Ernst Toller, Unser Weg (1920): „Wir haben andern Weg zu Gott gefunden, / Uns sind nicht stammelndes Gebet die Stunden, / Das Reich des Friedens wollen wir zur Erde tragen, / Den Unterdrückten aller Länder Freiheit bringen / Wir müssen um das Sakrament der Erde ringen.“

Nachdem Ernst Toller nach Niederschlagung der Münchner Räterepublik im Juni 1919 verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und einen Monat später zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt worden war, schrieb er 1920 im Festungsgefängnis Niederschönenfeld – einem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster – unter anderem folgendes Gedicht:

Unser Weg

Die Klöster sind verdorrt und haben ihren Sinn verloren,
Sirenen der Fabriken überschrillten Vesperklang,
Und der Millionen trotziger Befreiungssang
Verstummt nicht mehr vor klösterlichen Toren.
Wo sind die Mönche, die den Pochenden zur Antwort geben:
«Erlösung ist Askese weltenferner Stille …« –
Ein Hungerschrei, ein diamantner Wille
Wird an die Tore branden: «Gebt uns Leben!«
Wir foltern nicht die Leiber auf gezähnten Schragen,
Wir haben andern Weg zu Gott gefunden,
Uns sind nicht stammelndes Gebet die Stunden,
Das Reich des Friedens wollen wir zur Erde tragen,
Den Unterdrückten aller Länder Freiheit bringen
Wir müssen um das Sakrament der Erde ringen.

Ernst Toller.
Niederschönenfeld, 13. 11. 20.

Quelle: Ernst Toller, Briefe 1915 – 1939, Band 1, Wallstein-Verlag, 2018, S. 123.

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