J. Neville Ward über Jean-Pierre de Caussade, L’Abandon à la Providence Divine: „Zugleich lehrte er aber auch, dass der Christ auf dem Weg zur Vollkommenheit entdecken werde, dass Enttäuschungen – ja alles, was das natürliche Selbst frustriert – Gelegenheiten zur besonderen Gnadenerfahrung von Gott sind. Solche Erfahrungen, die wie Zeichen von Gottes Abwesenheit erscheinen, werden im Glauben durchlebt zu überaus überzeugenden Beweisen seiner Gegenwart. Sie sind zugleich die wirksamsten Übungen in Loslösung und in der Läuterung unserer Liebe zu Gott – weg von der Liebe zu seinen Gaben hin zur Liebe zu Gott selbst.“

Abandonment (Hingabe, Selbsthingabe)

Von J. Neville Ward

Dieser Begriff wurde von bestimmten französischen Schriftstellern des 17. Jahrhunderts verwendet, um das vertrauensvolle Annehmen der göttlichen Vorsehung und das gehorsame Zusammenwirken mit Gott zu beschreiben – beides galt als wesentlich für das Christsein. Der Begriff steht in positiver Verbindung zur Lehre von Ignatius von Loyola, Franz von Sales, Bossuet und besonders Jean-Pierre de Caussade, in dessen Werk L’Abandon à la Providence Divine er ausführlich behandelt wird.

In der Lehre de Caussades bedeutet „Selbsthingabe“ nicht in erster Linie die Aufgabe des Eigenwillens, wie sie in der traditionellen asketischen Theologie häufig betont wird. Vielmehr setzt de Caussade dies weitgehend voraus und legt seinen eigenen Akzent auf eine bestimmte Sicht des geistlichen Lebens: Der gesamte Prozess des Universums – mit all seiner Schönheit und seinem Elend – ist im Glauben als Ausdruck der göttlichen Liebe zu sehen. Unsere persönliche Situation in einem bestimmten Augenblick ist, als Teil dieses Prozesses, ebenfalls Ausdruck von Gottes fürsorglicher Liebe. Gott hat sie zugelassen als den angemessenen Rahmen dafür, dass wir nun seinen Willen tun (was selbstverständlich auch bedeuten kann, dass wir in Zusammenarbeit mit ihm Veränderungen herbeiführen).

Christliches Leben bedeutet, die gegenwärtige Ordnung der Dinge aus der Hand eines liebenden Vaters anzunehmen und aktiv mit ihm an der Erfüllung seines Willens mitzuarbeiten, so wie dieser sich in verschiedenen Formen kundtut. Wenn das Leben auf diese Weise geführt wird, wird es als Gottes Versuch verstanden, uns mit unzähligen Fäden eines unendlich vielfältigen Netzes der Liebe zu sich zu ziehen. De Caussade lehrt, dass dies normalerweise nicht zu auffälliger Heiligkeit führt, sondern zu einer schlichten Treue gegenüber den Anforderungen und Gelegenheiten des Alltags – oft ohne spürbare Gotteserfahrung oder Gewissheit seiner Gnade. Wer jedoch bestrebt ist, sich eine Haltung der Abandonment (Hingabe) anzueignen, entwickelt einen feinfühligen Glauben, der – selbst in widrigen Lebenslagen – erkennt, dass alles in einem selbst und in den äußeren Umständen mit Gottes fortwährendem Ziehen oder Drängen zu ihm in Verbindung steht.

Da das Leben oft gar nicht danach aussieht, als sei es ein solcher göttlicher Prozess, empfahl de Caussade eine kontemplative Gebetsform – ein Gebet des „Nichtwissens“ im Glauben, ein einfaches Warten auf Gott und ein wiederholtes Sich-selbst-Hingeben. Er warnt, dass dieses Gebet oft trocken und demütigend sein werde, und dass man dies ohne Aufregung und ohne ängstliche Selbstbeobachtung in Bezug auf die Richtigkeit oder Akzeptanz des Gebets annehmen solle. Wird es dennoch fortgesetzt, wird es zu einem unablässigen Gebet, einer moralisch durchgehenden Kontemplation, die in der Absicht fortbesteht, selbst wenn der Geist offenbar ganz in die Arbeit des Tages, in den Beginn von Schmerz oder in die Freude glücklicher Stunden vertieft ist – so dass wir, gleich in welchem Zustand wir gefragt würden, wem wir im Grunde unseres Herzens gehören wollen, stets antworten könnten: „Gott“.

Da Gott in jeder Erfahrung gegenwärtig ist, in ihr seinen Willen kundtut und die Gnade anbietet, durch die dieser Wille erfüllt werden kann, besteht im Grunde kein wesentlicher Unterschied zwischen einer Erfahrung und einer anderen. Hingabe macht unsere gewohnte Bewertung des Angenehmen über das Unangenehme hinweg bedeutungslos. De Caussade machte von dieser Indifferenz in seiner seelsorgerlichen Begleitung viel Gebrauch, besonders in Fragen des inneren Friedens in Zeiten der Verwirrung. Zugleich lehrte er aber auch, dass der Christ auf dem Weg zur Vollkommenheit entdecken werde, dass Enttäuschungen – ja alles, was das natürliche Selbst frustriert – Gelegenheiten zur besonderen Gnadenerfahrung von Gott sind. Solche Erfahrungen, die wie Zeichen von Gottes Abwesenheit erscheinen, werden im Glauben durchlebt zu überaus überzeugenden Beweisen seiner Gegenwart. Sie sind zugleich die wirksamsten Übungen in Loslösung und in der Läuterung unserer Liebe zu Gott – weg von der Liebe zu seinen Gaben hin zur Liebe zu Gott selbst.

Es besteht kein Grund, sich besondere religiöse Erfahrungen, Gebetszustände oder außergewöhnliche Gelegenheiten des Dienstes zu wünschen. Die Schwierigkeiten, die Menschen im normalen Lauf ihrer Lebensumstände begegnen, stellen – als Ausdruck von Gottes Vorsehung – einen weitaus sichereren und schnelleren Weg dar als außergewöhnliche Zustände und Werke.

L’abandon darf nicht mit bloßer Annahme verwechselt werden, und schon gar nicht mit Resignation. Es ist das Sich-selbst-Geben an Gott, in dem man seinen Willen tun möchte – ungeachtet der Umstände –, und zugleich nicht nur die gegenwärtige Lage akzeptiert, sondern sie auch aktiv bejaht, sie gewissermaßen unterschreibt, weil der Glaube sie nicht als bloßes Geschehen, sondern als göttliche Vorsehung deutet.

Übersetzung aus: Gordon S. Wakefield (Hrsg.), The Westminster Dictionary of Christian Spirituality.

1 Kommentar

  1. Und doch kann mich das in keiner Weise trösten, der ich mit 61 Jahren meinen katholischen Glauben verloren habe und damit den Glauben an der großen Gott der drei Weltreligionen. Er dünkt mir zu sehr menschlich und irdisch. Es ist kein Platz für diesen Gott auf der Erde und ohne die Erde kann es ihn auch nicht geben finde ich.

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