Hayden White, Das Problem der Erzählung in der modernen Geschichtstheorie: „Die Tatsache, dass die Erzählung eine »historischen« wie »nichthi­storischen« Kulturen gemeinsame Diskursform ist und im mythi­schen wie im fiktionalen Diskurs überwiegt, macht sie als Form des Sprechens über »reale« Ereignisse verdächtig. Die nichtnarrative Sprechweise, wie sie in der Physik üblich ist, scheint der Darstel­lung »realer« Ereignisse angemessener. Dabei aber ist die Vorstellung von dem, was ein »reales« Ereignis ist, nicht von der Unter­scheidung zwischen »wahr« und »falsch« abhängig (denn dies ist eine Unterscheidung, die zur Ordnung der Diskurse und nicht zur Ordnung der Ereignisse gehört), sondern eher von der Differenzie­rung zwischen »real« und »imaginär« (die sowohl zur Ordnung der Ereignisse als auch zur Ordnung der Diskurse gehört). Man kann einen imaginären Diskurs über reales Geschehen schaffen, der, weil er »imaginär« ist, deshalb nicht weniger »wahr« zu sein braucht. Alles hängt davon ab, wie man das Wirken der menschlichen Imagi­nationsfähigkeit interpretiert.“

Das Problem der Erzählung in der modernen Geschichtstheorie Von Hayden White In der neueren Geschichtstheorie ist die Erzählung Gegenstand außerordentlich … Mehr

Hayden White, An den Grenzen des Begriffs (At the Limits of the Concept, 2016): „Die kontinentale Tradition neigt dazu, der Rhetorik sehr viel mehr Sympathie entgegenzubringen, die sie weniger als ‚Überzeugungskunst‘ versteht, sondern vielmehr als eine Theorie des Verhältnisses zwischen wörtlich-begrifflichem Denken einerseits und figurativ-tropologischem Bewusstsein andererseits. Sie sympathisiert eher mit einer narrativistischen Ausdrucksweise als mit einer syllogistischen Argumentationsweise. Sie erkennt sogar an, dass ‚Fiktion‘ weniger das Gegenteil von ‚Tatsache‘ sein kann als eine andere Art der Vermittlung zwischen Sinn und Vorstellung. Sie lässt sogar zu, dass die der poetischen Sprache innewohnende Variation und Differenzierung, wie bei Wallace Stevens, Yves Bonnefoy, Ann Carson, W. H. Auden, T. S. Eliot und Paul Celan, Affekte und Einsichten hervorbringen kann, für die andere Ausdrucksformen blind bleiben.“

An den Grenzen des Begriffs (At the Limits of the Concept, 2016) Von Hayden V. White Es wird oft vergessen, … Mehr

Hayden White, Der historische Text als literarisches Kunstwerk: „Tatsache ist, dass Geschichte – die reale Welt, wie sie sich in der Zeit entwickelt – in der gleichen Weise sinnvoll gemacht wird, wie der Dichter oder Romanautor dies versuchen, d.h. indem sie dem, was ursprünglich als problematisch oder geheimnisvoll erscheint, die Gestalt einer erkennbaren, weil vertrauten Form geben. Es spielt keine Rolle, ob die Welt als real oder lediglich vorgestellt verstanden wird; die Art der Sinnstiftung (making sense) ist die gleiche.“

Der folgende Text von Hayden White war für meine Dissertationsschrift Von der Theologie. Die Kunst der guten Gottesrede in Entsprechung … Mehr