzuschlagen und Obertöne zu bringen; aber spiele kein Instrument, das du nicht verstehst, und spiele dieses Instrument nur, wenn es nötig ist.
- Stelle die Anmerkungen stets dorthin, wohin sie gehören, also nicht an den Schluss des Buchs – es sei denn, dass du eine Rede drucken lässt –, und scheue dich nicht, zwei Gattungen von Anmerkungen zu bieten und im Drucke zu unterscheiden, wenn der Stoff das verlangt.
Quelle: Adolf Harnack, Aus Wissenschaft und Leben, Bd. 1, Gießen 1911, 161f.
Und hier der vollständige Text des Vortrags „Über Anmerkungen in Büchern“ von Adolf von Harnack.