Erzliberal und radikal-orthodox
Das gehört für Christen einfach zusammen: In Sachen Religion und Glaube wahrhaft liberal zu sein und gleichzeitig in Sachen Kirche und Evangelium radikal-orthodox.
Radikal-orthodox besagt, dass die Kirche eine distinkte Lehre mit eigenem Wortschatz und eigener Grammatik hat, die nicht unter einem universalen Geltungsanspruch hermeneutisch sinnentleert werden kann. So bleibt man als Christ in der Kirche beim Evangelium auf die endzeitliche Wiederkunft Jesu Christi hin. Schließlich geht es weder um eine unverbindliche Weltanschauung noch um ein humanistisches Weltrettungsunternehmen, sondern um Leben und Tod in der Beziehung mit dem dreieinigen Gott.
In der Außenperspektive hingegen erscheint Kirche als dramaturgische Spielgemeinschaft mit eigenen Sprach-, Handlungs- und Verhaltensregeln: Wie bei anderen Spielgemeinschaften geschehen Beitritt und Dabeibleiben freiwillig. Wo die eigene Hingabe im Spielvollzug entdeckt wird, kann man gar nicht anders als Beteiligung oder Ablehnung dem anderen wirklich frei zu stellen. Jede gedankliche oder administrative Vereinnahmung von Unbeteiligten oder Abgeneigten zersetzt die eigene Spielgemeinschaft.