Königlich protestantisches Oberkonsistorium zur Ordination der Pfarramtskandidaten (1833): „Aber auch nach ihren äußeren Beziehungen ist die Handlung der Ordination von großem Gewicht und von bedeutenden Folgen, indem sie als die feierliche Aufnahme in die Zahl der Geweihten, denen als Haushaltern über Gottes Geheimnisse die höchsten Angelegenheiten der christlichen Glaubensgenossen anvertraut sind, dem Ordinierten 1) die Würde des geistlichen Standes verleiht; 2) das Recht erteilt, alle Befugnisse dieses Standes auszuüben; 3) den Anspruch gibt, in diesem Stande auch seinen Berufskreis und seine Versorgung zu finden.“

Wenn in den evangelischen Landeskirchen von „Geistlichen“ im Unterschied zu „Laien“ die Rede ist und bei gottesdienstlichen Amtseinführungen Pfarrerinnen und Pfarrer im Talar feierlich in die Kirche einziehen, ist aus dem Predigtamt nach CA 5 (das nach CA 7 in der gottesdienstlichen Gemeinde verortet ist) ein landeskirchlicher geistlicher Stand bzw. protestantischer Klerus geworden:

München den 18. Januar 1833

Königlich protestantisches Oberkonsistorium

Betreff: Die Ordination der Pfarramtskandidaten.

Es sind neuerlich wieder in vermehrter Anzahl Gesuche um Erteilung der Ordination sogar von und für solche Kandidaten, die eben erst die Aufnahmsprüfung und in derselben kaum die IV. Note erlangt haben, eingereicht worden.

Hieraus kann nur mit Bedauern ersehen werden, daß die hohe Wichtigkeit dieser kirchlichen Handlung noch immer von vielen verkannt wird und daß selbst die deshalb in neuerer Zeit angeordneten Beschränkungen in der Bewilligung der Ordination bisher noch nicht vermocht haben, eine richtigere Würdigung dieser Handlung allgemein zu verbreiten.

Dadurch sieht sich das K. Oberkonsistorium gedrungen, nachstehende Gründe, die der kirchlichen Handlung, der Ordi­nation auch nach den Grundsätzen der protestantischen Kirche eine hohe Wichtigkeit geben und für die Bewilligung derselben große Behutsamkeit unnachläßlich erfordern, nachdrücklich in Erinnerung zu bringen und zu aufmerksamer Erwägung und Beachtung einzuschärfen:

a) Vor allem andern ist nicht aus den Augen zu setzen, daß die Ordination als die feierliche Einweihung zum geistlichen Stand nach ihrer innern Beziehung eine tiefe Bedeutung hat: indem sie nur von denjenigen würdig empfangen wird, die sie nicht bloß des äußern Berufes und des damit verbundenen zeitlichen Erwerbes wegen suchen, sondern vielmehr sich durch ein lebendiges in­neres Verlangen angetrieben finden, zu dem heiligen Berufe des evangelischen Predigtamtes, dem sie ihr Leben widmen wollen, unter Gebet und Fürbitte der ver­sammelten Gemeinde um den göttlichen Beistand dazu, durch Handauflegung und Segen eingeweiht und ge­stärkt zu werden. Schon aus diesem Grunde leuchtet ein, wie bedenklich es sei, mit der Erteilung der Ordi­nation zu eilen, da jene Würdigkeit der innern Ge­sinnung, die freilich nur dem Herzenskündiger allein ganz offenbar ist, und darum als eine äußere Beding­ung der Ordination nicht gefordert werden kann, doch als eine solche Bedingung eine vertrautere Bekanntschaft mit den schweren Pflichten des geistlichen Berufes vor­aussetzt, welche auf der Universität nicht leicht zu erlangen ist, und durch welche doch erst das ganze Gewicht dieser Pflichten und das dringende Bedürfnis des höher» Gnadenbeistandes zur Erfüllung derselben, recht fühlbar und einleuchtend werden kann.

b) Aber auch nach ihren äußern Beziehungen ist die Hand­lung der Ordination von großem Gewicht und von be­deutenden Folgen, indem sie als die feierliche Aufnahme in die Zahl der Geweihten, denen als Haushaltern über Gottes Geheimnisse die höchsten Angelegenheiten der christlichen Glaubensgenossen anvertraut sind, dem Ordinierten

  1. die Würde des geistlichen Standes verleiht;
  2. das Recht erteilt, alle Befugnisse dieses Standes auszuüben;
  3. den Anspruch gibt, in diesem Stande auch seinen Berufskreis und seine Versorgung zu finden;
  4. mit der weiteren rechtlichen Folge, daß diese Würden und Rechte für die ganze Lebenszeit verliehen werden, und daß derjenige, der sie durch feierliche Einweihung erlangt hat, derselben nicht anders, als nach einem strafrechtlichen Erkenntnisse durch die förmliche Degradation wieder verlustig werden kann.

Aus diesen Gründen muß die kirchliche Oberaufsichts­behörde es sich zur Pflicht machen, die Erteilung der Ordi­nation um der Heiligkeit der Handlung, um der Würde des Standes und um des Seelenheils der Gemeinde willen an strenge Bedingungen zu knüpfen und diese Bedingungen, wie sie in den obigen Erwägungen begründet sind, mit Rücksicht auf die bestehenden Verordnungen und nach der der obersten kirchlichen Behörde vorbehaltenen Erteilung der Ordinations­erlaubnis für die Zukunft folgendermaßen festzusetzen:

1. Fürs erste, da die Ordination Anspruch auf Anstellung im geistlichen Amte gibt, so folgt unstreitig, daß sie, streng genommen, so lange die Anstellung noch zweifel­haft ist, also vor der Anstellungsprüfung, durch welche die Anstellungsfähigkeit eines Kandidaten erst entschieden wird, nicht erteilt und eine frühere Erteilung derselben nur als Ausnahme gestattet werden kann.

2. Die Zulassung einer Ausnahme aber begründet eigent­lich nur der Dienst der Kirche, wenn die Zahl der or­dinierten Kandidaten nicht ausreicht, denselben gehörig zu bestellen. Unter die Fälle der Ausnahme sind die gewöhnlichen Vikariate im weiteren Sinne des Wortes nicht zu zählen, wenn ein Pfarrer wegen Krankheit oder Abnahme an Kräften zwar im Predigen, Katechisieren, Krankenbesuch und den gewöhnlichen einfachen gottesdienstlichen Verrichtungen, die auch den nicht or­dinierten Kandidaten gestattet sind, eine Aushilfe bedarf, dabei aber die Austeilung der Sakramente, die Beichte und die übrigen wichtigeren Handlungen des Gottes­dienstes und der Seelsorge entweder noch selbst ver­richten, oder durch einen andern Pfarrer desselben oder eines benachbarten Ortes versehen lassen kann. Eine gültige Ausnahme begründen allein die in der Prüfungs­ordnung vom Jahre 1809 als Bedingung genannten eigentlichen „Vikariate“ in der engsten Bedeutung des Wortes, in welchen der Kandidat nicht bloß als ein Gehilfe oder Kooperator des Pfarrers er­scheint, sondern wirklich die vices des Pfarrers zu vertreten hat; wozu vor allen andern a) die eigent­lichen Pfarrverwesungen zu zählen sind, wo ein Kandidat ein erledigtes Pfarramt zu versehen hat; b) ferner die sog. ständigen Vikariate oder Exposituren bei solchen Gemeinden, wo aus Mangel an Mitteln zu Besoldung eines eigenen Pfarrers einstweilen ein Kandidat zu Versehung der pfarramtlichen Geschäfte aufgestellt wird; danu aber auch c) solche Privat­vikariate, wo einem mehr oder weniger dienstunfähig gewordenen Pfarrer, dessen Resignation und Emeritierung nicht bewirkt werden kann, mit oder ohne sein Ver­langen ein Dienstverweser beigegeben werden muß. Wenn zu Bestellung aller sich ergebenden Vikariate der hier bezeichneten Art die vorhandene Zahl bereits ordinierter Kandidaten nicht mehr ausreicht, dann ist der Fall der Ausnahme gegeben, daß zu den sich eröffnen­den eigentlichen Vikariatsstellen auch Kandidaten, die noch nicht zur Anstellung geprüft sind, zu Erteilung der Ordination in Antrag gebracht werden können.

3. Für diese Ausnahmsfälle aber muß als zweite Be­dingung der zu erteilenden Ordination geltend gemacht werden, daß die zu ordinierenden Kandidaten in der Regel nach der Konkursordnung a) aus der Reihe derer, die zunächst an der Anstellungsprüfung stehen und b) unter diesen zuvörderst die aus den höhern Notenklassen zu wählen; c) bei denen mit der IV. Note aber besondere Zeugnisse darüber beizubringen seien, daß sowohl das durchaus würdige standesmäßige Betragen derselben, als auch ihre fleißig fortgesetzte Uebung in dem geistlichen Beruf eine Zurückweisung derselben bei der noch zu bestehenden Anstellungsprüfung nicht be­fürchten lasse.

4. Hieraus ergibt sich von selbst die Folge, daß die Be­willigung der Ordination unmittelbar nach der bestan­denen Aufnahmsprüfung nicht leicht statthaben werde»

5. Soferne Familienverhältnisse, Unterstützungsbedürftigkeit oder andere persönliche Rücksichten solcher Art eine Aus­nahme von dieser allgemeinen Ordnung begründen sollen, müssen umsomehr zur Sicherstellung des Dienstes der Kirche alle von den Ordinanden zu fordernde Leistungen durch glaubhafte Zeugnisse außer Zweifel gesetzt werden.

An die Königlichen Konsistorien also ergangen.

Quelle: Günther (Hrsg.), Amtshandbuch für die protestantischen Geistlichen des Königreichs Bayern diesseits des Rheins, Bd. 4, München: Verlag der allgemeinen Pfarrwitwenkasse, 1883, S. 246-250.

Hier der Text als pdf.

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