George MacDonald, Die Imagination – ihre Funktion und ihre Kultur (The Imagination: Its Function and its Culture, 1867): „Die Imagination des Menschen ist nach dem Bilde der Imagination Gottes gemacht. Alles vom Menschen muss zuerst von Gott gewesen sein; und es wird viel zu unserem Verständnis der Imagination und ihrer Funktionen im Menschen beitragen, wenn wir zuerst recht daran gehen, die Imagination Gottes, in der die Imagination des Menschen lebt und sich bewegt und ihr Wesen hat, richtig zu betrachten.“

Die Imagination – ihre Funktion und ihre Kultur (The Imagination: Its Function and its Culture, 1867)

Von George MacDonald

Es gibt [Menschen], in deren Vorstellung Erziehung offenbar darin bestünde, eine gewisse Ruhe durch die Entwicklung dieses und jenes Vermögens und die Unterdrückung, wenn nicht Ausrottung, dieses und jenes anderen Vermögens hervorzubringen. Aber wenn bloße Ruhe das angestrebte Ziel wäre, wäre eine schonungslose Unterdrückung aller Vermögen das sicherste Mittel, sich ihr zu nähern, vorausgesetzt immer, die tierischen Instinkte könnten ebenfalls unterdrückt oder, noch besser, in einem Zustand steter Sättigung gehalten werden. Glücklicherweise jedoch für die Menschheit besitzt sie selbst in der Leidenschaft des Hungers einen unmittelbareren Retter als in der weisesten Auswahl und Behandlung ihrer Vermögen. Denn Ruhe ist nicht das Ziel der Erziehung; ihr Ziel ist eine edle Unruhe, ein immer wieder erneuertes Erwachen von den Toten, ein unaufhörliches Befragen der Vergangenheit um der Deutung der Zukunft willen, ein Vorantreiben der Bewegungen des Lebens, die weit besser in Fieber beschleunigt, als in Lethargie verzögert würden.

Für diejenigen, die eine ausbalancierte Ruhe als Ziel der Kultur betrachten, muss die Imagination notwendigerweise als das eine Vermögen vor allen anderen angesehen werden, das unterdrückt werden muss. „Gibt es nicht Tatsachen?“, sagen sie. „Warum diese verlassen für Hirngespinste? Gibt es nicht das, was erkannt werden kann? Warum es verlassen für Erfindungen? Was Gott gemacht hat, darin lasse der Mensch forschen.“

Wir antworten: In das, was Gott gemacht hat, zu forschen, ist die Hauptfunktion der Imagination. Sie wird durch Tatsachen angeregt, wird von Tatsachen genährt, sucht in jenen Tatsachen nach höheren und noch höheren Gesetzen; aber weigert sich, die Wissenschaft als alleinigen Dolmetscher der Natur oder die Gesetze der Wissenschaft als das einzige Gebiet der Entdeckung zu betrachten.

Wir müssen mit einer Definition des Wortes Imagination beginnen, oder eher mit einer Beschreibung des Vermögens, dem wir diesen Namen geben.

Das Wort selbst bedeutet ein Abbilden oder Erschaffen von Abbildern. Die Imagination ist jenes Vermögen, das dem Gedanken Form gibt – nicht notwendigerweise geäußerte Form, aber eine Form, die in Gestalt oder Klang oder irgendeiner Weise, die die Sinne erfassen können, geäußert werden kann. Sie ist daher jenes Vermögen im Menschen, das dem vornehmsten Wirken der Kraft Gottes am ähnlichsten ist, und wurde deshalb das schöpferische Vermögen genannt und ihr Wirken Schöpfung. Dichter bedeutet Macher. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass zwischen Schöpfer und Dichter die eine unpassierbare Kluft liegt, die – fern sei es von uns zu sagen, trennt – alles, was Gottes ist, von allem unterscheidet, was des Menschen ist; eine Kluft, wimmelnd von unendlichen Offenbarungen, aber eine Kluft, über die kein Mensch hinweggehen kann, um Gott zu finden, obwohl Gott nicht darüber hinweggehen muss, um den Menschen zu finden; die Kluft zwischen dem, der ruft, und dem, was so ins Dasein gerufen wird; zwischen dem, was in seinem eigenen Bilde macht, und dem, was in diesem Bilde gemacht wird. Es ist besser, das Wort Schöpfung für jenes Hervorrufen aus dem Nichts zu bewahren, das die Imagination Gottes ist; außer als gelegentlicher symbolischer Ausdruck, dessen Kühnheit voll anerkannt ist, für die Ähnlichkeit von des Menschen Werk mit dem Werk seines Schöpfers. Die notwendige Unähnlichkeit zwischen dem Schöpfer und dem Geschaffenen birgt in sich die ebenso notwendige Ähnlichkeit des Gemachten mit dem, der es macht, und so des Werkes des Gemachten mit dem Werk des Machenden. Wenn wir daher, während wir uns weigern, das Wort Schöpfung für das Werk des Menschen zu gebrauchen, dennoch das Wort Imagination für das Werk Gottes verwenden, kann von uns keineswegs gesagt werden, wir wagten etwas. Es ist nur, den Namen des menschlichen Vermögens jener Kraft zu geben, nach der und durch die es gestaltet wurde. Die Imagination des Menschen ist nach dem Bilde der Imagination Gottes gemacht. Alles vom Menschen muss zuerst von Gott gewesen sein; und es wird viel zu unserem Verständnis der Imagination und ihrer Funktionen im Menschen beitragen, wenn wir zuerst recht daran gehen, die Imagination Gottes, in der die Imagination des Menschen lebt und sich bewegt und ihr Wesen hat, richtig zu betrachten.

Was der Gedanke im Geiste Gottes ist, ehe er Form annimmt, oder was die Form für ihn ist, ehe er sie äußert; mit einem Wort, was das Bewusstsein Gottes in jedem Fall ist, alles, was wir sagen können, ist, dass unser Bewusstsein unter ähnlichen Bedingungen von ferne seinem ähneln muss. Aber wenn wir dazu kommen, die Handlungen zu betrachten, die den göttlichen Gedanken verkörpern (wenn denn Gedanke und Handlung bei ihm nicht eins und dasselbe sind), dann betreten wir einen Bereich großer Unterschiede. Wir entdecken zum Beispiel sofort, dass, wo ein Mensch eine Maschine, oder ein Bild, oder ein Buch machen würde, Gott den Menschen macht, der das Buch, oder das Bild, oder die Maschine macht. Wollte Gott uns ein Drama geben? Er macht einen Shakespeare. Oder wollte er ein Drama konstruieren, das unmittelbarer sein eigenes ist? Er beginnt mit dem Bau der Bühne selbst, und diese Bühne ist eine Welt – ein Universum von Welten. Er macht die Schauspieler, und sie spielen nicht – sie sind ihre Rolle. Er äußert sie ins Sichtbare, um ihr Leben auszuwirken – sein Drama. Wenn er ein Epos haben will, schickt er einen denkenden Helden in sein Drama, und das Epos ist der Monolog seines Hamlet. Statt seine Lyrik zu schreiben, lässt er seine Vögel und seine Mädchen singen. Alle Prozesse der Zeitalter sind Gottes Wissenschaft; der ganze Fluss der Geschichte ist seine Poesie. Seine Bildhauerei ist nicht in Marmor, sondern in lebendigen und sprachgebenden Formen, die vergehen, nicht um denen Platz zu machen, die nachkommen, sondern um in einem edleren Atelier vollendet zu werden. Was er getan hat, bleibt, obwohl es verschwindet; und er vergisst niemals, was er einmal getan hat, noch tut er es auch nur einmal wieder. Wie die Gedanken im Geist eines Menschen sich bewegen, so bewegen sich die Welten von Männern und Frauen im Geist Gottes, und machen dort keine Verwirrung, denn dort hatten sie ihre Geburt, die Nachkommenschaft seiner Imagination. Der Mensch ist nur ein Gedanke Gottes.

Wenn wir nun das sogenannte schöpferische Vermögen im Menschen betrachten, werden wir finden, dass dieses Vermögen in keinem primären Sinne schöpferisch ist. In der Tat, ein Mensch wird eher gedacht, als dass er denkt, wenn ein neuer Gedanke in seinem Geist entsteht. Er kannte ihn nicht, bis er ihn dort fand, daher konnte er nicht einmal nach ihm geschickt haben. Er schuf ihn nicht, sonst wie könnte er die Überraschung sein, die er war, als er entstand? Er mag in seltenen Fällen zwar vorhersehen, dass etwas kommt, und den Platz für seine Geburt bereitmachen; aber das ist die äußerste Beziehung von Bewusstsein und Willen, die er zum dämmernden Gedanken tragen kann. Dies jedoch beiseite lassend und uns der Verkörperung oder Offenbarung des Gedankens zuwendend, werden wir finden, dass ein Mensch die Formen, durch die er seine Gedanken offenbaren würde, nicht mehr erschafft, als er jene Gedanken selbst erschafft.

Denn was sind die Formen, durch die ein Mensch seine Gedanken offenbaren kann? Sind es nicht jene der Natur? Aber obwohl er in engster Sympathie mit diesen Formen erschaffen ist, sind doch selbst diese Formen nicht in seinem Geist geboren. Was dort entspringt, ist die Wahrnehmung, dass diese oder jene Form bereits ein Ausdruck dieser oder jener Phase von Gedanken oder Gefühl ist. Denn die Welt um ihn herum ist eine äußere Gestaltung des Zustandes seines Geistes; ein unerschöpflicher Vorratsraum von Formen, woraus er Exponenten wählen mag – die kristallenen Krüge, die seinen Gedanken schützen und nicht zerbrochen werden müssen, damit das Licht hervorbreche. Die Bedeutungen sind bereits in jenen Formen, sonst könnten sie kein Gewand der Enthüllung sein. Gott hat die Welt gemacht, damit sie so seinem Geschöpf diene, in diesem Dienst jene Imagination entwickelnd, deren Notwendigkeit sie erfüllt. Der Mensch hat nur die Lampe innerhalb der Form anzuzünden: seine Imagination ist das Licht, sie ist nicht die Form. Sofort macht der leuchtende Gedanke die Form sichtbar und wird selbst durch die Form sichtbar.

Zur Veranschaulichung dessen, was wir meinen, nehmen wir eine Stelle aus dem Dichter Shelley.

In seinem Gedicht Adonais, geschrieben auf den Tod von Keats, stellt er den Tod als Enthüller von Geheimnissen dar und sagt:

„Der Eine bleibt; die Vielen wechseln und vergehn;
Des Himmels Licht scheint ewig; der Erde Schatten fliehn;
Das Leben, gleich ’ner Kuppel von buntgefärbtem Glas,
Befleckt des Ew’gen weißen Strahlenglanz,
Bis ihn der Tod zertrümmert.“

Dies ist sicherlich eine neue Verkörperung, von der her, wer nicht, für den Augenblick wenigstens, ein erhabeneres Gefühl vom Tod gewinnt, stumpf entweder des Herzens oder des Verstandes sein muss. Aber hat Shelley diese Figur geschaffen, oder nur ihre Teile nach der Harmonie von Wahrheiten zusammengesetzt, die bereits in jedem der Teile verkörpert sind? Denn zuerst nimmt er die Erfindungen seiner Mitmenschen, in Glas, in Farbe, in Kuppel: mit diesen stellt er das Leben als endlich wenn auch erhaben dar, und als eine Analyse, wenn auch eine liebliche. Als nächstes stellt er die Ewigkeit als die Kuppel des Himmels über dieser Kuppel aus buntem Glas dar – der Himmel ist stets als das wahre Symbol der Ewigkeit betrachtet worden. Diesen Teil der Figur bereichert er durch die Zuschreibung von Weiße, oder Einheit und Strahlenglanz. Und zuletzt zeigt er uns den Tod als den zerstörenden Enthüller, wandelnd hoch durch die obere Region, dieses Lebensbläschen von Farben zertretend, damit der Mensch darüber hinausschauen und das Wahre, das Ungefärbte, das Allgefärbte erblicken möge.

Aber obwohl die menschliche Imagination keine andere Wahl hat, als sich der bereits für sie vorbereiteten Formen zu bedienen, ist ihr Wirken dasselbe wie das des Göttlichen, indem sie Gedanken in Form bringt. Und wenn sie für den Menschen ist, was die Schöpfung für Gott ist, müssen wir erwarten, sie in jeder Sphäre menschlicher Aktivität wirksam zu finden. Solches ist in der Tat die Tatsache, und das in einem weit größeren Ausmaß, als gemeinhin angenommen wird.

Die Souveränität der Imagination zum Beispiel über die Region der Poesie wird heutzutage zumindest kaum in Frage gestellt werden; aber nicht jeder ist darauf vorbereitet, gesagt zu bekommen, dass die Imagination fast ebenso viel mit der Bildung unserer Sprache zu tun hatte wie mit „Macbeth“ oder dem „Paradise Lost“. Die Hälfte unserer Sprache ist das Werk der Imagination.

Denn wie sollen zwei sich darauf einigen, welchen Namen sie einem Gedanken oder einem Gefühl geben sollen? Wie soll der eine dem anderen das zeigen, was unsichtbar ist? Wahr, er kann den Bau des Geistes im Gesicht enthüllen – jenem ewig wechselnden lebendigen Symbol, das Gott vor den unsichtbaren Geist gehängt hat – aber das ohne Worte reicht nur zum Ausdruck gegenwärtigen Gefühls. Zu versuchen, es allein zur Übermittlung des Intellektuellen oder Historischen zu gebrauchen, würde ständig irreführen; während der Ausdruck des Gefühls selbst missdeutet würde, besonders bezüglich Ursache und Objekt: das stumme Spiel wäre schlimmer als stumm.

Aber lasst einen Menschen eines neuen Beweggrundes in sich gewahr werden. Einsamkeit kommt damit, denn er möchte seinen Geist mit seinem Freund teilen, und er kann es nicht; er ist in Sprachlosigkeit eingeschlossen.

So mag er leben, ein verbannter Mann,
Müde neunmal neun Siebennächte,

oder der erste Moment seiner Verwirrung mag der seiner Befreiung sein. Schmerzerfüllt um sich blickend, erblickt er plötzlich die materielle Form seines immateriellen Zustandes. Da steht sein Gedanke! Gott dachte ihn vor ihm und stellte sein Bild dort hin, bereit für ihn, wenn er es brauchte. Oder, um die Sache prosaische auszudrücken, der Mensch kann nicht lange um sich blicken, ohne irgendeine Form, Aspekt oder Bewegung der Natur, irgendeine Beziehung zwischen ihren Formen oder zwischen solchen und sich selbst wahrzunehmen, die dem Zustand oder der Bewegung in ihm gleicht. Dies ergreift er als das Symbol, als das Gewand oder den Körper seines unsichtbaren Gedankens, stellt es seinem Freund dar, und sein Freund versteht ihn. Jedes so mit einer neuen Bedeutung gebrauchte Wort ist fortan, in seinem neuen Charakter, geboren vom Geist und nicht vom Fleisch, geboren von der Imagination und nicht vom Verstand, und unterliegt fortan neuen Gesetzen des Wachstums und der Modifikation.

„Meinst du“, sagt Carlyle in „Past and Present“, „es gab keine Dichter bis Dan Chaucer? Kein Herz, das vor einem Gedanken brannte, den es nicht halten konnte und für den es kein Wort hatte; und das nötig hatte, ein Wort dafür zu formen und zu prägen – was du eine Metapher, Trope oder dergleichen nennst? Für jedes Wort, das wir haben, gab es solch einen Mann und Dichter. Das kälteste Wort war einmal eine glühende neue Metapher und kühne fragwürdige Originalität. Deine eigene Aufmerksamkeit, bedeutet sie nicht eine attentio, ein Hinstrecken zu? Stell dir jenen Akt des Geistes vor, dessen sich alle bewusst waren, den jedoch noch keiner benannt hatte – als dieser neue Dichter sich zuerst gezwungen und getrieben fühlte, ihn zu benennen. Seine fragwürdige Originalität und neue glühende Metapher erwies sich als annehmbar, verständlich und bleibt bis heute unser Name dafür.“

Alle Wörter also, die zur inneren Welt des Geistes gehören, sind von der Imagination, sind ursprünglich poetische Wörter. Je besser jedoch ein solches Wort für die Bedürfnisse der Menschheit geeignet ist, desto schneller verliert es durch Gemeingebrauch seinen poetischen Aspekt. Es hört auf, als Symbol gehört zu werden, und erscheint nur noch als Zeichen. So verlieren Tausende von Wörtern, die ursprünglich poetische Wörter waren und ihr Dasein der Imagination verdankten, ihre Vitalität und verhärten zu Mumien der Prosa. Nicht nur in der Literatur kommt Poesie zuerst und Prosa danach, sondern Poesie ist die Quelle aller Sprache, die zur inneren Welt gehört, ob sie nun von Leidenschaft oder Metaphysik, von Psychologie oder Streben ist. Keine Poesie kommt durch die Erhebung von Prosa; aber die Hälfte der Prosa kommt durch das „Vermengen zum gewöhnlichen Lehm“ Tausender geflügelter Worte, woraus, wie die lieblichen Muscheln vergangener Zeitalter, gelegentlich eine von einem Sprachliebhaber ausgegraben und gegen das Licht gehalten wird, um das Farbenspiel in ihren vielfachen Schichten zu zeigen.

Denn die Welt ist – erlauben Sie uns die hausbackene Figur – der Mensch nach innen gekehrt. Alles, was sich im Geist bewegt, ist in der Natur symbolisiert. Oder, um eine andere mehr philosophische und sicherlich nicht weniger poetische Figur zu gebrauchen, die Welt ist eine sinnliche Analyse der Menschheit und daher ein unerschöpflicher Kleiderschrank für die Bekleidung menschlichen Gedankens. Nehmt irgendein Wort, das Emotion ausdrückt – nehmt das Wort Emotion selbst – und ihr werdet finden, dass seine ursprüngliche Bedeutung von der äußeren Welt ist. Im Schwanken der Wälder, in der Unruhe der „wogenden Ebene“ sah die Imagination das Bild eines wohlbekannten Zustandes des menschlichen Geistes; und daher das Wort Emotion.

Aber während die Imagination des Menschen somit die göttliche Funktion hat, Gedanken in Form zu bringen, hat sie eine durch und durch menschliche Pflicht, die jener Funktion übergeordnet ist – die Pflicht nämlich, die aus seiner unmittelbaren Beziehung zum Vater entspringt, derjenigen, der göttlichen Imagination, in deren Bild sie gemacht wurde, zu folgen und sie zu ergründen. Um dies zu tun, muss der Mensch ihre Zeichen, ihre Manifestationen beobachten. Er muss betrachten, was die hebräischen Dichter die Werke Seiner Hände nennen.

„Aber diesen zu folgen ist die Aufgabe des Intellekts, nicht der Imagination.“ – Wir werden für den Augenblick jene poetische Interpretation der Werke der Natur außer Frage lassen, mit der der Intellekt fast nichts und die Imagination fast alles zu tun hat. Es ist unnötig, darauf zu bestehen, dass das höhere Wesen einer Blume sogar für seine Aufnahme von der menschlichen Imagination abhängig ist; dass Wissenschaft das Schneeglöckchen in Fetzen reißen mag, aber die Idee des leidenden Hoffens und blassen zuversichtlichen Sich-Fügens, um derentwillen jener Liebling des Frühlings aus dem Himmel, nämlich Gottes Herzen, auf uns seine weiseren und sündigeren Kinder herausschaut, nicht herausfinden kann; denn wenn irgendeine Wahrheit in diesem Bereich der Dinge überhaupt anerkannt wird, wird zur gleichen Zeit anerkannt werden, dass jener Bereich der Imagination gehört. Wir beschränken uns auf jenes Befragen der Werke Gottes, das die Provinz der Wissenschaft genannt wird.

„Wird dann“, fragen wir, „der menschliche Intellekt in leichteren Kontakt mit der göttlichen Imagination kommen als jene menschliche Imagination?“ Das Werk des Höheren muss durch die Suche des Niedrigeren im Grad, der jedoch in der Art ähnlich ist, entdeckt werden. Lasst uns nicht angenommen werden, den Intellekt von einem Anteil an jedem höchsten Amt auszuschließen. Der Mensch ist nicht geteilt, wenn die Manifestationen seines Lebens unterschieden werden. Der Intellekt „ist alles in jedem Teil“. Es gäbe keine Imagination ohne Intellekt, wie sehr es auch scheinen mag, dass Intellekt ohne Imagination existieren kann. Was wir zu behaupten meinen, ist, dass der Intellekt, wenn er die Werke Gottes herausfindet, werkmannsmäßig unter der Leitung des Architekten, der Imagination, arbeiten muss. Hierin auch gehen wir in der Hoffnung voran, zu zeigen, wie viel mehr als gemeinhin angenommen die Imagination mit menschlichem Bemühen zu tun hat; wie großen Anteil sie an der Arbeit hat, die unter der Sonne getan wird.

„Aber wie kann die Imagination etwas mit Wissenschaft zu tun haben? Jene Region zumindest wird von festen Gesetzen regiert.“

„Wahr“, antworten wir. „Aber wie viel wissen wir von diesen Gesetzen? Wie viel von der Wissenschaft gehört bereits zur Region des Festgestellten – mit anderen Worten, wurde vom Intellekt erobert? Wir wollen jetzt nicht Ihren Anspruch auf das Festgestellte vor dem Eindringen der Imagination bestreiten; aber wir beanspruchen für sie alles Unentdeckte, alles Unerforschte.“ „Ah, nun! Dort kann sie wenig Schaden anrichten. Dort lasst sie toben, wenn ihr wollt.“ „Nein“, erwidern wir. „Zügellosigkeit ist nicht, was wir beanspruchen, wenn wir die Pflicht der Imagination behaupten, derjenigen zu folgen und herauszufinden, die Gott macht. Ihre Aufgabe ist es, Gott zu verstehen, ehe sie versucht, den Menschen zu äußern. Wo ist hier Raum für Phantasterei oder Zügellosigkeit? Es ist nur die ungezogene, das heißt, die unkultivierte Imagination, die sich dort amüsieren wird, wo sie anbeten und arbeiten sollte.“

„Aber die Tatsachen der Natur sind nur durch Beobachtung und Experiment zu entdecken.“ Wahr. Aber wie kommt der Mann der Wissenschaft dazu, an seine Experimente zu denken? Reicht Beobachtung bis zum Nicht-Gegenwärtigen, Möglichen, noch Unkonzipierten? Selbst wenn sie Ihnen die Experimente zeigte, die gemacht werden sollten, wird Beobachtung Ihnen die Experimente offenbaren, die gemacht werden könnten? Und wer kann sagen, von welcher Art dasjenige ist, das das Geheimnis des Gesetzes, das Sie suchen, in seinem Schoß trägt? Wir geben Ihnen Ihre Tatsachen. Die Gesetze beanspruchen wir für die prophetische Imagination. „Er hat die Welt ins Herz des Menschen gesetzt“, nicht in seinen Verstand. Und das Herz muss die Tür zum Verstand öffnen. Es ist die weitsichtige Imagination, die erblickt, was eine Form der Dinge sein könnte, und zum Intellekt sagt: „Versuche, ob das nicht die Form dieser Dinge sein könnte“; die eine harmonische Beziehung von Teilen und Operationen erblickt oder erfindet und den Intellekt losschickt, herauszufinden, ob das nicht die harmonische Beziehung von ihnen sei – das heißt, das Gesetz des Phänomens, das sie betrachtet. Ja, die poetischen Beziehungen selbst im Phänomen mögen der Imagination das Gesetz suggerieren, das ihr wissenschaftliches Leben regiert. Ja, mehr als das: Wir wagen es, für die wahre, kindliche, demütige Imagination eine solche innere Einheit mit den Gesetzen des Universums zu beanspruchen, dass sie in sich selbst einen Einblick in die wahre Natur der Dinge besitzt.

Lord Bacon sagt uns, dass eine kluge Frage die Hälfte des Wissens ist. Woher kommt diese kluge Frage? wiederholen wir. Und wir antworten, Von der Imagination. Es ist die Imagination, die andeutet, in welche Richtung die neue Untersuchung zu machen ist – die, sollte sie kein unmittelbares Licht auf die gesuchte Antwort werfen, doch kaum versagen kann, ein Schritt zur endgültigen Entdeckung zu sein. Jedes Experiment hat seinen Ursprung in einer Hypothese; ohne das Gerüst der Hypothese könnte das Haus der Wissenschaft niemals entstehen. Und die Konstruktion irgendeiner Hypothese überhaupt ist das Werk der Imagination. Der Mann, der nicht erfinden kann, wird niemals entdecken. Die Imagination erhascht oft einen Blick auf das Gesetz selbst, lange bevor es als Gesetz festgestellt werden kann oder kann.

Die Region, die zum reinen Intellekt gehört, ist beengt: die Imagination arbeitet daran, ihre Gebiete zu erweitern, ihr Raum zu geben. Sie fegt über die Grenzen, sucht neue Länder aus, in die sie ihren schwerfälligen Bruder führen kann. Die Imagination ist das Licht, das aus der Dunkelheit für die Augen des Verstandes erlöst. Novalis sagt: „Die Imagination ist der Stoff des Intellekts“ – bietet das heißt, das Material, an dem der Intellekt arbeitet. Und Bacon erkennt in seinem „Fortschritt des Lernens“ dieses ihr Amt voll an, das der Voraussicht Gottes darin entspricht, dass sie in die Ferne schaut. Und er sagt: „Imagination ist dem wunderwirkenden Glauben sehr verwandt.“

In der wissenschaftlichen Region ihrer Pflicht, von der wir sprechen, kann die Imagination ihr vollkommenes Werk nicht haben; dies gehört zu einer anderen und höheren Sphäre als der der intellektuellen Wahrheit – jener nämlich der vollkommenen Menschheit, in der sie wirkt und Poesie gebiert – Wahrheit in Schönheit. Aber ihre Funktion in der vollständigen Sphäre unserer Natur wird gleichzeitig ihre begrenztere Operation in den Abschnitten beeinflussen, die zur Wissenschaft gehören. Coleridge sagt, dass niemand außer einem Dichter weitere große Entdeckungen in der Mathematik machen wird; und Bacon sagt, dass „das Staunen“, jenes Vermögen des Geistes, das besonders der kindlichen Imagination anhängt, „der Samen des Wissens“ ist. Der Einfluss des Poetischen auf die wissenschaftliche Imagination ist zum Beispiel besonders gegenwärtig in der Konstruktion eines unsichtbaren Ganzen aus den Andeutungen, die ein sichtbarer Teil bietet; wo die Bedürfnisse des Teils, seine Nutzlosigkeit, seine gebrochenen Beziehungen die einzigen Führer zu einer vielfachen Harmonie, Vollständigkeit und einem Ende sind, das das Ganze ist. Aus einem kleinen Knochen, abgenutzt von Zeitaltern des Todes, älter, als der Mensch denken kann, ruft seine wissenschaftliche Imagination, mit dem Poetischen vermischt, die Form, Größe, Gewohnheiten, Perioden hervor, die zu einem Tier gehören, das nie von menschlichen Augen gesehen wurde, sogar bis zu den vermischten Kontrasten von Schuppen und Flügeln, von Federn und Haaren. Durch die kombinierten Linsen von Wissenschaft und Imagination blicken wir zurück in alte Zeiten, so schrecklich in ihrer Unvollständigkeit, dass es wohl die Aufgabe seraphischen Glaubens, wie auch cherubischer Imagination gewesen sein mag, in den wälzenden Monstrositäten der schreckenschwangeren Erde die vorausschauende, ruhige, jahrtausendealte Arbeit Gottes zu erblicken, der die Welt mit all ihrem demütigen, anmutigen Dienst für seinen ungeborenen Menschen bereitet. Die Imagination des Dichters andererseits, mit der Imagination des Mannes der Wissenschaft vermischt, offenbarte Goethe die Prophezeiung der Blume im Blatt. Keine andere als eine künstlerische Imagination jedoch, erfüllt von Wissenschaft, hätte zur Entdeckung der Tatsache gelangen können, dass das Blatt die unvollkommene Blume ist.

Wenn wir uns jedoch der Geschichte zuwenden, finden wir wahrscheinlich die größte Wirkungssphäre der intellektuell-konstruktiven Imagination. Ihre Gesetze zu entdecken; die Zyklen, in denen Ereignisse zurückkehren, mit den Gründen ihrer Rückkehr, sie trotz Metamorphose zu erkennen; die vitalen Bewegungen dieses geistigen Körpers der Menschheit wahrzunehmen; aus ihren Tatsachen die Regel Gottes zu lernen; aus einer Folge gebrochener Andeutungen ein Ganzes zu konstruieren, das mit der menschlichen Natur übereinstimmt; sich einem Schema der wirkenden Kräfte, der überwältigenden oder aufwühlenden Leidenschaften, der sicher erhebenden Bestrebungen, der erniedrigenden und zerbröckelnden Selbstsucht zu nähern, mit dem vitalen Ineinanderwirken des Ganzen; alles aus der Analogie mit individuellem Leben zu erhellen und aus den vorherrschenden Phasen individuellen Charakters, die als der Geist des Volkes genommen werden – dies ist die Provinz der Imagination. Ohne ihren Einfluss kann kein Prozess der Aufzeichnung von Ereignissen sich zu einer Geschichte entwickeln. So wahrhaft könnte das die Beschreibung eines Vulkans genannt werden, das sich mit einer Darstellung der Formen beschäftigte, die der Rauch annimmt, der aus dem brennenden Busen des Berges ausgestoßen wird. Was Geschichte unter der vollen Herrschaft der Imagination wird, kann in der „Geschichte der Französischen Revolution“ von Thomas Carlyle gesehen werden, zugleich ein wahres Bild, eine philosophische Offenbarung, ein edles Gedicht.

Es gibt eine wunderbare Passage über die Zeit in Shakespeares „Schändung der Lucretia“, die zeigt, wie er Geschichte verstand. Die Passage handelt wirklich von Geschichte und nicht von Zeit; denn die Zeit selbst tut nichts – nicht einmal „löscht alte Bücher und ändert ihren Inhalt“. Es sind die in der Zeit wirkenden Kräfte, die alle Veränderungen hervorbringen; und sie sind Geschichte. Wir zitieren hauptsächlich um einer Zeile willen, aber die ganze Strophe ist relevant.

„Des Zeit Glorie ist, stritt’ge Könige zu stillen,
die Lüge zu entlarven und die Wahrheit ans Licht zu heben,
den Stempel der Zeit auf alterhafte Dinge zu drücken,
den Morgen zu erwecken und die Nacht zu bewachen,
den Unrechthandelnden zu schädigen, bis er das Recht gewährt;
mit deinen Stunden stolze Gebäude zu zerstören
und ihre glänzenden goldenen Türme mit Staub zu beschmieren.“

Den Unrechttuer zu schädigen, bis er Recht tut. Hier ist ein historischer Zyklus, der der Imagination Shakespeares würdig ist, ja, der schöpferischen Imagination unseres Gottes würdig – des Gottes, der den Shakespeare mit der Imagination machte, wie auch die Geschichte aus den Gesetzen entwickelte, denen jene Imagination folgte und die sie herausfand.

Als volles Beispiel würden wir unsere Leser auf Shakespeares historische Stücke verweisen; und, als Seitenillustration, auf die Tatsache, dass er wiederholt seine größten Charaktere, am Punkt des Todes, darstellt, wie sie ihre überladenen Geister durch Prophezeiung entlasten. Solche Prophezeiung ist das Ergebnis des Lichts der Imagination, gereinigt von aller verzerrenden Trübung durch das Verschwinden irdischer Hoffnungen und Begierden, geworfen auf die Tatsachen der Erfahrung. Solche Prophezeiung ist das vollkommene Wirken der historischen Imagination.

In der Interpretation individuellen Lebens gelten dieselben Prinzipien; und nirgends kann die Imagination gesünder und belohnender beschäftigt sein, als darin zu versuchen, das Leben eines Individuums aus den Fragmenten zu konstruieren, die uns von der Geschichte sogar des Edelsten unseres Geschlechts erreichen können. Wie dies auf das Lesen der Evangeliumserzählung anwendbar ist, überlassen wir dem ernsthaften Nachdenken unserer Leser.

Wir gehen nun zu einer weiteren Sphäre über, in der die studierende Imagination in froher Freiheit wirkt – der Sphäre, die verstanden wird, mehr unmittelbar zum Dichter zu gehören.

Wir haben bereits gesagt, dass die Formen der Natur (mit dem Wort Formen meinen wir irgendeine jener Bedingungen der Natur, die die Sinne des Menschen beeinflussen) so viele annähernde Darstellungen der mentalen Bedingungen der Menschheit sind. Das Äußere, gemeinhin das Materielle genannt, ist durch das Innere oder Immaterielle geformt, oder hat Form kraft dessen – mit einem Wort, des Gedankens. Die Formen der Natur sind die Darstellungen menschlichen Gedankens kraft dessen, dass sie die Verkörperung von Gottes Gedanken sind. Als solche können sie daher bis zu jeder Tiefe, seicht oder tiefgründig, gelesen und gebraucht werden. Männer aller Zeitalter und aller Entwicklungen haben in ihnen die Mittel des Ausdrucks entdeckt; und die Männer kommender Zeitalter, vor uns auf jedem Pfad, auf dem wir jetzt streben, müssen ebenfalls solche Mittel in jenen Formen finden, die sich mit ihren sich entfaltenden Notwendigkeiten entfalten. Der Mann also, der, in Harmonie mit der Natur, versucht, mehr von ihren Bedeutungen zu entdecken, sucht gerade die Dinge Gottes aus. Die tiefgründigsten davon sind viel zu einfach, als dass wir sie bisher verstehen könnten. Aber lasst unsere deutende Imagination uns eine abgetrennte Bedeutung eines ihrer Teile offenbaren, und so ist die Harmonie des Ganzen, dass uns von nun an – nicht ohne Mühe – und mit der Zeit das ganze Reich der Natur offensteht. Auf den Mann, der die menschliche Bedeutung des Schneeglöckchens, der Primel oder des Gänseblümchens verstehen kann, wird eines Tages das Leben der Erde, das zur kosmischen Blume eines vollkommenen Moments erblüht, ergreifen, ihn mit ihrer prophetischen Hoffnung besitzen, sein Gewissen mit der Vision der „Ruhe, die noch übrig ist“ aufrütteln und das Streben wecken, in diese Ruhe einzugehen:

„Dein ist die stille Stunde, purpurne Vesper!
Doch solang göttlicher Wunsch oder heilige Hoffnung
meinen Geist durchglüht, kann ich nimmer glauben,
dass diese Pracht ganz und gar von dir sei!
— Aus Welten, die nicht von der Sonne belebt,
wird ein Teil der Gabe gewonnen;
ein Vermischen von Himmelspracht wird ausgebreitet
auf Boden, den britische Hirten betreten!“

Sogar die sorglose Kurve einer gefrorenen Wolke über das Blau wird einige beunruhigte Gedanken beruhigen, mag einige selbstsüchtige Gedanken töten. Und was soll von solchen prächtigen Schauspielen gesagt werden wie den scharlachroten Mohn im grünen Korn, dem Ähnlichsten, das wir zu jenen Lilien des Feldes haben, die zum Erlöser selbst von der Fürsorge Gottes sprachen und seine Augen mit der Herrlichkeit ihres Gott-erfundenen Gewands erfreuten? Von solchen Visionen wie diesen erntet die Imagination die besten Früchte der Erde, um derentwillen all die Wissenschaft, die in ihre Konstruktion involviert ist, die untergeordnete, doch willige und schöne Stütze ist.

Von dem, was wir nun vorgebracht haben, wird es dann nicht erscheinen, dass, im Ganzen, der Name, den unsere normannischen Vorfahren gaben, für den Mann, der sich in diesen Regionen bewegt, passender ist als der Name, den die Griechen gaben? Ist nicht der Dichter, der Macher, ein weniger geeigneter Name für ihn als der Trouvère, der Finder? Zumindest, muss nicht das Vermögen, das findet, dem Vermögen vorausgehen, das äußert?

Aber ist nichts von der Funktion der Imagination von der griechischen Seite der Frage zu sagen? Besitzt sie kein schöpferisches Vermögen? Hat sie keine hervorbringende Kraft?

Sicherlich wäre es eine armselige Beschreibung der Imagination, die das eine Element ausließe, das besonders dem Geist gegenwärtig war, der das Wort Dichter erfand. – Sie kann uns mit neuen Gedankenformen versehen – neu, das heißt, als Offenbarungen von Gedanken. Sie hat keines der Materialien geschaffen, die dazu gehen, diese Formen zu machen. Noch arbeitet sie an rohem Material. Aber sie nimmt bereits existierende Formen und sammelt sie um einen Gedanken, der so viel höher ist als sie, dass sie sie zu einem Ganzen gruppieren, unterordnen und harmonisieren kann, das jenen Gedanken darstellen, enthüllen soll. Die Natur dieses Prozesses werden wir durch eine Untersuchung des bekannten „Bugle Song“ in Tennysons „Prinzessin“ illustrieren.

Zuerst einmal ist da die neue Musik des Liedes, die nicht einmal an die Musik eines anderen erinnert. Der Rhythmus, Reim, Melodie, Harmonie sind alle eine Verkörperung in Klang, unterschieden von Wort, von dem, was so verkörpert werden kann – dem Gefühl des Gedichts, das vorangeht und den Weg für den folgenden Gedanken bereitet – das Herz auf eine empfangende Harmonie einstimmt. Dann kommt die neue Anordnung von Gedanken und Figur, wodurch der enthaltene Sinn präsentiert wird, wie er nie zuvor war. Wir geben eine Art paraphrastische Synopsis des Gedichts, die, teilweise kraft ihrer Unannehmlichkeit, die Liebhaber des Liedes befähigen wird, mit einer Zunahme von Vergnügen zu ihm zurückzukehren.

Die Herrlichkeit des Mittsommer-Mittags auf Berg, See und Ruine. Gebt der Natur eine Stimme für ihre Freude. Blase, Horn.

Die Natur antwortet mit sterbenden Echos, die mitten in ihrer Pracht in eine traurige Stille sinken.

Nicht so mit der menschlichen Natur. Die Echos des Wortes der Wahrheit gewinnen an Volumen und Reichtum von jeder Seele, die es an Bruder- und Schwesterseelen weiterleitet.

Bei Dichtern war es die Mode, die Stabilität und Verjüngung der Natur mit der Vergänglichkeit und nicht zurückkehrenden Vergänglichkeit der Menschheit zu kontrastieren: –

„Doch bald erneuerte Pflanzen und Blumen werden neu die Ebene schmücken;
Der Wald wird die Stimme des Frühlings hören und wieder grün erblühen.
Aber der Mensch verlässt diese irdische Szene, ach! niemals zurückzukehren:
Wird irgendein folgender Frühling die Asche der Urne wiederbeleben?“

Aber unser Dichter rechtfertigt das Ewige in der Menschheit: –

„O Liebe, sie sterben in jenem reichen Himmel,
Sie erlöschen auf Hügel oder Feld oder Fluss:
Unsere Echos rollen von Seele zu Seele,
Und wachsen für immer und ewig.
Blase, Horn, blase, setze die wilden Echos in Flug;
Und antwortet Echos, antwortet, Sterbend, sterbend, sterbend.“

Ist dies nicht eine neue Form für den Gedanken – eine Form, die uns die Wahrheit davon neu fühlen lässt? Und jede neue Verkörperung einer bekannten Wahrheit muss eine neue und weitere Offenbarung sein. Kein Mensch ist fähig, das Ganze einer Wahrheit für sich selbst zu sehen: er braucht, dass sie von jeder Seele im Universum zu ihm zurückgehallt wird; und noch ist ihr Zentrum im Vater der Lichter verborgen. Insofern also, als entweder Form oder Gedanke neu ist, mögen wir den Gebrauch des Wortes Schöpfung zugestehen, modifiziert gemäß unseren vorherigen Definitionen.

Diese Operation der Imagination beim Wählen, Sammeln und vitalen Kombinieren des Materials einer neuen Offenbarung kann gut illustriert werden von einer bestimmten Beschäftigung der poetischen Fähigkeit, an der unsere größten Dichter Gefallen gefunden haben. Wahrnehmend, dass Wahrheit halb verborgen und halb enthüllt in der langsamen Sprache und stammelnden Zunge von Männern ist, die vor ihnen gegangen sind, haben sie die unvollendete Form aufgenommen und vervollständigt; sie haben, sozusagen, die Seele der Bedeutung aus ihrem Gefängnis uninformierter Rohheit gerettet, wo sie wie der Prinz in den „Märchen aus Tausendundeiner Nacht“, halb Mensch, halb Marmor, saß; sie haben sie befreit in ihrer eigenen Form, in einer Gestalt nämlich, die sie „durch jeden Teil beeindrucken“ konnte. Shakespeares scharfes Auge suggerierte viele solcher Rettungen aus dem Grab – einer öde erzählten Geschichte – einer Geschichte, die heute niemand lesen würde außer für die verherrlichte Form, in der er ihren wahren Inhalt neu verkörpert hat. Und von Tennyson können wir ein Exemplar produzieren, klein genug für unseren Gebrauch, das, ein bloßer Splitter von dem großen Marmor, der die alte Legende von Arthurs Tod neu verkörpert, wie die Hand des Achilles, die seinen Speer in dem gedrängten Bild hält,

„Für das Ganze stehen mag, das imaginiert werden soll.“

In der „Geschichte von Prinz Arthur“, als Sir Bedivere zurückkehrt, nachdem er Excalibur das erste Mal versteckt hat, fragt ihn der König, was er gesehen hat, und er antwortet –

„Sir, ich sah nichts als Wellen und Wind.“

Das zweite Mal, auf dieselbe Frage, antwortet er –

„Sir, ich sah nichts als das Wasser schlagen, und die Wellen schwarz werden.“

Diese Antwort hat Tennyson in die bekannten Zeilen ausgedehnt –

„Ich hörte das Rieseln im Schilf waschen,
Und das wilde Wasser an den Klippen plätschern;“

leicht variiert, für die andere Gelegenheit, in –

„Ich hörte das Wasser an den Klippen plätschern,
Und das lange Rieseln im Schilf waschen.“

Aber, was diese Sache der Schöpfung betrifft, frage ich dennoch, gibt es irgendeinen genuinen Sinn, in dem ein Mensch gesagt werden kann, seine eigenen Gedankenformen zu erschaffen? Zugestehend, dass eine neue Kombination bereits existierender Formen Schöpfung genannt werden könnte, ist der Mensch nach alledem der Autor dieser neuen Kombination? Ist er mit seinem Willen und seinem Wissen wissend, bewusst vorgegangen, um eine Form zu konstruieren, die seinen Gedanken verkörpern sollte? Oder entstand diese Form in ihm ohne Willen oder Anstrengung seinerseits – lebendig wenn nicht klar – gewiss wenn nicht umrissen? Ruskin (und eine bessere Autorität kennen wir nicht) wird Letzteres behaupten, und wir denken, er hat recht: obwohl er vielleicht mehr auf die absolute Perfektion der Vision bestehen würde, als wir ganz bereit sind zu tun. Solche Verkörperungen sind nicht das Ergebnis der Absicht des Mannes oder der Operation seines bewussten Wesens. Sein Gefühl ist, dass sie ihm gegeben werden; dass aus dem weiten Unbekannten, wo Zeit und Raum nicht sind, sie plötzlich in leuchtender Schrift an der Wand seines Bewusstseins erscheinen. Kann es dann korrekt sein zu sagen, dass er sie erschaffen hat? Nichts weniger, wie es uns scheint. Aber können wir nicht sagen, dass sie die Schöpfung des unbewussten Teils seines Wesens sind? Ja, vorausgesetzt wir können verstehen, dass das, was das Individuum, der Mensch ist, wissen und nicht wissen kann, dass es weiß, erschaffen und doch unwissend sein kann, dass Kraft von ihm ausgegangen ist. Aus jener unbekannten Region gestehen wir zu, dass sie kommen, aber nicht durch ihr eigenes blindes Wirken. Noch, selbst wenn es so wäre, könnte irgendein Ausmaß solcher Produktion, wo kein Wille betroffen war, mit dem Namen Schöpfung geehrt werden. Aber Gott sitzt in jener Kammer unseres Wesens, in der die Kerze unseres Bewusstseins im Dunkeln ausgeht, und sendet von dort wunderbare Gaben in das Licht jenes Verstandes, der Seine Kerze ist. Unsere Hoffnung liegt in keinem perfektesten Mechanismus selbst des Geistes, sondern in der Weisheit, in der wir leben und uns bewegen und unser Wesen haben. Von dort hoffen wir auf endlose Formen von Schönheit, die von Wahrheit erfüllt sind. Wenn der dunkle Teil unseres eigenen Wesens der Ursprung unserer Imaginationen wäre, möchten wir wohl fürchten vor der Erscheinung solcher Monster, wie sie in der Krankheit eines Verfalls erzeugt würden, der niemals fühlen – nur verkünden – könnte eine langsame Rückkehr zum urzeitlichen Chaos. Aber der Macher ist unser Licht.

Noch ein Wort, ehe wir uns der Betrachtung der Kultur dieses edelsten Vermögens zuwenden, das wir wohl das schöpferische nennen könnten, sähen wir nicht etwas in Gott, für das wir bescheiden unser mächtiges Wort bewahren möchten: – die Tatsache, dass es in einem Kunstwerk – das das höchste menschliche Ergebnis der verkörpernden Imagination ist – immer mehr gibt, als der Produzent selbst wahrnahm, während er es produzierte, scheint uns ein starker Grund, ihm einen größeren Ursprung zuzuschreiben als dem Mann allein – um am Ende zu sagen, dass die Inspiration des Allmächtigen seine Ziele formte.

Wir kehren nun zu der Klasse zurück, die von Anfang an der Imagination und ihren Funktionen allgemein feindlich gesinnt war. Diejenigen, die dazu gehören, werden nun sagen: „Es war keiner Imagination, wie Sie sie dargestellt haben, dass wir entgegengesetzt waren, sondern jenen wilden Phantasien und vagen Träumereien, in denen junge Leute schwelgen, zum Schaden und Verlust des Wirklichen in der Welt um sie herum.“

„Und“, bestehen wir darauf, „Sie würden die Sache dadurch berichtigen, dass Sie das junge Monster sofort ersticken – weil es Flügel hat und, jung in ihrem Gebrauch, sie in einer Weise flattern lässt, die Ihre Nerven beunruhigt und destruktiv für jene Vorstellungen von Anstand ist, deren Existenz dieses Geschöpf – Sie halten nicht an zu fragen, ob Engel oder Pterodaktylus – noch nicht einmal gelernt hat. Oder, wenn es nur die Ausgelassenheiten des Geschöpfs sind, denen Sie missbilligen, warum sprechen Sie von ihnen als der Ausübung der Imagination? Ebenso gut könnte man von Religion als der Mutter der Grausamkeit sprechen, weil Religion mehr Anlass zu Grausamkeit, wie zu aller Unehrlichkeit und Teufelei gegeben hat als irgendein anderer Gegenstand menschlichen Interesses. Sollen wir nicht anbeten, weil unsere Vorfahren für Religion brannten und stachen? Es ist mehr Religion, die wir brauchen. Es ist mehr Imagination, die wir brauchen. Seien Sie versichert, dass dies nur die ersten vitalen Bewegungen dessen sind, dessen Ergebnisse, zumindest in der Region der Wissenschaft, Sie mehr als bereit sind zu akzeptieren.“ Dass Böses aus der Imagination entspringen kann, wie aus allem außer der vollkommenen Liebe Gottes, kann nicht geleugnet werden. Aber unendlich schlimmere Übel wären das Ergebnis ihrer Abwesenheit. Selbstsucht, Habsucht, Sinnlichkeit, Grausamkeit würden zehnfach gedeihen; und die Macht Satans wäre wohl etabliert, ehe einige Kinder begonnen hätten zu wählen. Diejenigen, die das scheinbar gesetzlose Wogen des Geistes, genannt die jugendliche Imagination, unterdrücken wollen, würden alles unterdrücken, was daraus wachsen soll. Sie fürchten den Enthusiasmus, den sie nie fühlten; und anstatt dieses göttliche Ding zu hegen, ihm Raum und Luft für gesundes Wachstum zu geben, würden sie es zerquetschen und einschränken – mit nur einem Ergebnis ihrer siegreichen Bemühungen – Abszess, Fieber und Verderben. Und die verheerenden Konsequenzen würden bald auch im Intellekt erscheinen, den sie anbeten. Tötet das, woraus die rohen Phantasien und wilden Tagträume der Jugend entspringen, und ihr werdet sie niemals über dumpfe Fakten hinausführen – dumpf, weil ihre Beziehungen zueinander und das eine Leben, das in ihnen allen wirkt, unentdeckt bleiben müssen. Wer möchte, dass seine Kinder diese öde Region vermeiden, wird gut tun, keinen Lehrer an sie heranzulassen – nicht einmal der Mathematik – der keine Imagination hat.

„Aber obwohl gute Ergebnisse bei einigen aus der Nachsicht mit der Imagination erscheinen mögen, wie wird es mit den vielen sein?“

Wir antworten, dass das Gegenmittel zu Nachsicht Entwicklung ist, nicht Zurückhaltung, und dass solche die Pflicht des weisen Dieners Dessen ist, der die Imagination gemacht hat.

„Aber werden die meisten Mädchen zum Beispiel zu jenen nützlichen Verwendungen der Imagination aufsteigen? Sind sie nicht eher geneigt, sie im Bauen von Luftschlössern auf Kosten von Häusern auf der Erde zu üben? Und da die Welt so wenig Raum für das Ideale bietet, wird diese Gewohnheit nicht eitle Wünsche und eitle Bedauern erzeugen? Ist es nicht besser, daher, bei dem zu bleiben, was bekannt ist, und das Übrige zu lassen?“

„Ist die Welt so arm?“, fragen wir zurück. Umso weniger Grund also, mit ihr zufrieden zu sein; umso mehr Grund, über sie aufzusteigen in die Region des Wahren, des Ewigen, der Dinge, wie Gott sie denkt. Diese äußere Welt ist nur ein vorübergehendes Gesicht des beharrlich Wahren. Wir werden nicht immer in ihr leben. Wir sind Bewohner eines göttlichen Universums, in dem keine Wünsche vergeblich sind, wenn sie nur groß genug sind. Nicht einmal in dieser Welt erzeugen alle Enttäuschungen nur eitle Bedauern. Und was das Bleiben bei dem, was bekannt ist, und das Lassen des Rests betrifft – wie viele Angelegenheiten dieser Welt sind so klar definiert, so fähig, klar verstanden zu werden, dass sie nicht große Räume der Unsicherheit lassen, deren korrelatives Vermögen genau die Imagination ist? In der Tat muss sie, in den meisten Dingen, nach irgendeiner Mode arbeiten, die Lücken nach irgendeinem möglichen Plan füllen, bevor Handlung überhaupt beginnen kann. In sehr Wahrheit, eine weise Imagination, die die Gegenwart des Geistes Gottes ist, ist der beste Führer, den Mann oder Frau haben können; denn es sind nicht die Dinge, die wir am klarsten sehen, die uns am mächtigsten beeinflussen; undefinierte, doch lebendige Visionen von etwas darüber hinaus, etwas, das kein Auge gesehen noch Ohr gehört hat, haben weit mehr Einfluss als irgendwelche logischen Folgen, wodurch dieselben Dingen dem Intellekt demonstriert werden können. Es ist die Natur der Sache, nicht die Klarheit ihrer Umrisse, die ihre Operation bestimmt. Wir leben durch Glauben und nicht durch Schauen. Legt die Frage unseren Mathematikern vor – nur seid sicher, die Frage erreicht sie – ob sie auf die wohldefinierte Perfektion ihrer Diagramme verzichten würden, oder die dunklen, seltsamen, möglicherweise halb ausgelöschten Charaktere, die in das Gewebe ihres Wesens verwoben sind; ihre Wissenschaft, kurz, oder ihre Poesie; ihre Gewissheiten, oder ihre Hoffnungen; ihr Bewusstsein von Wissen, oder ihr vages Gefühl von dem, was nicht absolut gewusst werden kann: werden sie bei ihrem Handwerk oder bei ihren Inspirationen bleiben, bei ihren Intellekten oder ihren Imaginationen? Wenn sie Ersteres in jeder Alternative sagen, werde ich dennoch bezweifeln, ob die Objekte der Wahl tatsächlich vor ihnen stehen, und mit gleicher Präsentation.

Was gewusst werden kann, muss streng gewusst werden; aber gibt es daher kein Vermögen für jene unendlichen Länder der Unsicherheit, die alle um die Sphäre herum liegen, die aus der Dunkelheit von der flackernden Lampe unseres Wissens ausgehöhlt wurde? Sind sie nicht das natürliche Eigentum der Imagination? dort, für sie, dass sie Raum zum Wachsen haben möge? dort, dass der Mensch lernen möge, großartig zu imaginieren wie Gott, der ihn machte, selbst ihre Geheimnisse entdeckend, kraft dessen, dass er der folgenden und anbetenden Imagination folgt?

Alles, was gesagt wurde, tendiert dann dazu, die Kultur der Imagination zu bekräftigen. Aber das stärkste Argument von allen bleibt noch übrig. Denn, wenn die ganze Macht der Pedanterie sich gegen sie erheben sollte, wird die Imagination dennoch wirken; und wenn nicht zum Guten, dann zum Bösen; wenn nicht für Wahrheit, dann für Falschheit; wenn nicht für Leben, dann für Tod; wobei die böse Alternative aufgrund der unnatürlichen Behandlung, die sie von denen erfahren hat, die sie hätten fördern sollen, wahrscheinlicher wird. Die Kraft, die hätte ausgehen können, um die edelsten Formen der Aktion zu konzipieren, um die Leben der wahrhaftigen, selbstvergessenen zu verwirklichen, wird ausgehen im Bauen luftiger Schlösser ehrgeiziger Eitelkeit, grenzenlosen Reichtums, unverdienter Bewunderung. Die Imagination, die damit beschäftigt sein könnte, zu ersinnen, wie das Zuhause gesegnet gemacht oder dem armen Nachbarn geholfen werden könnte, wird absorbiert sein in der Erfindung des neuen Kleides, oder schlimmer, in der Ausarbeitung der Mittel, es zu beschaffen. Denn, wenn sie nicht mit dem Schönen beschäftigt ist, wird sie vom Angenehmen in Anspruch genommen sein; das, was nicht ausgeht zum Anbeten, wird zu Hause bleiben, um sinnlich zu sein. Kultiviert den bloßen Intellekt, wie ihr mögt, er wird niemals die Leidenschaften reduzieren: die Imagination, die das Ideale in allem sucht, wird sie zu ihrem wahren und edlen Dienst erheben. Sucht nicht, dass eure Söhne und Töchter keine Visionen sehen, keine Träume träumen sollen; sucht, dass sie wahre Visionen sehen, dass sie edle Träume träumen sollen. Solches Ausgehen der Imagination ist eins mit Bestreben und wird mehr tun, um über das Niedrige und Gemeine zu erheben, als alle möglichen Einprägungen von Moralität. Noch kann Religion selbst jemals in ihr eigenes ruhiges Heim aufsteigen, ihr kristallenes Heiligtum, wenn einer ihrer Flügel, einer der beiden, mit denen sie fliegt, so gebrochen oder gelähmt ist.

„Das All ist unendlich weit,
und siegbringende Vernunft, wenn sie sich selbst verherrlicht,
kann nirgends ungehindert schreiten, ohne von neuer Mauer
oder Geheimnisschlund gekreuzt zu werden, den du allein,
imaginative Glaube! überspringen kannst
auf dem Fortgang zur Quelle der Liebe.“

Die Gefahr, die in der Unterdrückung der Imagination liegt, kann gut aus dem Stück „Macbeth“ illustriert werden. Die Imagination des Helden (in ihm ein mächtiges Vermögen), darstellend, wie die Tat anderen erscheinen würde, und so ihre wahre Natur ihm selbst darstellend, war sein großes Hindernis auf dem Weg zum Verbrechen. Noch würde er es geschafft haben, es zu erreichen, hätte er nicht zu seiner Frau um Hilfe gegangen – Zuflucht bei ihr vor seiner lästigen Imagination gesucht. Sie, die weit weniger von dem Vermögen besaß und zerstörerischer mit dem, was sie hatte, umgegangen war, nahm seine Hand und führte ihn zur Tat. Von ihrer Imagination wiederum sucht sie für ihren Teil Zuflucht in Unglauben und Verleugnung, erklärend zu sich selbst und ihrem Mann, dass es keine Realität in ihren Darstellungen gebe; dass es keine Realität in irgendetwas jenseits der gegenwärtigen Wirkung gebe, die es auf den Geist ausübt, auf den es wirkt; dass Intellekt und Mut jeder, selbst einer bösen Notlage gewachsen seien; und dass kein Schaden über die kommen werde, die sich selbst nach ihrem eigenen Willen regieren können. Noch jedoch, ihre Imagination und noch mehr die ihres Mannes als lästig findend, bewirkt sie eine wunderbare Kombination von Materialismus und Idealismus und behauptet, dass Dinge nicht sind, nicht sein können und nicht mehr oder anders sein sollen, als die Leute wählen, sie zu denken. Sie sagt, –

„Diese Taten dürfen nicht gedacht werden
Nach diesen Weisen; so, es wird uns wahnsinnig machen.“
„Die Schlafenden und die Toten
Sind nur wie Bilder.“

Aber sie hatte die Macht ihres Willens überschätzt und die ihrer Imagination unterschätzt. Ihr Wille war das eine Ding in ihr, das schlecht war, ohne Wurzel oder Unterstützung im Universum, während ihre Imagination die Stimme Gottes selbst aus ihrem eigenen unbekannten Wesen war. Die Wahl keines Mannes oder keiner Frau kann lange bestimmen, wie oder was er oder sie über Dinge denken soll. Lady Macbeths Imagination würde nicht über ihre bestimmte Periode hinaus unterdrückt werden – eine Zeit, bestimmt durch Gesetze ihres Wesens, über die sie keine Kontrolle hatte. Sie erhob sich schließlich, wie von den Toten, sie mit all der Schwärze ihres Verbrechens überschattend. Die Frau, die starken Trank trank, damit sie morden konnte, wagte nicht zu schlafen ohne ein Licht neben ihrem Bett; stand auf und ging in der Nacht, ein schlafloser Geist in einem schlafenden Körper, die gefleckte Hand ihrer Träume reibend, die, so oft Wasser sie von der Tat gereinigt hatte, doch in ihren schlafenden Nasenlöchern so roch, dass alle Parfüme Arabiens sie nicht süßen würden. So erhob sich ihre lange niedergehaltene Imagination und nahm Rache, sogar durch jene Sinne, die sie ihrem bösen Willen untergeordnet zu haben gedacht hatte.

Aber all dies ist von der Imagination selbst und daher geeigneter zur Illustration als zum Argument. Kommen wir zu Fakten. – Dr. Pritchard, kürzlich wegen Mordes hingerichtet, hatte keinen Mangel an jener Erfindung, die, sozusagen, der Intellekt der Imagination ist – ihre niedrigste Form. Einer der Geistlichen, die auf seine eigene Bitte hin den Gefangenen besuchten, ging durch unbeschreibliche Schrecken in dem vergeblichen Bemühen, den Mann einfach dazu zu bringen, aufzuhören zu lügen: eine Erfindung nach der anderen folgte den ernsthaftesten Beteuerungen der Wahrheit. Die Wirkung, die der Bericht dieses Geistlichen über seine Erfahrung auf uns hervorbrachte, war ein moralisches Entsetzen, wie wir es nie mit Bezug auf ein menschliches Wesen gefühlt hatten, und entlockte uns den Ausruf: „Der Mann konnte keine Imagination gehabt haben.“ Die Antwort war: „Gar keine.“ Niemals Wahres oder Hohes suchend, sich nur um Erscheinungen und daher um Erfindungen kümmernd, hatte er seine Imagination völlig unentwickelt gelassen, und als sie ihm seinen eigenen inneren Zustand darstellte, hatte er sie unterdrückt, bis sie fast zerstört war, und was von ihr übrig war, war von der Hölle entzündet.

Der Mensch ist „das Dach und die Krone der Dinge.“ Er ist die Welt und mehr. Daher wird der Hauptumfang seiner Imagination, neben Gott, der ihn gemacht hat, die Welt in Bezug auf sein eigenes Leben darin sein. Wird er besser oder schlechter darin tun, wenn diese Imagination, zu feinen Ergebnissen berührt und mit freiem Spielraum, ihm edle Bilder von Beziehung und Pflicht, von möglicher Erhebung des Charakters und erreichbarer Gerechtigkeit des Verhaltens, von Freundschaft und von Liebe vor Augen führt; und, vor allem, von alledem in jenem Leben, das als Ganzes zu verstehen, stets das erhabenste Streben dieses edelsten Vermögens der Menschheit sein muss? Wird eine Frau ein mehr oder weniger beunruhigtes Leben führen, dass die Anblicke und Klänge der Natur durch die Kruste der sich ansammelnden Sorgen brechen und sie an den Frieden der Lilien und das Wohlergehen der Vögel unter dem Himmel erinnern? Oder wird das Leben für sie weniger interessant sein, dass die Leben ihrer Nachbarn, statt wie Schatten an einer Wand vorüberzugehen, eine zusammenhängende Ganzheit annehmen, sich zu Geschichten und Phasen des Lebens formend? Wird sie dadurch nicht mehr lieben und weniger sprechen? Oder wird sie unwahrscheinlicher sein, eine gute Partie zu machen—-? Aber hier halten wir uns in Verwirrung über das Wort gut an und suchen, unsere Gedanken neu zu ordnen. Wenn das, was Mütter unter einer guten Partie meinen, das Bündnis mit einem Mann von Stellung und Mitteln ist – oder lasst sie Intellekt, Manieren und persönliche Vorzüge in dieselbe Waagschale werfen – wenn dies alles ist, dann gestehen wir zu, die Tochter kultivierter Imagination mag nicht lenkbar sein, wird wahrscheinlich stur sein. Wir hoffen, sie wird stur genug sein. Aber wird das Mädchen weniger wahrscheinlich einen Gentleman heiraten, in der großen alten Bedeutung des sechzehnten Jahrhunderts? als es keine Ehrfurchtslosigkeit war, unseren Herrn zu nennen

„Den ersten wahren Gentleman, der je atmete;“

oder in der des vierzehnten? – wenn Chaucer lehrend, „wer würdig ist, gentill genannt zu werden“, so schreibt: –

„Der erste Stock war voller Rechtschaffenheit,
treu in seinem Wort, besonnen, barmherzig und frei,
rein in seinem Geist und liebte den Fleiß,
gegen die Laster der Trägheit in Ehrbarkeit;
und wenn sein Erbe nicht die Tugend liebt, wie er sie liebte,
so ist er nicht edel, mag er auch reich erscheinen –
wenn er auch Mitra, Krone oder Diadem trägt.“

Wird sie weniger wahrscheinlich einen heiraten, der Frauen ehrt, und um ihretwillen, wie auch seiner eigenen, sich selbst ehrt? Oder, um von dem zu sprechen, was viele als die Seite der Mutter der Frage betrachten würden – wird das Mädchen aufgrund einer solchen Kultur ihrer Imagination eher geneigt sein, den weisen, wahrhaftigen, großzügigen reichen Mann abzulehnen und sich in den redenden, gedichtemachenden Narren zu verlieben, weil er arm ist, als ob das eine Tugend wäre, für die er gestrebt hätte? Die höchste Imagination und die demütigste gesunde Vernunft sind immer auf einer Seite.

Denn das Ende der Imagination ist Harmonie. Eine rechte Imagination, als Reflex der Schöpfung, wird mit der göttlichen Ordnung der Dinge als der höchsten Form ihres eigenen Wirkens übereinstimmen; „wird ihr Instrument hier an der Tür“ auf die göttlichen Harmonien innen stimmen; wird allein mit Wachstum zur göttlichen Idee zufrieden sein, die alles einschließt, was schön ist in den unvollkommenen Imaginationen der Menschen; wird wissen, dass jede Abweichung von diesem Wachstum abwärts ist; und wird daher den Mann von ihren erhabensten Darstellungen aussenden, um die gewöhnlichste Pflicht des ermüdendsten Berufs in herzhaftem und hoffnungsvollem Geist zu tun. Dies ist das Werk der rechten Imagination; und diesem Werk wird jede Imagination, im Verhältnis zu der Richtigkeit, die in ihr ist, zustreben. Die Träumereien selbst des Weisen werden ihn stärker für seine Arbeit machen; sein Träumen wie sein Denken wird ihn für vergangenes Versagen bedauern und für zukünftigen Erfolg hoffnungsvoll machen lassen.

Nun zur Kultur der Imagination. Ihre Entwicklung ist eines der Hauptziele der göttlichen Erziehung des Lebens mit all seinen Bemühungen und Erfahrungen. Daher muss das erste und wesentliche Mittel für ihre Kultur eine Ausrichtung unseres Lebens auf Harmonie mit ihrem Ideal im Geiste Gottes sein. Wie der, der willig ist, den Willen des Vaters zu tun, von der Lehre wissen wird, so, zweifeln wir nicht, wird der, der den Willen des Dichters tun wird, das Schöne schauen. Denn alles ist Gottes; und der Mensch, der in Harmonie mit seinem Willen wächst, wächst in Harmonie mit sich selbst; all die verborgenen Herrlichkeiten seines Wesens kommen ans Licht demütigen Bewusstseins; so dass er am Ende eine reine Mikrokosmos sein wird, getreu, nach seiner Weise, die mächtige Makrokosmos widerspiegelnd. Wir glauben daher, dass nichts so viel für den Intellekt oder die Imagination tun wird wie gut zu sein – wir meinen nicht nach irgendeiner Formel oder irgendeinem Glaubensbekenntnis, sondern einfach nach dem Glauben Dessen, der den Willen seines Vaters im Himmel tat.

Aber wenn wir von direkten Mitteln für die Kultur der Imagination sprechen, ist das Ganze in zwei Worte zusammengefasst – Nahrung und Übung. Wenn ihr starke Arme wollt, nehmt tierische Nahrung und rudert. Ernährt eure Imagination mit für sie passender Nahrung und übt sie, nicht in den Verrenkungen des Akrobaten, sondern in den Bewegungen des Gymnasten. Und zuerst für die Nahrung.

Goethe hat uns gesagt, dass der Weg, die ästhetische Fähigkeit zu entwickeln, darin besteht, ständig vor unseren Augen, das heißt, in dem Raum, den wir am häufigsten aufsuchen, ein Werk der bestmöglichen Kunst zu haben. Dies wird uns lehren, das Böse abzulehnen und das Gute zu wählen. Es wird sich in unseren Geist pflanzen und unser Berater werden. Unwillkürlich, unbewusst werden wir mit seiner Perfektion alles vergleichen, was vor uns zum Urteil kommt. Nun, obwohl kein besserer Rat gegeben werden könnte, birgt er eine Gefahr, die der Enge. Und nicht leicht, in Angst vor dieser Gefahr, würde man seinen Tutor wechseln und so Vielfalt der Unterweisung beschaffen. Aber in der Kultur der Imagination sind Bücher, obwohl nicht das einzige, die bereitwilligsten Mittel, die passende Nahrung für sie zu liefern, und hundert Bücher können beschafft werden, wo sogar ein Kunstwerk der richtigen Sorte unerreichbar ist, da solches von einiger Größe sowie von gründlicher Vortrefflichkeit sein muss. Und in Vielfalt allein liegt Sicherheit vor der Gefahr, dass die bequeme Nahrung zum unbequemen Modell wird.

Nehmen wir also an, dass einer, der selbst die Imagination gerecht einschätzt, darauf bedacht ist, ihre Wirkung in seinem Kind zu entwickeln. Kein Zweifel, der beste Anfang, besonders wenn das Kind jung ist, ist eine Bekanntschaft mit der Natur, in der er ermutigt werden soll, vitale Phänomene zu beobachten, Dinge zusammenzusetzen, von dem, was er sieht, auf das zu spekulieren, was er nicht sieht. Aber lasst ernsthafte Sorge getragen werden, dass er über keine Sache weiterhin töricht spreche. Lasst ihn so phantasiereich sein, wie er mag, aber lasst ihn nicht, selbst in seiner Phantasie, gegen den Sinn der Phantasie sündigen; denn Phantasie hat ihre Gesetze so gewiss wie das gewöhnlichste Geschäft des Lebens. Wenn er töricht ist, lasst ihn es wissen und sich schämen.

Aber wo diese Assoziation mit Natur nur gelegentlich möglich ist, muss auf Literatur zurückgegriffen werden. In Büchern haben wir nicht nur Vorrat aller Ergebnisse der Imagination, sondern in ihnen, wie in ihrer Werkstatt, können wir sie vor unseren eigenen Augen verkörpern sehen, in Musik der Sprache, in Wunder der Worte, bis ihr Werk, wie eine goldene Schale, besetzt mit leuchtenden Juwelen und geschmückt von den Händen des geschickten Handwerkers, fertig vor uns steht. In dieser Art also muss das Beste vor den Lernenden gestellt werden, dass er esse und nicht gesättigt werde; denn die feinsten Produkte der Imagination sind die beste Nahrung für die Anfänge jener Imagination. Und der Geist des Lehrers muss zwischen dem Kunstwerk und dem Geist des Schülers vermitteln, sie zusammenbringend in dem vitalen Kontakt der Intelligenz; die Beobachtung lenkend auf die Linien des Ausdrucks, die Punkte der Kraft; und dem Geist helfend, auf dem Ganzen zu ruhen, so dass keine abtrennbaren Schönheiten zur Vernachlässigung des Ziels – das ist die Gestalt oder Form vollständig – führen. Und stets muss er suchen, Vortrefflichkeit eher zu zeigen als darüber zu sprechen, die Sache selbst gebend, dass sie in den Geist wachse, und kein Lob seiner selbst auf die Sache; den Punkt, der der Bemerkung würdig ist, isolierend, eher als viele Bemerkungen über den Punkt zu machen.

Besonders muss er sich bemühen, das geistige Gerüst oder Skelett eines Kunstwerks zu zeigen; jene Hauptideen, auf denen die Gestalt konstruiert ist und um die sich der Rest als dienende Abhängigkeiten gruppieren.

Aber er wird daher nicht über jene intellektuelle Struktur hinweggehen, ohne die die andere nicht manifestiert werden könnte. Er wird den Baumeister nicht vergessen, während er den Architekten bewundert. Während er mit Freude auf der Beziehung des eigentümlichen Bogens zur Bedeutung der ganzen Kathedrale verweilt, wird er es nicht für unnötig halten, die Prinzipien zu erklären, auf denen er konstruiert ist, oder sogar wie diese Prinzipien im tatsächlichen Prozess ausgeführt werden. Noch werden die Maßwerke ihrer Fenster, das Laub ihrer Krebse oder die Verzierung ihrer Gesimse vergessen werden. Jede Schönheit wird ihr Wort haben, nur werden alle Schönheiten der endgültigen Schönheit untergeordnet sein – das heißt, der Einheit des Ganzen.

So tuend, wird er das wahre Amt der Freundschaft verrichten. Er wird seinen Schüler in die Gesellschaft einführen, die er selbst am meisten schätzt, ihn umgebend mit der heiteren Gegenwart der Hochgesinnten, dass diese gute Gesellschaft ihre eigene Art in ihm wirke, der sie häufig aufsucht.

Aber er wird ebenfalls suchen, ihn von solcher Gesellschaft abzuwenden, sei es von Büchern oder von Menschen, die dazu tendieren könnten, seine Ehrfurcht, seine Wahl oder seinen Standard herabzusetzen. Er wird daher unkritisches Lesen und jene schlimmere Verschwendung, die im Überfliegen der Bücher einer Leihbibliothek besteht, entmutigen. Er weiß, dass, wenn ein Buch überhaupt lesenswert ist, es es wert ist, gut gelesen zu werden; und dass, wenn es nicht lesenswert ist, es nur dem versiertesten Leser wert sein kann, überflogen zu werden. Er wird suchen, ihn unterscheiden zu lassen, nicht nur zwischen dem Guten und dem Bösen, sondern zwischen dem Guten und dem Nicht-so-Guten. Und dies nicht um des Schärfens des Intellekts willen, noch weniger des Erzeugens jener Selbstzufriedenheit, die der engste Begleiter der Kritik ist, sondern um des Wählens des besten Weges und der besten Begleiter darauf willen. Ein Geist der Kritik um des Unterscheidens willen nur, oder, weit schlimmer, um der Bereithaltung der eigenen Meinung auf Abruf willen, ist nicht nur allen wahren Denkern abstoßend, sondern ist, in sich selbst, destruktiv allen Denkens. Ein Geist der Kritik um der Wahrheit willen – ein Geist, der nicht aus seiner Kammer bei jedem Lärm aufspringt, sondern wartet, bis seine Anwesenheit gewünscht ist – kann zwar das Haus nicht schmücken, aber es kehren rein. Wäre es genug von solcher weisen Kritik, gäbe es zehnmal das Studium der besten Schriftsteller der Vergangenheit und vielleicht ein Zehntel der Bewunderung für die kurzlebigen Produktionen des Tages. Ein gehäufter Berg fehlgeleiteter Anbetungen würde durch das Studium eines guten Buches ins Meer gefegt werden; und während das, was gut in einem minderwertigen Buch war, immer noch bewundert würde, würde die relative Position des Buches verändert und sein Einfluss verringert.

Von wahrer Gelehrsamkeit sprechend, sagt Lord Bacon: „Sie nimmt weg die eitle Bewunderung von irgendetwas, was die Wurzel aller Schwäche ist.“

Der rechte Lehrer würde seinen Schüler leicht zufriedenzustellen, aber schwer zu befriedigen haben; bereit zu genießen, unbereit zu umarmen; scharf, Schönheit zu entdecken, langsam zu sagen: „Hier will ich wohnen.“

Aber er wird seine Unterweisungen nicht auf die Region der Kunst beschränken. Er wird ihn ermutigen, Geschichte mit einem Auge zu lesen, das gierig ist nach der dämmernden Gestalt der Vergangenheit. Er wird ihm besonders zeigen, dass ein großer Teil der Bibel nur so zu verstehen ist; und dass der beständige und konsequente Weg Gottes, der darin zu entdecken ist, in der Tat der Schlüssel zu aller Geschichte ist.

In der Geschichte von Individuen ebenso wird er versuchen, ihm zu zeigen, wie Zeichen und Zeichen zusammenzusetzen sind, nicht zwar ein Ganzes konstruierend, aber eine wahrscheinliche Andeutung des Ganzen.

Und, wieder, während er ihm den Reflex der Natur in den Dichtern zeigt, wird er sich nicht zufriedengeben, ohne ihn zu Natur selbst zu senden; ihn drängend auf Landausflügen, offene Augen zu halten für die süßen Formungen und Verschmelzungen ihres Wirkens um ihn herum; und auf Stadtspaziergängen, das „göttliche menschliche Antlitz“ zu beobachten.

Noch einmal: er wird ihm den wesentlichen Unterschied zwischen Träumerei und Gedanken zeigen; zwischen Träumen und Imaginieren. Er wird ihn lehren, nicht Phantasie, entweder in sich selbst oder in anderen, für Imagination zu verwechseln, und sich zu hüten, nach Ähnlichkeiten zu jagen, die keine Interpretation mit sich bringen.

Solch eine Ausbildung ist nicht allein geeignet für die mögliche Entwicklung künstlerischer Fähigkeit. Wenige in dieser Welt werden je fähig sein auszudrücken, was sie fühlen. Noch weniger werden fähig sein, es in Formen ihres eigenen auszudrücken. Noch ist es notwendig, dass es viele solche gibt. Aber es ist notwendig, dass alle fühlen. Es ist notwendig, dass alle das Gute verstehen und imaginieren; dass alle beginnen, zumindest, Gott zu folgen und zu ergründen.

„Die Herrlichkeit Gottes ist es, eine Sache zu verbergen, aber die Herrlichkeit des Königs ist es, sie ausfindig zu machen“, sagt Salomo. „Als ob“, bemerkt Bacon zu der Stelle, „gemäß dem unschuldigen Spiel der Kinder, die Göttliche Majestät Vergnügen fände, seine Werke zu verbergen, um sie gefunden zu haben; und als ob Könige keine größere Ehre erlangen könnten als Gottes Spielgefährten in jenem Spiel zu sein.“

Noch ein Zitat aus dem Buch Prediger, darlegend sowohl die Notwendigkeit, unter der wir stehen zu imaginieren, als auch den Trost, dass unser Imaginieren Gottes Machen nicht übertreffen kann.

„Ich habe die Mühe gesehen, die Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich darin zu üben. Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit; auch hat er die Welt in ihr Herz gesetzt, so dass kein Mensch das Werk finden kann, das Gott macht, von Anfang bis Ende.“

So Gottes Spielgefährten in diesem Spiel zu sein, mögen die Kleinen ihre Gänseblümchen sammeln und ihren gemalten Motten folgen; das Kind des Königreichs mag auf die Lilien des Feldes sinnen und Glauben sammeln wie die Vögel unter dem Himmel ihre Nahrung vom blattlosen Weißdorn, gerötet mit den Vorräten, die Gott für sie aufgehoben hat; und der Mann der Wissenschaft

„Mag sitzen und recht buchstabieren
von jedem Stern, den Himmel zeigt,
und jedem Kraut, das Tau er trägt;
bis alte Erfahrung endlich reicht
zu etwas wie prophetischem Zeichen.“

Quelle: George MacDonald, A Dish of Orts, London: Sampson Low, Marston & Co, 1893.

Hier der Text als pdf.

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