Christine Lavant, Als Gott gewahrte: „Als Gott gewahrte, wie so schön geraten / dein holdes Herz in aller Armut war, / warf er noch einmal mit dem Spaten / viel Leid auf dich, damit nach Tag und Jahr / dies Rot noch röter auferblühe.“

Als Gott gewahrte

Als Gott gewahrte, wie so schön geraten
dein holdes Herz in aller Armut war,
warf er noch einmal mit dem Spaten
viel Leid auf dich, damit nach Tag und Jahr
dies Rot noch röter auferblühe.

Er ließ viel Tränen auf die Wurzeln fallen,
Schneesturm und Schauer deckten oft dich zu,
auch Vögel übten ihre Krallen
an deinen Keimen, doch die stille Ruh
bestand auch sie und ihre böse Mühe.

Und dann nach allen ausgemessnen Stunden
durchbrachst du herrlich Steine, Lehm und Sand,
da haben Engel dich gefunden
ganz hell und hoch schon an des Himmels Rand
als Lieblingsblume einer Herrgottsfrühe.

Christine Lavant

Quelle: Christine Lavant, Werke in vier Bänden, Band 3: Gedichte aus dem Nachlass, herausgegeben von Klaus Amann und Doris Moser, Göttingen: Wallstein Verlag, 2017.

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