Dreimal eins gleich eins? Drei und doch einer: Der dreieinige Gott
Von Ernstpeter Maurer
Kennen Sie Tick, Trick und Track? Vermutlich sind Ihnen die drei jugendlichen Enten schon begegnet. Sie sehen gleich aus — mit Ausnahme der Farben ihrer Baseballmützen. Es sind eineiige Drillinge und die Neffen von Donald Duck aus Entenhausen. Mit diesen drei quakenden Bengeln kann ich besonders gut zeigen, wie Sie sich die Lehre vom Dreieinigen Gott nicht vorstellen sollten. Auch wenn die drei sich in allen wichtigen Zügen gänzlich gleichen, sind es eben doch drei Enten. Immerhin sind sie einander engstens verbunden, denn es sind eineiige Drillinge, und so teilen sie sich oft einen Satz auf Sie denken zugleich dasselbe. So weit entfernt sind Tick, Trick und Track dann wohl doch nicht von der Dreieinigkeitslehre? Sie sind auf jeden Fall hilfreich. Als im vierten Jahrhundert die christliche Gotteslehre präzise gefasst wurde, mussten philosophische Fragen geklärt werden. Wenn es um Philosophie geht, dann sind Enten gut geeignet, Drillinge vor allem. Alle Enten haben alle wichtigen Eigenschaften gemeinsam: Was macht eine Ente zur Ente? Sie ist ein Wasservogel mit kurzem Hals (also kein Schwan) und kleiner als eine Gans. Vielleicht gibt es noch mehr Eigenschaften, die eine Ente zur Ente machen. Und dann stoßen wir auf viele Arten von Enten, wir entdecken im Gemeinsamen auch wieder Unterschiede, bis wir zu jenen weißen Enten kommen, die Entenhausen bevölkern. Das ist die Familie Duck.
Was eine weiße Ente zur weißen Ente macht, sind genetische Eigenschaften, die alle weißen Enten gemeinsam haben. Das ist eine philosophische Einsicht. Wenn wir fragen, was eine weiße Ente eigentlich ist, geht es um das Wesen der weißen Ente. Wenn wir wissen, was die wesentlichen Merkmale sind, können wir davon die unwesentlichen Merkmale unterscheiden. Dass Tick, Trick und Track unterschiedliche Mützen tragen, ist eher zufällig. Es gehört nicht zu ihrem Wesen. Aber nur daran kann ich sie unterscheiden. Die wesentlichen Eigenschaften haben ja alle weißen Enten gemeinsam. Tick, Trick und Track sind wesensgleich und nur an ihren Mützen erkennen. Wenn es nun im Glaubensbekenntnis von Konstantinopel heißt, der Sohn sei wesensgleich mit dem Vater — so wäre es ein gotteslästerlicher Blödsinn, an Tick und Trick zu denken. Aber das ist eben die Gefahr der christlichen Gotteslehre, wenn wir von drei Personen sprechen, die untereinander wesensgleich sind. So kann es wohl kaum gemeint sein. Das Missverständnis lässt sich beseitigen, indem wir einfach von Gott, Jesus und dem Heiligen Geist sprechen, Jesus nicht wirklich als Gott betrachten und den Geist eilig mit der Kirche verbinden. Aber dann wird es ganz falsch, denn diese verbreitete Ansicht gibt genau das preis, was den christlichen Glauben ausmacht.
Dreieinigkeit
Die Lehre vom Dreieinigen Gott sagt in der Tat: Der Sohn ist dem Vater wesensgleich, es sind zwei Personen. Wir müssen aber genau hinsehen: Gottes Wesen ist nicht vergleichbar mit dem Wesen einer Ente, die göttlichen Personen sind nicht vergleichbar mit den Einzelwesen, die uns in Entenhausen begegnen. Der letzte Satz klingt lächerlich — wer hätte je Gott mit einer Ente verglichen? Aber die Kritik an der Lehre vom Dreieinigen Gott macht immer wieder genau diesen Fehler: Sie vergisst, dass die Wörter in der christlichen Gotteslehre nicht mehr dasselbe bedeuten wie in der Philosophie, ob in Athen oder in Entenhausen. Die christliche Gotteslehre kann überhaupt nicht wagen, Gott zu beschreiben. Sie kann nur etwas genauer umschreiben, wie in der Bibel von Gott geredet wird. Das ist hilfreich, weil auch wir heute von Gott reden, zu Gott beten, Gott loben wollen. Die christliche Gotteslehre ist die Lehre von der göttlichen Dreieinigkeit, denn das »typisch christliche« Reden von Gott führt ganz von allein auf Unterschiede in Gott:
- Der eine Gott ist lebendig. Gott ist immer in Bewegung.
- Gottes Leben hat keinen anderen Ursprung als wieder Gott selbst.
- Das göttliche Leben ist spannend, weil Gott als Ursprung und Gott als lebendige Bewegung in einer glanzvollen Beziehung stehen.
Diese vorläufige Skizze zeigt, dass wir von Gott nur in drei Dimensionen reden können, sodass »drei« und »eins« nicht im Widerspruch stehen. Die göttliche Einheit darf nicht eindimensional zur Sprache kommen. Die Einheit Gottes ist lebendiger und vor allem schöner als unsere abstrakten Vorstellungen von Einheit.
Drei Personen
Nun geht es aber um mehr als bloß um drei Dimensionen. Art. 1 des Augsburger Bekenntnisses spricht von Personen. Und auch das altkirchliche Glaubensbekenntnis von Konstantinopel aus dem Jahre 381 nennt den Gottessohn »Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott«. Vor allem: Die biblischen Texte unterscheiden zwischen Gott, der Israel erwählt und Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, und Jesus Christus selbst, in dessen menschlicher Biographie sich das Gotteswort in die Welt hinein entäußert hat (Philipper 2,7), der schließlich zum Siegelabdruck des göttlichen Wesens erhöht wird (Hebräer 1,3a). Gott geht aus Gott hervor, das göttliche L.eben unterscheidet sich vom göttlichen Ursprung, von der Tiefe Gottes — die Bewegung wird aber dramatisch zugespitzt. Das zeigt sich in den neutestamentlichen Mustern für die Beziehung Jesu Christi zu Gott. Es sind wirklich mehrere Muster: Die einen stellen sich einen Gottessohn vor, der in die Welt gesandt wird, die anderen denken von der Geschichte Israels her an einen Nachkommen Davids, der in der Taufe oder in der Auferstehung zum Sohn Gottes erhöht wird.
Die neutestamentlichen »Muster«
Die neutestamentlichen Muster sind in einer Hinsicht vergleichbar: Es geht um Geschichte — es geht um den Einbruch Gottes in die menschliche Geschichte, die somit zur Geschichte Gottes mit den menschlichen Geschöpfen wird, zuerst in der Geschichte Israels, dann endgültig in der Geschichte Jesu Christi, und schließlich auch in unserer Geschichte. Das gehört zum göttlichen Wesen, jedenfalls wenn wir es biblisch, nicht philosophisch beschreiben. Gott ist lebendig und spannend. Daher ist Gottes Ewigkeit keine zeitlose Langeweile und schon gar keine noch langweiligere endlose Dauer. Wir können Gott nicht verbieten, in die menschliche Geschichte einzugreifen. Dieser Eingriff gehört zum göttlichen Wesen. Die charakteristischen Züge Gottes werden sichtbar — schon in der Geschichte Israels, und besonders deutlich, nicht überbietbar im Geschick Jesu Christi. Daher nennt der Hebräerbrief Jesus Christus den Siegelabdruck des göttlichen Wesens — »Abdruck« ist die wörtliche Übersetzung von »Charakter«. Demnach hätte im Geschick einer menschlichen Person Gott selbst nicht nur Spuren hinterlassen, sondern einen endgültigen Eindruck. Gott hat hier sein wahres Gesicht gezeigt. Das ist das Geheimnis der einen Person: Jesus Christus.
Nun sind die neutestamentlichen Muster auch darin vergleichbar, dass sie eine Geschichte erzählen, die zu unseren Erwartungen des göttlichen Handelns nicht passen will. Gott ist unbegreiflich und unsichtbar, vor allem: allmächtig. Je dichter wir das göttliche Handeln aber mit der Christus-Geschichte Zusammenhalten, desto deutlicher tritt auch hervor, dass der allmächtige Gott auch ein leidenschaftlicher und sogar ein leidensfähiger Gott ist. Dabei wird das Geheimnis Gottes nicht kleiner, es ändert aber seinen Charakter. Gott wird nicht etwa begreiflich, indem Gott uns nahe kommt, Gott wird in der Christus-Geschichte in aufdringlicher Weise unbegreiflich, nicht mehr als harmlos-jenseitige Größe, die wir eben nicht begreifen können und die uns auch nichts angeht, vielmehr begegnet uns Gott und lässt uns nicht in Ruhe.
Dass Gott sich in der Person Jesu Christi ans Kreuz schlagen lässt, ist nicht zu überbieten: Die menschliche Gottesferne und die Verborgenheit Gottes kommen an ihren Höhe- oder besser: Tiefpunkt. Dass diese Situation sich mitten in der menschlichen Geschichte ereignet, verringert die Finsternis nicht. So kann der Kolosserbrief sagen: Jesus Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (Kolosser 1,15). Der unsichtbare Gott wird anschaulich. Das ist natürlich eine auf den ersten Blick paradoxe Formulierung. Indem Gott in Jesus Christus sein wahres, liebevolles Gesicht zeigt, verändert sich auch der Charakter des allmächtigen Gottes, ohne dass die Allmacht verkleinert würde. Das werden wir noch genauer bedenken müssen.
Was heißt »wesensgleich«!
Das Konzil von Nicäa im Jahre 325 formuliert bereits den entscheidenden — und erst 381 in seiner ganzen Tragweite verstandenen — Begriff »wesensgleich«. Der Sohn ist in Ewigkeit geboren aus dem Vater, gezeugt, nicht geschaffen. Der Hervorgang des Sohnes gehört zum Wesen Gottes. Aber dabei ändert sich die Bedeutung von »Wesen« gründlich: Das Wesen einer Sache finden wir in der Regel heraus, indem wir vergleichen: Was allen Enten gemeinsam ist, sind bestimmte Eigenschaften, die sich als wesentlich erweisen und in eine Definition zusammengefasst werden können. Das ist das Wesen der Ente, wie es dann in jeder einzelnen Ente auf jeweils einzigartige Weise verwirklicht ist.
Es ist also zu unterscheiden zwischen dem allgemeinen Wesen und dem Einzelwesen. Was allerdings für Enten einigermaßen einleuchtet, stößt bei Gott sogleich auf Schwierigkeiten: Wie sollen wir hier vergleichen? Es ist nur Ein Gott. Wie sollen wir Gott definieren — wenn »definieren« auch »abgrenzen« bedeutet?
Die gebräuchlichen Wörter, mit denen wir wesentliche Eigenschaften Gottes umreißen, sind denn auch recht abstrakt, denn sie vergleichen Gott mit der Welt oder grenzen Gott von der Welt ab. Sie gehen von innerweltlichen Grunderfahrungen aus und suchen Gottes Wirklichkeit durch Verneinung oder Übersteigerung zu treffen. Dann ist »Ewigkeit« nur ein abstrakter Gegensatz zu »Zeit«. Wenn aber die Bewegung nach außen für Gott wesentlich ist, dann vergleichen wir Gott nur mit Gott. Dann gehört die Spannung zwischen dem Angesicht Jesu Christi und dem abgründigen Geheimnis Gottes eben zum göttlichen Wesen. Dann müssen wir die allgemeinen Begriffe für das göttliche Wesen stets von dieser Spannung her lesen.
Wir müssen sie erzählen — genau wie es die biblischen Texte auch tun. Es ist dann auch gar nicht erstaunlich, dass es im Neuen Testament viele Muster für die Beziehung zwischen dem Gottessohn und dem himmlischen Vater gibt.
In Ewigkeit Gott
Die allgemeinen Begriffe, mit denen das Wesen Gottes umrissen werden soll, ändern ihren Charakter, sobald wir biblisch von Gott reden. Jesus Christus gehört »in Ewigkeit« zum Wesen Gottes. Die Bibel behauptet zunächst nur, dass Gott sich gebunden hat-, an die Geschichte Israels und an die besondere Geschichte Jesu Christi innerhalb dieser Geschichte, sodass wir nun das göttliche Wesen in unserer gleichfalls geschichtlichen Erfahrung nicht mehr an Jesus Christus vorbei aussprechen können.
Das Glaubensbekenntnis behauptet auf den ersten Blick mehr: Der Sohn ist nicht geschaffen, sondern geht immer schon aus dem Vater hervor. So ist die göttliche Ewigkeit immer lebendig, »Ewigkeit« ist nicht mehr in erster Linie ein zeitlicher Begriff oder nur der Gegenbegriff zu »Zeit«, sondern unterstreicht, dass das göttliche Leben die Schöpfung umgreift und vor allem: durchgreift. Das steckt aber auch in Hebräer 1,3a: Wenn Gott in Jesus Christus den endgültigen Siegelabdruck hinterlässt, dann kann Gott immer schon und auch »vor der Schöpfung« aus sich selbst heraustreten, sich äußern, sogar sich entäußern. Das gehört zum göttlichen Wesen. Sonst wäre die »Selbstverwirklichung« Gottes ein »Zuwachs« zum göttlichen Wesen. Gott müsste sich gleichsam in der Geschichte noch entwickeln. Aber die Bekenntnisformulierung aus dem Hebräerbrief redet nicht von einem noch nicht vollendeten, sondern von einem sehr wohl in sich glanzvollen Wesen und dem Abdruck dieses Wesens, das sich nicht mehr »entwickeln« muss. Natürlich können wir uns eine ewige Bewegung in Gott nicht »vorstellen« und sollen das auch nicht, noch weniger eine ewige Zeugung oder Geburt aus dem Vater. Aber wenn wir Gott loben, dann dürfen wir diese Bewegung mitvollziehen, denn anders kann der Glanz nicht zur Sprache kommen, der zum Wesen Gottes gehört.
In Einheit Gott
Die göttliche Ewigkeit kann unsere geschichtliche Zeit umgreifen und durchgreifen, und so werden unsere abstrakten und oft allzumenschlichen, letztlich dann gar götzendienerischen Vorstellungen in Bewegung versetzt. Das gilt auch für die anderen Vokabeln, die in Art. 1 des Augsburger Bekenntnisses dem göttlichen Wesen zugeordnet werden. Gott ist unkörperlich — natürlich! Aber wir vertrauen auf die wirkliche Gegenwart Jesu Christi beim Abendmahl. Der Glaube schließt konkrete — also auch räumlich begrenzte — Begegnungen mit Gott nicht aus und in solchen Begegnungen wird Gott gerade nicht eingegrenzt, bleibt vielmehr verborgen. Nur ist »verborgen« nicht dasselbe wie »raumlos«. Indem das Geheimnis Gottes auf uns zukommt, verändert sich das Geheimnis, ohne dabei zu verschwinden. Es wird kraftvoll, setzt menschliche Erfahrung in Bewegung, lässt menschliche Personen nicht mehr los, ergreift also auch unser leibliches Leben, nicht zuletzt unser Reden. Gott ist unteilbar — allerdings! —, denn die göttlichen Personen treten auseinander, vielleicht bis zum Zerreißen gespannt, aber doch gerade in dieser äußersten Spannung streng aufeinander bezogen. Die Freiheit Gottes und die Liebe Gottes werden jeweils durch die Spannung zum andern »Pol« intensiver. So ist das göttliche Wesen nicht im abstrakten Sinne unteilbar wie ein mathematischer Punkt oder (schlimmer noch) wie die fixe Idee vom »Ich« oder (noch kruder) die überholte Vorstellung vom »Atom« (wörtlich: »unteilbar«), Gottes Wesen muss positiv gefasst werden als Einheit voller Überraschungen.
Trinitätslehre als Erzählung
Vom Christusgeschehen her geraten also die abstrakten Begriffe, mit denen das Wesen Gottes umrissen werden soll, in Bewegung. Die Wesensbestimmungen müssen erzählt werden und verändern dabei unsere Sprache und unser Denken. Sie werden aber nicht einfach aufgelöst, denn wir kommen stets an einen Punkt höchster Verdichtung und höchster Tiefe, wenn die Erzählung von Gottes Handeln auf den entscheidenden Wendepunkt von Kreuz und Auferweckung zuläuft. Wie kommen wir aber zur dritten Person? Wie lässt sich der Heilige Geist als Person einsichtig machen? Im Grunde haben wir damit bereits angefangen, indem wir von Gott geredet haben in der Spannung zwischen Vater und Sohn, zwischen Gottes Geheimnis und Gottes Zuwendung. Nach neutestamentlichem Zeugnis ist es der Geist, der uns überhaupt erst das Christusbekenntnis möglich macht (1. Korinther 12,3), der uns in die Tiefen Gottes einführt (1. Korinther 2,10-12). Der Gottesgeist als Person — das wird demnach anschaulich zunächst in uns, die wir als menschliche Personen nicht mehr nur durch unseren menschlichen Geist, unsere Vernunft, unsere Gefühle zu unverwechselbaren Individuen werden, sondern durch unsere gemeinsame Geschichte als Glieder am Leib Christi und unser gemeinsames Reden von Gott. Das ist eine durchaus geheimnisvolle Erfahrung — ich werde eine unverwechselbare Person durch andere menschliche Personen, durch meine Beziehung zu diesen Personen, für die umgekehrt dasselbe gilt, alle zusammen aber sind wir bezogen auf die Geschichte Jesu Christi. In dieser Geschichte spielt Gottes Geist eine höchst kreative Rolle, denn durch den Geist hat Gott der Vater den Gekreuzigten von den Toten auferweckt und wird auch uns lebendig machen (Römer 8,11), und es ist Gottes Geist, der in uns betet (Römer 8,14-16). Wenn die Gemeinde als Leib Christi bezeichnet wird, dann bedeutet das: In der Gemeinschaft der Schwestern und Brüder begegnet Jesus Christus — der Gekreuzigte, von den Toten auferweckt — der Welt auf neue Weise, nicht weniger charakteristisch und greifbar, aber nicht einfach begreiflich.
Gottes Wesen als Fülle, Reichtum und Glanz
Dass Gottes Geist uns zu neuen Personen macht, ist ein Hinweis auf die schöpferische Macht Gottes. Können wir aber wirklich von einer dritten Person Gottes sprechen? Wenn wir im Geist beten und durch den Heiligen Geist neu geschaffen werden — wie tritt Gottes Geist uns gegenüber, dass wir auch den Heiligen Geist zusammen mit dem Vater und dem Sohn anbeten?
Das ist vielleicht gar kein so schwieriger Übergang: Das Reden von Gott wird spannend, weil wir Gottes Wesen nun einerseits noch weniger begreifen als zuvor, andererseits von diesem unbegreiflichen Wesen berührt und fasziniert sind, dass uns der Mund übergeht. In der Überfülle von Geschichten, in denen biblisch von Gott erzählt wird, aber auch im Überschwang der Hymnen, die im Alten und im Neuen Testament zu finden sind, treten die Züge des göttlichen Wesens auf eine neue Weise hervor: Gottes Wesen als Fülle, Reichtum und Glanz. Was üblicherweise mit »Herrlichkeit« übersetzt wird, ist biblisch ein feuriges und zugleich eindrucksvolles Gegenüber und keineswegs nur ein »Phänomen«, keine Halluzination, sondern das göttliche Wesen selbst.
Der dreifache Charakter von Gottes Wesen
Wir nähern uns jetzt einer übersichtlichen Fassung der Lehre vom dreieinigen Gott, vom einen Wesen Gottes in drei Personen: Die Einheit des göttlichen Wesens tritt dreifach hervor, und zwar in jeweils charakteristischer Weise. Ein Wesen mit charakteristischen Zügen ist eine Person. Gottes Wesen kann auf dreifache Weise charakterisiert werden: (a) Gott geht über sich selbst hinaus und bleibt dabei in Ewigkeit der eigene Anfang und die schöpferische Quelle. So nähern wir uns der ersten trinitarischen Person, dem Vater. Wir reden von einer einheitlichen Bewegung in Gott. Es gibt (b) einen zweiten Zugang zur Einheit Gottes: die Zusammenfassung des göttlichen Handelns in eine Gestalt, in ein Gesicht, wie es uns in Jesus Christus als Du, als menschgewordener Sohn Gottes entgegentritt. Drittens kann die Einheit Gottes beschrieben werden (c) als Gegensätze versöhnende Einheit, als glanzvoller Reichtum, als geistreiche und daher spannende Einheit.
In jeder der drei Personen ist Gottes Wesen ganz zu fassen — und in jeder der drei Personen wieder auf jeweils eigene Weise auf die beiden andern bezogen. Die Personen unterscheiden sich nicht so, dass sie dreifach das eine göttliche Wesen verwirklichen. Dann müssten wir von drei Göttern sprechen, so wie drei Enten dreimal anders das Wesen einer Ente verwirklichen und zu selbstständigen Einzelwesen werden. Das göttliche Wesen wäre die Summe wesentlicher Eigenschaften, die alle drei Personen gemeinsam haben und in je unterschiedlicher Ausprägung aufweisen. Nun hat es sich gezeigt, dass die wesentlichen göttlichen Eigenschaften gerade nicht abgesehen von der Beziehung der Personen zur Sprache zu bringen sind. Das Wesen Gottes liegt also »zwischen« den Personen, weil Gott wesentlich lebendig und daher in Bewegung ist. Daher sind die drei Personen eben keine drei Götter — und jeweils nur in Beziehung zu den beiden andern zu fassen, sodass dreimal anders die göttliche Einheit hervortritt. Dabei sind die drei Personen der göttlichen Einheit nicht einfach gleichgeordnet wie in einem gleichseitigen Dreieck. Die drei Umschreibungen der göttlichen Einheit — als schöpferische Quelle, als Gesicht, als spannender und glanzvoller Reichtum – stehen nicht nebeneinander, sondern ergeben sich in einer klaren Anordnung, ohne dass damit irgendeine Abstufung oder Hierarchie gemeint wäre. Gottes Leben umspannt auch die größten Gegensätze. Gottes Geist kann sie versöhnen, weil er die Tiefen Gottes durchforscht (1. Korinther 2,10f.). Was aber kann tiefer sein als die Leidenschaft und Leidensfähigkeit Gottes? So ist es einleuchtend, wenn die abendländische Trinitätslehre den Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgehen lässt.
Gebet und Lobpreis
Wir dürfen das Geheimnis Gottes in Gebet und Lobpreis zur Sprache bringen, aber wir werden dabei kaum in Versuchung geraten, unsere Worte mit einer Abbildung des göttlichen Wesens zu verwechseln. Das Geheimnis bleibt — aber wir werden mit unserer menschlichen Gotteserfahrung in dieses Geheimnis hineingerissen. Doch werden wir mit der Fülle Gottes nicht fertig, unser Gotteslob im Geist findet kein Ende (c). Die Tiefe Gottes ist nicht auszuloten, wir verlieren den Boden unter den Füßen, wenn wir von Gott reden. Von welchem »Standpunkt« aus sollten wir auch unser Gottesverhältnis überschauen (a)? Aber in der Tiefe der göttlichen Leidenschaft erreicht die Konfrontation Gottes mit der gottfeindlichen menschlichen Kreatur ihre letzte Zuspitzung, einen festen Grund, über den wir allerdings nicht verfügen (b). So ist dreifach gesorgt für das göttliche Geheimnis — wir brauchen uns nicht zu fürchten, mit Gott zu verschmelzen.
Ernstpeter Maurer (Hg.), Der lebendige Gott. Texte zur Trinitätslehre, Gütersloh 1999; Eberhard Jüngel, Gottes Sein ist im Werden, Tübingen 21967; ders., Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 61992, 514-543.
Quelle: Klaus Grünwaldt (Hg.), Konfession: Evangelisch-lutherisch, Rheinbach: CMZ, 2004, S. 47-57.