
Eine der schärfsten bildlichen Abrechnungen mit der römischen Kirche und dem Papsttum während der späteren Reformationszeit stammt aus meinem Heimatdekanat Neu-Ulm. Der Maler und Holzschneider Matthias Gerung (1500-1570) hatte in seiner Werkstatt in Lauingen an der Donau zwischen 1544 bis 1558 27 Holzschnitten zur Apokalypse mit 32 entsprechenden Allegorien zu biblischen Geschichten oder reformatorischen Szenen seiner Gegenwart angefertigt. Nun hat in der aktuellen Ausgabe des Sonntagsblattes. Gemeindeblatt für Augsburg und Schwaben Andreas Jalsovec einen Beitrag über Gerung veröffentlicht:
Reformation als Apokalypse. Der Lauinger Maler Matthias Gerung hat den Glaubenskampf in Bilder gefasst
Von Andreas Jalsovec
Gerungs Holzschnitte sind eines der eindrücklichsten Beispiele für Reformationssatire. Sie rechnen scharf mit den Katholiken ab.
Die althergebrachte Kirche, die krachend zusammenstürzt. Das Boot Christi bedroht von Ungläubigen und Altgläubigen. Der römische Klerus, der in einem Kessel schmort oder sein Dasein in der Hölle fristet: Die Arbeiten des Lauinger Malers und Holzschneiders Matthias Gerung (1500-1570) gehören zu den drastischsten Bildern, die der Glaubenskampf der Reformation hervorgebracht hat.
Zwischen 1544 und 1558 schuf Gerung fast 60 Holzschnitte zur biblischen Apokalypse. Knapp die Hälfte der Bilder stellen Szenen aus der Offenbarung des Johannes dar. Die andere Hälfte sind Allegorien: Gerung überträgt darin die Motive der Apokalypse auf die Zeit der Reformation. Diese Bilder seien eine »der schärfsten bildlichen Abrechnungen mit der römisch-katholischen Kirche während dieser Zeit«, sagt der Vöhringer Pfarrer Jochen Teuffel.
Bei einer Predigtreihe, die auch die Apokalypse zum Thema hatte, war Teuffel auf Gerungs Werke gestoßen. Und er war beeindruckt, dass ein Künstler aus der Region ein so umfangreiches und scharfzüngiges Werk der Reformationssatire geschaffen hat. Da komme schon eine »gnadenlose Feindseligkeit« gegenüber den Katholiken zum Vorschein, meint Teuffel.
Gerungs Werk war eine Auftragsarbeit. Pfalzgraf Ottheinrich ließ einen Apokalypsenkommentar des Berner Predigers Sebastian Meyer übersetzen. Das illustrierte Buch war als antikatholisches Propagandawerk geplant, das die Geschehnisse der Apokalypse auf die Reformationszeit überträgt. Der Band erschien aber nicht: Bevor er fertig wurde, kam der Augsburger Religionsfrieden. »Damit war die Propagandaschrift hinfällig«, sagt Jochen Teuffel.
Für Matthias Gerung war die Holzschnittfolge eine seiner letzten großen Arbeiten. Der in Nördlingen geborene Maler hat auch immer wieder für katholische Auftraggeber gearbeitet. Einen Auftrag abzulehnen, das konnte sich kein Künstler damals leisten.
GERUNGS BILDER sind zu sehen auf www.zeno.org, Suchbegriff »Gerung«.
Sonntagsblatt. Gemeindeblatt für Augsburg und Schwaben, Nr. 3, 22. Januar 2017, S. 15.