Robert Kempner, Denkschrift des Preußischen Ministeriums des Innern über die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als staats- und republikfeindliche hochverräterische Verbindung vom August 1930: „Die Tätigkeit der NSDAP stellt in ihren verschiedenen Verzweigungen eine ständige Vorbereitung auf den geplanten Hochverrat und damit zugleich ein hochverräterisches Unternehmen im Sinne des § 86 StGB. dar. Ergibt sich als Zweck der NSDAP die gewaltsame Änderung der Verfassung und stellt sich ihre Betätigung als ein fortgesetztes hochverräterisches Unternehmen dar, so hegt darin zugleich erneut die Erfüllung des Tatbestandes des § 129 StGB., ein weiterer Beweis für den staatsfeindlichen Charakter der Partei als Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Maßregeln der Verwaltung durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften.“

Denkschrift des Preußischen Ministeriums des Innern über die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als staats- und republikfeindliche hochverräterische Verbindung (erstellt von Robert Kempner, Ende August 1930)

BA R 43 1/2682. Vervielfältigtes Exemplar. Überschrift: „Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als staats- und republikfeindliche hochverräterische Verbindung (§ 129 StGB., § 4 Ziff. 1 RepSchGes., § 86 StGB)“[1].

Gliederung:

  1. Geschichtliche Entwicklung
  2. Wesen und Zweck der NSDAP
  3. Die Partei als Verbindung
  4. Parteiamtliche Äußerungen und Satzung
  5. Äußere Organisation und innere Funktion
  6. Das Beispiel der Berliner Organisation
  7. Rechtliche Würdigung
  8. Die Partei als staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 129 StGB
  9. Wille zur Illegalität
  10. Rechtliche Würdigung
  11. Die Partei als republikfeindliche Verbindung im Sinne des § 4 Ziff. 1 RepSchGes.
  12. Das staatspolitische Ziel der NSDAP
  13. Untergrabung der republikanischen Staatsform
  14. Rechtliche Würdigung
  15. Die Partei als hochverräterische Verbindung
  16. Gewaltsamer Umsturz als Ziel (Revolution-Diktatur)
  17. Die Partei und der Hitlerputsch 1923
  18. Entwicklung seit dem Hitlerputsch aa) Zeugnis Hitlers bb) Zeugnis Fricks cc) Zeugnis Rosenbergs dd) Zeugnis Goebbels’ ee) Zeugnis von Abgeordneten und Unterführern
  19. Vorbereitung des gewaltsamen Umsturzes durch Unterwühlung und Beun­ruhigung des politischen und wirtschaftlichen öffentlichen Lebens
  20. Zersetzung der Machtmittel des Staates
  21. Reichswehr
  22. Polizei
  23. Schaffung einer eigenen revolutionären Kampftruppe (Sturmabteilungen und Schutzstaffeln)
  24. Zweck und Aufgabe
  25. Militärische Schulung
  26. Militärische Gliederung und Disziplin
  27. Legalitätserklärungen und ihr Wert
  28. Rechtliche Würdigung
  29. Ergebnis
  30. Geschichtliche Entwicklung

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei wurde nach Beseitigung der Rätediktatur in München gegründet. In ihr spielte der im Jahre 1912 aus Wien gekommene und dort mit antisemitischen, alldeutschen und antisozialistischen Gedankengängen vertraut gewordene Bauzeichner Adolf Hitler bald die führende Rolle. In die Öffentlichkeit trat sie zum ersten Mal am 25. Februar 1920 mit einer Massenversammlung im Münchener Hofbräuhaus, in der Hitler an Hand von 25 Thesen das Programm der Partei, an dem noch heute im vollen Umfang unverändert festgehalten wird, erläuterte. Am 1. August 1921 wurde Hitler zum alleinigen Führer der Partei gewählt. Neben der eigentlichen Parteiorganisation wurde bereits damals in den sog. Sturmabteilungen eine Kampftruppe mit militärischer Gliederung und Uniformierung geschaffen, die schließlich die von Hitler am 8. November 1923 in München ausgerufene sog. nationale Revolution stützen und vorwärtstreiben sollte. Das Unternehmen mißlang; Hitler wurde wegen Hochverrats zu fünf Jahren Festung verurteilt, die Partei auch in Bayern verboten, nachdem andere Länder mit dieser Maßnahme vorangegangen waren.

Im Frühjahr 1925 wurde Hitler mit Bewährungsfrist aus der Strafhaft entlassen und demnächst der allgemeinen Amnestie teilhaftig. Seitdem wurde unter ungeheurem Aufwand an Organisations- und Werbetätigkeit die Partei neu aufgezogen und über das ganze Reichsgebiet verbreitet. Das am 25. Februar 1920 in München verkündete grundsätzliche Programm der Partei wurde in vollem Umfange beibehalten und zugleich als Programm des am 22. Mai 1926 in München gegründeten und daselbst am 30. Juni 1926 im Vereinsregister eingetragenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeitervereins erklärt. Während nämlich die Partei als solche nicht die Rechtsform der juristischen Person besitzt, dient ihr dieser Verein, offenbar aus taktischen Erwägungen, als Grundlage für den Erwerb von Rechten und Pflichten im rechtsgeschäftlichen Verkehr. In Wirklichkeit ist der formell von der Partei verschiedene Verein mit ihr wesensgleich, da durch die Aufnahme in die Partei ohne weiteres die Mitgliedschaft im Verein erworben wird (§ 3 der Satzung).

  • Wesen und Zweck der NSDAP
  • Die Partei als Verbindung

Die politischen Parteien Deutschlands sind im allgemeinen – wenn sie auch eine straffere Zusammenfassung ihrer Anhänger als die englischen und französischen Parteien aufweisen – verhältnismäßig lose Vereinigungen. Der Beitritt zu ihnen bedeutet im allgemeinen nur ein grundsätzliches Bekenntnis zu den von der Partei vertretenen Anschauungen, die das Parteimitglied sich nicht einmal vollständig zu eigen zu machen braucht. Das Mitglied gibt nur seiner politischen Gesinnung Ausdruck; seine Verpflichtung zum aktiven Handeln erschöpft sich im wesentli­chen in der Pflicht der Beitragsleistung. In der Regel wird das Mitglied mit dem Eintritt in die Partei auch seinen Willen zum Ausdruck bringen, die Ziele der Partei dadurch zu fördern, daß es bei Wahlen und Volksabstimmungen die Kandidaten dieser Partei wählt. Ein weiteres aktives Eintreten für die Partei oder gar eine ständige Bereitschaft der Parteimitglieder für die Erledigung von Parteiaufgaben kennen die großen deutschen Parteien nicht. So sehr sie auch den Wunsch haben mögen, daß ihre Mitglieder sich nicht auf eine solche mehr passive Mitgliedschaft beschränken, so wird die aktive Parteiarbeit doch nirgends zur Voraussetzung und Bedingung der Parteizugehörigkeit gemacht. Die Mitglieder der deutschen Parteien fühlen sich aber, jedenfalls was das Verhältnis untereinan­der betrifft, mehr oder weniger als Einzelindividuen und handeln auch demgemäß; jedenfalls erkennen sie eine unbedingte Einordnung in den Parteiapparat und eine Unterwerfung unter den einheitlichen Parteiwillen nicht an. Regelmäßig bestehen überhaupt keine engeren Beziehungen zwischen den Mitgliedern; der Zusammen­halt wird vielmehr allein durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur Partei herge­stellt.

Die NSDAP unterscheidet sich von diesem überlieferten Schema der deutschen Parteien grundsätzlich. Wenn sie sich auch als Partei bezeichnet und die Funktionen der übrigen Parteien ausübt, so erschöpft sie sich indes nicht hierin. Sie erfaßt ihre Mitglieder vielmehr viel enger und nicht nur in der einen Richtung der Willensbildung bei Wahlen und Abstimmungen, sondern sozusagen in allen Lebensbeziehungen. Damit erhält sie sozusagen ihren Doppelcharakter als politi­sche Partei und als politischer Bund.

  1. Parteiamtliche Äußerungen und Satzung

Bereits in seiner Schrift „Mein Kampf“ (II. Aufl. 1930 S. 651 ff.) äußert sich Adolf Hitler ganz klar dahin, daß die Partei nur Mitglieder kenne, die aktiv für die Ziele der Bewegung eintreten, daß es eine passive Mitgliedschaft nicht gebe, daß somit der Eintritt in die Partei gleichbedeutend sei mit der Verpflichtung zu ständiger aktiver Tätigkeit für die Parteiziele. Er schreibt dort:

„Anhänger einer Bewegung ist, wer sich mit ihren Zielen einverstanden erklärt, Mitglied ist, wer für sie kämpft.“

„Die Anhängerschaft wurzelt nur in der Erkenntnis, die Mitgliedschaft in dem Mute, das Erkannte selbst zu vertreten und weiter zu verbreiten.“

„Die Propaganda wird demgemäß unermüdlich dafür zu sorgen haben, daß eine Idee Anhänger gewinnt, während die Organisation schärfstens darauf bedacht sein muß, aus der Anhängerschaft selbst nur das Wertvollste zum Mitglied zu machen.“ „Daraus ergibt sich, daß die Zahl der Anhänger nicht groß genug sein kann, die Zahl der Mitglieder aber leichter zu groß als zu klein sein wird.“

Es handelt sich hierbei nicht etwa lediglich um für die Parteitätigkeit unmaßgebli­che persönliche Äußerungen Hitlers, sondern um für die Partei verbindliche und in der praktischen Arbeit stets zur Anwendung gebrachte Richtlinien. Sie haben Gestalt und Form erhalten in den Satzungen und im praktischen Aufbau der NSDAP.

In § 2 der Satzung des Nationalsozialistischen Deutschen Arbeitervereins heißt es:

„Der Verein hat den Zweck, alle ehrlich schaffenden Kreise unseres Volkes, gleich ob körperliche oder geistige Arbeiter, zusammenzuschließen, um in gemeinsamer Arbeit unserem Volke die Vorbedingungen zur Erringung seiner politischen Freiheit und seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit zu schaffen.“

Wie diese „gemeinsame Arbeit“ aufzufassen ist, ergibt sich aus den Ausführun­gen Gottfried Feders, des maßgeblichen Interpreten des nationalsozialistischen Programms, in seiner Schrift „Das Programm der NSDAP und seine weltanschau­lichen Grundgedanken“ (Heft 1 der Nationalsozialistischen Bibliothek 1930). Dort heißt es auf S. 7:

„Jawohl, Kämpfer! – nicht Parteimitglied* irgendeiner politischen Partei, die irgendwelche parteipolitischen Ziele verfolgt und die dann versucht, einen kleinen Teil ihrer Wahlversprechungen durch irgendwelche politischen Kuhhändel zu erreichen. –

Jawohl! – Kämpfer muß jeder Nationalsozialist sein Kämpfer für eine Idee, also auf deutsch für ein Hochziel, für ein hohes Ziel, das des Kampfes wert ist. Kämpfen heißt aber mehr, wie .danach trachten* oder ,etwas zu erreichen versuchen* oder etwas zu ,ersitzen*, ,ergaunern* oder .erschleichen*, ,einhandeln* oder ,auf Umwegen zu erreichen* suchen . . .

Kämpfen heißt: sich einsetzen, unter Hintansetzung der eigenen Person, des persönlichen Interesses; sich einsetzen unter Hingabe all seiner Fähig­keiten, mit allem Ernst, wenn es sein muß, mit dem Einsatz des eigenen Lebens . . .“

Ganz prägnant sagt ein Aufsatz „Abschied vom Bürgertum“ im Völkischen Beobachter Nr. 129 vom 1./2. Juni 1930:

„Auf Mitläufer verzichten wir. Der zu uns kommt, hat die Brücke nach hinten abzubrechen. Hundertprozentig oder gar nicht.“

Über „die nationalsozialistische Bewegung im Frühjahr 1930“ schreibt J. Berch­told in den „Nationalsozialistischen Monatsheften“. Heft 1, Seite 34:

„Zahlen an sich bedeuten nichts. Sie erhalten aber Wert und Gestalt, wenn sie als Ausdruck des Geistes, Kampfes, Opfermutes gewertet werden können. Und dies ist gerade in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei mehr der Fall als irgendwo anders, denn sie wendet sich nur an kämpferische Persönlichkeiten, umfaßt also nur Aktivisten. “

Und ähnlich wird der § 2 der Satzung in dem im Oktober 1929 herausgegebenen Heft „Organisationssystem des Gaues Groß-Berlin“ auf S. 33/34 ausgelegt:

„Die NSDAP kämpft für eine Neugestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Deutschen Reich, wozu der § 2 dieser Satzung u. a. folgendes sagt: (folgt der oben zitierte § 2). Daraus geht sinngemäß hervor, daß jeder Volksgenosse, der der NSDAP beitritt, verpflichtet ist, (,in gemeinsamer Arbeit1) alle Parteiarbeit zu erledigen, die notwendig ist, um das satzungsmäßige Ziel zu erreichen. Mithin fallen bei der NSDAP sogenannte .passive‘ Mitglieder vollkommen weg; die Partei ist eine einzige Arbeitsgemeinschaft, die alle Parteigenossen umfaßt . . .“

Hieraus ergibt sich, daß die NSDAP nicht nur eine Gesinnungsgemeinschaft ist, sondern daß vielmehr der Beitritt zu dieser Partei bereits die Verpflichtung in sich schließt, sich für ihre Ziele aktiv zu betätigen.

  • Außere Organisation und innere Funktion

Dieser inneren Struktur der Partei entspricht auch die äußere Organisation der NSDAP, die derart straff aufgezogen ist, daß sie bis zum letzten Mitglied ein gehorsames Werkzeug in den Händen ihres Führers darstellt. An der Spitze der Partei steht die Parteileitung, die aus dem Vorsitzenden, dem Schriftführer, dem Schatzmeister, den Vorsitzenden verschiedener satzungsgemäß zu bestellender Ausschüsse und dem Geschäftsführer der Hauptgeschäftsstelle besteht. Nach § 6 der Satzung ist für die Führung der Partei in erster Linie der Vorsitzende verantwortlich. Diese Bestimmung wird am Schluß dieses Paragraphen noch erläutert, wo es heißt:

„Da die verantwortliche Leitung des Vereins in den Händen des Vorsitzenden liegt, ist dessen Stellung als über dem Vorstand stehend zu betrachten. Er ist verantwortlich nur der Generalversammlung.“

Die Partei ist im allgemeinen satzungsgemäß in Gauverbände eingeteilt, deren Leiter von der Reichsleitung, d. h. von Adolf Hitler bestellt werden. Sie arbeitet grundsätzlich nur mit Ortsgruppen und Gauen. Ausnahmen bestehen für Bayern, das als Gau 9 Untergaue umfaßt, und für die Wahlkreise Düsseldorf-Ost und -West, die je einen der Reichsleitung unmittelbar unterstellten selbständigen Bezirk Essen bzw. Bergisch-Land/Niederrhein bilden. Die Untergliederung der Gaue in Bezirke und der Ortsgruppen in Sektionen und Straßenzellen ist verschieden. Dem ganzen Aufbau der Partei entsprechend ist aber überall die Organisation derart straff und hierarchisch aufgebaut, daß sie die restlose Erfassung jedes Parteimitgliedes gewährleistet.

Im Einklang mit der äußeren Gestaltung der Organisation vollzieht sich die gesamte Tätigkeit innerhalb der NSDAP in durchaus autoritativen Formen. Zu grundsätzlichen Fragen nimmt Adolf Hitler durch sog. parteiamtliche Ver­lautbarungen Stellung. Wichtige Maßnahmen werden durch Befehle ange­ordnet. Ein Beispiel unter vielen für diese Art der Parteitätigkeit geben die von dem früheren Gauführer Dr. Schlange für Berlin herausgegebenen ..Richtlinien für die Aufstellung von Sportabteilungen“, die mit dem Satze beginnen:

„Jede Ortsgruppe hat sofort eine Sportabteilung auf zu stellen und einen geeigneten Parteigenossen als Führer zu bestellen.“

Sie enthalten als Ziffer 3 den Satz:

„Der Führer des Sportverbandes wird von mir ernannt und untersteht mir.“

Die gleiche Beobachtung wird in sämtlichen Gauen der Partei ständig gemacht. Hitler selbst bezeichnet sich in einer an die Bundesleitung des Stahlhelm gerichteten Denkschrift über das Volksbegehren als den „Führer einer so streng zentralisierten Partei, wie sie die nationalsozialistische Bewegung ist“. In einem Rundschreiben der Leitung des Gaues Rheinland vom 20. November 1929 heißt es:

„Die letzte Entscheidung, darüber müssen wir uns alle klar sein, fällt niemals durch die Wählermasse, sondern durch eine ganz straff und wohl disziplinierte und im gegebenen Moment richtig eingesetzte Minderheit.“

Bei der Rheinlandräumungs-Versammlung der NSDAP am 1. Juli 1930 im Berliner Sportpalast sagte der westfälische Gauleiter Wagner nach dem „Völkischen Beobachter“ Nr. 159 vom 6./7. Juli 1930:

„Unsere Erfüllungsstunde kommt immer näher, darum brauchen wir jetzt eine harte eiserne Disziplin, die jeden an die Wand drückt, der sich nicht in den Rahmen einfügt.“

In einem Aufsatz „Reform oder Revolution“ des schlesischen Gauleiters Brückner im 33. der Nationalsozialistischen Briefe vom 1. Februar 1927 heißt es:

„Eine zuchtvolle Organisation, ohne die es keine Schlagkraft gibt, und eine gesteigerte Propaganda haben im Jahre 1927 im lebensnotwendigen Zusammenwirken das Feld zu bearbeiten, Pflugschar und Samenkorn zu sein.“

Nach dem „Angriff“ Nr. 53 vom 3. Juli 1930 bezeichnete der Berliner Gauleiter Goebbels in der Generalversammlung des Gaues Berlin der NSDAP am 1. Juli 1930 ,,die Disziplin als oberstes Gesetz der Organisation“ und erklärte mit aller Schärfe: „Wer sich nicht einordnen will, wird eben hinausgefeuert. “

Im Abschnitt „Politisches Tagebuch“ der Nr. 54 des von Goebbels herausgegebe­nen „Angriff“ vom 6. Juli 1930, Beilage, heißt es:

„In ihr (gemeint ist die NSDAP) sammeln sich Menschen, die nichts anderes wollen, als Deutschland nach innen und außen befreien. Das erfordert von jedem einzelnen straffste Disziplin und verantwortungsbewußte und freudigste Einordnung. Wer sich dazu nicht bereitfinden kann, soll nicht zu uns kommen, oder wo er schon in unseren Reihen steht, diese wieder verlassen.“

Die gleiche Nummer des „Angriff“ Nr. 54 vom 6. Juli 1930 gibt für die Disziplin der Parteimitglieder folgende aufschlußreiche Erklärung:

„Wem aber dieses Programm nicht paßt, der braucht ja nicht zu uns zu kommen. Wir bitten ja niemanden darum. Selbstverständlich bietet unsere Weltanschauung der freien geistigen Entwicklung und Betätigung breitesten Spielraum, und auch in taktischen Fragen können die Meinungen manchmal weit auseinandergehen. Aber einmal muß die Diskussion ein Ende haben. Dann nämlich, wenn aus der Theorie Praxis und die Praxis selbst vor Entschlüsse gestellt wird. Ist der Entschluß einmal gefaßt, dann stellt sich die Gesamtorganisation geschlossen dahinter, gleichgültig, ob der eine oder der andere im einzelnen taktisch abweichende Meinungen vertritt. Das ist das primitivste Gebot der Disziplin.“

,,Es ist auch durchaus denkbar, daß unter vielen gefaßten Entschlüssen einmal einer falsch ist. Um so mehr besteht dann für die gesamte Organisa­tion, angefangen vom obersten Führer bis herunter zum kleinsten Parteigenossen die Verpflichtung, in eiserner Geschlossenheit zusammenzustehen, denn nur so hat sie die Möglichkeit, auch die Folgen eines falschen Entschlusses zu überwinden und sie zuletzt durch eiserne Disziplin zu ihrem Nutzen zu wenden.“

Den gleichen Aufbau eines jedes einzelne Mitglied erfassenden Verbandes, der keine lediglich passive Teilnahme duldet und schärfste aktive Betätigung für die Partei verlangt, zeigen die Nebenorganisationen der NSDAP. So gibt der im April 1929 in Hof gegründete „Nationalsozialistische Lehrerbund“ als seine Ziele an: „Zusammenfassung einer aktivistischen Schar von Lehrerpersönlichkeiten, die einen entschlossenen rücksichtslosen Kampf führen gegen alle die Kräfte, welche auch die Zukunft unseres Volkes, unsere deutsche Jugend, im Sumpfe des Internationalismus, des Pazifismus und der Demokratie versinken lassen wollen.“

Uber Hitler-Jugend und die Schülerbünde äußert sich ein Berliner Unterprimaner im „Aufmarsch“, dem offiziellen parteiamtlichen Organ der Nationalsozialisti­schen Schülerbünde, Nr. 5 vom April 1930:

„Beide sind die großen Sammelbecken für die jungen Aktivisten, die aus allen Lagern zu uns stoßen . . . Der Schülerbund ist die Kampftruppe in den Schulen, die Hitlerju­gend, als die umfassendere Organisation, hat die Aufgabe, Jungarbeiter und Schüler bzw. die Jugend des Bürgertums und die Jugend des Proletariats für den Kampf um die Zukunft zu schulen, aus Bürgern deutsche Sozialisten und aus Proletariern deutsche Nationalisten zu machen.“

  • Das Beispiel der Berliner Organisation

Als Beispiel für die zentralistische Organisation der NSDAP, die jedes einzelne Mitglied erfaßt und von ihm ein aktives Eintreten für die Parteiziele und eine ständige Bereitschaft zur Parteiarbeit verlangt, sei die Organisation des Gaues Groß-Berlin angeführt, wie sie in einer von der Gauleitung Groß-Berlin im Oktober 1929 unter dem Titel „Organisationssystem des Gaues Groß-Berlin“ herausgegebenen Sammlung von Organisationsrundschreiben niedergelegt ist.

Der darin abgedruckte Straßenzellenorganisationsplan, der am 15. Juli 1928 in Kraft getreten ist, betont zunächst den revolutionären Charakter der Partei, der es erforderlich mache, eine einheitlich, bis zum letzten Mitglied straff gegliederte Organisation zu haben, die ungedingt dem Willen des politischen Führers gehorche, mit folgenden Sätzen:

„Als revolutionäre Partei muß sie Organisationsformen besitzen, die ihr gestatten, schnell, sicher und nachhaltig den politischen Willen des Führers auszuführen“ (S. 5).

Zu diesem Zweck ist der Gau Berlin in Sektionen, und diese wiederum in Straßenzellen, die in der Regel fünf Mitglieder umfassen, eingeteilt. Der Zellenob­mann wird vom Sektionsleiter ernannt und ist dem gleichfalls von diesem eingesetzten Straßenzellenleiter der Sektion unmittelbar unterstellt und verant­wortlich. Die außerordentlich enge Verbindung dieser Führerschicht kommt in folgenden Worten zum Ausdruck:

„Vom Zellenobmann bis zum Sektionsführer geht die gerade Linie derjenigen Schicht, die eigentlich die Sektion führt. Sie gleicht einer Hierarchie, die, in sich geschlossen, ihren eigenen ehernen Gesetzen – Leistung und Verantwortung – unbeirrt folgt. Diese Führer­schicht ist die eiserne Klammer, die die Sektion umschließt.“ (S. 8)

Daß diese enge Verbindung und die Einbeziehung in den Kreis der für die Parteiziele aktiv Tätigen sich nicht nur auf die Führerschicht, sondern ebenso auf jedes andere Mitglied bezieht, wird bereits durch folgenden Satz angedeutet, der sich einige Zeilen später findet:

„Nur eine organische Schichtung aller Parteigenossen, vor allem der Zellenobleute, dem führenden Kern der Sektion, verbürgt für den Erfolg einer zielklaren Sektionsleitung.“ Noch klarer wird dies zum Ausdruck gebracht in den die Ausführungen des Straßenzellenorganisationsplanes betreffenden grundsätzlichen Darlegungen, in denen es (S. 9) heißt:

„Der erste Widerstand, auf den die S. L. (Sektionsleitung) bei der Durchführung des Straßenzellenorganisationsplanes stoßen wird, wird die mehr oder weniger große Unlust der Parteigenossen zur Ausübung der Parteiarbeit sein . . . Diesen Widerstand, der je nach der allgemeinen Struktur der Mitgliedschaft der einzelnen Sektionen Wochen bzw. Monate dauern kann, zu überwinden, alle Hemmnisse aus dem Wege zu räumen und mit größter Hartnäckigkeit das Fundament für alle noch kommende Arbeit zu legen, muß die Pflicht der S. L. sein.“

und weiter: (S. 10. u. 11)

„Als solche (,Revolutionspartei1) hat sie die Pflicht, da sie nicht das Sammelbecken von Anhängern, sondern der Kämpfer für die nationalsozialistische Weltan­schauung ist, ihre Mitglieder nicht nur in einer möglichst schlagkräftigen Organisation zusammenzufassen, sondern, was viel wichtiger ist, diese Mitglieder zu einer möglichst großen Zahl von Persönlichkeiten, d. h. selbständig denkenden und handelnden Parteigenossen heranzubilden . . . eine verständnisvolle, ausdauernde, nie ermüdende, den Fähigkeiten des Mitgliedes angepaßte Aufklärung und Durchläuterung, um das Mitglied aus der Sphäre des Gefühlsrevolutionärs (meistens entstanden aus der Versamm­lungspsychose usw.) zu reißen, um es zum bewußten fanatisierten Kämpfer zu machen.“

und schließlich: (S. 14)

„Die elementarste Pflicht der Sektionsleitung ist, die größte Aktivität im Handeln und die vollendetste geistige Geschlossenheit der ihr unterstellten Mitglie­der zu erreichen.“

Diesem Zwecke der unbedingten Aktivierung aller Parteimitglieder dient die Bestimmung, daß die einzelnen Straßenzellen nicht über fünf Mann stark sein sollen (S. 12). Jeder Zellenobmann ist, um seine Mitglieder ständig in der Hand zu haben, überdies verpflichtet, ein Kontrollbuch über die Zellenmitglieder anzule­gen, in dem auch Spalten für Sprechabend- und Versammlungsbesuch einzurich­ten sind. Demselben Zwecke dient die Anordnung (S. 30), daß an den öffentlichen Sprechabenden alle Mitglieder der Straßenzellenbezirke teilzunehmen haben.

Weil die Partei nach ihrem ganzen Aufbau und ihrer Zweckbestimmung nur aktive Mitglieder dulden kann, hat die Gauleitung Berlin – ähnlich wie z. B. auch im Rheinland – zu dem Mittel gegriffen, durch Organisationsrundschreiben vom 30. Dezember 1929 eine allgemeine Mitgliedersperre für die Monate Januar und Februar 1930 anzuordnen. Der Partei wurde für diese Sperrmonate die Aufgabe gestellt, alle untauglichen Elemente auszustoßen. Als „untauglich“ werden insbesondere folgende Personen ausdrücklich aufgeführt:

„Alle Parteigenossen, die sich strikte weigern, Parteiarbeit zu leisten, wenn nicht genau bekannt ist, daß sie diese aus Krankheits- oder Berufsgründen tatsächlich nicht leisten können (andere Gründe gelten nicht); alle Parteigenossen, von denen angenommen werden kann, daß sie in Zukunft für die Partei ohne praktischen Nutzen sind (säumige Zahler, faule Versammlungsbesucher, schwache und feige Charaktere, Konjunkturnaturen, Lärm- und Radaumacher, Säufer u. a.).“

  • Rechtliche Würdigung

Die NSDAP stellt sich hiernach nicht bloß als ein loser Zusammenschluß von Personen dar, die nur durch die Einheitlichkeit der Gesinnung, die Zahlung von Beiträgen usw. zusammengehalten werden und nur als einzelne ohne Kenntnis von einander bei den Wahlen durch Abgabe ihrer Stimme für denselben Kandidaten die gleichen Ziele verfolgen[2]. Sie ist vielmehr eine straffgefügte Organisation, die auf längere Zeit berechnet ist und der die Unterordnung jedes einzelnen Mitgliedes unter den in Parteibefehlen usw. zum Ausdruck kommenden Willen der Gesamt­heit eigentümlich ist, die weiterhin aktive Tätigkeit jedes Mitgliedes verlangt und durch die Art der Organisation und der Arbeit in ihr eine enge Verflechtung der Mitglieder untereinander, engste Beziehungen zwischen ihnen und nicht nur zum Abstraktum Partei herstellt.

Damit sind die in ständiger Rechtsprechung und in der Rechtsliteratur aufgestell­ten Begriffsmerkmale einer „Verbindung“ im Sinne der §§ 128 und 129 StGB gegeben[3] (vgl. auch das Urteil des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik in der Strafsache gegen Hoffmann und Gen. vom 25. Oktober 1924 – St.R.St. 54/ 1924 – 12 J. 190/22).

  1. Die Partei als staatsfeindliche Verbindung

im Sinne des § 129 StGB[4].

  1. Wille zur Illegalität

Die NSDAP ist nicht gewillt, sich etwaigen gegen sie gerichteten Maßregeln der Staatsgewalt, insbesondere einem etwaigen Verbot der Partei oder einzelner ihrer Einrichtungen, zu fügen. Dies wird in der von der nationalsozialistischen Reichs­tagsfraktion herausgegebenen „Nationalsozialistischen Pressekorrespondenz“ Nr. 35 vom 7. Januar 1930 – also in einer ganz offiziellen Verlautbarung die sich mit der Haltung zu einem etwaigen Verbot der NSDAP befaßt, ganz unzweideutig dahin zum Ausdruck gebracht:

,,. . . und so wollen wir nur sagen, daß die sozialdemokratischen und anderen Parteibonzen schon sehr schnell erfahren würden, was die NSDAP auch im Zeichen des Verbots für die Entwicklung der nationalen Revolution zu leisten fähig ist. Die politische Arbeit in der Illegalität schreckt uns nicht. Wir haben heute genügend Männer aus der KPD und der SPD in unseren Reihen, die hinsichtlich politisch illegaler Arbeit durch eine ganz anständige Schule gegangen sind. Das können die Herren Braun und Konsorten, wie gesagt, so schnell spüren, wenn sie’s danach gelüstet.“

Die gleichen Gedankengänge und Pläne werden auch sonst wiederholt von führenden Nationalsozialisten vertreten. So erklärte der Gauführer Reichstagsab­geordneter Wagner, Bochum, in einer öffentlichen Versammlung der NSDAP am 28. Juni 1930 in Hamm-Westf.:

„Unsere SA lebt und wird ewig leben. Wenn die Partei verboten wird, dann werden wir illegal Weiterarbeiten.“

In einer nationalsozialistischen Versammlung am 10. Juli 1930 im Schießwerder­saal in Breslau erklärte der gleiche Wagner:

„Wir lassen uns von niemandem in der Fortführung des Kampfes um die Macht in Deutschland hindern. Bis heute führen wir den Kampf legal und wir wollen nicht davon abweichen. Wenn Ihr uns aber zwingt, dann führen wir ihn illegal. Und dann sollt Ihr einmal sehen! Denn für uns steht eins höher, tausendmal höher als ein Ministerialerlaß, tausendmal höher als eine Polizeibehörde, die Verpflich­tung, das letzte zu tun, um das Schicksal Deutschlands zu wenden. Davon kann uns kein Mensch herunterbringen.“

Und am 18. Juli 1930 verkündete der Bezirksleiter Schmidt in einer Versammlung der NSDAP in Hameln:

„Wenn man versuchen würde, die Partei zu verbieten, würde diese mit illegalen Mitteln Weiterarbeiten. Man würde keine Stunde Ruhe mehr vor ihnen finden.“

Nichts anderes bedeutet es schließlich, wenn der oberste Sturmabteilungsleiter v. Pfeffer am 28. November 1928 an einen Unterführer in Köln schreibt:

..Die Kameradschaft der SA-Formationen muß daher derartig feste Formen annehmen, daß an ihrem granitenen Wall alle Polizeiverbote, alle sonstigen Schikanen abprallen. „

oder wenn Hitler am 2. Mai 1930 in der Massenversammlung im Berliner Sportpalast nach dem Bericht des „Völkischen Beobachter“ Nr. 107 vom 7. Mai 1930 verkündet:

„Das alte Deutschland ist verkalkt und abgeschlossen. Wir haben Tausenden die Möglichkeit gegeben, zum Volke zu sprechen. Überall schälen sich neue Kräfte heraus, die man nicht kannte und die nun da sind und unser Volk aufrütteln. Und Hunderttausende sind ebenso bereit, zu gehorchen, wie sie den Mut haben zu befehlen. Wir bauen hart und rücksichtslos den neuen Staat auf. Und alle die Männer in unseren Reihen wollen nicht wählen, sondern wollen, daß einer befehle. Wir sind auch bereit, zu erklären: ‚Wir tun. was wir wollen, wir haben den Mut. jeder Gewalt die Stirne zu bieten.‘“

  • Rechtliche Würdigung

Hiernach kann es keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß die Führer der NSDAP sich durchaus bewußt sind, bei der Verfolgung ihrer Pläne auf den Widerstand der republikanischen Regierung zu stoßen, und daß sie den festen Willen haben, die sich ihnen in den Weg stellenden Gegenmaßregeln der Behörden, z. B. solche Vereins- und versammlungspolizeilicher Art, mit „illega­len“ Mitteln zu überwinden und zu entkräften.

Nach § 129 StGB ist aber die Teilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Maßregeln der Verwaltung durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, strafbar. Dieser Tatbestand ist hier gegeben. Als ungesetzliche Mittel sind nach allgemeiner Ansicht in Rechtspre­chung und Literatur[5] alle Mittel anzusehen, die gegen irgendeinen Rechtssatz verstoßen, auch wenn dieser Rechtssatz im Einzelfalle nicht durch eine Strafan­drohung geschützt ist.

Die ungesetzlichen Mittel müssen allerdings zweckgebunden sein; sie müssen dazu dienen, Maßnahmen der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen zu verhindern oder zu entkräften. Verlangt wird also eine Art von Widerstand gegen die Staatsgewalt[6]. Diese Zweckbestimmung liegt hier vor. Die angekündigte Illegalität, d. h. die Nichtbeachtung z. B. einer vereinspolizeilichen Auflösung, soll dazu dienen, durch Ungehorsam gegen diese Maßnahme der Behörden den – dann verbots- und gesetzwidrigen – Fortbestand der Organisation im Interesse der gemeinsamen Weiterverfolgung ihrer Ziele und Pläne zu gewährleisten und im geheimen organisatorisch weiter zu arbeiten.

Als Maßregeln der Verwaltung im Sinne des § 129 StGB sind übrigens alle Maßregeln sowohl allgemeiner Natur als auch Verfügungen anzusehen, die in einem besonderen Falle gegenüber einem einzelnen getroffen werden[7]. Es braucht sich hierbei auch nicht um die Verhinderung oder Entkräftung bereits getroffener Maßregeln zu handeln, sondern es genügt, daß die Ergreifung solcher Maßnahmen im Hinblick auf die von der Verbindung drohenden Gefahren erst noch bevor­steht[8]. Um den Widerstand gegen eine solche zwar noch nicht getroffene, aber erwartete Maßnahme der Regierung, der die NSDAP mit ungesetzlichen Mitteln entgegenzutreten gewillt ist, handelt es sich bei der Ankündigung des Widerstan­des gegen ein Verbot der NSDAP. Daß bereits die Entkräftung bestimmter Maßregeln bezweckt ist, ist zur Erfüllung des Tatbestandes des § 129 StGB nicht erforderlich.

Es handelt sich bei den behandelten Äußerungen nicht um solche irgendwelcher unmaßgeblicher Mitglieder, sondern um das im Zusammenhang mit dem Parteile­ben geübte Verhalten von Parteiangehörigen, die statutengemäß und tatsächlich eine führende Rolle spielen; es handelt sich also nicht um Sonderansichten. Das erörterte Vorgehen gegen staatliche Anordnungen ist vielmehr Zweck bzw.

Beschäftigung der NSDAP. Zweck ist nach allgemeiner Ansicht das Ziel, das die Verbindung anstrebt, der Beweggrund, der allein oder mit anderen zur Gründung oder Fortsetzung der Verbindung Anlaß gegeben hat. Er braucht nicht alleiniger Zweck und nicht Endzweck zu sein. Eine Entscheidung der Streitfrage, ob dieser Zweck statutenmäßig oder sonst ausdrücklich gesetzt sein muß, oder ob es auf das tatsächliche Vereinsleben ankommt, ist hier nicht erforderlich, da dem Zweck die Beschäftigung gleichgestellt ist. Beschäftigung aber ist die nicht ausdrücklich ausgesprochene, aber in der Tätigkeit der Verbindung hervortreten­de und tatsächlich erkennbare Bestimmung[9]. Eine solche Bestimmung liegt hier vor.

Hiernach ist die NSDAP als staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 129 StGB anzusehen; wer an einer solchen Verbindung teil­nimmt, verstößt gegen das Strafgesetz des § 129 StGB.

  1. Die Partei als republikfeindliche Verbindung

im Sinne von § 4 Nr. 1 Rep. Sch.Ges.[10]

  1. Das staatspolitische Ziel der NSDAP

Das staatspolitische Ziel der NSDAP hat bisher eine positiv scharfe und klare Formulierung noch nicht gefunden. Aus allen Äußerungen ist nur ersichtlich, daß die Partei ihr Ziel in der Errichtung des nationalsozialistischen ,,Dritten Reiches“ erblickt und im übrigen eine scharfe Gegnerin der verfassungsmäßigen Staatsform des Deutschen Reiches und seiner Länder ist, wie sie sich auf Grund der Weimarer Verfassung entwickelt hat. Diese grundsätzlich zunächst negative Einstellung hat Adolf Hitler bereits in seinem Buche „Mein Kampf“[11] mit folgenden Worten zum Programm erhoben:

„Wenn man also versuchen will, das ideale Bild eines völkischen Staates in die reale Wirklichkeit zu überführen, dann muß man, unabhängig von den bisherigen Mächten des öffentlichen Lebens, nach einer neuen Kraft suchen, die gewillt und fähig ist, den Kampf für ein solches Ideal aufzunehmen. Denn um einen Kampf handelt es sich hierbei, insofern die erste Aufgabe nicht heißt: Schaffung einer völkischen Staatsauffassung, sondern vor allem: Beseitigung der vorhandenen jüdischen. Wie so oft in der Geschichte liegt die Hauptschwierigkeit nicht im Formen des neuen Zustandes, sondern im Platzmachen für denselben.“

Diese negative Einstellung ist bis heute das hervorstechende Kennzeichen der Partei geblieben. Das positive Bild der völkischen Staatsauffassung, deren Grundprinzip in der völligen Ablehnung des parlamentarischen Systems liegt, zeichnet Hitler nur in groben Umrissen folgendermaßen[12]:

„Der völkische Staat hat, angefangen bei der Gemeinde bis hinauf zur Leitung des Reiches, keinen Vertretungskörper, der etwas durch Majorität beschließt, sondern nur Beratungskörper, die dem jeweilig gewählten Führer zur Seite stehen und von ihm in die Arbeit eingeteilt werden, um nach Bedarf selber auf gewissen Gebieten wieder unbedingte Verantwortung zu übernehmen, genau so wie sie im größeren der Führer oder Vorsitzende der jeweiligen Korporation selbst besitzt.

Der völkische Staat duldet grundsätzlich nicht, daß über Belange besonderer, zum Beispiel wirtschaftlicher Art, Menschen um Rat oder Urteil befragt werden, die auf Grund ihrer Erziehung und Tätigkeit nichts von der Sache verstehen können. Er gliedert deshalb seine Vertretungskörper von vornherein in politische und berufliche stän­dische Kammern.

Um ein ersprießliches Zusammenwirken beider zu gewährleisten, steht über ihnen als Auslese stets ein besonderer Senat.

In keiner Kammer und in keinem Senat findet jemals eine Abstimmung statt. Sie sind Arbeitseinrichtungen und keine Abstimmungsmaschinen. Das einzelne Mitglied hat beratende Stimme, aber niemals beschließende. Diese kommt aus­schließlich nur dem jeweils dafür verantwortlichen Vorsitzenden zu.“ Daß das Staatsbild der Nationalsozialisten jedenfalls grundsätzlich verschieden von den Grundsätzen der Weimarer Verfassung ist, zeigt auch in treuer Anlehnung an den Führer Hitler der jetzige Reichspropagandaleiter Dr. Goebbels in einer im Verlag der Nationalsozialistischen Briefe erschienenen Propagandaschrift „Der Nazi-Sozi“, in der er folgendes Bild der Ausgestaltung des Staates nach der Eroberung der Macht durch die Nationalsozialisten zeichnet:

„An die Stelle des Parteienparlaments der Demokratie tritt das Wirt­schaftsparlament des nationalsozialistischen Staates. Dieses wird gewählt vom gesam­ten schaffenden deutschen Volk nach dem allgemeinen gleichen Wahlrecht. Aber bei dieser Wahl schichtet sich das Volk nicht nach parlamentarisch-demokrati­schen Parteien, sondern nach den großen Berufsständen innerhalb der Volksgemein­schaft. Der bis ins kleinste organisierte Berufsstand bietet die Gewähr dafür, daß jedem schaffenden Deutschen das Recht zuteil wird, auf das er kraft seines Willens, seiner Leistungen und seiner Verantwortlichkeit im Staate Anspruch hat. Das Wirtschaftsparla­ment treibt nur Wirtschafts-, keine Staatspolitik.

An seine Seite tritt der Senat. Er setzt sich aus etwa 200 Persönlichkeiten zusammen, die vom Diktator aus allen Schichten und Ständen des Volkes zur Leitung der Geschicke des Staates berufen werden. Diese 200 werden die Elite des gesamten Volkes darstellen. Sie stehen der Regierung mit Rat und Tat zur Seite. Sie werden auf Lebenszeit bestimmt. Bei Todesfall ergänzen sie sich durch eigene Zuwahl. Aus dem Senate heraus wird der Kanzler gewählt. Er trägt für die gesamte Politik des Reiches nach innen und außen die volle Verantwortung. Er ist bereit, für diese Politik im Falle sein Leben zu lassen. Der Kanzler bestimmt sich selbst seine Minister und Mitarbeiter. Auch für sie übernimmt er die volle Verantwortung, woraus von selbst folgt, daß er sie beliebig ein- und absetzen kann.

Ob dieses Regierungssystem seine Spitze in einem Präsidenten oder in einem Monarchen findet, ist dann nicht mehr wesentlich. Der Kanzler ist ausschlaggebend, und daß er ein Kerl ist, dafür werden wir schon zu sorgen wissen.“

  • Untergrabung der republikanischen Staatsform

Um den Boden für die Errichtung des von ihr geplanten Staates mit seiner in ihren Grundzügen gekennzeichneten, der republikanischen Staatsform Deutschlands völlig entgegengesetzten Verfassung vorzubereiten, führt die NSDAP den Kampf gegen die Verfassung von Weimar in erbittertsten Formen. Ein Blick in die nationalsozialistische Presse und ein Besuch nationalsozialistischer Versammlun­gen zeigt, was täglich in dieser Beziehung an gemeinsten Beschimpfungen und Verleumdungen geleistet wird. Zumeist wird die Republik nur unter Hinzufügung eines Beiwortes erwähnt, das dazu bestimmt und geeignet ist, sie zu beschimpfen und bei den Lesern oder Hörern herabzusetzen. So heißt es im Völkischen Beobachter vom 1./2. Januar 1928 in einem Aufruf Adolf Hitlers zum Jahreswech­sel:

„Innen- und außenpolitisch ist dies Jahr eine einzige Anklage gegen die verantwortlichen Staatsmänner und Parteien der Novemberrepublik.“

Das gleiche Bestreben, die republikanische Verfassung herabzusetzen, verfolgt der Oberst a. D. Konstantin Hierl, einer der Militärsachverständigen der NSDAP, wenn er in Heft 3 der Nationalsozialistischen Monatshefte, das unter dem Titel „Deutscher Wehrgeist“ Wehrfragen behandelt, auf S. 130 von der ,,jüdisch durchsetzten Deutschen Republik“ spricht, in der „jährlichen Tausende von Kriegsinvaliden zu Verzweiflung und Freitod getrieben“ werden.

In ähnlich herabwürdigender Weise äußert sich der Reichstagsabgeordnete Dreher in einer NSDAP-Versammlung in Stuttgart am 11. September 1929:

„Die Deutsche Republik, von der man nicht sagen darf, daß sie eine Geldsackrepublik sei, muß mit allen Mitteln bekämpft werden.“

In einem Artikel des „Angriff“, der die Reichsfinanzreform unter der Überschrift: „Betrüger-Republik fordert Opfer“ glossiert, heißt es:

„Dieser Staat hat doppelt kein Recht, von den Staatsbürgern Opfer zu fordern, denn auch diesmal geht es wieder darum, sie bewußt zu belügen und zu betrügen.“

Im „Nazi-Sozi“[13] bemerkt Goebbels:

„. . . Eine schlechtere Staatsform als unsere heutige sogenannte Republik gibt es wohl kaum. Das ist gar keine Republik. Das ist ein internationales Ramschgeschäft, in dem die versteigernden Ausrufer und die meistbietenden Hebräer sich Staatsmänner und Kommis­sare nennen.“

Ebenso sagt Dr. Goebbels in Nr. 17 des „Angriff“ vom 22. April 1928 im Artikel „Hinein in den Staat“:

„Man kann nicht staatsgefährlich sein, wenn es keinen Staat gibt. Zeige mir den Staat, dem wir gefährlich werden. Meinst du dieses Jammergebilde? Jawohl, dem sind wir gefährlich. Die Kolonie muß beseitigt werden, um dem kommenden Staate Platz zu machen. “

Und im April 1929 wendet sich Gregor Straßer in Breslau mit folgenden Worten gegen Demokratie und Republik:

„Schuld an dem Unglück trägt die Republik, die Demokratie. Unter denen, die heute Minister sind, war einer General, die anderen Drückeberger. Es wird jetzt viel von Diktatur gesprochen. Die kommende Diktatur ist die Diktatur der Frontsoldaten und nicht die Diktatur des Hühneraugenoperateurs (Hilferding aus Wien).“ Den gleichen Zweck verfolgt die Berliner Ausgabe des Völkischen Beobachters vom 28. 8. 1930, wenn sie einen Bericht über die Verhaftung eines Nationalsozialisten mit der Überschrift: „Nationalsozialist in Ketten durch die Straßen der Republik geführt“, versieht.

Das Bestreben, die Republik dadurch verächtlich zu machen, daß man ihre Schöpfer, also jene politischen Kreise, die im November 1918 die Zügel ergriffen und so den Wiederaufbau des Staates und damit auch die Schaffung seiner neuen verfassungsmäßigen Grundlage ermöglicht haben, als Verbrecher hinstellt, wird auch im „Völkischen Beobachter“ vom 14. März 1930 gemacht:

„Wir erklären als Spitzenorganisation des kommenden Reichs, daß wir nicht ruhen und rasten werden, bis mit den Novemberverbrechern auch die Verbrecher vom 12. März 1930 von einem deutschen Staatsgerichtshof abgeurteilt werden.“

Die gleiche Absicht verfolgt ein Befehl des SA-Führers Oberleutnant a. D. v. Fichte in Kassel an die ihm unterstellten SA-Führer vom 5. 9. 1929, worin es heißt:

„Es ist lächerlich unlogisch, einen Burschen umzubringen, der eine Kanone verraten hat, während nebenan in höchsten Würdenstellen Kanaillen sitzen, die ein ganzes Reich verraten, zwei Millionen Tote auf dem Gewissen haben, Millionen Krüppel auf dem Gewissen haben, dabei aber seelenruhig ihre republikanischen Geschäfte machten. Kleine Landesverräter beseitigen ist sinnlos in einem Staat, dessen Regierung selbst diese Landesverräter von jeder Strafe befreit. Im übrigen ist in dieser Frage meine Stellungnahme die, daß man nicht kleine Diebe hängen soll, um große laufen zu lassen; sondern, daß einst ein deutscher Nationalgerichtshof etliche Zehntausend der organisierenden und damit verantwortlichen Verbrecher des Novemberverrats und alles dessen, was dazu gehört, abzuurteilen und hinzurichten hat . . .“

Bezeichnend sind auch Äußerungen, die es so darzustellen versuchen, als sei die republikanische Staatsform an sich vielleicht nicht schlecht; aber in Deutschland habe sie eine Gestalt erhalten, die jeder gute Deutsche ablehnen und bekämpfen müsse. So führt Dr. Goebbels im „Angriff“ Nr. 8 vom 26. 1. 1930 in einem Artikel „Zur Befriedung des öffentlichen Lebens“ aus:

„Niemand wird im Ernst etwas gegen eine republikanische Staatsform haben, wenn sie Schutz und Schirm eines wahrhaft deutschen Volkstums ist.“

und

„Wer von Euch würde nicht mit Freuden dieser Republik dienen, wäre sie ein Staat der nationalen Ehre und Würde, wäre sie nicht aus der Kapitulation, sondern aus dem Widerstand heraus geboren worden.“

In den „Nationalsozialistischen Briefen“ vom 15. 3. 1930 steht aus der Feder Karl O. Paetels:

„Keinen Mann diesem System, wenn es Schwierigkeiten hat! Jede Schwächung des Systems ist eine Chance für uns! Und wenn die Spießer dreimal „Bolschewismus“ zetern und für die Nippes ihrer Kommoden zittern, was schiert uns das? Dieser Staat geht uns nichts an. Er mag sich selber schützen. Wir warten auf einen anderen Tag . . .“

Im Heft 23 des 4. Jahrgangs Seite 371 der „Nationalsozialistischen Briefe“ wird schließlich der Wille zum Kampf gegen das republikanische System durch Unterhöhlung seiner Grundlagen in folgende Ausführungen zusammengefaßt:

„Da war nicht eine Partei, nicht eine Zeitung, die auch nur geahnt, geschweige erkannt hätte, daß in uns die Revolution marschiert, jene Revolution des 20. Jahrhunderts, 110

die eine grundstürzende und grundlegende Umwälzung im gesamten Le­bensbild der Gegenwart, wie es durch die große französische Revolution entstanden ist, hervorruft, eine Umwälzung, die ebenso das gesamte seelisch-kulturelle, wie geistig­staatliche, wie leiblich-wirtschaftliche Leben mit allen Formen umfaßt und auf allen drei Ebenen neuen Formen zum Durchbruch hilft, die in allem das pendelgesetzliche Gegen­stück sein werden der heutigen.

Denn dies und nichts anderes ist der Nationalsozialismus: als die revolutionäre Erfüllung des ewigen Gesetzes der dreieinigen Bipolarität, als die revolutionäre Ablösung des Liberalismus von 1789 in Kultur, Staat und Wirtschaft (Rationalität, internationalistische Demokratie und Kapitalismus), als die revolutionäre Neugeburt des Konservativismus in Kultur, Staat und Wirtschaft (Völkische Idee, Nationalismus, Sozialis­mus)!

Die Revolution also gegen das bestehende System schlechthin! Damit ist ein für allemal unsere politische Haltung sowie Möglichkeit und Umfang unserer politischen Taktik bestimmt: Alles, was der bestehenden Ordnung der Dinge schädlich ist, findet unsere Unterstützung; alles, was geeignet sein könnte, diese gegen­wärtige Ordnung der Dinge, die nach unserer Ansicht eben eine tödliche Unordnung ist, zu verlängern, findet unsere Bekämpfung.“

Wenn, wie z. B. auch in dem soeben erörterten Artikel häufig von dem „System“ die Rede ist, das bekämpft und beseitigt werden müsse, so bedeutet diese Formulierung nur eine aus taktischen Erwägungen gewählte Verschleierung des Angriffsobjektes; es soll damit durchaus nicht etwa nur die Anwendung und Auslegung der einzelnen Verfassungsbestimmungen durch die jeweilige Regie­rung, sondern das verfassungsmäßige parlamentarisch-demokratische, republika­nische Grundprinzip selbst getroffen werden. Wer den nationalsozialistischen Angriff in seinen mannigfachen Erscheinungsformen in der Gesamtheit würdigt, kann an dieser Erkenntnis ebensowenig vorübergehen, wie auch die gewollte Wirkung von den Lesern und Hörern nicht verkannt, sondern als das angesehen wird, was sie in Wahrheit sein will: Kampf gegen die parlamentarisch-demokrati­sche, republikanische Staatsform selbst.

Und wenn in einem Aufsatz „Zehn Gebote für jeden SA-Mann“ von Dr. Goebbels im 24. der „Nationalsozialistischen Briefe“ vom 15. September 1926 die Richtschnur erteilt wird: Wenn’s nicht anders geht, füge dich der Staatsgewalt. Aber tröste dich: wir rechnen später einmal ab,

so wird damit – neben der Aufforderung, dort, wo es geht, der Staatsgewalt Widerstand zu leisten – zugleich zum Ausdruck gebracht, daß der Nationalsozialis­mus, wenn er im Augenblick noch der Staatsmacht zu weichen gezwungen ist, doch unter dem Gesichtspunkte einer höheren Gerechtigkeit sich gegenüber den herrschenden Gewalten im vermeintlichen sittlichen Rechte wisse. Ganz klar spricht das der Gauleiter Helmuth Brückner im 33. der „Nationalsozialistischen Briefe“ vom 1. Februar 1927 mit den Worten aus: „Volksrecht steht wider Staatsrecht.“

Der Kampf richtet sich naturgemäß auch gegen wesentliche Bestandteile der Deutschen Republik. So heißt es im Nationalsozialistischen Jahrbuch für das Jahr 1929 (S. 167) in einer Abhandlung des preußischen Landtagsabgeordneten Heinz Haake über „Parlamentarismus oder Diktatur?“:

„Wenn das Parlament bereits vor dem Kriege die Hauptschuld trug an dem nachherigen vollständigen Zusammenbruch des Reichs, so sehen wir, wie es nach 1918 zu einer Institution ausartet, deren Aufgabe es ist, den Zusammenbruch der Nation zu einem endgültigen zu gestalten. Unter einer anderen Staatsform wäre es immerhin möglich, die großen staatserhaltenden Massen des Volkes zu erfassen, um sie in Notzeiten einem einheitlichen Ziel entgegenzuführen. Das Wesen des Parlamen­tarismus jedoch verhindert nicht nur diese einheitliche Führung, sondern trägt die Schuld daran, daß nunmehr in Deutschland ein Kampf aller gegen alle und des einzelnen gegen den einzelnen um das tägliche Brot ent­brennt . . .

… so muß die erste Tat der Vernichtung des jüdisch-demokratischen Parlamentarismus gelten.“

Im Nationalsozialistischen Jahrbuch 1927 S. 124 schreibt der jetzige thüringische Innenminister Dr. Frick:

,,. . . Unsere Beteiligung am Parlament bedeutet nicht Stärkung, sondern Unterhöhlung des parlamentarischen Systems, nicht Verzicht auf unsere antiparlamenta­rische Einstellung, sondern Bekämpfung des Gegners mit seinen eigenen Waffen und Kampf für unsere nationalsozialistischen Ziele auch von der Parlamentstribüne aus. Unser nächstes Ziel bleibt immer die Eroberung der politischen Macht im Staat, sie ist die Voraussetzung für die Verwirklichung unserer Ideale. Dazu ist aber vor allem eine intime Kenntnis des verwickelten Mechanismus des modernen Staatsapparates und seiner treibenden Kräfte notwendig, will man sie einst beherrschen. Diese Kenntnis erwirbt man am besten im Parlament.“

M. d. R. Gottfried Feder führt in Heft 1 der nationalsozialistischen Bibliothek aus:

„…daß mit dem Unfug des parlamentarisch-demokratischen Wahlrechts aufgeräumt werden wird, ebenso, wie man sich dann nach der Übergangszeit einer Diktatur über die äußere Staatsform und das innere staatliche Gefüge der Länder klar werden muß.“ Der Landtagsabgeordnete Roth-Liedolsheim führte im November und Dezember 1929 in mehreren Versammlungen aus:

,,Das parlamentarische System ist nichts weiter als ein staatlich genehmigter Unfug und ein jüdischer Kuhhandel. Wissen Sie den Unterschied zwischen dem parlamentarischen System und einer Wursthaut? Beides ist für die Katz!“

Eine andere Methode des Kampfes gegen die Republik wird in dem bereits erwähnten Heft 3 der Nationalsozialistischen Monatshefte von Wilhelm Weiss angewandt, der sich hier auf S. 131ff. eingehend mit dem „General Groener“ beschäftigt. Daß diese den Reichswehrminister verächtlich machende Abhandlung sich nicht gegen den Reichswehrminister persönlich, sondern gegen ihn als Repräsentanten der demokratischen Republik richtet und damit den Zweck verfolgt, die republikanische Staatsform, die Groener zum Reichswehrminister gemacht hat, zu untergraben, ergibt sich aus folgenden Ausführungen (S. 134): „Generäle, die kampflos vor ihren meuternden Soldaten kapitulieren, pflegen im Buch der Geschichte im allgemeinen nicht rühmend erwähnt zu werden. In der Deutschen Republik werden sie Minister.“

Auf die Republik ist es daher auch abgestellt, wenn es auf der folgenden Seite vom Reichswehrminister heißt:

daß „seine Fähigkeit, den Strudeln der parlamentarischen Ministerkrisen geschickt auszuweichen, größer ist wie sein Mut, die Ehre des deutschgesinnten Frontkämpferge­schlechtes vor dem Forum berufsmäßiger Antimilitaristen und Femehetzer zu verteidigen. “

Hierzu ist zu bemerken, daß mit dem ,,Forum berufsmäßiger Antimilitaristen und Femehetzer“ der Reichstag getroffen werden soll. Die fast in jeder Nummer der nationalsozialistischen Zeitungen und fast in jeder nationalsozialistischen Ver­sammlung erfolgenden Angriffe gegen Minister und sonstige Repräsentanten der Republik richten sich – auch wenn das im Einzelfall nicht besonders zum Ausdruck gebracht wird – weniger gegen sie als Personen, als vielmehr gegen sie als „Vertreter des Systems“, also gegen die republikanische Staatsform. In dem eben erwähnten Jahrbuch (S. 181) betont dies der Vorsitzende der nationalsoziali­stischen Landtagsgruppe in Preußen, Wilhelm Kube, ausdrücklich, indem er schreibt:

„Für uns sind die Braun, Becker, Severing, Grzesinski, Weiß usw. zu unwesentlich, als daß wir sie als Personen, geschweige denn als Persönlichkeiten irgendwie hervorzuheben brauchten. Sie sind Typen eines Systems.“

Hiermit steht es nur im Einklang, wenn die Hitlerjugend die in Verfolg ihres Aufnahmegesuches in den Reichsausschuß der deutschen Jugendbewegung an sie gerichtete satzungsgemäße Frage, ob die Hitlerjugend sich bereit erkläre, mit den anderen Verbänden gemeinsam zu arbeiten und unbeschadet ihrer grundsätzli­chen Einstellung den bestehenden Staat und seine Organe zu achten, zu bejahen, ablehnte.

  • Rechtliche Würdigung

Die so gekennzeichnete Kampfesweise der NSDAP richtet sich – im ganzen genommen – gegen die verfassungsmäßige parlamentarisch-demokratische, repu­blikanische Staatsform des Deutschen Reiches und der deutschen Länder. Wenn das Gesetz zum Schutze der Republik der verfassungsmäßigen Staatsform Schutz gewährt, so will es in dieser nicht nur einbegriffen sehen die durch die einzelnen Verfassungsbestimmungen erfolgte rechtliche Ausgestaltung der äußeren Verfas­sungsform, etwa dergestalt, daß nur solche Angriffe von ihm getroffen würden, welche die gegenwärtig geltende Verfassung in rein rechtlicher Beziehung als mangelhaft, ungerecht oder unheilvoll verurteilen; der Schutz erstreckt sich vielmehr unter der gewählten Bezeichnung auf den Ideen- und Gedanken­kreis, der in der geltenden Verfassung seinen rechtlichen Nieder­schlag gefunden hat, in der Ausprägung, die er durch die verfas­sungsmäßig berufene Regierung auf Grund der Verfassungsbestim­mungen unter der Billigung der maßgebenden Volkskreise in der praktisch politischen Betätigung erhalten hat. Denn der Gesetzgeber verfolgt praktische Zwecke. Solchen würde es aber nur wenig entsprochen haben, wenn er lediglich der äußeren Rechtsform der Verfassung, soweit sie unmittelbar den Gegenstand von Angriffen bildet, Schutz gewähren wollte; erfahrungsgemäß sind Angriffe solcher Art ohne tiefere Wirkung auf weitere Volkskreise. Sie sind auch nur ausnahmsweise dazu angetan, den Geist der Auflehnung und die Neigung zu Gewalttätigkeiten hervorzurufen, auf deren Bekämpfung es dem Gesetzgeber bei dem Erlaß des Schutzgesetzes gerade ankam. Unter der verfassungsmä­ßig festgestellten republikanischen Staatsform des Reiches ist viel­mehr die deutsche Republik zu verstehen, wie sie sich auf der Grundlage der Verfassung tatsächlich entwickelt hat und betätigt[14].

Gegen die republikanische Staatsform in diesem Sinne wollen die Nationalsoziali­sten ankämpfen, wenn sie von der „jüdisch-durchsetzten Deutschen Republik“, von der „Geldsackrepublik“, von dem Staat, dem es darum gehe, die Staatsbürger „bewußt zu belügen und zu betrügen“, von der Demokratie und der Republik, die die „Schuld an dem Unglück“ tragen, sprechen, oder wenn sie die Republik als Werk von „Verbrechern“ hinstellen, wenn sie zum Ausdruck bringen, daß es zu ihrem Wesen gehöre, den „Schutz des wahrhaft deutschen Volkstums“ und die „nationale Ehre und Würde“ zu vernachlässigen, daß sie eine „tödliche Unord­nung“ darstelle und daß man sich ihr überhaupt nur zu fügen brauche, wenn es gar nicht mehr anders gehe. Zur verfassungsmäßig festgestellten Staatsform in diesem Sinne gehören auch alle ihre wesentlichen Kennzeichen, also diejenigen in der Verfassung niedergelegten Einrichtungen, in denen der republikanische Gedanke seinen besonderen Ausdruck findet.

Die Beschimpfung, Verleumdung und Herabsetzung der Deutschen Republik, ihrer Repräsentanten, Symbole und charakteristischen Einrichtungen stellen nach Zahl, Art und Urheber ein planmäßiges, gegen die Grundlagen der staatlichen Ordnung gerichtetes Vorgehen dar, das bewußt darauf abzielt und auch geeignet ist, die verfassungsmäßige Staatsform in dem erörterten weiteren Sinne zu erschüttern und so den Boden für den von der NSDAP geplanten völligen Umbau der verfassungsmäßigen Zustände vorzubereiten. Die gesamte Tätigkeit der NSDAP in ihrer Presse, in ihren Versammlungen, in ihrer Propaganda, in der Tätigkeit ihrer Abgeordneten in den Reichs-, Länder- und Gemeindeparlamenten ist bewußt, planmäßig und hartnäckig diesem Ziel gewidmet. Damit kennzeichnet sich dieses Vorgehen als Untergraben im Sinne von § 4 Ziff. 1 RepSchGes. Untergraben verlangt ein nicht überstürztes planvolles Handeln, das die Grundlagen der staatlichen Ordnung und ihre Verteidigungsmittel allmählich so erschüttert, daß eine erhöhte Gewähr für den Erfolg des Schlußangriffs besteht. Welche Angriffsmittel sich eine in dieser Weise vorgehende, die Beseitigung der Verfassung erstrebende Verbindung im Laufe der fortschreitenden Entwicklung bedient, hängt naturgemäß jeweils von den Erfordernissen der augenblicklichen Lage ab[15]. Jedenfalls gehört zum „Untergraben“ weder eine gewaltsame noch eine unterirdische sog. Maulwurfstätigkeit. Untergraben kann vielmehr jede, eine gewisse Dauer in sich schließende Tätigkeit sein, mag sie, für sich betrachtet, gesetzlich oder ungesetzlich sein. Für die vorliegende Betrachtung ist es daher auch unerheblich, ob die einzelnen Angriffe, für sich betrachtet, schon den Tatbestand einer strafbaren Handlung insbesondere nach § 5 Abs. 1 RepSchGes erfüllen oder nicht[16].

Das als Untergraben der verfassungsmäßig festgestellten Staatsform erörterte Verhalten stellt im übrigen nicht etwa Seitensprünge einzelner Mitglieder der NSDAP dar, sondern wird gerade von den maßgeblichen Führern und Organen der Partei in ständiger Wiederholung geübt. Es muß daher der Partei als solcher zur Last gelegt werden und kennzeichnet sich damit als Bestrebung der Partei im Sinne des § 4 Ziff. 1 des RepSchGes. Daß es sich dabei um ein Verhalten handelt, das – selbstverständlich – nicht in der Satzung ausdrücklich als Bestreben der Partei genannt ist, spielt ebensowenig eine Rolle wie der Umstand, daß es auch nicht das alleinige und nicht das Endziel der Partei ist[17].

Die NSDAP ist hiernach eine Verbindung, die die Bestrebung ver­folgt, die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staats­form zu untergraben. Da sie – wie zu II erörtert – gleichzeitig eine staatsfeindliche Verbindung im Sinne von § 129 StGB darstellt, fällt sie unter die Bestimmung des § 4 Nr. 1 RepSchGes, wonach die Teilnahme an einer solchen Verbindung mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft wird.

  1. Die Partei als hochverräterische Verbindung
  2. Gewaltsamer Umsturz als Ziel (Revolution – Diktatur)
  3. Die Partei und der Hitlerputsch 1923

Die NSDAP erstrebt seit ihrer Gründung die gewaltsame Änderung der Verfassung des Deutschen Reiches. Schon in seiner Schrift „Mein Kampf“[18] schreibt Hitler, daß es nicht angehe, an einem bestehenden Zustand positiv mitzuarbeiten. Die von ihm aufgezeigte Weltanschauung müßte im Gegenteil die Verpflichtung in sich fühlen, diesen ,,mit allen Mitteln (!) zu beseitigen und seinen Umsturz vorzubereiten“.

Den ersten Versuch, diesen gewaltsamen Umsturz herbeizuführen, hat die Partei unter Leitung Adolf Hitlers und anderer maßgebender nationalsozialistischer Führer am 8. November 1923 beim sog. Hitler-Putsch in München gemacht. Daß es sich hierbei um ein hochverräterisches Unternehmen handelte, ist durch das Urteil des Volksgerichts für den Landgerichtsbezirk München I vom 1. April 1924 festgestellt worden. Das Ziel des Putsches war nach diesem Urteil:

„Vernichtung der Weimarer Verfassung und des durch sie verkörperten parlamentarischen Systems, Austreibung des pazifistischen Geistes, Be­seitigung der Folgen der Revolution von 1918, insbesondere der auf ihr fußenden und in ihrem Geiste tätigen Regierungen, Erkämpfung der Frei­heit durch die nationale Selbsthilfe. Zur Erreichung dieser Ziele sollte die deutsche Frage von Bayern her aufgerollt, eine deutsche Freiheitsarmee unter einer deutschen Regierung in München aufgerufen und der Kampf in ganz Deutschland bis zur Hissung der schwarz-weiß-roten Hakenkreuzfahne auf dem Reichstagsgebäude in Berlin zum Zeichen der Befreiung Großdeutsch­lands durchgeführt werden.“

Hitler wurde durch dieses Urteil wegen vollendeten Hochverrats zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Eine maßgebende Rolle spielten bei diesem Münchener Putsch auch der jetzige thüringische Innenminister Dr. Frick und der jetzige bayerische nationalsozialistische Landtagsabgeordnete Robert Wagner, die wegen des Verbrechens der Beihilfe zum Verbrechen des Hochverrats zu je einem Jahr und drei Monaten Festungshaft verurteilt wurden. Bemerkenswert ist, daß die Anklageschrift bei Frick gleichfalls vollendeten Hochverrat annahm. Das Gericht sah es jedoch nicht als erwiesen an, daß er die in den Tagen vom 6. bis 8. November 1923 gefaßten, die Durchführung des Putsches vom 8. November 1923 betreffenden Entschlüsse gekannt und damit gleichfalls vollendeten Hochver­rat begangen habe. Das Urteil erwägt aber ausdrücklich, daß allerdings eine Reihe von Tatsachen für diese Annahme sprächen, und fährt dann fort:

„Immerhin gibt das alles nur das Recht, schwere Zweifel in das Nichtwissen Fricks zu setzen. Es reicht aber nicht aus zur Feststellung, daß Frick schon vor 8.30 Uhr abends (am 8. November 1923) von den kommenden Ereignissen unterrichtet war.“

Es bestehen daher auch nach Ansicht des Münchener Volksgerichts zumindest schwerwiegende Verdachtsgründe dafür, daß Frick den durch Hitler begangenen Hochverrat als eigene Tat mitgewollt und durchgeführt und nicht nur Beihilfe geleistet hat.

  • Entwicklung seit dem Hitlerputsch

Die NSDAP hat nach dem mißglückten Putsch des Jahres 1923 ihre auf gewaltsamen Umsturz gerichteten Bestrebungen keineswegs aufgegeben. Mit der angespannten Organisations- und Werbetätigkeit, die dem Wiederaufbau der Partei nach der im Frühjahr 1925 erfolgten Entlassung Hitlers aus der Strafhaft diente, begann auch wieder die Propagierung des gewaltsamen Umsturzes.

aa) Zeugnis Hitlers

Der Parteiführer Hitler hat sich zwar seither in öffentlichen Äußerungen, offenbar aus taktischen Gründen, von einer offenen Propagierung der Gewaltanwendung im allgemeinen zurückgehalten. Indes zeigen zahlreiche Anhaltspunkte, daß er, wie er es in seiner Schrift „Mein Kampf“ niedergelegt und im November 1923 bereits einmal praktisch versucht hat, auch weiterhin zum gewaltsamen Vorgehen gegen den bekämpften republikanischen Staat entschlossen ist. So weisen seine Äuße­rungen in einer öffentlichen Versammlung in München am 27. Februar .1925: „Uberzeugungstreue, rücksichtsloser Kampf für das Ideal und das Bewußtsein, daß man, wenn man etwas erreichen will, das Recht hat, jedes Mittel dafür einzusetzen.“

(Völkischer Kurier vom 1./2. März 1925, Folge 58/59) und auf dem Parteitag in Nürnberg vom 19. bis 21. August 1927:

„Wem der Himmel die Majorität der Tatkraft gab, dem hat er auch die Herrschaft gegeben“,

deutlich darauf hin, daß die NSDAP nicht etwa nur damit rechnet, auf legalem Wege, d. h. auf dem Wege über die Gewinnung einer Majorität bei den Wahlen, zur Herrschaft zu gelangen, sondern daß sie auch andere Mittel im Auge hat, wobei letzten Endes auf die nationalsozialistische Diktatur unverblümt hingewiesen wird.

Noch deutlicher drückt sich Hitler in einem Schreiben an die Bundesleitung des Stahlhelm aus, in dem er zu dem vom Stahlhelm Ende 1928 geplanten, auf Änderung der Reichs Verfassung gerichteten Volksbegehren Stellung nimmt[19]. Darin heißt es:

„Durch die demokratische Methode eines sog. Volksbegehrens können kaum die Übelstän­de beseitigt werden, die selbst nur ein zwangsläufiges Ergebnis der Demokratie sind. Ein Volksbegehren zur Wiederherstellung einer tatsächlichen deutschen Staats-Autorität hat meines Erachtens nur dann Sinn, wenn die neue Staats-Autorität durch eine Kraft repräsentiert wird, die der ganzen Nation bereits sichtbar vor Augen steht und die sich durch eigenes Vermögen schon die allgemeine Anerkennung verschafft hat. Es kann sich dann bei einem Plebiszit nur um einen formalen Akt handeln, einer an sich bereits vorhandenen und tatsächlich durchgesetzten Autorität im Staate auch noch zu allem Überfluß die demo­kratische Sanktion zu geben. Ein Königstum. dessen Kraft- und Machtfülle über allen Zweifel erhaben ist, kann sich zur Erledigung auch der letzten, ohnehin nur mehr rein formalen Einwände durch eine allgemeine Vertrauenskundgebung des Volkes eine Bestäti­gung der gesamten Nation einholen, der aber selbst am Ende nur formaler Charakter zukommt. Der Faschismus, der Kraft eigenen Willens, durch eigene Arbeit und durch eigenen Kampf einen neuen Staatsgedanken und eine neue Autorität geschaffen hat, kann heute durch Befragen der italienischen Nation deren unbedingtes Einverständnis mit seinem tatgewordenen Werk feststellen lassen. Würde in beiden angeführten Fällen die Nation einer anderen Überzeugung sein, würde man sie vermutlich überhaupt nicht befragen. Auf alle Fälle aber käme einem eventuellen Nichteinver­ständnis keinerlei praktische Bedeutung zu. Niemals aber könnte über den Weg majoritativer Volksentscheidungen eine wahrhaft königliche Gewalt be­gründet oder gar eine neue Staatsidee und eine neue Staats-Autorität geschaffen werden.

Der Zusammenbruch des Jahres 1918, der den folgenotwendigen Abschluß unserer allgemein langsam fortschreitenden Demokratisierung bildete, kann nicht durch einen Kampf der Demokratie gegen die Demokratie mit demokratischen Mitteln beseitigt werden. Auch in Deutschland wird sich, verkörpert von einer prägnant umrissenen politischen Gewalt ein neuer Staatswille und aus ihm heraus eine neue Staats-Autorität bilden müssen. Es ist möglich, daß diese neue Staatsautorität zur endgültigen Feststellung ihrer tatsächlichen Übereinstimmung mit dem inneren Willen der Nation, diese dereinst um ja oder nein befragt. Es ist aber unmöglich, daß die Nation durch Abstimmung an sich den Prozeß der Bildung einer solchen Staats-Autorität in die Wege leitet, beschleunigt oder auch nur fördert.

Naturen, die zum Herrschen geboren und veranlagt sind, bedürfen in keiner Weise der einleitenden Fürsorge oder Förderung parlamentarischer oder demokratischer Institutio­nen.

Ein Mann aber, der von der Vorsehung – und an diese ist auch hier zu glauben – zum Führer bestimmt ist, wird sich ohnehin sein Handeln niemals durch die lächerlichen Kompetenzen­Grenzen einer Verfassung vorschreiben oder beengen lassen, wenn das Handeln nach der Verfassung zum Ruin des Volkes führen muß. Sollte aber ein im öffentlichen Leben stehender politischer Führer von anderer, also dritter Seite aus zur „Diktatur“ ausersehen sein und nun die Erfüllung dieses Wunsches von der Erweiterung der verfassungsmäßig festgesetzten Rechte abhängig machen, dann soll man den nur gleich zum Teufel jagen und sich nicht von solch einem Schwächling blenden lassen; denn der beweist damit klar und eindeutig, daß ihm die höhere, ihn selbst zwingende Befähigung für diese Mission vollkommen fehlt. Niemals wird ein nicht zum Höchsten berufener Mann, nur durch eine von anderer Seite vorgenommene Erleichterung seines Weges, zu höchsten Entschlüssen und Taten kommen. Denn die letzte Kraft wächst ja gerade im Kampf mit den Widerständen und die größten, entscheidenden Handlungen, die geniale Köpfe dieser Erde ausführten, waren nicht wenig bedingt durch die meist notwendige Vernichtung gegnerischer Kräfte und deren Einrichtungen. So wird auch in Deutschland niemand das Reich von seinen heutigen Verwesungserscheinungen säubern, der sich nicht selbst, von ihnen auf das schwerste bedroht, ihrer erwehren mußte und damit lediglich in deren restloser Vernichtung die Möglichkeit der Verwirklichung der eigenen Ideen sehen kann. Nur die Kampfesentschlossenheit des um das eigene Leben Ringenden führt zur souverä­nen Handlungsfreiheit gegenüber dem Leben anderer. Solange es große Umwälzungen auf der Erde gegeben hat, war es so, und solange es Menschen geben wird, wird es so bleiben, auch wenn die kleinen Vertreter der politischen Alltagsgeschäfte in den politischen Parlamenten dies tausendmal und zu allen Zeiten nicht wahr haben wollten und auch heute nicht wahr haben wollen. Durch das Vertreten der Meinung, daß man auf dem Wege einer durch demokratische Entscheidungen erfolgten Zubilligung verfassungsmäßig größerer Rechte Menschen befähigen kann, Völker­schicksale neu zu gestalten, beweist man nur, wie sehr man schon selbst – wenn auch gänzlich unbewußt – vom Gift der Demokratie angefressen ist und auch aus Angst vor der Kraft der Persönlichkeit lieber die Bedeutung des Amtes fördert.

Ich halte es für totgefährlich, wenn das junge Deutschland sich an solchen Versuchen einer geschichtlichen Augenauswischerei beteiligt.

Als Führer der nationalsozialistischen Bewegung muß ich deshalb, schon aus grundsätzli­chen Erwägungen heraus, den Versuch, durch Teilnahme an dem von der Bundesleitung des Stahlhelms vorgetragenen Volksentscheid eine Korrektur der verfassungsmäßigen Schwächen des heutigen Staates vorzunehmen, ablehnen. Eine solche Verbesserung wäre für die Gegenwart und Zukunft unseres Volkes ohne jede positive Bedeutung, für die Weiterführung des entscheidenden Ringens aber erschwerend.“

Hitler setzt hier zwar in vorsichtiger, aber durchaus eindeutiger Weise auseinan­der, daß es zwischen seiner Staatsauffassung einer Diktatur und der demokra­tisch-republikanischen Staatsverfassung keinerlei Verbindung gebe, daß die von ihm angestrebte Diktatur niemals „über den Weg majoritativer Volksentscheidun­gen“ kommen könne, daß sie vielmehr höchstens rein formal nachträglich eine Vertrauenskundgebung des Volkes herbeiführen könne, wenn die „neue Staatsau­torität“ schon „durch eine Kraft repräsentiert wird, die der ganzen Nation bereits sichtbar vor Augen steht und die sich durch eigenes Vermögen – im Gegensatz zu den majoritativen Entscheidungen – schon die allgemeine Anerkennung verschafft hat“. Hitler spielt damit in nicht mißzuverstehender Weise auf den Weg an, den der italienische Faschismus zur Ergreifung der Macht im Staate gegangen ist. Er bringt klar zum Ausdruck, daß die Diktatur auf dem Wege über die Gewalt erreicht werden soll, daß die Diktatur, um formell staatsrechtlich zu sprechen, eine „souverän-diktatorische“ und keine „rechtsstaatlich-kommissarische“ (im Sinne des Artikels 48 der deutschen Reichsverfassung) sein solle.

bb) Zeugnis Fricks

Dieselben Gedankengänge bringt der nächst Hitler zur Zeit wohl maßgeblichste Repräsentant der NSDAP, der jetzige thüringische Innenminister Dr. Frick, in dem Aufsatz „Die Nationalsozialisten im Reichstag 1925/26“ im Nationalsozialisti­schen Jahrbuch 1927 S. 123/124 mit folgenden Worten zum Ausdruck:

„Es gibt keinen Nationalsozialisten und keinen völkisch Gesinnten, der von der Schwatzbu­de am Königsplatz irgendeine mannhafte, deutsche Tat erwartete und der nicht von der Notwendigkeit einer direkten Aktion aus der ungebrochenen Kraft des deutschen Volkes heraus zu seiner inneren und äußeren Befreiung überzeugt wäre. Aber es ist ein langer Weg dahin! Nach dem Fehlschlag vom November 1923 blieb gar nichts anderes übrig, als von vorn zu beginnen und an der geistigen und willensmäßigen Umstellung der wertvollsten unserer Volksgenossen zu arbeiten als der unerläßlichen Voraussetzung für den Erfolg des kommenden Freiheitskampfes. Nur als Teil dieser Werbearbeit ist auch unsere parlamentarische Tätigkeit zu werten.

Unsere Beteiligung am Parlament bedeutet nicht Stärkung, sondern Unterhöhlung des parlamentarischen Systems, nicht Verzicht auf unsere antiparlamentari­sche Einstellung, sondern Bekämpfung des Gegners mit seinen eigenen Waffen und Kampf für unsere nationalsozialistischen Ziele auch von der Parlamentstribüne aus. Unser nächstes Ziel bleibt immer die Eroberung der politischen Macht im Staat, sie ist die Voraussetzung für die Verwirklichung unserer Ideale. Dazu ist aber vor allem eine intime Kenntnis des verwickelten Mechanismus des modernen Staatsapparates und seiner treibenden Kräfte notwendig, will man sie einst beherrschen. Diese Kenntnis erwirbt man am besten im Parlament.“

Auf dem Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg im August 1927 erklärte Frick:

„Die Nationalsozialisten sehnten den Tag herbei, an dem der bekannte Leutnant mit zehn Mann diesem Teufelsspuk (dem Parlament) das verdiente unrühmliche Ende bereite und die Bahn freimache für eine völkische Diktatur.“

und am 18. Oktober 1929 in einer nationalsozialistischen Versammlung in Pyritz: „Dieser Schicksalskampf wird zunächst mit dem Stimmzettel geführt, er kann aber nicht von Dauer sein; denn die Geschichte hat es uns gelehrt, daß im Kampf Blut fließt und Eisen gebrochen wird. Der Stimmzettel ist der Anfang zu diesem Schicksalskampf . . . Genau so wie Mussolini in Italien die Marxisten ausgerottet hat, so muß es auch bei uns durch Diktatur und Terror erreicht werden.“

Obwohl die NSDAP in der zweiten Hälfte des Jahres 1929 ständig mit einer Auflösung der Partei oder einzelner Nebenorganisationen rechnete, schreibt Dr. Frick trotzdem – wenn auch in sehr vorsichtiger Form – in einem Artikel „Die Nationalsozialisten im Reichstag 1928/1929“ im Nationalsozialistischen Jahrbuch 1930 S. 178:

„Kein Wunder, wenn die Erkenntnis von der Unfähigkeit des parlamentarischen Systems bei der rapiden Verschlimmerung der Lage des deutschen Volkes im ganzen wie der einzelnen Volksgenossen in immer weitere Kreise dringt und der Verzweiflungsschrei nach der Diktatur sogar von den für das heutige System Verantwortlichen laut wird. Sie werden dadurch ihrem Schicksal, vor einem deutschen Staatsgerichtshof einst zur Rechenschaft gezogen zu werden, nicht entgehen.“

Die Drohung mit einem „Staatsgerichtshof“ nach nationalsozialistischem Muster im Falle der Errichtung des „Dritten Reiches“ gegen die Repräsentanten der Republik spielt übrigens in den Gedankengängen und Verlautbarungen nationalso­zialistischer Führer seit einiger Zeit eine besondere Rolle. Da die Verfassungen des Reiches und der Länder (vergl. Artikel 59 Reichsverfassung) schon jetzt eine Ministeranklage vor einem verfassungsmäßigen Staatsgerichtshof vorsehen, bei den nationalsozialistischen Drohungen an dieses verfassungsmäßige Verfahren aber nicht gedacht ist, ein anderes Verfahren aber nach Lage der Dinge nur im Falle eines gewaltsamen Umsturzes in Betracht käme – typische Erscheinung bei gelungenen Revolutionen -, so kommt auch diesen nationalsozialistischen Ankün­digungen über die Einsetzung eines „Staatsgerichtshofs“ die klare und eindeutige Bedeutung eines Bekenntnisses zum gewaltsamen Umsturz zu, auf die die NSDAP hinarbeitet.

cc) Zeugnis Rosenbergs

Bei allem Optimismus können die Nationalsozialisten nicht darauf rechnen, in absehbarer Zeit die Mehrheit des Volkes für sich zu gewinnen und auf diese Weise ihren Gedankengängen legal Geltung zu verschaffen. Ihr Ruf nach der Diktatur zeigt am besten, daß sie dies selbst nicht erwarten. Es wird von ihnen aber auch ganz offen ausgesprochen, daß sie auch als Minderheit und mit Gewalt ihre Ziele durchsetzen wollen. Das schließt aber die Legalität ihres Handelns von vornherein aus. So erklärt der Herausgeber des „Völkischen Beobachters“, Alfred Rosenberg, in seiner Broschüre „Wesen, Grundsätze und Ziele der NSDAP“ (S. 10), daß die Partei weder erwarte noch wünsche, je die Mehrheit des Volkes auszumachen: „Der Nationalsozialismus bekenne sich offen als zahlenmäßig nie eine Mehrheit bildende Kampfpartei.“

dd) Zeugnis Goebbels’

Die gewaltsame Errichtung der Diktatur wird von dem Reichspropagandaleiter der NSDAP, dem Reichstagsabgeordneten Dr. Goebbels, offen und unverblümt vertre­ten. Am 20. Juni 1927 auf einem Sprechabend der Partei in München gelegentlich kritischer Ausführungen über den Berliner Stahlhelmtag 1927 äußerte Goebbels, wenn er mit 120000 Mann in Berlin aufmarschieren könnte wie der Stahlhelm, würde er nicht, wie dessen Leitung, die Versicherung eines friedlichen Abmar­sches geben. Es sei sicher, daß 120000 Nationalsozialisten Berlin nicht so verlassen hätten, wie sie angekommen seien.

Am 10. Juli 1927 erklärte er als Gauleiter auf dem Brandenburger Gautag in Potsdam nach einem Bericht des „Völkischen Beobachters“ vom 14. Juli 1927:

„Es ist eben etwas anderes, ob man ein Waschmittel propagiert oder für Freiheit und Blut ringt. Man kann sagen, vorläufig haben die vorsichtigen, nüchternen Zahlenmenschen Recht gehabt mit ihrer Methode, weil die andere Methode das Verbot einbrachte.

Eins aber haben sie schon jetzt doch erreicht, daß jeder Junge in Berlin die NSDAP kennt. Ob das bei sachlicher, nüchterner Reklame erreicht worden wäre, ist zu bezweifeln, noch mehr aber, daß durch diese Propaganda auch nur ein kleiner SA-Mann dazu gebracht worden wäre, sich für die Idee so begeistern zu lassen, um auch den Tod für sie nicht zu scheuen. Eine Bewegung, die einen alten Staat zertrümmern will, kann nicht auf Filzpantoffeln gehen.

Konnten wir der 4-Millionen-Stadt nicht die Liebe eintreiben, so doch den Haß, und Haß kann sich in Liebe wandeln. Die moralische Berechtigung aber zum Einsatz großer Opfer hat der, der sein Leben selbst mit einsetzt.“

Am 14. September 1927 äußerte er in Düsseldorf:

„Es müsse mit aller Macht herangegangen werden, um den Zukunftsstaat zu gestalten. Ohne Waffen sei nichts zu erreichen.“

In ausführlicherer Form hat Dr. Goebbels in der im Verlage der Nationalsoziali­stischen Briefe herausgegebenen, von ihm verfaßten Propagandaschrift „Der Nazi-Sozi“ (1. Auflage) seine Ansichten über Weg und Ziel des Nationalsozialis­mus niedergelegt. Er schreibt dort im Abschnitt über „Parlament und Parteien“ (S. 15) die folgenden Sätze:

„Die anderen treten ein, reden, debattieren, stimmen ab, lassen sich Diäten auszahlen. Wir aber handeln. Wir aber schaffen uns die Machtgruppe, mit der wir einmal diesen Staat erobern können, und werden dann rücksichtlos und brutal mit dem Machtwillen des Staates unseren Willen und unser Programm durchsetzen.“

Im nächsten Abschnitt unter der Überschrift „Diktatur und Ständestaat“ (S. 16) nimmt er offen für die Nationalsozialisten als Minderheit das Recht in Anspruch, durch eine Diktatur der Gewalt den Staat zu erobern und ihre Ideen durchzusetzen.

Es heißt dort:

„Es ist eine alte Erfahrung der Geschichte, daß immer noch eine junge, zielbewußte Minderheit, die die Herrschaft einer korrupten, innerlich morsch und faul gewordenen Mehrheit stürzte, eine Zeitlang den Staat und seine Machtmittel für sich in Anspruch nahm, um durch eine von einer selbstbewußten Verantwortlichkeit getragene Diktatur mit Gewalt die Bedingungen im Staate durchzusetzen, die zur restlosen Eroberung und Durchsetzung mit den neuen Ideen der Minderheit notwendig waren. So wird das auch bei uns sein. Haben wir einmal den Staat erobert, dann ist dieser Staat unser Staat. Dann werden wir, und wir alleine, die verantwortlichen Träger dieses Staates sein. Wenn wir heute im Kampfe gegen ein verderbtes System Partei sind und Partei sein müssen, natürlich nicht im Sinne einer parlamentarischen Partei, in dem Augenblick, wo wir dieses System stürzen, werden wir selbst Staat sein. Dann gestalten wir den Staat auf dem Wege der diktatorischen Gewalt nach unseren Grundsätzen um. Dann wird die verantwortliche Minderheit einer schlappen, faulen, handlungsunfähigen und dummen Mehrheit, hinter der verborgen doch nur der Jude seine schwarzen Pläne verfolgt, ihren Willen aufzwingen und die Notwendigkeiten durchzusetzen wissen, die zur Errettung des Volkes erforderlich sind.

Wir wollen Deutschland frei machen, weiter nichts. Ist das deutsche Volk nicht damit einverstanden, daß es freigemacht wird, dann pfeifen wir auf dieses Einverständnis . . .“

„Ein großer Teil des deutschen Volkes ist ja heute schon so materialistisch und so feige geworden, daß er nur gegen seinen Willen und mit Gewalt glücklich zu machen ist.“ Die Frage, wie der Staat erobert werden solle, da doch auf die Gewinnung der Mehrheit für die nationalsozialistische Idee nicht zu rechnen sei und der Staat mit allen seinen Machtmitteln gegen die Bewegung stehe, wird in dem Abschnitt „Der Wille zur Macht“ (S. 18) wie folgt beantwortet:

„Ja, was dann? Dieses ,Was dann?* kann eigentlich nur der verstehen, der in seinem Herzen und in seiner Faust einer von jenen Kämpfern, von jenen Eroberern ist. Die anderen werden immer ratlos vor dieser Antwort stehen.

Was dann?! Dann beißen wir die Zähne aufeinander und machen uns bereit. Dann marschieren wir gegen diesen Staat, dann wagen wir den letzten großen Streich um Deutschland, aus Revolutionären des Wortes werden dann Revolutionäre der Tat.

Dann machen wir Revolution!

Dann jagen wir das Parlament zum Teufel und begründen den Staat auf die Kraft deutscher Fäuste und deutscher Stirnen . . .

Der Wille zur Macht schafft sich schon die Mittel zur Macht. Wenn der andere die Waffen hat, wir haben dagegen das, was er nicht hat: den Willen zur Gewalt. Dieser Wille schafft sich Waffen, wo er sie braucht.“

Der staatsfeindliche, hochverräterische Charakter der erörterten Auslassungen wurde dadurch anerkannt, daß der „Nazi-Sozi“ am 30. Januar 1928 durch Verfügung des Amtsgerichts Elberfeld auf Grund des § 86 StGB beschlagnahmt worden ist. Das gegen Dr. Goebbels als Verfasser der Schrift eingeleitete Verfah­ren des Oberreichsanwalts mußte am 31. August 1928 auf Grund des Reichsamne­stiegesetzes vom 14. Juli 1928 eingestellt werden. In einer späteren 2. Auflage der Broschüre sind zwar die bedenklichsten Stellen fortgelassen oder abgeschwächt worden. Daraus darf aber keinesfalls geschlossen werden, daß die staatsfeindli­chen Pläne etwa aufgegeben seien. Es handelt sich vielmehr unter Berücksichti­gung der gesamten Haltung der Partei offensichtlich nur um eine von taktischen Erwägungen diktierte vorübergehende Zurückhaltung, um nicht durch ein behörd­liches Einschreiten den weiteren Ausbau der Bewegung, die ihre Stunde noch nicht für gekommen erachtet, vorzeitig zu stören.

Das geht auch zweifellos aus der weiteren Tätigkeit des Dr. Goebbels hervor. So äußerte er nach der Deutschen Zeitung vom 12. März 1928 auf einer Kundgebung in Bernau im März 1928 – also während das Hochverratsverfahren noch gegen ihn schwebte

„Das Schicksal hat uns dazu bestimmt, den Block zu bilden, der die Sklavenketten zersprengt und, wenn es sein muß, durch eine nationalsozialistische Revolu­tion“,

und in Nr. 32 der nationalsozialistischen Wochenschrift „Der Angriff“ vom 6. August 1928 unter der Überschrift „Revolutionäre Forderungen“:

„Was wir fordern, ist neu, einschneidend und radikal, darum im tiefsten Sinne revolutionär. Das hat in seinem Wesen nichts mit Radau und Barrikaden zu tun. Mag sein, daß das einmal dazu kommt . . .“

„Die Revolution ist auf dem Marsch. Wir fordern“ . . .

Dr. Goebbels hat diese auf gewaltsamen Umsturz gerichtete Tätigkeit seitdem ständig fortgesetzt. So schreibt er in seiner Wochenschrift „Der Angriff“ in Nr. 35 vom 2. September 1929:

„Das Volksbegehren gegen Young erhält nun erhöhte politische Bedeutung, und es ist jetzt vornehmlich die Aufgabe unserer Bewegung, ihm über den rein taktischen Zweck hinaus, den wir bei einigen ihm angeschlossenen Gruppen vermuten zu dürfen glauben, einen ausgeprägt revolutionären Charakter zu geben … Ist es da ein Wunder, daß wir gegen diesen Irrsinn zu Felde ziehen, den aktiven Aufstand gegen dieses verbrecherische System mit allen Mitteln organisieren und dem Aufschrei eines gepeinigten Volkes zum Durchbruch verhelfen! Weg mit diesem Verrat an der deutschen Freiheit! Pflanzt die Fahnen des Widerstandes und des Aufruhrs auf! Die Straße frei! . .

Am 27. September 1929 erklärte er im Berliner Sportpalast:

„Das Volksbegehren ist nur der Anfang, heute noch ein Begehren, morgen ein Volkspro­test, übermorgen eine Volksrevolution. Die jüdische Journaille möge sich ruhig hinter Hindenburg verstecken. Sie wird herausgeholt werden. Die Revolution von 1918 war eine jüdische Revolution. Jetzt heißt es: Von der Revolte zur Revolution, von der Entwaffnung zur Bewaffnung, von der Entmännlichung zur neuen Männlich­keit, von der Zertrümmerung zur Wiedereroberung unseres deutschen Nationalismus.“ Infolgedessen ist gegen ihn auf Antrag des Oberreichsanwalts vom 10. April 1930 die Voruntersuchung unter der Beschuldigung eröffnet worden, seit 1928 im Inlande durch ein und dieselbe fortgesetzte Handlung das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reichs und der Länder gewaltsam zu ändern, vorbereitet zu haben. Die Voruntersuchung schwebt noch.

ee) Zeugnis von Abgeordneten, Unterführern und Versammlungs­rednern

Diese Äußerungen der maßgeblichsten Führer der NSDAP werden durch unzähli­ge Verlautbarungen ihrer Unterführer und Referenten in der Presse und in Versammlungen ergänzt, die gleichfalls ganz offen den gewaltsamen Umsturz, die Errichtung der Diktatur, die deutsche Revolution propagieren. So vertritt der schlesische Gauleiter Helmuth Brückner in dem Aufsatz „Reform oder Revolu­tion?“ im 33. der Nationalsozialistischen Briefe vom 1. Februar 1927 folgende Auffassung:

„Die Parole von 1924 behält ihre Geltung. Jedoch gesprengt ist der Aufmarsch der völkischen Kräfte von damals und das von Rechts wegen nach ehernem Gesetz. Das Dritte Reich, wie die beliebte Form des Schlachtrufes heißt, wird nicht einer Reform entspringen, sondern in revolutionärer Tat erkämpft und erstritten werden. Der Führer ist Hitler und niemand anders. Entsprechend gliederte sich und muß sich gliedern der großdeutsche Aufmarsch, zunächst dort, wo unser Volk formal noch Staatsvolk ist, in Österreich und im ,Reiche1. Die Sendung Hitlers war den Sehenden klarer, ebenso die Unberufenheit der völkischen Führer, die den Schritt von der Reform zur Revolution aus innerer Ohnmacht nicht mitzumachen wagen. Die Freiheit und das Himmelreich erringen keine Halben. Reform ist Halbheit, Revolution ist alles . . .

Darum, nicht jeder Revolutionär von heute ist schon gerüstet und reif, bei uns in Reih und Glied zu marschieren. Doppelt müssen die Prediger des nationalen Sozialismus vor die Front, um die klare Linie und das Ziel der einzigen Befreiung zu künden, um den Abmarsch ins falsche Lager bei denen zu verhüten, die zwischen 20 und 30 stehen.

Eine zuchtvolle Organisation, ohne die es keine Schlagkraft gibt, und eine gesteigerte Propaganda haben im Jahre 1927 im lebensnotwendigen Zusammenwirken das Feld zu bearbeiten, Pflugschar und Samenkorn zu sein. Mag der Sturm auch heulen. Der deutsche Frühling naht um so früher, je mehr die Starre in unserer Politik im Innern gebrochen wird. Unsere revolutionäre Bewegung wird erst dann bodenständig werden, wenn unser Volk in Bewegung gerät! Darum nicht ,Hinein in den Staat!1 ist die Parole, um Reformen zu erschleichen. Volksrecht steht wider Staatsrecht. Haß gegen das Bestehende ist die Losung. Ruft die Eidgenossen zum großdeutschen Rütlischwur. Ermannt die Ausge­beuteten zum Tyrannensturz, einigt die Kampfgenossen im Bekenntnis zum Vaterlan­de. Dann werden Sozialismus und Nationalismus vermählt sein, wie es Adolf Hitler sich zum Ziele gesetzt hat. Nicht Reform läßt das neue Haus erstehen, das sie geeint zum Lebensbund betreten wollen. Die deutsche Revolution allein, die das Schicksal fordert, wird die Erfüllung bringen zum Dritten Reich. Heil Hitler!“

In Nr. 238 des „Völkischen Beobachters“ vom 15. Oktober 1927 schreibt Wilhelm Weiss in einer Betrachtung über den Weg der deutschen Freiheitsbewegung nach ablehnender Kritik an der Haltung des Stahlhelm:

„Ein Staat wird nicht erobert, indem man sich krampfhaft an ihn klammert und sich um die Renovierung seiner Fassade bemüht, sondern dadurch, daß man ihm Kampf ansagt und im offenen Angriff oder durch planmäßigen politischen Stellungskrieg seine Truppen unschädlich macht. Nicht Renovierung der Fassade, sondern Erneuerung der Grundlagen ist die Aufgabe.“

Bei einer Versammlung der Ortsgruppe Stuttgart der NSDAP am 1. Mai 1928 führte der Referent Dr. Ley, Mitglied des Preußischen Landtages, aus:

„Wenn Sie die Unwahrheit und die Unehre in diesem Staat beseitigen wollen, dann ziehen Sie das braune Hemd an, wie es unsere Jugend tut und ich es getan habe. Kämpfen Sie täglich und, wenn es sein muß, bis zur Barrikade. Dieser Kampf wird mit Maschinengewehren, Minen und Granaten ausgefochten werden.“

In dem von der NSDAP – Gau Rheinland – herausgegebenen Lehrbrief für Führer, Lehrgang II Nr. V, d. d. Köln, dem 9. Juli 1928, heißt es über die Verwirklichung der programmatischen Ziele der Partei:

„Zu diesem Ziele ist uns jedes Mittel recht. Wir scheuen vor keiner sozialen Revolution zurück, wenn es die Freiheit der Nation (im Sinne der nationalsozialistischen Auffassung) erfordert. Wir fürchten nicht die Zerbrechung der Ketten, die man der Nation auferlegt, wenn das zur Sicherung der Lebensnotwendigkeiten der deutschen Arbeiter­schaft notwendig ist.“

In demselben Lehrbrief wird ausdrücklich Propaganda für die nationalsoziali­stische Diktatur zur Beseitigung der parlamentarisch-demokratischen Staats­form getrieben.

In dem nächsten Lehrbrief Nr. VI vom 14. Juli 1928 wird als Mittel zum Umsturz des bestehenden Staates gepredigt:

,,Das sind Marksteine der neuen Aristokratie der Faust und der Stirn.

Heute sind wir noch wenige, heute herrscht über uns der Geist, den wir hassen und verneinen. Heute triumphiert der Adel des Geldes über den aufbrechenden Adel der deutschen Arbeit. Darum trifft uns der Gummiknüppel einer wildgewordenen Soldateska, und wir haben leider vor der Hand keine Möglichkeit, zu unserem Recht zu kommen, als den Appell an die eigene Leidenschaft, die einmal die neue Zukunft erkämpfen wird. Im Opfer und im Haß bildet sich der neue Aristokrat. Haltet Disziplin ! Sie macht aus wenigen ein Bataillon! Seid Fanatiker! Wenn wir Recht haben – und das glauben wir mit der Unverbrüchlichkeit des Blutes -, dann haben alle anderen Unrecht.“

Auf dem Uckermärker SA-Tag am 14. und 15. Juli 1928 in Prenzlau erhielt das Schlußwort der Führer, das in die Form eines Schwures gekleidet war, etwa folgende drohende Fassung:

„Wir wissen, daß eine nochmalige Wahl überhaupt nicht mehr stattfinden wird, sondern daß wir zur gegebenen Zeit unserm Deutschland die wahre nationale Freiheit im Kampf auf den Barrikaden erringen werden, denn anders kann sie nicht errungen werden . . . Unter unserm verehrten Führer und Fronthelden und dem zur Fahne abgelegten Treueid werden wir, wenn er uns ruft, die Barrikaden besteigen und werden für und mit ihm zu siegen und zu sterben wissen . . .“

Bezeichnend ist auch die Äußerung des westfälischen Gauleiters Josef Wagner auf einer Propagandaveranstaltung der Partei am 29. Juli 1928 in Hamborn, wonach die Nationalsozialisten dieselben Kampfmittel für sich in Anspruch nähmen, die die kommunistische Umsturzpartei anwende.

Am 16. Februar 1929 erklärt der Bezirksleiter Terboven aus Essen in einer nationalsozialistischen Versammlung in Kettwig:

„Wir jungen Nationalsozialisten haben ein verlottertes und verkommenes Reich überliefert erhalten und wollen den Saustall wieder reinigen. Hierzu erbitten wir die Unterstützung der Bürger. Freiwillig werden die jetzigen Herren ihre Plätze nicht verlassen. Es ist hierzu aber erforderlich der absolute Wille zur Gewalt.“

Der bayerische Landtagsabgeordnete und Leiter des Untergaues Oberfranken, Schemm, Vorsitzender des nationalsozialistischen Lehrerbundes, sagte am 1. Mai 1929 in einer Versammlung in Plauen:

„daß die NSDAP auf die Straße gehe, weil das alte Deutsche Reich auch durch die Straße zertrümmert worden sei und demzufolge auch das neue Deutsche Reich auf der Straße errichtet werden müsse.“

Im 22. Heft der Nationalsozialistischen Briefe (4. Jahrgang) vom 15. Mai 1929 schreibt der Leiter der Berliner Organisationsabteilung, Reinhold Muchow, über die Rolle der Partei im politischen Machtkampf (S. 368):

„Die kommende Revolution kann und wird nichts anderes als eine nationalsozialisti­sche sein . . . Uber die Schwere des Kampfes läßt uns Adolf Hitler nicht im geringsten im unklaren, wenn er sagt: ,Köpfe werden in diesem Kampf in den Sand rollen, entweder die unseren oder die anderen. Also sorgen wir dafür, daß die anderen rollen . . .‘ “ In einem Aufsatz „Radikale Bauernbewegung“ von Bodo Uhse im Juniheft 1929 der „Nationalsozialistischen Briefe“wird die gewissenhafte Vorbereitung der Revolution mit folgenden Worten betont:

„Es ist in der gegenwärtigen Stunde die Aufgabe des Nationalsozialismus, dem Bauerntum in seiner Verzweiflung klarzumachen, daß es weit weniger radikal ist, eine Dynamitpatrone zur Entzündung zu bringen, als dem System die Wurzeln abzuschlagen, indem man durch nüchterne Arbeit die Vernichtung der gegenwärtigen Herrschaft vorbereitet. Wir wollen keine Bauernrevolte, die von den Maschinengewehren Severings auseinan­dergefegt wird, was wir wollen, ist die Bauernrevolution, nicht um des Bauern, sondern um des Volkes willen, dessen erster Pionier der Bauer neben dem Arbeiter ist. In der gegenwärtigen Phase der nationalrevolutionären Entwicklung in Deutschland gilt es aus den Fehlern zu lernen, die die anderen gemacht haben, und bei der Vorbereitung der Revolution dafür zu sorgen, daß der gemeinsame Marsch des Bauern- und Arbeitertums schon heute beginnt.“

In der von der Gauleitung Groß-Berlin im Oktober 1929 unter dem Titel „Organisationssystem des Gaues Groß-Berlin“ herausgegebenen Sammlung von Organisationsrundschreiben heißt es auf S. 11:

„Die Partei, d. h. seine Sektion, muß die Schule sein, die er (der Nationalsozialist) durchlaufen muß, um sich hier praktisch am Wesen der Diktaturfrage auszubil­den, damit er am Tage der Machteroberung erst mit seiner eigentlichen Arbeit beginnen kann.“

Am 1. Oktober 1929 schreibt der Reichsorganisationsleiter, Reichstagsabgeordne­ter Gregor Straßer, im 7. Heft des 5. Jahrgangs S. 106 der „Nationalsozialisti­schen Briefe“:

„Wenn jetzt von einer nahe bevorstehenden Reichstagsauflösung die Rede ist, dann ist dies nur ebenfalls ein Symptom, und auch ein neuer Reichstag, eine neue Regierung wäre noch keine Lösung: die Lösung heißt: ,Deutsche Revolution!““

Am 7. Oktober 1929 verkündete der nationalsozialistische Bezirksleiter Terboven in Essen in einer Versammlung:

„Diese Schwäche ist insbesondere von Severing, als dem Verkörperer der jetzigen Staatsgewalt, erkannt, und er beabsichtigt, dem in den letzten Zügen liegenden Staat einen Dienst zu erweisen; auch dadurch aber wird das gegenwärtige korrupte parlamenta­rische System nicht mehr gerettet werden . . . Ich gebe einer solchen Diktatur aber nur eine Frist von vier Wochen, dann wird das Volk erwachen, dann kommen die National­sozialisten an die Macht und dann wird es in Deutschland nicht genügend Laternenpfähle geben . . .

Die bolschewistische Regierung sitzt auf einem Vulkan, auch die deutsche Regierung ist in der gleichen Lage. Die Nationalsozialisten werden alles tun, um diese explosive Entwick- lung zu fördern . . . Die heutigen Regierungsvertreter werden ihre Handlungen, wenn wir sie später zur Rechenschaft ziehen, nicht damit entschuldigen können, daß sie die Vertreter eines parlamentarischen Systems waren. Sie haben auch für ihre Handlungen in der Vergangenheit dem deutschen Volke und insbesondere den Nationalsozialisten gegenüber mit ihrem Kopfe zu haften . . .

Bei gesteigerter Fortführung des Kampfes aber werden die Bonzen der marxistischen Bewegung bis an die Decke hupfen und die Nationalsozialisten werden dann dafür sorgen, daß sie nicht wieder mit ihren Füßen auf den Boden kommen . . .

Die Nationalsozialisten werden mit 30 Mandaten in den neuen Reichstag einziehen; dann gibt es in diesem Reichstage täglich blaue Augen; dadurch wird dieses korrupte parlamentarische System weiter diskreditiert, eine Unordnung und Haltlosigkeit setzt ein, und die Nationalsozialisten erachten dann den Augenblick für gekommen, in Deutschland die politische Macht zu ergreifen . .

Am 15. Oktober 1929 erklärte der häufig als Referent auftretende Student Studentkowski in einer nationalsozialistischen Versammlung in Essen:

,,1918 hat das Deutsche Volk eine Revolution erlebt, die aber keine Erleichterung für den arbeitenden Menschen gebracht hat. Demnächst kommt aber eine neue Revolu­tion!“

Am 18. Oktober 1929 führte der Reichstagsabgeordnete und jetzige thüringische Innenminister Dr. Frick in einer Versammlung in Pyritz über den Kampf gegen den Young-Plan aus:

„Dieser Schicksalskampf wird zunächst mit dem Stimmzettel geführt, er kann aber nicht von Dauer sein, denn die Geschichte hat es uns gelehrt, daß im Kampfe Blut fließt und Eisen gebrochen wird. Der Stimmzettel ist der Anfang zu diesem Schicksalskampf.“

„Wir sind entschlossen, mit der Faust zu verteidigen, was wir predigen. Genau so wie Mussolini in Italien die Marxisten ausgerottet hat, so muß es auch bei uns durch Diktatur und Terror erreicht werden.““

Am 21. Oktober 1929 verkündete nach einer Meldung der Reichsbannerzeitung (Nr. 45 vom 9. November 1929) der schlesische Gauleiter Brückner in einer nationalsozialistischen Versammlung im Schießwerdersaal in Breslau:

„Es wird der Tag kommen, wo die nationalsozialistischen Führer Mühe haben werden, ihre Massen zurückzuhalten, das nicht zu tun, was das Volk gern tun möchte. Man weiß ja nicht, wie das Ende von Bürgermeister Mache sein wird. Die Revolution wird noch nicht in diesem Winter kommen, wohl aber in ein paar Jahren . . . Geht es nicht mehr mit dem Stimmzettel, dann geht es mit der Faust.“

Am 22. Oktober 1929 erklärte der Gauleiter Telschow in einer Versammlung in Neuhaus/Elbe in bezug auf die SA:

„Der jetzige Staat ist kein Staat. Die NSDAP nimmt den Kampf gegen das jetzige System auf und gegen die dreihundert“ des Weltkapitals, die die Welt regieren . . .

Wir kämpfen für euch. Unsere braunen Jungen werden evtl, in diesem Kampfe ihr Leben einsetzen, wir werden den Kampf mit allen Mitteln führen, im Kampf gibt es Leichen, wenn es gegen den jüdischen Janhagel geht, schreiten wir auch über Gräber, es kann auch sein, daß manche Mutter ihren Sohn verliert! . . .“

Am 10. November 1929 erklärt der nationalsozialistische Abgeordnete Manfred v. Killinger im Sächsischen Landtag:

„So, meine Herren, Sie wollen uns Nationalsozialisten den Fehdehandschuh hinwerfen. Tun Sie es ruhig, wir heben ihn lachend auf. Aber hüten Sie sich davor, daß wir nicht Ihnen den Fehdehandschuh eines Tages hinwerfen, und zwar, um mit Danton zu reden, nicht in Form eines abgeschlagenen Hauptes eines Königs, sondern wir werden Ihnen den Fehdehandschuh hinwerfen in Form von abgeschlagenen Köpfen Eurer Oberbon­zen.“

Noch schärfer drückt sich ein im Januar 1930 vom Bezirk Sorau N/L. der NSDAP verbreitetes Flugblatt aus, wo es heißt:

„Gegen demokratisch-parlamentarische Volksverführerei rufen wir alle schaffenden Deut­schen auf: ,Errichtet die Deutsche Diktatur!1

Rolf Becker von dem der NSDAP nahestehenden Jugendbunde „Adler und Falken“ sagt in der hündischen Zeitschrift „Die Kommenden“ Nr. 2 vom 10. Januar 1930:

„Wir verzichten gern auf die Volksgemeinschaft mit der nationalen Reaktion und der Bourgeoisie. Wir sind uns bewußt, daß hier eine Auseinandersetzung mit der Waffe erfolgen muß, denn das international gebundene Besitzbürgertum wird nicht freiwillig zugunsten der Nation zurücktreten, es wird nicht kampflos einwilligen in die soziale Umwälzung, die zur Gesundung der Völker notwendig ist.“

Der General Litzmann äußert sich in einer Rede im Sportpalast in Berlin am 7. Februar 1930:

„daß die deutsche Jugend sich an den Braunhemden begeistern müsse, die Tag und Nacht bereit seien, sich zu opfern für ihre Idee.“

,,. . . Erfüllt Euch mit diesem Geiste, und dann auf in die neue siegreiche Durchbruchs­schlacht.“

Der badische Landtagsabgeordnete Köhler erklärte nach amtlicher Mitteilung des Hessischen Landespolizeiamts bei einer nationalsozialistischen Versammlung in Fränkisch-Crumbach am 2. März 1930:

„Eine Änderung sei nur möglich durch einen baldigen Umsturz und die Auferstehung eines Diktators, der das Volk rette, ehe es zu spät sei. Die Nationalsozia­listen würden versuchen, diesen Umsturzschnellherbeizuführen.“

In der Beilage zu den im Straßer’schen Kampfverlag erscheinenden Zeitungen vom 27. April 1930 „im Braunhemd für SA und Hitlerjugend“ (vgl. z. B. Märkischer Beobachter Nr. 55 vom 27. 4. 1930) befindet sich ein Gedicht „Aufstand“, das folgenden Wortlaut hat:

„Ein einziger Schrei:

Wir sind versklavt!

Die, die uns Freiheit versprochen, sie haben ihr Wort heut’ gebrochen! Wir sind versklavt!

Wir machen uns frei!

Wir greifen an!

Als ihr euch zum ,Ja‘ vermessen, da habt ihr das Volk vergessen! Wir greifen an!

Ein einziger Schrei:

Jetzt gilt nur Blut!

Wir greifen an, wir sind nicht allein!

Millionen dürsten, Rächer zu sein!

Wir fordern euer Blut!“

Die NSDAP will danach den Umsturz der bestehenden Verhältnisse herbeiführen. Dabei wird immer wieder betont, daß dies nur durch „eine direkte Aktion aus der ungebrochenen Kraft des deutschen Volks“ durch die „völkische“, „nationalso­zialistische“ oder „deutsche Revolution“ erfolgen könne, da die Partei „eine zahlenmäßig eine Minderheit bildende Kampfpartei“ sei. Als Ziel wird ständig die deutsche, die völkische oder nationalsozialistische „Diktatur“ hingestellt. Dazu ist es notwendig, das Parlament, diesen „Teufelsspuk“ zu beseitigen; der Kampf wird überhaupt „mit allen Mitteln“, „mit Gewalt“, unter allen Umständen „auf den Barrikaden“ ausgefochten werden, da „ohne Waffen nichts zu erreichen“ ist, und dann werden die „Verantwortlichen vor einem deutschen Staatsgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden“, dann werden „Köpfe in den Sand rollen“, und für die Rache der Nationalsozialisten wird es „nicht genügend Laternenpfähle geben.“

All das kann nur dahin verstanden werden, daß die NSDAP den gewaltsamen Umsturz zum Programm erhebt.

  • Vorbereitung des gewaltsamen Umsturzes durch Unterwühlung und Beunruhigung des politischen und wirtschaftlichen öffentli­chen Lebens

Die NSDAP beschränkt sich indes nicht darauf, das von ihr erstrebte Ziel des gewaltsamen Umsturzes – über Revolution und Diktatur zum nationalsozialisti­schen „Dritten Reich“ – zu verkünden und dafür Propaganda zu machen. Sie trifft auch aktive Vorbereitungen, um ihr Ziel in die Tat umzusetzen.

Um die Massen der Bevölkerung innerlich reif zu machen für den geplanten Umsturz, gilt es der Partei, eine revolutionäre Massenbewegung zu entfachen und das Volk durch entsprechende Propaganda aufzuwühlen, aufzuputschen und zu beunruhigen. In seinem Aufsatz „Idee und Organisation“ im „Nationalsozialisti­schen Jahrbuch für 1930“ verkündet Otto Bangert auf S. 159 ff.:

,,So steht am Anfang der Mission des Nationalsozialismus die Aufwühlung der Volksmassen durch die revolutionäre Propaganda. Dieser hat im geschichtli­chen Augenblick die Eroberung der Macht zu folgen, der sich alsdann der Aufbau des dritten Reichs anschließen wird. Heute befindet sich der Nationalsozialismus noch gänzlich im ersten Stadium.“

Helmuth Brückner prophezeit in einem Artikel „Reform oder Revolution“ im Heft 33 der Nationalsozialistischen Briefe vom 1. Februar 1927:

„Darum, nicht jeder Revolutionär von heute ist schon gerüstet und reif, bei uns in Reih und Glied zu marschieren. Doppelt müssen die Prediger des nationalen Sozialismus vor die Front, um die klare Linie und das Ziel der einzigen Befreiung zu kündigen, um den Abmarsch ins falsche Lager bei denen zu verhüten, die zwischen 20 und 30 stehen.

Eine zuchtvolle Organisation, ohne die es keine Schlagkraft gibt, und eine gesteigerte Propaganda haben im Jahre 1927 im lebensnotwendigen Zusammenwir­ken das Feld zu bearbeiten, Pflugschar und Samenkorn zu sein. Mag der Sturm auch heulen. Der deutsche Frühling naht um so früher, je mehr die Starre in unserer Politik im Innern gebrochen wird. Unsere revolutionäre Bewegung wird erst dann boden­ständig werden, wenn unser Volk in Bewegung gerät! Darum, nicht ,Hinein in den Staat!1 ist die Parole, um Reformen zu erschleichen. Volksrecht steht wider

Staatsrecht, Haß gegen das Bestehende ist die Losung. Ruft die Eidgenossen zum großdeutschen Rütlischwur. Ermannt die Ausgebeuteten zum Tyrannen­sturz, einigt die Kampfgenossen im Bekenntnis zum Vaterlande, dann werden Sozialismus und Nationalismus vermählt sein, wie es Adolf Hitler sich zum Ziele gesetzt hat. Nicht Reform läßt das neue Haus erstehen, das sie geeint zum Lebensbund betreten wollen. Die deutsche Revolution allein, die das Schicksal fordert, wird die Erfüllung brin­gen zum Dritten Reich. Heil Hitler!“

Die Absichten, die die Nationalsozialisten mit dieser Agitation unter den Massen verfolgen, werden ganz offen ausgesprochen.

Der sächsische Landtagsabgeordnete Studentkowski erklärte nach amtlicher Mitteilung des Hessischen Polizeiamts vom 20. September 1929 am 9. September 1929 in Worms:

„Ruhe und Ordnung, wie sie der Spießer beanspruche, lehne die Partei entschieden ab, da sie ihre Hauptaufgabe darin sehe, Unruhe in die Massen hineinzutragen und diese aufzurütteln!“

Der Reichstagsabgeordnete Wagner sagte nach amtlicher Mitteilung des Polizei­präsidiums Braunschweig dort am 9. Juli 1930 bei einem Vortrag über „Befrei­ungs-Politik oder Geldsackpatriotismus“:

,,Die NSDAP würde das Volk nicht eher in Ruhe lassen, bis sie die Macht in den Händen hätte.“

Daß die Beeinflussung der Massen ein notwendiger Teil der Vorbereitung des Umsturzes sein soll, lassen die Worte des SA-Führers v. Pfeffer erkennen:

„Alle deutschen Nationalsozialisten müssen ihren Kurs über alle Tageskämpfe hinweg auf das Ziel des Deutschen Reiches richten. Es soll schon heute ein ,Staat im Unstaate‘ herangebildet werden, damit bei Errichtung des nationalsozialistischen Großdeutschland die innere Form unangreifbar und in jeder Beziehung fest und in sich stark dasteht.“

Am deutlichsten und klarsten zeigt sich das Bestreben der NSDAP, das gesamte wirtschaftliche und politische Leben Deutschlands zu zersetzen und zu erschüt­tern und dadurch den Boden für einen gewaltsamen Umsturz vorzubereiten, in einem Aufsatz des Reichstagsabgeordneten und Reichsorganisationsleiters der Partei, Gregor Straßer, im 23. Heft der ..Nationalsozialistischen Briefe“, vom Juni 1929, betitelt ,,Katastrophenpolitik“, wo es heißt:

„Die Revolution also gegen das bestehende System schlechthin! – Damit ist ein für alle Mal unsere politische Haltung, sowie Möglichkeit und Umfang unserer politischen Taktik bestimmt: alles, was der bestehenden Ordnung der Dinge schädlich ist, findet unsere Unterstützung; alles, was geeignet sein könnte, diese gegenwärtige Ordnung der Dinge, die nach unserer Ansicht eben eine tödliche Unordnung ist, zu verlängern, findet unsere Bekämpfung.

Oder mit anderen Worten: Da wir die Katastrophe, der nach unserer Überzeugung die liberalistische Formenwelt zusteuert, wollen, unterlassen wir jedes Eingreifen unserer­seits, ja sogar hindern wir nach Kräften jedes anderweitige Eingreifen, das den Eintritt dieser Katastrophe hinausschieben könnte. Mit einem Wort: Wir treiben Katastro­phenpolitik – weil nur die Katastrophe, d. i. der Zusammenbruch des liberalen Systems, die Bahn frei macht für jenen Neuaufbau, den wir Nationalsozialismus nennen.

Dabei sei gleich richtiggestellt: Katastrophenpolitik heißt nicht Putschpolitik! Denn wir wollen eine Revolution, keine Revolte! Eine Revolution im Geistigen, im Seelischen, im Wirtschaftlichen – nicht eine Revolte terroristischer Individualisten oder planloser Unzu­friedener.

Katastrophenpolitik treiben heißt also nicht, irgendwelche aktive oder passive Auflehnung gegen Staatsorgane predigen oder üben – Katastrophenpolitik treiben heißt vielmehr die zwangsläufige Selbstzerstörung des Liberalismus unterstützen und beschleunigen! Wenn wir durch Weitertreibung der Demagogie des demokratischen Systems z. B. die Balancie­rung des Staatshaushalts unmöglich machen, dann ist dies Katastrophenpolitik! Wenn wir die Verantwortungslosigkeit des Parlamentarismus durch – vom Standpunkt des Bestehen­den aus verantwortungslose – Anträge und Vorschläge enthüllen und dadurch zur Vernichtung freigeben, dann ist dies Katastrophenpolitik! – Wenn wir die Spannung der Lüge, wie sie zwischen innerpolitischem Versprechen und außerpolitischem Zwang bei allen Parteien besteht, durch bewußte und planmäßige Einlösungsforderung der innenpoliti­schen Versprechungen zum Zerreißen bringen, dann ist dies Katastrophenpolitik!

Und diese Katastrophenpolitik treiben wir, müssen wir treiben, um jener deutschen Revolution willen, deren Erfüllung und Ziel eben der Nationalso­zialismus ist! –

Seien wir uns dessen immer bewußt: alles, was der Beschleunigung des Katastro­pheneintritts des herrschenden Systems dient, so z. B. jeder Streik, jede Regierungskrise, jede Machtzersetzung, jede Systemschwäche (wie Abschaf­fung der Todesstrafe, Pazifismus usw.) ist gut, sehr gut für uns, für unsere deutsche Revolution, und immer und stets ist es unser Bestreben, solche Schwierigkeiten zu verstärken, zu vertiefen, zu verlängern, um den Tod des Systems rascher herbeizuführen.“ Im selben Sinne hat sich Dr. Goebbels nach einem Bericht des „Völkischen Beobachters“ vom 14. Juli 1927 auf dem Brandenburgischen Gautag der NSDAP in Potsdam am 10. Juli 1927 ausgedrückt:

„Eine revolutionäre Bewegung hat auch nur das eine zu tun, zu zersetzen, wie es ja einst die heutigen Herrn auch getan.“

  • Zersetzung der Machtmittel des Staates

Die NSDAP muß nach Lage der Dinge damit rechnen, daß sie bei ihren Bestrebungen zum gewaltsamen Umsturz auf den Widerstand des Staates stoßen muß, der u. U. auch Reichswehr und Polizei gegen sie einsetzen wird. Sie hat daher ein verständliches Interesse daran, diese beiden Machtinstrumente nach kommunistischem Vorbild zu zersetzen und damit als Gegner bei der von ihr geplanten Umwälzung auszuschalten oder wenigstens möglichst zu schwächen.

  1. Reichswehr

Die Hoffnung, daß insbesondere die Reichswehr, auf deren Mitwirkung die NSDAP ihren Münchener Putschplan aufgebaut hatte und auf deren Sympathie sie auch weiterhin rechnen zu können glaubte, ihre verfassungsmäßige Pflicht zum Schutze des Staates – auch gegen die Nationalsozialisten – im gegebenen Augenblick nicht erfüllen würde, wurde immer geringer, als die politischen Verhältnisse sich im Anschluß an die Reichstagswahlen des Jahres 1928 konsoli­diert hatten, Sozialdemokraten in die Reichsregierung eingetreten waren und die Sozialdemokratie mit ihrem Wehrprogramm[20] offiziell und unmißverständlich eine positive Stellung zur Frage der Reichswehr und Landesverteidigung eingenommen hatte. Den Kampf um die Reichswehr eröffnete Hitler daher mit einer großen öffentlichen Massenversammlung am 15. März 1929 in München[21], in der er zu dem Thema „Nationalsozialismus und Wehrmacht“ sprach. In ihr führte er zunächst grundsätzlich aus:

„Für uns Nationalsozialisten ist die Reichswehr, sowohl als eine Miliz, ein Volksheer oder eine stehende Armee, immer nur ein Mittel zum Zweck. Eine Auffassung, die in einer dieser Einrichtungen den Zweck an sich sieht, müssen wir Nationalsozialisten ablehnen. Unser Standpunkt wird niemals sein: Nützt das der Reichswehr, oder nützt das vielleicht dem stehenden Heer, sondern wir werden immer diese Fragen von dem Standpunkt aus betrachten: Nützt das unserem Volk? (Zurufe: sehr richtig!)

Ich sage ausdrücklich: ,Nützt das unserem Volk1 deshalb, weil für uns Nationalsozialisten der Begriff ,Volk‘ noch höher steht als der Begriff ,Staat‘. (Lebhafte Zustimmungen). Denn alle diese Einrichtungen, sowohl der Staat, als auch das Heer, sind kein Selbstzweck und können auch kein Selbstzweck sein. Es kann sein, daß ein Staat so morsch und faul ist, daß es nur im Interesse eines Volkes liegt, diese Form zu beseitigen. (Stürmische Zustimmun­gen)“

Hier wird offen zum Ausdruck gebracht, daß nach nationalsozialistischer Auffas­sung die Reichswehr nicht [als] Diener des Staates, sondern [als] Diener des unter Umständen im Gegensatz zum Staate stehenden „Volkes“ anzusehen sei. Und im letzten Satz läßt Hitler keinen Zweifel darüber, daß er es für „Dienst am Volke“ und damit auch als Aufgabe des Heeres betrachte, diesen „morschen und faulen Staat“ zu beseitigen; die scheinbare Bedingtheit dieser Feststellung ist nur ein rhetorischer Trick. Daß diese versteckte Aufforderung an die Reichswehr, der Staatsgewalt den Gehorsam zu verweigern und gegen den Staat zu marschieren, von den Zuhörern jedenfalls durchaus verstanden worden ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß gerade diese Ausführungen mit stürmischer Zustimmung aufge­nommen wurden. Es kommt im übrigen hierin nur die jeder revolutionären Bewegung eigene Überzeugung zum Ausdruck, daß sie das höhere Recht des Volkes gegen die Staatsgewalt auf ihrer Seite habe, eine Überzeugung, ohne die keine revolutionäre Bewegung bestehen, die aber andererseits kein Staat, der sich nicht selbst aufgibt, dulden kann. Wie „morsch“ dieser Staat sei, erläuterte Hitler mit den folgenden Ausführungen, um zu zeigen, daß der Zeitpunkt für einen Abfall der Wehrmacht durchaus nicht fern liege:

,,In neuester Zeit sind die ,Politiker* eine besondere Gilde geworden (Heiterkeit), die alljährlich oder zumindest alle vier Jahre durch einen besonderen Auslese prozeß aus dem Volks körper heraus gesucht wird. (Schal­lende Heiterkeit). (Händeklatschen).

Die Soldaten und die Feldherren werden erzogen, das heißt, sie erhalten für ihren Beruf, der den Bestand einer Nation ermöglichen soll, eine ganz besondere Ausbildung.

Der ,Politiker* aber wird gewählt, und zwar werden diese Politiker nicht gewählt von solchen, die weder etwas verstehen auf diesem Gebiete, sondern von denen, die selbst nie gewählt werden könnten, weil sie davon gar nichts verstehen. (Stürmischer Beifall).

Denn es wird doch niemand behaupten wollen, daß alle Deutschen männlichen und weiblichen Geschlechts fähig wären, ein Volk zu regieren; aber dafür behauptet man, daß sie fähig seien, die zu wählen, die das Volk regieren könnten. Und zwar liegt der seherische Blick, durch den die Nation die großen Geister erkennt, im Stimmzettel der Wähler. Es ist das der wundervollste Vorgang, den es gibt. Niemand kann zweifeln, daß große Männer ihre Bestimmung schon vorher in sich tragen, niemand kann zweifeln an den Fähigkeiten, die sie schon vorher besitzen müssen. Niemand kann zweifeln, daß das Schicksal der größten Männer selbst im Buche der Vorsehung vorgezeichnet ist, aber heute darf man erst recht nicht zweifeln daran, daß gerade der Teil der Menschheit, der selbst gar keine Fähigkeiten besitzt, durch den Stimmzettel ausgerechnet diejeni­gen erwischt, die das Schicksal solcher Art vorherbestimmt hat. (Große Heiterkeit und Händeklatschen.)“

Nachdem Hitler so den Unterschied zwischen der angeblich zu wahrhafter Führung unfähigen Demokratie und der nach seiner Ansicht allein eine mannhafte Führung gewährleistenden autoritativen Auffassung des Heeres dargelegt hatte, forderte er mit der an die Reichswehr gerichteten – rein rhetorisch zu wertenden – Frage:

„Wollen Sie die Armee auf das Niveau der ,Politiker* herunterziehen, oder wollen Sie nicht das Niveau der heutigen Politik beseitigen, auf das es wieder dorthin komme, wo die Armee steht?

(Stürmischer Beifall)“

eindeutig zur Beseitigung der Demokratie als der Grundlage des heutigen Staates und seiner Politik und zum Ungehorsam der Reichswehr gegenüber den ihr vorgesetzten politischen Gewalten auf.

Zur Stützung seiner These folgte eine Erörterung darüber, daß die Armee bereits heute durch die Demokratie ihrer eigentlichen politischen Aufgabe entfremdet sei: „Wenn nämlich eine solche Organisation in keinem lebendigen inneren sinngemäßen Zusammenhänge mehr mit seinem wirklichen Zweck steht, sondern als Organisation Selbstzweck geworden ist, sich als toter Mechanismus jeder Regierung zur Verfügung stellt, mag diese selbst aus einem Volke Riemen schneiden, sofern sie nur den Bestand dieses Mechanismus garantiert, dann haben wir vor uns eine Erscheinung, die wir begrifflich als ,Militarismus* bezeichnen dürfen. Eine äußerliche, innerlich vollkommen lebensfremde tote Organisation als Machtinstrument in den Händen derer und aller, die bereit sind, dieses Instrument um seiner selbst willen zu erhalten. (Lebhafte Zustimmungskundgebungen).

Dann müssen wir eines sagen: Den allerwenigsten Militarismus hat dann unser altes deutsches Reich gehabt. Denn in ihm war dieses Instrument noch bis zu einem höchsten Grade verbunden mit unserem Volke, ja, es war die beste Schule desselben. Anstalt der disziplinären Erziehung unseres Volkes. Viel mehr hat sich unsere heutige Wehr­organisation dem Begriff ‚Militarismus‘ genähert.“

Und dann wird die offene Aufforderung an das Heer gerichtet, diesem Zustand ein Ende zu bereiten:

„Schon hier hätte das Heer eine politische Mission zu erfüllen, nämlich die, mitzuhelfen, nicht etwa parteipolitisch zu denken, sondern das parteipolitische Getriebe und Ungeziefer selbst zu vernichten.“

Und damit auch erklärt werde, in welcher Richtung sich dieses Vorgehen des Heeres nach nationalsozialistischer Ansicht zu vollziehen habe, wird hinzugefügt: „Würde man z. B. nationalsozialistisch gedacht haben und wäre man demgemäß eingestellt gewesen, dann hätte Deutschland niemals in diesen Sumpf von Parteipolitik, von Parteien und Parlamentswirtschaft geraten können. Das italienische Heer, das sich einst zum Faschismus bekannte, hat damit auch Italien gerettet.“

Auch darin liegt eine rhetorisch umkleidete Aufforderung, bei der von der NSDAP vorbereiteten gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem Staat nicht nur den politischen Gewalten den Gehorsam zu versagen, sondern sich darüber hinaus mit an die Spitze der Revolution zu stellen.

Hitler erörtert sodann in längeren Ausführungen, daß das Heil Deutschlands nur in der Diktatur zu sehen sei, weil nur so die zur Freiheit des deutschen Volkes unbedingt notwendige Vorherrschaft in Europa erstritten werden könne, um nach einer Kritik des Marxismus darzutun, daß das Heer nicht auf der Seite der von Marxisten beherrschten Demokratie stehen könne.

Gegen die „Marxisten“ wendet er sich mit folgenden Ausführungen:

„Massenherrschaft! Meine lieben Freunde, nicht Volksherrschaft; denn Volksherrschaft kann niemals identisch sein mit Dummheit. Mein lieber Freund, du wirst nicht behaupten wollen, daß dein Ziel ist, ein Volk durch die Dummheit regieren zu lassen, du wirst auch nicht behaupten können, daß deiner Meinung nach die Dummheit besonders geeignet sei, ein Volk zu regieren, du kannst aber noch viel weniger leugnen, daß dein demokrati­sches System zwangsläufig die Dummheit zum Regiment erhebt. Das ist das erste.“

. . . „Politik und Wehrmacht müssen getrennt, vollkommen getrennt wer­den, d. h. die Politik wird von Gaunern gemacht, und an die Spitze der Wehrmacht müssen unpolitische Köpfe treten, gänzlich unpolitische Köp­fe. Dann allein kann das Gaunertum ein Volk mit aller Seelenruhe beherr­schen, dann hat das Gaunertum die offiziellen Machtmittel zur Seite, dann kann das Parteitum eine Nation zugrunde richten. Unpolitische Offiziere und geriebene Parlamenta­rier als Repräsentanten eines Volkes! So kann dann das Ziel, das der Jude sich gesteckt hat, am ehesten erreicht werden.“

Es folgen dann unmittelbar Darlegungen darüber, daß es mit der Ehre eines Offiziers nicht vereinbar sei, mit Marxisten, d. h. mit demokratischen Gewalten zusammenzuarbeiten:

„Wer hat einst das alte Reich zerstört? Das ist eine Gewissensfrage, die meiner Überzeugung nach ein Offizier von Ehre nicht anders als wahr beantworten kann. Wer hat es zerstört? Der Marxismus! Und heute glaubt man mit ihm regieren zu können! Glauben Sie mir, es ist entsetzlich, wenn Offiziersehre sich nicht mehr deckt mit dem höchsten Ehrbegriff an sich. (Lebhafter Beifall.) Wir sind keine Offiziere. Ich war nur gewöhnlicher Musketier. Aber ich kenne keine Versöhnung und keine Verständigung mit Verrätern und mit Vernichtern des Vaterlandes. (Stürmischer Beifall.) Wir wollen uns mit ihnen nicht versöhnen, wollen nicht teilhaben an ihrer Herrschaft, sondern wir wollen nur vor der Geschichte die Mission erfüllen, die erfüllt werden muß, nämlich daß jede böse Tat einmal ihre Sühne finden muß. Sowie überhaupt der Offizier hier ins Wanken geraten kann, sowie er überhaupt nur glaubt, sich auf irgendeiner mittleren Linie mit den Zerstörern des Vaterlandes, die er tausendfältig vor sich enthüllt und entlarvt sehen muß, vielleicht doch treffen zu können, sowie er das tut, verläßt er seine Stellung. Im selben Augenblick setzt er sich selbst herunter, im selben Augenblick bricht etwas zusammen, was früher fast graniten und unerschütterlich schien, im selben Augenblick verliert er den Nimbus, den er früher hatte, wird er vielleicht reif, an parlamentarischen Diners teilzunehmen, wird er reif, bei einem diplomatischen Zirkel angesprochen zu werden, wird er vielleicht reif, von einem Sowjetbotschafter eingeladen zu werden. Ja, aber je mehr er an solchen Ehren teilnimmt, um so mehr entfernt er sich vom Herzen seines Volkes, das allein ihm die Kraft geben kann und das allein ihn zu schützen und zu decken vermag, ihm aber auch allein, wenn es nötig ist, die Menschen gibt, die ihm zu dienen gewillt sind, um das zu erfüllen, was er eigentlich erfüllen sollte und für was er da wäre.“

Hierin liegt wiederum eine versteckte Aufforderung zur Gehorsamsverweigerung gegenüber der politischen Gewalt, sofern Marxisten in ihr vertreten sind. Daß dieser Widerstand auch aktiv zu gestalten sei und in den militärischen Putsch ausmünden müsse, propagiert Hitler durch Erörterung der Frage, wie die Freikorps 1919 hätten handeln müssen und wie-das geschieht in der Rede bereits zum zweitenmal! – der Faschismus in Italien im Oktober 1922 gehandelt habe: ,,Wären die Freikorps 1919 nicht unpolitisch gewesen, sondern hätten sie bewußt nationale Politik getrieben, dann wäre Deutschland heute nicht da, wo es heute ist, dann hätte diese Menschenmenge, die ihr Blut einsetzte, das Schicksal des Reiches in seine Hand nehmen können, und das wären dann Volksbeauftragte gewesen, nicht jene, die sich damals dazu gemacht haben; denn Volksbeauftragter ist in meinen Augen der, der die höchste Aufgabe einer Nation erfüllt, nämlich sein Blut einsetzt, und nicht der, der zu Hause seine Nation verjobbert. (Lebhafter Beifall) Aber schon damals hatten sie keine politische Idee, und was die Freikorps nicht hatten, hatten dafür ihre politischen Befehlshaber, die hatten eine politische Idee und haben sie in eine entsprechende Form gebracht; und wieder sind Tausende von jungen deutschen Menschen für dieses ganze schmierige Parteipack gefallen, und ihr Tod bewirkte nur, daß das Regiment der Unfähigkeit stabilisiert wurde, das wir zur Zeit vor und über uns sehen.

Das war das positive Ergebnis des unpolitischen Charakters der Reichswehr.

Dann ist dieses Instrument wieder in eine bestimmte Form gekommen, hat sich auf Grund des Friedensvertrages eine bestimmte Stärke beigelegt, hat wieder eine bestimmte Schulung vorgenommen, wurde langsam wieder diszipliniert und stand dabei immer wieder vor der Frage, sollen wir politisch denken oder dürfen wir nicht politisch denken und hat schließlich nie politisch gedacht.

So können wir die Tatsache erleben, daß in der Zeit, in der unser Volk eine organisierte Wehrmacht von 100 000 Mann hatte, die politische Entwick­lung im Innern katastrophal nach unten ging.

Man spreche sich nicht frei von Schuld! Es gibt keine Armee, die nur Selbstzweck hätte, sondern ihr Zweck heißt Dienst an der Nation. Mit hunderttausend Mann kann man natürlich nicht Krieg nach außen führen, aber die Nation kann eine solche Armee in jenen Zustand bringen, der ihr einmal wieder die Macht gibt, das Schicksal zu verteidigen. Sie sagen, wir sind nur dazu da, daß wir Ruhe und Ordnung erhalten. Ich frage Sie: Ist das Ruhe, was Sie beschützen? Heißen Sie das Ordnung, was Sie beschirmen? Die Weltgeschichte wird das einmal anders bezeichnen.

Es gibt einen anderen Staat, in dem die Armee über diese Notwendigkeiten eine andere Auffassung gehabt hat. Das war in dem Staat, in dem im Oktober 1922 sich auch eine Schar anschickte, die Zügel des Staates aus den Händen der Verderber zu nehmen, und da sagte die italienische Armee nicht: ,Wir sind nur dazu da, Ruhe und Ordnung zu bewahren,1 sondern sie sagte: ,Wir sind dazu da, dem italienischen Volk die Zukunft zu erhalten.1 (Stürmischer Beifall.) Und die Zukunft liegt nicht bei den Parteien der Destruktion, sondern bei den Parteien, die in sich tragen die Kraft des Volkes, die bereit sind und sich verpflichten wollen, mit dieser Armee eines Tages auch für die Interessen des Volkes einzutreten. Dagegen sehen wir bei uns die höchsten Reichswehrspitzen noch heute nachträglich sich über den Gedanken abquälen, inwieweit man mit der Sozialdemokratie zusammengehen kann. Ja, meine sehr verehrten Herren, glauben Sie denn wirklich, daß Sie sich mit einer Weltanschauung überhaupt nur berühren können, die ihrem inneren Wesen nach die Auflösung dessen bedingt, was Sie als Voraussetzung für den Stand einer Armee brauchen? Sie brauchen zunächst ein Volk, das gesund ist, Sie als Offiziere können nicht sagen, uns ist das gleich, wie die Nation aussieht, ob sie vergiftet oder verpestet ist, ob sie an Gott glaubt oder nicht, ob sie ein Ideal vor sich hat oder nicht, uns ist es gleich, ob junge Menschen geboren werden oder nicht. Das können Sie nicht sagen. Sie brauchen das alles, sonst ist Ihre ganze Tätigkeit nur oberflächlich, nur Scheintat.“

Damit wendet sich Hitler nunmehr unmittelbar an die Offiziere und legt ihnen die Entscheidung mit folgenden Worten nahe:

„Sie können . . . auch nicht sagen, uns ist es gleich, ob wir am Ende eine Demokratie haben oder nicht. Meine Herren, Gesetze sind entweder richtig oder sie sind nicht richtig. Führen Sie die Demokratie bei Ihnen ein!“,

um sodann klar zu sagen, daß Demokratie und Soldatengedanke weltenfern voneinander seien und die Offiziere vor die Alternative zu stellen:

„Entweder man hat einen gesunden Staat mit einer wirklich wertvollen Heeresorganisation, dann heißt das, Vernichtung des Marxismus, oder man hat einen blühenden marxistischen Staat, dann heißt das Vernichtung einer Heeresorgani­sation, die höchsten Zwecken dienen kann.“

Man muß sich hierbei vergegenwärtigen, daß die Nationalsozialisten Marxismus und Demokratie einander völlig gleichstellen, so daß für sie der Kampf gegen den Marxismus gleichbedeutend ist mit dem Kampf gegen die Demokratie, und daß die Aufforderung an die Offiziere, den Marxismus zu vernichten, zugleich die Aufforderung enthält, die Demokratie zu vernichten. Überdies waren zu der Zeit, als Hitler diese Rede hielt, Sozialdemokraten in der Reichsregierung vertreten, und die Richtlinien der Reichspolitik wurden von einem sozialdemokratischen Reichskanzler bestimmt. Die Aufforderung an das Heer, den Marxismus zu vernichten, kann daher – zumal im Zusammenhang mit der vorangegangenen Erörterung, daß nur die Diktatur helfen könne, mit der Verurteilung des „unpolitischen“ Vorgehens der Freikorps im Jahre 1919 und mit dem Hinweise auf den Marsch der Faschisten auf Rom – nur als eine Aufforderung zu gleichem Vorgehen, d. h. zum gewaltsamen Umsturz an der Seite der Nationalsozialisten ausgelegt werden. Auch folgende Ausführungen der Rede, die sich unmittelbar an die Offiziere wenden, können nur als Aufforderung zur Gehorsamsverweigerung und zum aktiven Kampf gegen die Demokratie verstanden werden:

„Da mögen sich die Herren Reichswehrgeneräle folgendes vor Augen halten:

Es liegt zum Teil mit in der Hand der Armee, welche Richtung in Deutsch­land siegen wird, ob der Marxismus siegen wird oder ob wir Sieger werden. Es ist nur notwendig, daß man sich über die Konsequenzen klar wird. Siegt die linke Seite durch Ihr geniales unpolitisches Verhalten, dann schreiben Sie über die deutsche Reichswehr: ,Ende der deutschen Reichswehr.1 Denn dann, meine sehr verehrten Herren, werden Sie doch politisch werden müssen, dann wird man Ihnen rote Jakobinermützen über den Kopf stülpen, und dann werden Sie sich schleunigst umstellen auf den Boden der neuen Tatsachen, dann werden Sie Kommandeur einer Organisation, die mit dem deutschen Volk nichts mehr zu tun hat, dann wird auch hier eine Truppe entstehen, ähnlich der russischen Henkerarmee, die nur die eine Aufgabe hat: das eigene Volk dem Juden fügsam und willig zu machen. Dann verzichten Sie aber auch auf das Glück einer Wiedererhebung unseres Volkes und darauf, daß der Ruhm der deutschen Reichswehr die Fortsetzung ist des Ruhmes der alten Armee.

Nichts ist unveränderlich. Heute ist jeder deutsche Offizier noch übersonnt von dem Ruhm einer dreihundertjährigen ehrenvollen Tradition. (Beifall) Heute ist jeder deutsche Offizier noch der Repräsentant eines Standes, der früher als Ehrenstand angesehen wurde. So wie in zwölf Jahren aber das neue Regiment den Begriff Reichskanzler aus der zauberhaften Höhe eines Bismarck herunterziehen konnte auf das Niveau von heute, so genügen sechzig Jahre, ich möchte sagen, um mich nicht ungerecht auszudrücken, einer antinationalen Heeresorganisation, um den Offizier aus seiner früheren Stellung zu beseitigen und hinunterzuziehen zum Polizeiwachtmeister.

Siegt diese linke Seite, dann begraben Sie zugleich aber auch die Zukunft des deutschen Volkes. Vergessen Sie dabei jedoch eines nicht: daß das, was Rußland ertragen konnte, was dieses große Agrargebiet an Hunger zu ertragen vermochte, Deutschland nicht ertragen kann, und vergessen Sie auch nicht, daß die Weltgeschichte weiterrollt und daß sie dabei vor Deutschland nicht haltmachen wird, weil Sie endlich bei der demokratisch-marxisti­schen Armee angelangt sind. Im Gegenteil, es wird die Stunde kommen, in der sich das Schicksal unseres Volkes vollzieht. Das sind die Aussichten, die Sie haben bei einem Sieg der Unken Seite, und bilden Sie sich nicht ein, daß dort dann plötzlich eine andere Gesinnung kommen könnte, Büttel des neuen Regiments können Sie dann sein und politische Kommissare, und wenn Sie nicht funktionieren, werden Weib und Kind hinter geschlossene Riegel gesetzt, und wenn Sie dann immer noch nicht funktionieren, fliegen Sie hinaus und werden vielleicht an die Wand gestellt; denn ein Menschenleben gilt wenig bei denen, die ein Volk vernichten wollen.“

Schon aus dem Inhalt der Rede Hitlers ergibt sich, daß es sich hier nicht nur um eine rein theoretische Erörterung über Wehrfragen handelt, sondern um die aus­gesprochene Absicht, die Reichswehr nationalsozialistischen Ideen zugänglich zu machen, sie damit zugleich ihrer Eigenschaft als eines zuverlässigen Werkzeugs der verfassungsmäßigen Träger der Reichsgewalt zu entkleiden und sie darüber hinaus zu einem aktiven Vorgehen gegen die demokratische Reichsgewalt im Falle des von der NSDAP geplanten Umsturzes zu bewegen. Dieser Zweck wird noch besonders dadurch unterstrichen, daß die Rede Hitlers trotz ihres großen Umfangs im Wortlaut als eine für Propagandazwecke innerhalb der Reichswehrkreise bestimmte Reichswehrsondernummer des „Völkischen Beobachters“ herausgege­ben worden ist.

Seine auf Zersetzung der Reichswehr gerichtete Tätigkeit setzte Aldolf Hitler in Heft 3 der nationalsozialistischen Monatshefte, das unter dem Titel „Deutscher Wehrgeist“ Wehrfragen behandelt, auf S. 101 wie folgt fort:

„Die deutsche Reichswehr entfernt sich aber in Wirklichkeit von der Tradition dieses Ruhmes in eben dem Maße von Jahr zu Jahr mehr, als sie aufhört, eine Repräsentantin des bewußt und betont nationalen Gedankens zu sein. Je mehr sie in ihren eigenen Reihen den offensiven nationalen, also nationalistischen Geist tötet und dessen Repräsentanten entfernt, um statt dem Demokraten, ja endlich überhaupt gewöhnlichen Strebern, Posten zu geben, um so mehr entfremdet sie sich dem wirklichen deutschen Volk. Denn die schlauen Herren des heutigen Reichswehrministeriums mögen sich ja nicht einbilden, daß sie durch Konzessionen an den marxistisch-pazifistisch-demokratischen Teil unseres Volkes den ,Anschluß an das Volk‘ finden könnten. Diesem Teil des deutschen Volkes nämlich ist jede militärische Organisa­tion an sich innerlich immer verhaßt, solange sie eben Militär ist mit kriegerischen Zwecken und nicht Wach- und Schließgesellschaft internationaler Börseninteressen. Der einzige Teil, zu dem eine Armee mit militärisch wertvollem Sinn und Inhalt eine innere Beziehung unterhalten kann, ist jener bewußt nationale Kern eines Volkes, der nicht nur aus Tradition soldatisch denkt, sondern der auch aus nationaler Liebe, Gesinnung und Begeisterung jederzeit bereit ist, den Waffenrock zum Schutze, zur Ehre und zur Freiheit eines Volkes selbst anzuziehen. Es ist notwendig, daß ein Heereskörper die inneren Beziehun­gen zu denen aufrecht erhält, aus denen er sich in den Stunden der Not ergänzen kann, und nicht zu jenen, die ihn bei jeder Gelegenheit gemäß ihrer inneren geistigen Verfassung doch nur ablehnen, ja am Ende verraten. Daher können die heutigen Führer unserer sogenannten Reichswehr sich noch so demokratisch gebärden, so werden sie dadurch aber dennoch niemals in eine nähere Verbindung mit dem deutschen Volke gelangen können, weil das für diese Verbindung geeignete Volk sich nicht im Lager der Demokratie befindet. Indem aber besonders der frühere Chef der deutschen Reichswehr, General v. Seeckt, der Entfernung knorriger, bewußt und betont national gesinnter Führer und Offiziere nicht nur keinen Widerstand entgegensetzte, sondern sie sogar noch befürwortete, hat er sich endlich das Instrument geschaffen, das ihn selbst verhältnismäßig leichten Herzens fahren ließ!

Seit dem Rücktritt des Generals v. Seeckt ist der demokratisch-pazifistische Einfluß unermüdlich tätig, um aus der deutschen Reichswehr das zu machen, was den parlamenta­rischen Regenten des heutigen Staates als angenehmstes Ideal vorschwebt: Eine republika­nisch-demokratische Parlamentswache!

Mit einem solchen Instrument aber kann man dann wohl die eigene Nation niederhalten, aber keine wertvolle Außenpolitik durchführen.“

Noch deutlicher geht das Bestreben der NSDAP, die Disziplin im Heere aufzulockern und damit das militärische Machtinstrument des republikanischen deutschen Staates zu zersetzen, aus den Ausführungen von Wilhelm Weiss im gleichen Heft (S. 137) in einer Abhandlung „Der General Gröner“ hervor. Es heißt darin:

„Im Artikel 1 (der ,Berufspflichten des deutschen Soldaten4) ist zu lesen:

,Das Deutsche Reich ist eine Republik. Ihrer Verfassung schwört der Soldat die Treue. Die unverbrüchliche Wahrung der dem Vaterland gelobten Treue ist die vornehm­ste Pflicht des Soldaten.4

Und der Artikel 2 lautet: ,Die Reichswehr dient dem Staat, nicht den Parteien. Politische Betätigung ist den Soldaten verboten.4

Im Artikel 1 schwört der Soldat der .Verfassung4 die Treue. Also wieder diesem Abstraktum, dem Produkt eines parlamentarischen Majoritätsbeschlusses, der jeden Tag wiederum durch Mehrheitsbeschluß geändert werden kann. Und zwar durch Beschluß der Parlamentsparteien, denen der Soldat nach Artikel 2 nicht dienen darf. Der Reichswehrsoldat muß also bereit sein, unbesehen für jede Verfassung in den Tod zu gehen. (Das letztere nach Artikel 3.) Was in der Verfassung steht, geht ihn nichts an. Denn das bestimmt die Parlamentsmehrheit (der roten und schwarzen Pazifisten!). So wird der Treueid des Reichswehrsoldaten zu einer sinnwidrigen (um nicht mehr zu sagen) Zumutung an den Soldaten selbst. Er schwört, sein Leben einzusetzen für eine Sache, die er nicht kennt und ihn auch nichts angeht. Aber er schwört, sich totschießen zu lassen für jeden zufälligen Mehrheits­willen mehr oder minder wehrfeindlicher Parlamentarier.44

Hier wird in zwar versteckter, aber unmißverständlicher Form – wie diese Form überhaupt kennzeichnend für die NSDAP geworden ist – die Aufforderung an die Reichswehrsoldaten gerichtet, den Treueid, der „zumindest eine sinnwidrige Zumutung“ darstelle, nicht zu halten. Die gleiche Tendenz, die Reichswehr zu zersetzen, weist der Völkische Beobachter vom 27. August 1930 auf. Dort heißt es in einem Artikel „Das Reich finanziert die Hetze gegen die Reichswehr“:

„Könnte es überhaupt einen besseren Kommentar zu der Justizkomödie geben, die sich demnächst auf Veranlassung des Herrn Gröner und seiner politischen Freunde vor dem Reichsgericht in Leipzig gegen die drei jungen Offiziere abspielen wird, die . . . wohl allen Grund hatten, an dem ernsthaften Wehrwillen ihrer obersten Behör­den zu zweifeln?

Wir werden unsererseits nichts versäumen, dafür zu sorgen, daß dieser neueste Skandal um den im Hochzeitsschmaus befindlichen Herrn Gröner namentlich denen bekannt wird, die es angeht und die ein Interesse auch daran haben, auch einmal zu erfahren, von wem und mit wessen Hilfe sie unaufhörlich angespuckt und angegeifert werden. Ein feiner Staat, der seine Mittel dazu hergibt, um die verhöhnen zu lassen, denen er zumutet, für ihn eines Tages die Köpfe hinzuhalten und sich totschießen zu lassen!“

In der gleichen Nummer heißt es außerdem über die Ulmer Reichswehroffiziere, die wegen Hochverrats unter Anklage stehen:

„Deren Verbrechen soll in einer Nationalisierung der Reichswehr bestanden haben. Das ist angesichts des heutigen Systems, in dem Reichswehrminister goldene Uhren als Denun­ziantengeschenke versprechen, allerdings furchtbar.

Aber es kommt die Zeit, da auch die Herrschaft der Büro-Generale ein Ende haben wird.“

Bereits einige Zeit vorher war der Inhalt eines geheimen Rundschreibens der Partei über den Aufbau von Zellen innerhalb der Reichswehr bekannt geworden, wonach die Ortsgruppen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ehemalige SA- oder Parteimitglieder festzustellen haben, die jetzt in der Reichs­wehr sind. Den Ortsgruppen wird ferner aufgegeben, festzustellen, wo diese Leute stationiert seien, und ihre Anschriften der Gauleitung mitzuteilen. Die Gauleitun­gen sollen angewiesen sein, den ehemaligen Parteigenossen durch kameradschaft­liche Briefe und evtl. Pakete wieder näherzutreten und deren Antworten der Parteileitung in München zu besonderer Verwertung umgehend zuzusenden.

Die ersten Fälle, in denen der Zersetzung dienende nationalsozialistische Pres­seerzeugnisse in eine Kaserne geworfen worden sind, wurden im März 1930 in München und Würzburg festgestellt, und zwar handelte es sich in Würzburg um die eben erörterte Reichswehrsondernummer und in München um ein Flugblatt ,, Gröners Schnüffelkommission“.

Zu welchen Auswirkungen diese praktische Zersetzungstätigkeit bereits geführt hat, ist in der Voruntersuchung gegen die Ulmer Offiziere Scheringer, Ludin und Wendt (12J10.30/25)[22] festgestellt worden. Danach ist eine auf eine feste Organisa­tion hinarbeitende Zusammenfassung von Reichswehroffizieren vorhanden, die die Reichswehr in die Hände der Nationalsozialisten spielen will. Die Angeschuldigten Scheringer und Ludin hatten eine Besprechung mit dem Hauptmann a. D. v. Pfeffer und dem Hauptmann a. D. Dr. Wagener mit dem Ergebnis, daß die beiden Angeklagten versuchen sollten, das Offizierskorps für die nationalsozialistische Idee zu gewinnen. Als Ziel hatten sie sich gesteckt, daß Offiziere und Mannschaf­ten im Falle eines von den Angeklagten in absehbarer Zeit erwarteten nationalso­zialistischen Umsturzversuchs sich der Umsturzbewegung anschließen sollten und auf keinen Fall auf die Nationalsozialisten und die nationalsozialistischen Verbände schießen sollten. In dem Angeklagten Wendt fanden sie einen bereitwilligen Mitar­beiter. Die Angeklagten unternahmen verschiedene Reisen, um ihnen bekannte Offiziere, die sie für ihre Zwecke geeignet hielten, für die Sache zu gewinnen. Da sich diese Offiziere jedoch nicht auf die Absichten der Angeklagten einließen, sondern Meldung erstatteten, wurde der Zersetzungstätigkeit der Angeklagten ein Ende bereitet. Durch Zeugenaussagen ist festgestellt, daß eine Organisation innerhalb der Reichswehr geschaffen werden sollte und daß vorerst in den einzelnen Reichswehrkommandos Vertrauensmänner und Funktionäre wirken sollten. Aus der durch Zeugen belegten Tatsache, daß den Offizieren, die sich für die Werbetätigkeit zur Verfügung stellen würden, Reisekosten ersetzt würden, ist zu schließen, daß den Angeklagten von der Nationalsozialistischen Partei Mittel hierfür zur Verfügung gestellt worden sind.

  • Polizei

Eine ähnliche Zersetzungstätigkeit hat die NSDAP in letzter Zeit gegenüber der Schutzpolizei begonnen. Diesem Zwecke diente ein Artikel im „Völkischen Beobachter“ Nr. 13 vom Januar 1930, der unter der Überschrift „Die Schupo und wir“ die angebliche Tatsache erörterte, daß bei der Stadtverordnetenwahl im November 1929 in sechs verschiedenen Wahlbezirken Berlins von etwa 4300 Schupobeamten 222 nationalsozialistische Stimmen abgegeben wurden. In dem Artikel wurde gesagt:

„Diese Schupowähler sind keine Transusen, sondern politisch aktive Männer, so daß sicli schon denken läßt: kommt es einmal hart auf hart, so reißen sie einen Teil ihrer Kameraden mit sich fort gegen Zörgiebel und das Weimarer System.“

,, . . . Bei der Berliner Schupo ist es um so begreiflicher, weil die national verlumpten und auch sonst schmierigen Polizeimethoden in jedem anstän­digen Mann, der die Schupouniform trägt, nachgerade Ekel bis zum Brechreiz erwecken müssen.“

,, . . . Zörgiebel und seine Kumpane werden noch ganz andere Überraschungen erleben als dieses Berliner Schupo-Wahlresultat, das für uns darum so erfreulicher ist, weil wir uns bewußt sind, daß die deutsche Befreiung nicht gegen, sondern mit der bewaffneten Macht (hören Sie auch hin, Herr Gröneri) zu erfolgen hat.“

,, . . . Nicht gegen den einzelnen Schupobeamten wenden wir uns, sondern gegen das Weimarische System, das ihn zu Bütteldiensten für die Schädlinge am Volk kommandiert und damit seine Menschenwürde in den Dreck tritt.“

Auch hierin liegt – wiederum in versteckter Form – die Aufforderung an die Schutzpolizisten, ihren Vorgesetzten den Gehorsam zu verweigern. Offen hat dies überdies Hitler in einer Versammlung in Gotha im Mai 1930 ausgesprochen:

„Im kleinen und kleinsten sind wir heute soweit, daß, wenn links antritt, wir gegenübertre­ten und dabei nur einen Wunsch haben: Polizei, gib die Straße frei!“,

was nur so ausgelegt werden kann, daß die NSDAP die gewaltsame Auseinander­setzung mit den zur Abwehr des Umsturzes bereitstehenden Linksparteien sucht und sich dabei der Neutralität der Polizei versichern will.

Die Einzelprogaganda bei der Polizei erfolgt genau nach kommunistischem Vorbild. So haben nach amtlicher Mitteilung der Oldenburgischen Regierung vor einiger Zeit sämtliche Polizeioffiziere nationalsozialistische Presseerzeugnisse zugesandt erhalten; ein Nationalsozialist in Lübeck hat neuerdings zugegeben, daß er nationalsozialistische Literatur an Polizeioffiziere versandt habe, und auch das hessische Polizeiamt in Darmstadt bezeichnet es in einer Mitteilung vom Juni 1930 als auffallend, daß bereits „auch Polizeibeamte sich die Lehre Hitlers zu eigen machten.“

Diese Betrachtung läßt unter Berücksichtigung des Zusammenhangs klar den Zweck erkennen, unter den Reichswehrsoldaten und Polizeibeamten Unzufrieden­heit mit dem Dienst sowie feindliche Gesinnung gegen die Vorgesetzten zu erwecken und dadurch zu bewirken, daß die staatlichen Machtmittel bei bewaffne­ten inneren Zusammenstößen ihre Pflichten gegen die verfassungsmäßige Regie­rung nicht erfüllen[23]. Diese Zersetzungstätigkeit ist auch in hohem Maße geeignet, die Polizeibeamten und Reichswehrsoldaten für die Erfüllung der ihnen hinsicht­lich der Verteidigung der verfassungsmäßigen Staatsform obliegenden Aufgaben unbrauchbar zu machen. Es bedarf keiner näheren Erörterung, welche Bedeutung der Erfolg einer solchen Tätigkeit für den Bestand der verfassungsmäßigen Staatsform, wie auch für die Aussichten der NSDAP bei dem von ihr geplanten gewaltsamen Umsturz haben können. Die Gefahr dieser zersetzenden Tätigkeit wird überdies durch die bedauerlichen Vorfälle in der Ulmer Reichswehr praktisch erwiesen.

  • Schaffung einer eigenen revolutionären Kampftruppe (Sturmab­teilungen und Schutzstaffeln)
  • Zweck und Aufgabe

Die NSDAP begnügt sich jedoch nicht mit der propagandistischen Vorbereitung des gewaltsamen Umsturzes und der Zersetzung der staatlichen Machtmittel. Sie hat sich vielmehr zur Erreichung ihres revolutionären Zieles in ihren Sturmabtei­lungen (SA) und Schutzstaffeln (SS) bereits eine uniformierte, wohldisziplinierte, militärisch organisierte Kampftruppe geschaffen. Hitler selbst sprach schon in einer Sektionsversammlung der Partei in München im Herbst 1926 von der Schaffung einer großen nationalen Armee und gab dabei der Hoffnung Ausdruck, daß die SA und SS in kurzer Zeit die Mitgliederzahl von 1 Million erreichen werden und daß dann wohl die ersehnte nationale Freiheit anbrechen werde. Seitdem ist die Zweckbestimmung der SA und der SS als revolutionäre Armee immer deutlicher zum Ausdruck gekommen. Am 13. Oktober 1928 schreibt der damalige oberste SA-Führer v. Pfeffer an einen Unterführer in Köln:

„Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die SA, als die Trägerin der zukünftigen deutschen Wehrmacht, so ausgebildet und so organisiert werden muß, daß heute schon langsam, aber stetig und unaufhaltsam, sich ein Staat im Unstaat heranbildet, damit bei Errichtung des nationalsozialistischen Großdeutschlands die innere Form unangreifbar und in jeder Beziehung fest und in sich stark dasteht. Über die äußere Form und die einzuschlagende Taktik kann man heute noch streiten und hängt dies wohl in der Hauptsache von zeitlichen oder mehr noch von örtlichen Sonderumständen etc. ab,“

und am 28. November 1928 an denselben Empfänger:

„Die SA ist die Kampftruppe der Bewegung, der Ausdruck des menschgewordenen Machtwillens einer politischen Organisation. Keinesfalls ist sie daher zu verglei­chen mit einer Vereinigung junger, gleichgesinnter Männer mit dem alleinigen Selbstzweck des Bestehens einer Organisation ohne Wille zur Initiative. Da nun unsere SA der Ausdruck des machtpolitisch organisierten Machtwillens einer Parteiorganisation ist, die nicht durch Reden, sondern durch Taten an der nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes zu arbeiten gewillt ist, so ist dem Begriff der Kameradschaft in ihren Reihen auch eine wesentlich andere Bedeutung beizumessen, als dies in den sogenannten Wehrverbän­den und Kriegervereinen gemeinhin der Fall zu sein pflegt.“ . . .

„Die Kameradschaft der SA-Formationen muß daher derartig feste Formen anneh­men, daß an ihrem granitenen Wall alle Polizeiverbote, alle sonstigen Schikanen wirkungslos abprallen.“. . .

Am 23. Mai 1929 schreibt der Standartenführer Langendorf in Köln an die ihm unterstellten Sturmführer:

„Die erste Aufgabe der SA ist: Der Kampf um den Staat, um die Macht . . .“

In ähnlicher Weise spricht sich der damalige Osaf-Stellvertreter West und jetzige Generalinspekteur der Sturmabteilungen, Oberstleutnant a. D. v. Ulrich in Kassel, in zwei Befehlen vom 22. und 27. Juli 1929 an die Standartenführer des Gausturms Rhein aus. Unter dem 22. Juli 1929 heißt es:

„Unser Aufmarsch in Nürnberg wird der ganzen Welt beweisen, daß die deutsche Zukunft dem Nationalsozialismus gehört, daß Deutschland erwacht. Der dröhnende Schritt der braunen Regimenter kündet eine neue anbrechende Zeit, die dem Leben in Knecht­schaft und Not ein Ende setzen wird. Freund und Feind wird und muß aufhorchen und Kenntnis nehmen von uns.“ . . .,

und unter dem 27. Juli 1929:

„Bekanntlich kennt der kommende nationalsozialistische Staat keine allgemei­ne Wehrpflicht im alten Sinne der wilhelminischen Zeit. (Die SA würde es sich auch verbitten, wenn dadurch jeder Lump gezwungen werden könnte, unser Ehrenkleid anzuziehen.) Die Auslese der Wehrfähigen erfolgt durch das Wehrrecht. Jeder Deutsche hat glücklich zu sein, wenn er für sein Vaterland eintreten darf. Und dieses Recht ist zugleich ein Prüfstein. Wer zu uns kommt, wird nicht gezwungen wie im alten Kaiserreich. Es steht jedem frei. Es gibt aber nachher keine Ausrede. Und so sagt denn auch das nationalsozialistische Programm in dieser Hinsicht folgerichtig:

Staatsbürgerrechte ausüben kann nur der, der sein Wehrrecht ausgenützt hat. Darum gehört jeder gesunde Parteigenosse in die SA. Marschiert mit im Glied und überlaßt es den anderen, Spalier zu stehen und nur Rahmen zu sein. Je größer unsere Machtentfaltung ist, je nachhaltiger der Eindruck ist, den wir hinterlassen, desto eher kneifen – die anderen; die Reaktion (der eine von unseren Gegnern) hat es 1918 bewiesen, wie sie vor einer Handvoll erbärmlicher Deserteure davonlaufen konnten. Der Marxismus hat es beim Kapp- und Hitler-Putsch gezeigt, wie schnell die Bonzen kapitulieren. Über Nacht waren beide Male die sogenannten Herrschenden verschwunden und werden es wieder sein, wenn unser Tag kommt: Die Straße frei den braunen Bataillonen, die Straße frei dem Sturmabteilungsmann!“

Am 22. Oktober 1929 erklärte der Gauleiter Telschow in einer Versammlung in Neuhaus/Elbe in bezug auf die SA:

. Der jetzige Staat ist kein Staat. Die NSDAP nimmt den Kampf gegen das jetzige System auf und gegen die ,Dreihundert‘ des Weltkapitals, die die Welt regieren . . .

Wir kämpfen für euch. Unsere braunen Jungen werden evtl, in diesem Kampfe ihr Leben einsetzen, wir werden den Kampf mit allen Mitteln führen, im Kampf gibt es Leichen, wenn es gegen den jüdischen Janhagel geht, schreiten wir auch über Gräber. Es kann auch sein, daß manche Mutter ihren Sohn verliert! . . .“

Daß die NSDAP ihre auf gewaltsamen Umsturz gerichteten Ziele auch mit der SS verfolgt, erhellt mit aller Deutlichkeit aus dem Rundschreiben Nr. 3 der Hoch­schulgruppe Köln des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes vom 23. Juli 1928, worin es u. a. heißt:

„Es wird unter Bezugnahme auf Rundschreiben 2 erwartet, daß alle gesunden Mitglieder sich zum SS-Dienst melden, um im Braunhemd praktisch für die kommende Auseinandersetzung bei der Errichtung der nationalsozialistischen Dikta­tur herangebildet zu werden.“

Die angeführten Äußerungen sind nicht etwa belanglose Redereien unmaßgebli­cher Mitglieder oder Unterführer, sondern offizielle Verlautbarungen des obersten Leiters der SA, des Osaf-Stellvertreters West und eines Gauleiters. Der Standar­tenführer Langendorf und die Hochschulgruppe des Nationalsozialistischen Deut­schen Studentenbundes in Köln äußern sich nur im gleichen Sinne. Die SA ist der „Ausdruck des menschgewordenen Machtwillens“ der NSDAP, also einer auf gewaltsamen Umsturz hinarbeitenden Bewegung. Zunächst dient sie dazu, die gesunden Mitglieder der NSDAP „im Braunhemd praktisch für die kommende Auseinandersetzung bei der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur heran­zubilden“. Sie ist keine einfache Vereinigung junger gleichgesinnter Männer ohne Willen zur Initiative, sondern eine Organisation, die „nicht durch Reden, sondern durch Taten an der nationalen und sozialistischen Befreiung des deutschen Volkes zu arbeiten gewillt ist“. Ihre Aufgabe ist „der Kampf um den Staat“. Und diese Taten, dieser Kampf um den Staat wird sich – darüber ist sich die SA völlig klar – gegen „Polizeiverbote und alle sonstigen Schikanen“, unter denen gleichfalls nur behördliche Maßnahmen gegen das gewaltsame Vorgehen der NSDAP verstanden werden können, abspielen; denn der Kampf wird „mit allen Mitteln“ geführt werden. Eventuell werden die SA-Mitglieder „in diesem Kampf ihr Leben einsetzen“. Die SA und SS sind danach das Machtinstrument der NSDAP, das in erster Linie den geplanten Umsturz durchzuführen hat. Und um keinen Zweifel hierüber aufkommen zu lassen, führt der Osaf-Stellvertreter West als Beispiel für die Endauseinandersetzung zwei hochverräterische Unternehmun­gen, den Kapp- und den Hitler-Putsch, an. Ebenso werde es wieder sein, wenn der Tag der Nationalsozialisten komme: „Die Straße frei den braunen Bataillonen, die Straße frei dem Sturmabteilungsmann!“

  • Militärische Schulung

Bezeichnend für die Vorbereitung dieser gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem bestehenden Staate sind Beobachtungen über Bemühungen um eine Ausbil­dung der nationalsozialistischen Führer im Gebrauch von Militärwaffen und in militärischen Operationen.

Im Gau Rheinland fand im Sommer 1928 ein sogenannter „Sportkursus“ für Führer statt, der rein militärisch zugeschnitten war. Der Lehrstoff ergibt sich aus den Lehrbriefen, die an die an der persönlichen Teilnahme verhinderten auswärtigen Führer versandt worden sind. Der Lehrbrief Nr. I vom 2. August 1928 befaßt sich mit der Instruktion über das Gewehr Modell 98, der Lehrbrief Nr. II vom 9. August 1928 mit dem Seitengewehr Modell 98, der Munition und Schießlehre, der Lehrbrief Nr. III vom 14. August 1928 mit Schußlei­stungen, gefechtsmäßiges Schießen und Entfernungsschätzen, der Lehrbrief Nr. V vom 22. August 1928 mit Vorpostendienst, der Lehrbrief Nr. VI vom 24. August 1928 mit Patrouillendienst. Bei der Instruktion über das Gewehr Modell 98 ist an den betreffenden Kursabenden ein Gewehr des genannten Modells benutzt worden.

Die oberste SA-Führung hat diesen Kursus und seine Gegenstände nicht nur gekannt, sondern auch gebilligt; sie hat Anregungen gegeben, den Kursus in möglichst kurz gehaltenen Kursbriefen nach dem neuen Reichswehrregle­ment unter Berücksichtigung der gebotenen Vorsicht abzuhalten, die direkten militärischen Instruktionen aber nur mündlich in Lehrabenden zu erteilen. Auf Veranlassung von Hitler ist der militärische Charakter des Kursus zwar demnächst zu Gunsten einer stärkeren Betonung der sportlichen Seite geändert worden. Dabei ist aber bedeutsam, daß Hitler die militärische Ausbildung nicht etwa grundsätzlich verworfen hat. Er hat vielmehr nur den Wunsch ausgespro­chen, militärische Instruktionen, wenn solche für nötig erachtet würden, nur in ganz engem persönlichen Kreis den interessierten Parteigenossen mündlich zu erteilen und schriftliche Instruktionen nur auf durchaus vertrauenswürdige Parteigenossen zu beschränken. Hiernach kann der weiteren Erklärung Hitlers, bei Fortführung des Kursus auf der bisherigen Basis keine Verantwortung dafür tragen zu können, keine maßgebliche Bedeutung zukommen, zumal er nach einem Schreiben des obersten SA-Führers an den Gau Rheinland die Angelegenheit mit diesem noch einmal erörtern wolle. Beachtlich ist es ferner, daß der oberste SA- Führer daraufhin dem Gau anheimstellt, den Kursus nach eigenem Ermessen und auf eigene Verantwortung vorläufig weiterzuführen. Der Vorgang und seine Behandlung durch die Parteizentrale sind auf jeden Fall aufschlußreich für die ernstlichen Absichten und Bestrebungen der NSDAP, sich für den ange­strebten gewaltsamen Umsturz auch militärisch vorzubereiten.

Dem den SA und den SS als revolutionärer Armee gesetzten Zweck entspricht auch ihre militärische Gliederung und Disziplin.

  • Militärische Gliederung und Disziplin

Die SA werden im Bereich jeder Ortsgruppe der NSDAP aus besonders zuverlässigen und geeigneten Parteimitgliedern errichtet, sind von der örtlichen Parteiorganisation (Ortsgruppe, Gau) losgelöst, haben ihre eigenen, den lokalen Parteifunktionären gegenüber durchaus selbständigen Führer und unterstehen der Befehlsgewalt der obersten SA-Führung (Osaf) in München. Oberster SA- Führer war bis Ende August 1930 der Hauptmann a. D. v. Pfeffer in München, der allein dem Parteiführer Hitler verantwortlich war. Im Zusammenhang mit der Auflehnung der Berliner Sturmabteilungen Anfang September 1930 ist v. Pfeffer zurückgetreten, und Hitler hat bis auf weiteres selbst die Funktionen des obersten SA-Führers übernommen.

Die Gliederung der SA ist straff militärisch. Die unterste Einheit ist die Gruppe, bestehend aus 3-13 Mann, die möglichst dieselbe Arbeitsstätte haben sollen. Mehrere benachbarte Gruppen werden zum Trupp zusammengefaßt, der etwa der Kompagnie entspricht. Mehrere Trupps bilden den Sturm (Bataillon), mehrere Stürme die Standarte (Regiment), deren Bezirk der Abgrenzung durch den obersten SA-Führer vorbehalten ist. Sämtliche Standarten eines Gaues bilden den Gausturm; für besonders große und starke Gaue kann eine Unterteilung des Gausturms in Brigaden erfolgen, die dann ihrerseits mehrere Standarten umfassen. Neuerdings sind jeweils mehrere Gaustürme – etwa nach Art der früheren Armeeinspektionen – unter einem Osaf-Stellvertreter zusammengefaßt. In Deutschland bestehen zur Zeit fünf solcher Oberbezirke, nämlich

  1. Osaf-Stellvertreter Ost in Berlin (Hauptmann a. D. Stennes),
  2. Osaf-Stellvertreter Nord in Hannover (Major a. D. Dinklage),
  3. Osaf-Stellvertreter West in Düsseldorf (Oberleutnant a. D. v. Fichte),
  4. Osaf-Stellvertreter Mitte in Dresden (Kapitänleutnant a. D. v. Killinger),
  5. Osaf-Stellvertreter Süd in München (Major a. D. Schneidhuber).

„Generalinspekteur“ sämtlicher Sturmabteilungen ist der frühere Osaf-Stellver­treter West, Oberstleutnant a. D. v. Ulrich in Kassel.

Jeder Sturm muß zwei ausgebildete Sanitäter haben; diese bilden innerhalb der Standarte eine besondere Sanitätsabteilung. Jede Standarte hat außerdem einen Spielmannszug (SZ) und u. U. einen Musikzug (MZ). Die Radfahrer innerhalb der SA eines Gaues können zu Radfahrabteilungen zusammengezo­gen werden.

An der Spitze des Gausturms steht der Gau-SA-Führer (Gausaf), der einen Adjutanten hat. Die Gau-SA-Führer sind dem obersten SA-Führer (Osaf) in München, bis vor einigen Wochen der ehemalige Freikorpsführer Hauptmann a. D. Pfeffer v. Salomon, unterstellt. Auch jeder Standartenführer (Staf) hat einen Adjutanten.

Die Mitglieder der SA tragen Uniform (sogenannten „Dienstanzug“): braune Hitlermütze mit Kinnriemen, braunes Hemd mit brauner Krawatte, kurze, möglichst braune Hose, Leder- oder Wickelgamaschen, Koppel mit Schulterrie­men, Hakenkreuzarmbinde (rote Binde mit schwarzem Hakenkreuz auf weißem Kreisfeld), dazu Brotbeutel und Feldflasche, gegebenenfalls Tornister; jeder SA- Mann trägt auf dem rechten Kragenspiegel die Zahl seines Sturms in arabischen Ziffern. Kragenspiegel und Nummern haben in den verschiedenen Gauen ver­schiedene Farben, ähnlich wie sich früher die zu verschiedenen Armeekorps gehörigen Regimenter durch die Farbe der Achselklappen und Armelaufschläge unterschieden. Die Führer sind durch besondere Abzeichen — Sterne, Schnüre usw. — kenntlich gemacht. Nach einem Befehl der obersten SA-Führung sollen alle gedienten Mitglieder der SA in Führerstellungen verwendet werden.

Dieser militärischen Gliederung der SA entspricht die militärische Disziplin. Die SA-Leute, die aus den Reihen der Parteimitglieder entnommen werden, müssen bei ihrem Beitritt zur SA eine besondere Verpflichtungserklärung abge­ben, in der sie u. a. ,,tadellose Disziplin“ versprechen. Was in Wirklichkeit hierunter zu verstehen ist und bei dem Charakter der SA verstanden werden muß, zeigt die – in ihrem Wortlaut, offenbar aus Vorsicht, inzwischen geänderte – Fassung einer solchen Verpflichtungserklärung aus dem Jahre 1926, worin das SA- Mitglied sich zu unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Führer der Bewe­gung, Adolf Hitler, und seinen von ihm eingesetzten Unterführern verpflichtet. Trotz des geänderten Wortlauts der Verpflichtung ist deren Sinn des unbedingten Gehorsams geblieben. In einer aus neuerer Zeit (Mai 1928) stammenden Anwei­sung für die SA des Gaues Oder-Warthe heißt es:

„Die SA-Männer haben ihren Führern unbedingte Gefolgschaft zu leisten.“

Nach einem Befehl des Gau-SA-Führers im Gau Rheinland vom 4. April 1928 ist „den Anweisungen der SA-Führer ohne jedes Veto restlos nachzukom­men“, und in einem Brief Hitlers an den obersten SA-Führer v. Pfeffer -werden folgende Richtlinien für den SA-Mann niedergelegt:

„Der SA-Mann muß der fanatische Verteidiger der Idee Hitlers sein, der sich urteilslos den Befehlen der Führung unterwirft.“

Der oberste SA-Führer, Hauptmann a. D. v. Pfeffer, schreibt seinerseits an einen Unterführer in Köln am 28. Dezember 1929:

„Vor ihnen steht ein einziger: der Führer. Und du folgst ihm. Der Glaube an ihn ist der Glaube an das deutsche Volk. Er befiehlt, und du folgst ihm. Du fragst nicht, warum und wozu. Du kennst ja das Ziel.“

Diese Befehle werden in der Praxis befolgt. Bezeichnend hierfür ist z. B. die Tatsache, daß der Landwirtschaftsgehilfe Willi Prieß aus Halle, der an einem von Nationalsozialisten verursachten Zusammenstoß mit Kommunisten teilgenommen hatte und deshalb unter Anklage gestellt wurde, bei seiner Vernehmung auf die Frage, was er über den Anmarsch gegen Kommunisten gedacht habe, erklärte, er habe sich darüber keine Gedanken gemacht, jeder SA-Mann habe dahin zu gehen, wohin ihn sein Führer führe. Aus alledem folgt, daß die Mitglieder die Verpflichtung eingehen, unter Ausschaltung des eigenen Ermessens sich den Anordnungen der Vorgesetzten ohne Rücksicht auf ihre Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu unterwerfen.

Die Schutzstaffeln (SS) werden in allen Ortsgruppen aus den besten und zuverlässigsten Parteimitgliedern aufgestellt, stehen miteinander in Ver­bindung und sind organisatorisch unter einer Oberleitung in München (SSOL) zusammengefaßt, die ihrerseits dem obersten SA-Führer (Osaf) unterstellt ist. Ihre Aufgabe ist dreifacher Art: Versammlungsschutz, Parteiwerbung und Abwehrorganisation. Nach den Richtlinien für die SS haben sie noch die besondere Aufgabe eines verstärkten Schutzes für den Parteiführer Hitler. Die SS sind, ähnlich wie die SA, straff militärisch gegliedert, in ihren inneren organisato­rischen Aufgaben von Ortsgruppe und Gauleitung unabhängig und auch gegen­über den SA selbständig bis auf ihre Unterstellung unter den obersten SA-Führer. Die Uniform der SS-Mitglieder ist schwarz. Für den Beitritt zu den SS ist ein Alter von 23 bis 35 Jahren, eine Mindestgröße von 1,70 m, die indes von gedienten Soldaten nicht verlangt wird, 1 Jahr Parteimitgliedschaft und die Bürgschaft zweier weiterer Parteimitglieder vorgeschrieben. Die SS stellen somit eine Eliteabteilung der NSDAP und eine Art Geheimpolizei dar. Gehorsam und Schweigen sind ihre Haupteigenschaften; in den Satzungen der SS ist eine Klausel über unbedingtes Schweigen über die internen Vorgänge innerhalb der Organisation enthalten. Deshalb sollen grundsätzlich nur solche Leute aufgenom­men werden, von denen zu erwarten ist, daß sie ihr ganzes Leben lang Nationalsozialisten bleiben werden und daß ihr Austritt oder Ausschluß aus der NSDAP undenkbar ist. Der straffen militärischen Organisation der SS entspricht die Besetzung aller Führerstellen möglichst mit ehemaligen Offizieren, die Führung von Stammrollen für die Mitglieder und die laufende Ausgabe monatli­cher Erkennungsworte.

SA und SS sind danach militärisch aufgebaute parteiamtliche Einrichtungen, die dazu bestimmt und nach Organisation und Ausbildung in der Lage sind, bei dem von der NSDAP bezweckten und vorbereiteten gewaltsamen Umsturz als revolu­tionärer Angriffstrupp zu dienen und zugleich den Grundstock der Armee des zukünftigen nationalsozialistischen Staates zu bilden.

  • Legalitätserklärungen und ihr Wert

Wenn revolutionäre Bewegungen größeren Umfang annehmen und damit eine größere Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung darstellen, haben sie naturgemäß mit Gegenmaßregeln der Regierung zu rechnen. In einem solchen Stadium pflegen sie Legalitätsversicherungen abzugeben, um ein Ein­schreiten der staatlichen Gewalt gegen die noch im Aufbau und in der Vorberei­tung befindliche Organisation zu vermeiden. Welche Bedeutung diesen Versiche­rungen einer revolutionären Bewegung beizumessen ist, hat das Reichsgericht in seinen wiederholten Hochverratsprozessen gegen Mitglieder der KPD ausgespro­chen, indem es die auch dort ständig wiederkehrenden Legalitätsversicherungen der Kommunisten als völlig unglaubwürdige Schutzbehauptungen charakterisiert hat.

Auch die NSDAP hat in letzter Zeit wiederholt durch Kundgebungen und Parteianordnungen sowohl des Parteiführers Hitler als auch anderer Unterführer erklären lassen, daß sie zwar die vollkommene Umwälzung des heutigen Staates, aber auf legalem Wege, ohne Anwendung ungesetzlicher Mittel erstrebe. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Vorgehen der Nationalsozialisten allmählich eine derartige Gestalt angenommen hatte, daß der Parteiführung selbst die Gefahr eines neuerlichen behördlichen Verbots in bedrohliche Nähe gerückt schien. Eine solche Maßnahme mußte aber die Entwicklung der Bewegung hemmen und schädigen, wenn die Partei auch beabsichtigte, im Falle eines Verbots nach kommunistischem Vorbild illegal fortzubestehen. Deshalb scheint es der Parteilei­tung zur Zeit mehr geraten zu sein, im Interesse der Vermeidung behördlicher Hindernisse sich vorläufig den Mantel der Gesetzlichkeit umzuhängen. In Wirk­lichkeit handelt es sich nur darum, Zeit zu gewinnen, bis der Zeitpunkt zum Handeln die Partei in noch besserer Stellung und Vorbereitung trifft.

Die gleiche Schutzbehauptung haben die Nationalsozialisten bereits früher im Augenblick der höchsten Gefahr, nämlich nach dem Mißlingen des Münchner Putsches, vorgebracht. Die an dem Putsch beteiligten Angeklagten ließen danach sämtlich zu ihrer Entlastung durch ihre Verteidigung anführen, ihr Unternehmen sei ein legaler Akt gewesen. Das Gericht stellte demgegenüber in objektiver Hinsicht fest, daß von einem legalen Akt gar keine Rede sein könne. Aber auch in subjektiver Hinsicht erklärte es den guten Glauben der Angeklagten für völlig ausgeschlossen, indem es bezüglich Hitlers ausführte:

„Daß aus allem mindestens Hitler nicht das Bewußtsein von der Legalität seines Handels geschöpft hatte, geht aus seiner am ersten Verhandlungstag gegebenen Schilderung von den Vorgängen . . . hervor: .Ich habe gesagt (zu Kahr. Seißer. Lossow): Ein Zurückgehen gibt es nicht mehr. Auch Sie gehen mit der ganzen Sache zugrunde, wobei ich voraussah, daß sie mit uns ins Gefängnis kommen, wenn die Sache zugrunde ging.“1

und bezüglich der übrigen Angeklagten:

„Die Angeklagten können bei ihrem Bildungsgrad ganz unmöglich angenommen haben, daß Kahr in Bayern absoluter Herrscher, etwa im Stile Ludwig XIV., der das Wort geprägt hat: ,L’etat c’est moi‘, oder sein Nachahmer sei. Also können sie auch nicht geglaubt haben, alles, was sie mit Kahr oder Kahr mit ihnen tue, sei legal.“

Ein bezeichnendes Licht auf den Wert von Legalitätsbeteuerungen nationalsoziali­stischer Führer wirft auch eine Darstellung des früheren bayerischen Innenmini­sters Franz Schweyer über die Verhandlungen zwischen Hitler und dem damaligen bayerischen Innenminister kurz vor dem Münchner Putsch des Jahres 1923, die er in seinem Buche „Politische Geheimverbände“ Ausgabe 1925 auf Seite 110/11 gibt. Danach hat sich Hitler in einer Unterredung mit dem Innenminister, der ihn auf die zwangsläufige Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung und die hieraus drohenden Gefahren aufmerksam machte, feierlichst gegen den Verdacht verwahrt, irgend etwas gegen den Staat zu unternehmen. Hitler sei in größter Erregung aufgesprungen, habe sich in die Brust geworfen und aus freien Stücken erklärt: „Herr Minister, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich werde nie in meinem Leben einen Putsch machen.“

Hitler hat diese Erklärung zur feierlichen Bekräftigung nochmals wiederholt und einige Zeit später seinen Münchner Putsch gemacht!

Auch jetzt sind die Versicherungen der NSDAP nur als taktisches Manöver zu werten. Die Führung der Nationalsozialisten befindet sich dabei in einer schwieri­gen Lage, weil sie die für die staatlichen Behörden bestimmten Legalitätsbeteue­rungen in eine Form kleiden muß, die für ihre Anhänger deutlich erkennbar werden läßt, daß damit in Wirklichkeit keineswegs ein grundsätzliches Abweichen von der revolutionären Methode der Gewaltanwendung gemeint sei. Dieser Zwiespalt läßt sich durch sämtliche, der Beschwichtigung der Behörden gewidme­te Äußerungen aus nationalsozialistischem Munde verfolgen.

Rosenberg sagt bezeichnender Weise in seiner Broschüre „Der völkische Staatsge­danke“:

„Es können zwei Todfeinde dieselben Worte gebrauchen und doch das Gegenteil erstreben.“

Deutlicher wird der Landtagsabgeordnete Köhlerin einer Rede in Bühl am 28. Mai 1930:

„Wir verstehen es trotz Republikschutzgesetz, immer an der Grenze des Erlaubten entlang zu gehen. Wenn wir einen Minister einen Lump nennen wollen, so sagen wir es ihm schön durch die Blume.“

Dr. Buttmann-München sagte hierzu am 18. Juni 1930 in Baden-Baden:

„Ich will den Polizeibeamten, die ihren Dienst machen müssen, und auch den Kriminalbe­amten, die unsere Versammlungen überwachen, nicht zu nahe treten. Aber wir haben mit diesen schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht, daß ich ruhig sagen kann, wir können in den Versammlungen die für die Republik gefährlichsten Probleme erörtern, ohne daß sie es merken würden. Man kann ihnen dies nicht verdenken, denn mit den heutigen Polizeischulmethoden kann man dies nicht lernen.“

Dr. AZ>endrot/i-Heidelberg führte am 15. Juni 1930 in Mannheim-Sandhofen aus: „Die Nationalsozialisten haben keine Lust mehr, ihre Redner monatelang ins Loch werfen zu lassen. Sie sind in ihren Ausführungen vorsichtiger geworden.“

Die Ausführungen des früheren Reichstagsabgeordneten Hermann Göring lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig, wenn er sagt:

„Wir bekämpfen diesen Staat und das heutige System, weil wir ihn ausrotten wollen mit Stumpf und Stiel, aber auf legalem Weg – für die langohrigen Kriminalbeamten! Wir hassen diesen Staat, so sagten wir ohne Republikschutzgesetz, unter dem Republikschutz­gesetz sagen wir: Wir lieben ihn, und jeder weiß doch, was wir meinen.“

Was „legale“ Mittel im Sinne der NSDAP sind, erklärt Dr. Goebbels im „Angriff“ vom 18. Februar 1929:

„Ein Revolutionär muß alles können. Beweis für revolutionäre Gesinnung ist nicht allein das Schlagen, sondern das Schlagen zur rechten Zeit. Bereit sein ist alles. In die Gefängnisse wandern, verboten und niedergeknüppelt werden, das kann schließlich jeder. Aber vulkanische Leidenschaften entfesseln, Zornesausbrüche wecken, Menschenmassen in Marsch setzen, Haß und Verzweiflung organisieren, mit eiskalter Berechnung, sozusagen mit legalen Mitteln, das unterscheidet den Revolutionär vom Revoluzzer. Auch die Revolution will organisiert sein. Wenn Revolution nichts anderes bedeutet als Durchbruch einer neuen seelischen Haltung mit andersgerichte­tem geistigen und politischen Inhalt und wenn der Revolutionär von der Richtigkeit und Notwendigkeit dieses Durchbruchs so unerschütterbar überzeugt ist, daß er notfalls sein Leben darin zu opfern bereit wäre, dann wird er auch Mittel und Wege finden, diesen Durchbruch praktisch in Marsch zu setzen . . . Warten können, darauf kommt es jetzt an, für die oben und für die unten. An die revolutionäre Kraft der Bewegung glauben, auch wenn sie honett und friedlich in scheinbar bürger­lichen Pfaden wandelt. Das sind die wirksamsten Rächer nicht, die ihren Haß in Wut und Blut baden. Eiskalt dem Gegner auf den Pelz rücken, ihn abtasten, auskundschaften, wo seine verwundbare Stelle ist, überlegsam und berechnet den Speer werfen und ihn wohlgezielt in die Blöße des Feindes hineinjagen und dann vielleicht noch freundlich lächelnd zu sagen: .Verzeihen Sie. Herr Nachbar, ich kann nicht anders!1 Das ist jenes Rachegericht, das kalt genossen wird!“

So wird auch im neuesten nationalsozialistischen Jahrbuch für 1930, wenn auch etwas verschleiert, für den aufmerksamen Leser aber in ganz klarer und eindeutiger Weise zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei solchen Beschwichti­gungen nur um eine taktische Maßnahme handelt. Es heißt da in dem Aufsatz „Idee und Organisation“ von Otto Bangert (Seite 159ff.) u. a.:

„Nachdem die Deutsche Revolution am 9. November 1923 als bewaffnete Erhebung gescheitert war, erkannte Hitler, daß die Demokratie jetzt nur mehr mit ihren eigenen Waffen zu schlagen sei. Demgemäß mußte der Nationalsozialismus – entgegen seiner innersten Natur – nun den ungleichen Wettlauf mit den alten parlamentarischen Parteien beginnen. Er mußte seine Kämpfer in die Volksvertretungen entsenden, er mußte ein Heer von Agitatoren heranbilden, er mußte mit Wort, Schrift und Bild, mit allen Mitteln politischer Propaganda, die ein demokratisches Zeitalter mit geradezu virtuoser Technik zu handhaben weiß, ins Volk, auf die Straße und Märkte gehen und den Kampf um die breiten Massen beginnen . . .

Da der Nationalsozialismus keine historisch gegebene Größe mehr vorfindet, mit der er operieren könnte, blieb ihm nur übrig, an das spontane Leben des Volkes zu appellieren und aus ihm heraus jene große revolutionäre Welle zu entfesseln und zu organisie­ren, die einst den ganzen heutigen Unstaat und Unrat hinwegspülen wird. So steht am Anfänge der Mission des Nationalsozialismus die Aufwühlung der Volksmassen durch die revolutionäre Propaganda. Dieser hat im geschicht­lichen Augenblick die Eroberung der Macht zu folgen, der sich alsdann der Aufbau des Dritten Reiches anschließen wird.

Heute befindet sich der Nationalsozialismus noch gänzlich im ersten Stadium . . .

Wenn das flache Land längst erobert und die kleinen und mittleren Städte fest in unseren Händen sein werden, dürften die eigentlichen Großstädte noch immer als rote Hochburgen der nationalsozialistischen Sturmflut trotzen, bis ein letzter Generalsturm auch sie uns zu Füßen legen wird.

So tritt der Nationalsozialismus dann in das zweite Stadium seiner Entwicklung ein, das bezeichnet ist durch die Eroberung der politischen Macht. Wann und wie wir das einmal machen werden, das weiß Gott allein. Die Beantwortung dieser Frage wird sich einst von selbst ergeben, wenn die innere Kraft der Bewegung und alle äußeren Umstände uns sagen, daß die Stunde gekommen ist. Unsere ganze, so opferreiche Arbeit von heute steht ja einzig im Zeichen dieses einen historischen Augenblicks, an dem das Banner des Dritten Reiches triumphierend über ganz Deutschland steht . . .“

Hier wird ausgesprochen, daß im augenblicklich vorhandenen ersten Sta­dium der sog. Mission des Nationalsozialismus, der Aufwühlung der Volksmassen durch die revolutionäre Propaganda, die Demokratie mit ihren eigenen, also mit parlamentarischen, legalen Mitteln, sturmreif gemacht werden muß. Aber der Nationalsozialismus kennt nicht nur ein erstes, sondern auch ein zweites Stadium, das Stadium der Eroberung der Macht im Staate zum Aufbau des ,,Ditten Reiches“. Wie dieses zweite Stadium zurückgelegt werden soll, wird zwar formell offen gelassen; es ergibt sich aber schon aus dieser öffentlichen Auslas­sung deutlich zwischen den Zeilen, daß keineswegs nur an legale Mittel gedacht wird.

Außerordentlich bezeichnend ist, daß Dr. Frick sich im gleichen Jahrbuch viel offener äußert, wenn er auf S. 178 schreibt, daß „der Verzweiflungsschrei nach der Diktatur sogar von den für das heutige System Verantwortlichen laut wird; diese würden aber trotzdem vor einem deutschen Staatsgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden“. Dr. Frick ist überhaupt ein Beispiel dafür, daß die Legalitätsversicherungen immer nur in gefährlichen Augenblicken vorge­bracht werden, daß sie aber häufig mit sonstigen gegenteiligen Äußerungen Hand in Hand gehen. So hat er im Juni dieses Jahres im Reichstag – ganz im Gegensatz zum nicht mißzuverstehenden Inhalt dieses Zitates – auf einen Zwischenruf „seine Partei wolle doch die Revolution!“, geantwortet: „Haben Sie noch nie etwas von einer geistigen Revolution gehört?“, obwohl er in seinen früheren, bereits eingehend behandelten Reden gefordert hatte, ein Leutnant mit 10 Mann solle den Reichstag auseinandertreiben, und es solle, genau wie Mussolini es getan hat, auch bei uns Diktatur und Terror angewandt werden. Diese sich absolut widerstreitenden Auslassungen lassen nur den Schluß zu, daß die sehr seltene Ablehnung gesetzwidriger Methoden nicht ernst gemeint ist, zumal die Aufforde­rung zur Gewalt ständig wiederkehrt. Was im übrigen der mitunter auch sonst beobachtete Ablenkungsversuch mit der angeblich „geistigen Revolution“ in Wirklichkeit zu besagen hat, zeigt – neben allen anderen überzeugenden Tatsa­chen – eine Äußerung von Dr. Goebbels in seiner Schrift „Wege ins Dritte Reich“, wo es heißt:     .

„Die Revolution ist keine literarische Angelegenheit verfaulter Snobs, sondern eine realpolitische Etappe zum Sozialismus.“

Ein Artikel Killingers an die Reichswehr unter der Überschrift „Der Groener­Erlaß“ im Völkischen Beobachter Nr. 60 vom 13. März 1930 enthält sogar beides, die Legalitätsversicherung und die Gewaltanbetung, nebeneinander. Killinger sagt darin:

„Wir wollen allerdings dieses bestehende System der Verantwortungslosigkeit mit all seinem jüdisch-marxistischen Drum und Dran beseitigen, aber nicht mit Gewalt, sondern mit den Mitteln der auch für uns verfassungsmäßig erlaubten geistig-revolutionären Kampf methoden“

und behauptet weiter, daß

„der Reichswehrsoldat aus diesem Erlaß entnehmen müsse, daß die Nationalsozialisten das bestehende deutsche Reich zertrümmern, zerstören und in einen Bürgerkrieg hineinhetzen wollten, was nicht wahr sei“,

bemerkt dann aber am Schluß:

„Wir werden mit allen Mitteln, in aller Öffentlichkeit durch die Presse, die auch der Reichswehrsoldat liest, dem Volke sagen, was not tut an der Hand der politischen Begebenheiten und Zusammenhänge und werden jedem Deutschen, nicht nur dem deutschen Reichswehrsoldaten, einhämmern: warum er die Waffe an der Seite trägt, wovon er sein Volk zu befreien hat.“

Das ist doch nichts weiter als das versteckte Eingeständnis, daß die Befreiung des deutschen Volkes vom System der Verantwortungslosigkeit nur mit Gewalt erfolgen kann.

Auf die Spitze getrieben wird die Unwahrhaftigkeit der LegalitätsVersicherung in einem Artikel „An die Gewehre!“ im „Angriff“ Nr. 58 vom 20. Juli 1930, in dem es heißt:

„Wir wollen einen Wahlkampf führen, wie ihn die parlamentarischen Bonzenparteien noch nie gesehen haben. Denn es ist unser Wille, daß der neu zu wählende Reichstag der letzte sein soll. Wir wollen – legal – Schluß machen mit dem System, denn auf den September-Reichstag darf nur noch eins folgen: das Dritte Reich der nationalen Arbeit und der sozialistischen Gerechtigkeit.“

Und Dr. Goebbels erklärte auf einem Werbeabend am 16. Juni 1930 in Berlin zynisch,

„in den Jahren 1927, 1928 habe die NSDAP eine scharfe Sprache gesprochen, im Jahre 1929 habe sie sich sehr zurückhaltend verhalten, sie könne aber auch die harmlose Maske wieder abwerfen und ihre wirkliche Stärke zeigen.“

In diesem Zusammenhang sei auch eine Äußerung des zur Zeit bei der Gruppe nationalrevolutionärer Nationalisten – der Unken Absplitterung von der NSDAP – befindlichen K. O. Paetel im „Nationalen Sozialisten“ vom 19. August 1930 angeführt. Die sozialrevolutionären Nationalisten kennen die wirklichen Absichten der NSDAP aus eigener Anschauung, und es hat genügend Beweiskraft für sich, wenn Paetel sagt:

„Die naive Träumerei, auf ,legalem‘ Wege durch gesetzmäßige Maßnahmen das (einen gesunden staatlichen Zustand) zu erreichen, überlassen wir den Volksnationalen und ihren mannigfachen bürgerlichen Gesinnungsgenossen!“

Es kann danach keinem Zweifel unterliegen, daß die Legalitätsversicherungen der NSDAP, ebenso wie ähnliche Äußerungen der KPD, als taktische Schutzbehaup­tungen anzusehen sind, die keinerlei Glauben verdienen.

Rechtliche Würdigung

Hiernach muß von der Feststellung ausgegangen werden, daß die NSDAP auf eine Revolution mit gewaltsamen Mitteln hinarbeitet, deren Ziel über die nationalsozia­listische Diktatur die Errichtung des nationalsozialistischen „Dritten Reiches“ ist. Dieses Bestreben richtet sich gegen die Verfassung des Deutschen Rei­ches. Unter dieser Verfassung sind die Grundlagen des staatlichen Lebens zu verstehen, mögen sie in der Verfassungsurkunde ausdrücklich aufgezählt sein oder anderweit ihre gesetzliche Regelung gefunden haben. Unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung ist die souveräne Staatsgewalt der deutschen Republik im deutschen Volke verkörpert. Repräsentant dieses einheitlichen Volkes als Träger der Reichssouveränität ist der deutsche Reichstag. Neben ihm stehen der Reichspräsident und die Reichsregierung als Organe des Reiches. Es bedeutet daher den Versuch einer grundlegenden Änderung der Verfassung, wenn es jemand unternimmt, das Volk aus seiner Stellung als Träger der Staatsgewalt zu verdrängen. Die Aufrichtung einer Diktaturgewalt aber ist nicht möglich ohne eine Verdrängung des Volkes aus dieser ihm durch die Reichsverfassung zuerkannten Stellung. Sie enthält daher im demokratisch-republikanischen Staatswesen, wie es in Deutschland besteht, unter allen Umständen eine Änderung der Verfassung, gleichviel, ob sie als Selbstzweck gedacht ist oder nur als Mittel zur Erreichung anderer Zwecke[24].

Dieses Unternehmen ist nach Art und Ziel hinreichend bestimmt. Das Ziel ist die Beseitigung der Demokratie und die Aufrichtung der Diktatur. Es soll auf gewaltsamem Wege erreicht werden. Aber auch hinsichtlich der Zeit liegt die erforderliche Bestimmtheit vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsge­richts[25] ist es nicht erforderlich, daß das hochverräterische Vorhaben in der Vorstellung der bei der Vorbereitung tätigen Personen eine nach allen Richtungen hin bestimmte Gestaltung gewonnen haben müsse; insbesondere ist nicht erforder­lich, daß schon Tag und Stunde des geplanten gewaltsamen Umsturzes im voraus bestimmt sind. Eine solche Einschränkung würde die Gesetzesvorschrift für alle Unternehmungen, deren Durchführung einen großen Umfang von Einzelhandlun­gen erfordert, hinfällig und wirkungslos machen. Insbesondere kann der Zeitpunkt der Ausführung, wenn diese nur bestimmt gewollt ist, der Wahl nach Lage der Umstände Vorbehalten bleiben. Daß der Wille zum Umsturz bei der NSDAP unerschütterlich feststeht, ergibt sich aus den eingehend erörterten Tatsachen.

Danach hat die NSDAP nach ihrem Fehlschlag von 1923, wie Frick sich ausdrückt, „von vorn begonnen“, um erneut „die unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg des kommenden Freiheitskampfes“ zu schaffen. Der Tag der Errichtung der völkischen Diktatur wird „herbeigesehnt“. Dr. Goebbels äußert sich, daß die Nationalsozialisten „die Machtgruppe, mit der sie einmal diesen Staat erobern können“ schaffen und daß „die Revolution auf dem Marsch ist“. Die Nationalso­zialisten wissen genau, daß „eine nochmalige Wahl nicht mehr stattfinden wird“, sie verabscheuen – angeblich – im Augenblick Dynamit-Attentate und Revolten, um ihre Kräfte für „die kommende Revolution“ vorzubereiten und nicht vorzeitig zu schwächen. Der Bezirksleiter Terboven gibt dem „korrupten parlamentarischen System“ und einer nach seiner Ansicht von Severing geplanten Diktatur Ende 1929 nur „eine Frist von 4 Wochen, dann wird das Volk erwachen, dann kommen die Nationalsozialisten an die Macht.“

Auch die folgenden Angaben führender Nationalsozialisten aus letzter Zeit zeigen deutlich, daß die NSDAP den gewaltsamen Umsturz als nahe bevorstehend ansieht.

v. Pfeffer sagte im „Angriff“ vom 22. April 1929:

„Das Tempo des letzten Jahres muß Hitler nun die offenbare Gewißheit geben, daß der Zeitpunkt unseres Sieges weit näher liegt, als wir vordem zu hoffen wagten . . .“

Ganz klar spricht Arthur Grosse, der Reichsleiter der Hitlerjugend, in einem Artikel „Bündische Menschen in der Hitlerjugend“ in der Zeitschrift „Die Kommenden“ vom 10. Januar 1930 aus, daß die Tätigkeit der Nationalsozialisten eine ständige sorgsame Vorbereitung auf die bestimmt gewollte und in Bälde erwartete Entscheidung ist:

„Wir haben noch Zeit, mit aller Anspannung der Kräfte unsere Jungen zu schulen und zu formen, wir haben noch Zeit! Wehe, wenn es einmal zu spät ist und die Sturmtrupps verbluten für einen Staat, der äußerlich vielleicht eine andere Fahne, einen anderen Namen, eine andere ,Ordnung4 bringt, aus dem innerlich aber die alte Bourgeoisiefratze und Kulturlosigkeit herausgrinst. Dann wären die 2 Millionen Toten vom Weltkrieg und die Tausende vom Bruderkampf umsonst gefallen, dann wären wir die Verräter am Volk.“

Der nationalsozialistische Agitator Staebe aus Wiesbaden forderte nach amtlicher Mitteilung des Hessischen Polizeiamts vom 10. Juni 1930 in einer Versammlung in Gießen am 19. März 1930 auf:

„Wer noch einen Funken Vaterlandsliebe in sich habe und bereit sei, das höchste Opfer auf den Altar des Vaterlandes zu legen, der schließe sich der NSDAP an. Wir ständen am Vorabend einer Revolution . . .“

Wagner verkündete im Berliner Sportpalast am 1. Juli 1930 bei der Rheinlandsräu­mung-Versammlung der NSDAP nach dem Bericht des „Völkischen Beobachter“ Nr. 159 vom 6./7. Juli 1930:

„Unsere Erfüllungsstunde kommt immer näher, darum brauchen wir jetzt unerhörte eiserne Disziplin . . .“

In einem Bericht über die Feier der nationalsozialistischen Ortsgruppe in Meseritz im „Völkischen Beobachter“ Nr. 161 vom 9. Juli 1930 heißt es:

. Ein Johannisfeuer und eine Begeisterung, die ihren Ursprung einzig und allein nur finden in dem felsenfesten Glauben an eine nahe, bessere Zukunft und an ein aus tiefster Erniedrigung und Knechtschaft wiedergeborenes neues, unser drittes Reich . . .“

Und nach dem „Völkischen Beobachter“ Nr. 171 vom 20./21. Juli 1930 hat Hitler bei der Bauernkundgebung auf dem Hesselberg am 13. Juli 1930 gesagt:

„Wir wollen nicht feige unseren Kindern den Kampf gegen Knechtschaft und Tyrannei hinterlassen . . .

Nein, wir selbst wollen ihn erleben, den Tag der Freiheit. Wir wollen ihn erkämpfen und wollen uns ebenso sagen, wie jene Bauern, die vor vierhundert Jahren den Berg hier herunterstiegen und in den Bauernkrieg zogen: ,Es muß sein! Mag da kommen, was will. Wir werden kämpfen.“1

Auch die Tatsache, daß die NSDAP sich bereits jetzt in den Sturmabteilungen und Schutzstaffeln die militärische Kampftruppe für den geplanten Umsturz und den Grundstock für die Armee des zukünftigen nationalsozialistischen Staates schafft, schließt jede Möglichkeit aus, hierbei nur an theoretische Erörterungen eines in weiter Ferne liegenden Unternehmens zu denken. Sie zwingt vielmehr gleichfalls zu dem Schluß, daß es sich um ein ganz ernsthaft gewolltes, in absehbarer Zeit zu erwartendes Unternehmen handelt, dessen genauer Zeitpunkt nur abhängig ist von der genügenden Vorbereitung der eigenen Kräfte und der Gunst der politischen Lage, da die Partei nicht noch einmal einen Fehlschlag wie im Jahre 1923 erleben will. Wie ernsthaft die NSDAP aber den Umsturz will und voraussieht, geht mit aller Klarheit daraus hervor, daß mit größter Energie an der Herausarbeitung der Grundlagen der neuen nationalsozialistischen, durch gewaltsamen Umsturz her­beizuführenden Staatsform gearbeitet wird. Eine Mitteilung der Reichsleitung der NSDAP, Organisationsabteilung 2, an die Gauleiter und Ortsgruppenführer vom 22. Oktober 1929 sagt darüber:

„Die NSDAP hat bisher den Nachdruck ihrer politischen Tätigkeit darauf gerichtet, die den heutigen Staat und die heutige Gesellschaft beherrschenden volksfeindlichen Kräfte in ihrem verderblichen Wirken bloßzustellen und zu bekämpfen.

Dieser Kampf muß auch in Zukunft mit gesteigerter Wucht und unter Ausnützung aller gesetzlichen Mittel bis zur Erringung der politischen Macht im Staate fortgesetzt werden. Daneben muß aber, entsprechend dem Anwachsen der Bewegung, allmählich immer mehr die geistige Vorbereitung für den Aufbau des zukünftigen nationalsozialistischen Staates treten.

Wenn einmal die morsche Hülle des heutigen Staates zusammenbricht, dann müssen die Fundamente des nationalsozialistischen Staates fertig sein. Das geistige Material für den Neubau und die geschulten Baumeister und Werkleute müssen bereit sein.

Wir müssen uns also auch auf allen Gebieten des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens darüber klar werden, welche Neuordnung wir an die Stelle der heutigen Zustände setzen wollen.

Die Mittel und Wege, die zu der erstrebten Neuordnung führen, lassen sich auf weit hinaus im einzelnen nicht festlegen, denn sie hängen von der nicht vorauszusehenden Art der Entwicklung der innen- und außenpolitischen Lage ab, aber das als Fernziel dienende Wunschbild der Neuordnung läßt sich klar und scharf herausarbeiten, und die verschiedenen Möglichkeiten und etwaige Zwischenstufen für den Weg zum Ziel lassen sich studieren.

Es handelt sich also jetzt darum, die Auswirkung unserer völkischen Weltanschauung und nationalsozialistischen Staatsauffassung auf die Grundanschauungen in den einzelnen Fachgebieten geistig durchzuarbei­ten und auf diese Weise feste Grundlagen und bestimmte praktisch verwert­bare Vorschläge für die zukünftige Neugestaltung des Staates zu gewinnen. Zu diesen Zwecken müssen die in der Bewegung vorhandenen geistigen Kräfte mehr als bisher planmäßig ausgenutzt werden.

Für den Winter 1929/30 werden zunächst folgende Aufgaben zur Bearbeitung empfohlen. 1). . .

2) Besprechung der Schrift ,Wirtschaftsauffassung und Gewerkschaftspolitik des Faschis­mus“. Mit der Carta del lavore vom 21. April 1927 von R. Nönigschmidt-Grossich und A. Dresler (Südostverlag A. Dresler, München, Barerstr. 32/11, Preis 70 Pfg.). Wie ist die faschistische Wirtschaftsauffassung und Wirtschaftspolitik zu beurteilen? Ist die faschisti­sche Gewerkschaftspolitik auch auf deutsche Verhältnisse anwendbar? Entwurf eines Deutschen ,Arbeitsgesetzes“.“

Die Tätigkeit der NSDAP stellt in ihren verschiedenen Verzweigungen eine ständige Vorbereitung auf den geplanten Hochverrat und damit zugleich ein hochverräterisches Unternehmen im Sinne des § 86 StGB.[26] dar. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts[27] fällt unter die nach § 86 mit Strafe bedrohte Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens jede, auch die entfernteste, vorbereitende Handlung. Es fallen darunter auch alle Maßnahmen, die das erstrebte Unternehmen nicht unmittelbar zur Ausführung bringen, sondern die letzteren nur vorbereiten sollen, selbst solche, die die Vorbereitungen noch nicht zum Abschluß bringen, sondern nur die Grundlage für weitere vorbereitende Handlungen bilden. Unter diese Vorbereitungshandlungen im eben erörterten Sinne fällt zweifellos die Schaffung und Stärkung der auf den gewaltsamen Umsturz hinarbeitenden Partei und ihrer Nebenorganisationen, die Propagierung dieser Gedanken in der Öffentlichkeit, die Unterwühlung und Beunruhigung des politischen und wirtschaftlichen Lebens, die Zersetzungstätigkeit in der Reichs­wehr und in der Polizei und die Aufziehung eines eigenen militärisch organisierten Machtapparates.

Ergibt sich hiernach als Zweck der NSDAP die gewaltsame Änderung der Verfassung und stellt sich ihre Betätigung als ein fortgesetztes hochverräterisches Unternehmen dar, so hegt darin zugleich erneut die Erfüllung des Tatbestandes des § 129 StGB., ein weiterer Beweis für den staatsfeindlichen Charakter der Partei als Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen es gehört, Maßregeln der Verwaltung durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften. Denn es braucht sich zur Erfüllung des Tatbestandes der § 129 StGB, nicht um die Verhinderung oder Entkräftung bereits getroffener Maßregeln zu handeln; es genügt vielmehr, daß die Verbindung sich bewußt ist, bei der Verfolgung ihrer Pläne auf den Widerstand der Regierung zu stoßen, und daß sie den Wißen hat, die sich ihr in den Weg stellenden Gegenmaßnahmen der Regierungsbehörden mit ungesetzlichen Mitteln, z. B. mit Gewalt, zu überwinden, auch wenn die Ergreifung solcher Maßnahmen im Hinblick auf die von der Verbindung drohenden Gefahren erst noch bevorsteht[28]. Zu den wichtigsten Staatsaufgaben gehört die Gewährleistung der Sicherheit des Staates und der verfassungsmäßigen Ordnung und die vorbeugende und abwehrende Verhinde­rung ihrer Störung. Ein gewaltsamer Angriff gegen die Sicherheit des Staates und die verfassungsmäßige Ordnung – und als solcher stellt sich der geplante Umsturz der NSDAP dar – läßt sich daher ohne Mißachtung und Verletzung von Verwaltungsmaßnahmen nicht durchführen. Sind solche Maßnahmen im Zeit­punkt der Vorbereitung des Angriffs noch nicht getroffen, so werden sie doch sofort im Augenblicke des gewaltsamen Vorgehens ausgelöst. Im übrigen beweist der Umstand, daß der gewaltsame Umsturz immer wieder propagiert wird, an sich schon zur Genüge, daß die Partei die Abwehr ihres geplanten gewaltsamen Angriffs in den Kreis ihrer Erwägung eingestellt hat und dabei die erfolgreiche Überwindung dieser Abwehr durch Gewalt zu Gunsten ihres Zieles erhofft.

Tatbestandsmäßig wäre übrigens nicht einmal erforderlich, daß die Vorberei­tungen sich bereits zu einem bestimmten hochverräterischen Unternehmen, wie es zur Erfüllung des Tatbestandes des Verbrechens nach § 86 StGB, gehört, verdichtet hätten. Die Voraussetzung der Zwecksetzung oder Beschäftigung, Maßregeln der Verwaltung durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, wäre vielmehr selbst dann gegeben, wenn die Vorbereitungen zur gewaltsamen Änderung der verfassungsmäßigen Zustände noch nicht ein be­stimmtes hochverräterisches Unternehmen erkennen ließen[29].

C. Ergebnis

Danach ist die NSDAP eine staatsfeindliche Verbindung im Sinne des § 129 StGB., die die Bestrebung verfolgt, die verfassungsmäßig festgestellte republikani­sche Staatsform zu untergraben (§ 4 Nr. 1 RepSchGes.). Ihre Betätigung stellt sogar ein hochverräterisches Unternehmen im Sinne des § 86 StGB. dar. Wer an der NSDAP teilnimmt, verwirkt daher Gefängnisstrafe von 3 Monaten bis 5 Jah­ren, wenn er sich in Kenntnis ihrer Bestrebungen an ihr beteiligt. Dabei genügt schon die Kenntnis und Billigung des Endziels, während es im übrigen nicht erforderlich ist, daß der Täter auch mit den Arbeits- oder Kampfmitteln der Partei einverstanden ist (RGSt. 58401). Wer mit diesem, wenn auch nur bedingten Vorsatz an der Partei teilnimmt, macht sich gleichzeitig nach § 86 StGB, des Verbrechens des Hochverrats bzw. der Beihilfe dazu schuldig.


[1] Die Denkschrift ist in englischer Übersetzung abgedruckt in Robert M. W. Kempner, Blueprint of the Nazi Underground — Past and Future subversive Activities, in Research Studies of the State College of Washington 13 (1945) S. 51-153. Der Angabe Kempners zufolge ist die Denkschrift im August 1930 entstanden.

[2] Anm. im Original: „Vgl. Häntzschel-Schönner, Gesetz zum Schutz der Republik 1930, Anm. 4 zu § 4 (abgekürzt: Häntzschel-Schönner) Cohn-Schäfer-Wichards, Republikschutzgesetz 1930 S. 52 (abgekürzt: Cohn-Schäfer-Wichards).“

[3] Anm. im Original: „RGSt. [Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen] 24, 328ff., 17 193; Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch 1927 Anm. 2 zu § 128 (abgekürzt: Olshausen) Cohn­Schäfer-Wichards S. 7 und 52; Reichsstrafgesetzbuch, erläutert von Ebermayer, Lobe und Rosenberg, 1929, Anm. 2 zu § 128 StGB, (abgekürzt: Leipz.K.); Häntzschel-Schönner Anm. 4 zu §4.“

[4] § 129 StGB.: „Die Teilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängnis bis zu einem Jahr, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen. – Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden.“

[5] Anm. im Original: „Vgl. RGSt. 19. 99; Leipz.K. Anm. 3 zu § 129; Olshausen Anm. 2 a.a.O.“

[6] Anm. im Original: ,,Vgl. RGSt. 16, 294; 40, 384; 54, 103 sowie Häntzschel-Schönner Anm. 3 zu § 4; Olshausen Anm. 2 zu § 129 und Leipz.K. Anm. 3 zu § 129.“

[7] Anm. im Original: „Leipz.K. Anm. 3 zu § 129 StGB.“

[8] Anm. im Original: „Olshausen Anm. 2 zu § 129; vgl. auch RGSt. 54, 102.“

[9] Anm. im Original: „Vgl. RGSt. 16, 299; Leipz.K. Anm. 2 zu § 129; Häntzschel-Schönner Anm. 3 zu § 4 und Cohn-Schäfer-Wichards S. 54/55.“

[10] § 4 Ziff. 1 RepSchGes.: „Mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird, soweit nicht andere Vorschriften eine schwerere Strafe androhen, bestraft: 1. wer an einer geheimen oder staatsfeindli­chen Verbindung (§§ 128, 129 des Strafgesetzbuchs), die die Bestrebung verfolgt, die verfassungs­mäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes zu untergraben, teilnimmt oder wer eine solche Verbindung unterstützt.“

[11] Anm. im Original: „II. Aufl. 1930 S. 504.“

[12] Anm. im Original: „II. Aufl. 1930 S. 501.“

[13] Anm. im Original: „Dr. Goebbels, Der Nazi-Sozi. Verlag d. Nationalsozialistischen Briefe, 1. Aufl. (vgl. auch S. 39).“

[14] Anm. im Original: „RGSt. 57, 209.“

[15] Anm. im Original: „Vgl. R. G. vom 23. Juli 1925 in Jur. Woch. 1930 S. 1149.“

[16] Anm. im Original: ,,Vgl. hierzu Häntzschel-Schönner, Anm. 7 zu § 4; Cohn-Schäfer-Wichards

S. 57.“

[17] Anm. im Original: „Vgl. hierzu Dr. Bell in Rtg. 247, Sitzung vom 10. Juli 1922, Stenograph. Bericht

S. 8398; Häntzschel-Schönner, Anm. 5 zu § 4 z. Cohn-Schäfer-Wichards S. 56/57.“

[18] Anm. im Original: ,,II. Aufl. 1930 S. 508.“

[19] Vgl. Berghahn S. 126f.

[20] Richtlinien zur Wehrpolitik, beschlossen auf dem Parteitag 1929 in Magdeburg, Jahrbuch der

Deutschen Sozialdemokratie für das Jahr 1929 S. 521 f.

[21] Anm. im Original: ,,Vgl. Reichswehrsondernummer des Völkischen Beobachters vom 26. März

1929.“

[22] Vgl. Nr. 14.

[23] Anm. im Original: „Vgl. hierzu die Entschdg. des R.G.-Feriensenats vom 25. Juli 1928 – 13 J. 38/ 1928 sowie R. G. IV vom 21. Februar 1929 – 13 J. 204/1928, vom 3. Januar 1929 – 13 J. 118/1928 und vom 16. Mai 1930 – 13 J. 38/1930.“

[24] Anm. im Original: ,,RGSt. 56 S. 259ff., insbes. S. 260 z. 263; vgl. auch Leipz.Komm. Anm. 4 zu § 81 StGB.“

[25] Anm. im Original: ,,Vgl. RGSt. 5 S. 60 und 16 S. 165 sowie die Rechtsprechung des Staatsgerichts­hofs zum Schutze d. Rep. im Jahre 1924/25 und des 4. Senats des RG. in den folgenden Jahren in den Hochverratsprozessen gegen Mitgl. der KPD (z. B. RG. 18. 6. 1926 – 14 a J. 24/1926 und RG. IV 21. 2. 1929 – 13 J. 204/1928).“

[26] § 86 StGB: „Jede andere, ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitende Handlung wird mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft von sechs Monaten bis zu drei Jahren ein.“

[27] Anm. im Original: „RGSt. 5 S. 60ff. und 16 S. 165ff.“

[28] Anm. im Original: „Olshausen Anm. 2 zu § 129; vgl. auch RGSt. 54, 102.“

[29] Anm. im Original: „RG. vom 25. Juli 1928 – 13 J. 38/1928 RG. 19100, 40383, 54102.“

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