Von Wolfgang Ullmann
Der Name Nicäno-Konstantinopolitanum – auf die Gelehrtensprache des 17. Jahrhunderts (J.B. Carpzov I.) zurückgehend – bezeichnet die Eckdaten der Entstehungsgeschichte dieses Bekenntnisses Die altkirchliche Tradition sah in ihm Bestätigung und Ergänzung der dogmatischen Entscheidung des Konzils von Nicäa 325 und verband diesen Vorgang mit der »Synode der 150 Väter« in Konstantinopel 381. Die Dogmengeschichtsschreibung des Neu-Protestantismus, z.B. A. v. Harnacks, stellte in Aufnahme der Forschungen des engl. Gelehrten F.J.A. Hort diese Tradition in doppelter Hinsicht in Frage: Sie bestritt die Kontinuität zwischen Nicäa und Konstantinopel und sah im Nicäno-Konstantinopolitanum ein 381 lediglich rezipiertes älteres Symbol. Die Untersuchung der altkirchlichen Texttradition, v.a. das Zeugnis der Akten des Konzils von Chalcedon, führten zu einer Rehabilitierung der altkirchlichen Auffassung (E. Schwartz), und die neuere Literatur geht – mit verschiedener Akzentuierung – hiervon aus: Nachdem in Alexandrien 362, in Antiochien 379 und durch das Theodosius-Edikt Cunctos popūlos von 380 die Vorentscheidungen dafür gefallen waren, hat das Konzil von Konstantinopel ein Bekenntnis zu Nicäa als Maßstab der Orthodoxie formuliert, dies aber so, daß dabei auch die Bestreitung der Gottheit des Heiligung Geistes verworfen wurde; das Konzil von Chalcedon 451 hat dieser Entscheidung ökumenische Geltung zugesprochen.
Stärker als das Symbol von Nicäa folgt das von Konstantinopel der erstmalig von Eusebius von Caesarea (gest. 339) in Nicäa aufgestellten Norm, nicht Lehrauseinandersetzungen, sondern den allg. Taufglauben zur dogmatischen Norm zu erheben. Darum werden 381 die Verwerfungssätze aus dem Credo ausgeschieden und einem besonderen Kanon zugewiesen.
Im Ergebnis folgt das Nicäno-Konstantinopolitanum dem aus dem Apostolikum bekannten Grundriß des altrömischen Bekenntnisses, übernimmt dessen Inkarnations- und Passionsformel, die christologischen Homousieaussagen von Nicäa unter Weglassung von »aus dem Wesen des Vaters«, was wegen der inzwischen neuvollzogenen Unterscheidung von Wesen und Personen in der Trinität nötig war, und formuliert das Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes als Mitangebetet- und Mitverherrlichtwerden dessen, der »aus dem Vater ausgeht«.
Das Nicäno-Konstantinopolitanum wurde nach 511 im Osten, nach 809 in der Aachener Pfalzkapelle, seit 1014 auch in Rom Bestandteil der Messe.
Der Zusatz »und aus dem Sohn« (Filioque) zur Aussage über das Ausgehen des Heiligen Geistes, der von Paulin von Aquileja 796 in den Text des Nicäno-Konstantinopolitanum eingefügt und durch die Aachener Synode von 809 durch Kaiser Karl der Große und seine Theologen sanktioniert wurde, löste einen Streit über die Trinitätslehre zwischen lateinischer und byzantinischer Theologie aus; er konnte trotz des anfänglichen Widerstandes der Päpste gegen die Einfügung des »filioque« und die Unionsbemühungen von 1274 und 1439 bis heute nicht beigelegt werden.
Lit.: Ortiz de Urbina, J.: Nicäa und Konstantinopel, Mainz 1964 – Ritter, A.M.: Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol, Göttingen 1965 – Kelly, J.N.D.: Altchristliche Glaubensbekenntnisse, Berlin 1971 – Vischer, L. (Hg.): Geist Gottes – Geist Christi, Frankfurt/M. 1981 – Ritter, A.M.: in: Handbuch der Theologie- und Dogmengeschichte, hg. v. Andresen, C., Bd. 1, Göttingen 1982, S. 99–283.
EKL3, Bd. 3/8 (1991), Sp. 742f.