Predigt zur Osternacht über die Höllenfahrt Christi
Von Martin Luther
Ich glaube an Jesus Christus …
niedergefahren zur Hölle,
am dritten Tage auferstanden von den Toten.
An diesem Osterfest begeht man den feinen, tröstlichen Artikel unseres christlichen Glaubens von der Höllenfahrt und fröhlichen Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, wie denn dies Fest auch darum eingesetzt ist, damit dieser Artikel gepredigt und den Menschen eingeprägt und recht gut aufgefaßt und behalten werde. Deshalb wollen wir jetzt auch bei diesem Artikel bleiben und davon reden, wie wir denn schuldig sind, Gott zu loben und zu ehren und von seinem Wort zu predigen, solange wir leben.
So beten wir im christlichen Glaubensbekenntnis und so lehren und bezeugen die heiligen Evangelien, die man zu dieser Zeit zu predigen pflegt, daß unser Herr Jesus Christus gestorben und begraben sei, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten. Diesen Artikel will ich mir jetzt vornehmen. Viele sind gewesen, sind auch noch viele, die diesen Artikel mit der Vernunft und mit den fünf Sinnen haben fassen wollen, besonders dies Stück, wie es zugegangen sei, daß Christus, ehe er auferstanden und gen Himmel gefahren und noch im Grabe gelegen ist, zur Hölle hinunter gefahren sei. Aber das Allerbeste und Sicherste ist, daß man bei den Worten und bei dem einfältigen Verständnis bleibe, wie die Worte lauten.
Ihr seht, wie man des Herrn Niederfahrt zur Hölle an die Wände zu malen pflegt, nämlich daß Christus eine Chorkappe oder Mantel anhabe und die Engel vor ihm hergehen, er aber habe eine Fahne in der Hand und stoße damit an die Hölle, und die Teufel wehren sich; endlich aber stößt er die Hölle auf und treibt die Teufel aus, auf gleiche Weise, wie man ein irdisches Schloß oder Haus stürmt.
Wahr ists, von des Herrn Niederfahrt zur Hölle kann man auf zweierlei Weise reden: schlicht und einfältig, mit kindlichen Worten und Bildern, was auch, wie gesagt, das Beste und Sicherste ist. Aber man kann davon auch sehr gelehrt reden, wie es an sich selbst ist, wie es zugegangen sei, daß Christus zur Hölle hinunter gefahren ist und doch sein Leib im Grabe bis an den dritten Tag gelegen hat.
Denn etliche Lehrer haben sich sehr darüber bekümmert und gelehrt und scharfsinnig davon disputiert, wie es möglich sei, daß Christi Leib im Grabe gelegen und seine Seele zur Hölle gefahren sei. Etliche haben gesagt, er sei nicht persönlich und gegenwärtig, der Seele nach, sondern allein geistlich, seinem Werk, Kraft und Wirkung nach hinuntergefahren. Aber was ists, wenn man sich schon lange darüber bekümmert und scharfsinnig darüber disputiert? Man wirds doch mit Gedanken nicht erlangen noch ergründen, wie es denn die Lehrer selbst nicht verstanden haben, ob sie sich schon sehr darüber bekümmert und scharfsinnig darüber disputiert haben. Denn daß ich mit meinem Munde und mit meiner Zunge voll beschreiben und mit meiner Vernunft begreifen soll, wie es in den Sachen zugehe, die weit über und außer meiner Vernunft, Sinn und Verstand sind, das werde ich besser lassen. Daß ich es z.B. mit meiner Zunge voll beschreiben und mit meinem Herzen begreifen und verstehen soll, wie es dem Herrn gegangen und wie ihm im Garten Gethsemane zu Mute gewesen sei, da Blutstropfen von seinem Leibe auf die Erde gefallen sind, das werde ich besser lassen, wenn ich mich des schon unterstünde. Desgleichen werde ich auch nimmermehr mit Worten voll beschreiben noch mit Gedanken erreichen können, aus was für einem Herzen, Liebe und Feuer das Gebet und Flehen gekommen ist, welches Christus am Kreuz mit lautem Schrei und Tränen geopfert hat. Ich muß das im Wort und im Glauben lassen, mit meinen Worten und Gedanken werde ichs nimmermehr erreichen.
Gleichwie ich nun dies und anderes nicht ergründen noch erreichen kann, so werde ich auch nicht ergründen noch erreichen, wie Christus zur Hölle gefahren ist. Der christliche Glaube bezeugt, daß er zur Hölle gefahren ist, und die Heilige Schrift begründet diesen Artikel mit klaren deutlichen Worten. Aber wie es zugegangen sei, das wirst du nicht ergründen. Und wenn du auch schon zehnmal weiser wärest als Salomo, so wirst du es dennoch nicht erreichen. Deshalb ist mein treuer Rat, du läßt es bei den einfältigen Worten und kindischen Bildern bleiben und läßt dich durch die scharfsinnigen Geister, die ohne Bilder darüber nachdenken und es mit ihrer klugen Vernunft ergründen wollen, nicht anfechten. Sondern wie dieser Artikel im Wort vorgetragen und mit Bildern vorgemalt wird, daß die Engel vorhergehen und Christus mit der Fahne hinunterfährt, die Höllenpforte zerbricht und zerstört, so erfasse es einfältig. Denn ob es wohl einfältig und grob geredet ist und kindliche Bilder sind, so zeigen uns solche Worte und Bilder doch fein die Kraft und den Nutzen dieses Artikels, wie wir hören werden.
Wenn ich so sage: Christus ist ein Herr über Teufel und Hölle, und der Teufel hat keine Gewalt und Macht über ihn und über die, welche ihm angehören, das ist ohne Bild und Blumenwerk geredet. Kann ich’s so erfassen und glauben, so ists gut. Wenn ichs aber mit Blumen und Bildwerk vormale und eine Fahne mache, mit der Christus die Hölle aufgestoßen hat, daß es die Kinder und das schlichte Volk, die es sonst ohne Bild nicht erfassen können, auch verstehen, erfassen und glauben mögen, so ists auch gut. Wie man es nun erfassen kann, entweder mit Hilfe äußerlicher Bilder oder ohne äußerliche Bilder, so ists recht und gut, wenn man nur kein Ketzer wird und dieser Artikel nur fest bleibt, daß unser Herr Jesus Christus zur Hölle hinuntergefahren sei, die Hölle zerbrochen, den Teufel überwunden, und die, so vom Teufel gefangen waren, erlöst habe. Müssen wir doch sonst alle Dinge, die wir nicht kennen und wissen, durch Bildreden erfassen, wenn sie gleich nicht so ganz genau zutreffen oder in Wahrheit so sind, wie es die Bilder abmalen, warum wollten wir denn nicht diesen Artikel, den wir auch nicht verstehen noch voll ergründen können, durch Bildreden erfassen, weil das Bild gut hilft, das rechte, reine Verständnis zu erhalten, nämlich dass Christus selbst persönlich die Hölle zerstört und den Teufel gebunden hat? Wie Christus das getan hat, da kommt es nicht drauf an. Aber darauf kommt es an, daß ich wisse und glaube, das Tor sei aufgestoßen, der Teufel gebunden und gefangen, die Hölle zerbrochen und zerrissen, so daß mich und alle, die an Christus glauben, weder Hölle noch Teufel gefangennehmen noch mir schaden kann.
Das sei ein Stück dieser Predigt von dem Artikel, daß Christus zur Hölle hinuntergefahren ist, das ist, daß er den Teufel überwunden und die Hölle zerbrochen hat, auf daß kein Christ sich hinfort vor dem Teufel zu fürchten und zu entsetzen brauche. Die Welt mit allen ihren Kräften hätte nicht vermocht, jemand aus des Teufels Banden zu erlösen noch für eine Sünde der Höllen Pein und Gewalt wegzunehmen. Sondern sie müßten allzumal, soviel je auf Erden gekommen sind, ewig darinnen bleiben, wo nicht der heilige, allmächtige Sohn Gottes mit seiner eigenen Person dahingefahren und die Hölle durch seine göttliche Gewalt mit Macht gewonnen und zerstört hätte. Denn keiner Mönche Heiligkeit noch aller Welt Gewalt und Macht vermag ein Fünklein des höllischen Feuers auszulöschen. Aber das tut es, daß dieser Mann selbst hinunterkommt. Da müssen alle Teufel laufen und fliehen, wie vor ihrem Tode und Gift, und die ganze Hölle mit ihrem Feuer muß vor ihm verlöschen, so daß sich kein Christ davor zu fürchten braucht. Und wenn er schon in die Hölle hineinkäme, soll er dennoch der Höllen Pein nicht leiden; gleichwie er durch Christus auch den Tod ewig nicht schmeckt, sondern durch Tod und Hölle zum ewigen Leben hindurch dringt.
Das andere Stück dieser Predigt ist, daß unser Herr Jesus Christus am dritten Tage von den Toten auferstanden ist. Da gehört ein starker, fester Glaube zu, der uns diesen Artikel stark, fest und gut mache. Die Worte: »Christus von den Toten auferstanden«, soll man gut merken und mit großen Buchstaben schreiben, daß ein Buchstabe so groß sei wie der Turm, ja wie Himmel und Erde, daß wir nichts anderes sehen, hören, denken noch wissen als diesen Artikel. Denn wir sprechen und bekennen diesen Artikel im Gebet nicht deshalb, weil es allein geschehen sei, wie wir sonst eine Geschichte erzählen, sondern damit es im Herzen stark, wahrhaftig und lebendig werde. Und das nennen wir Glauben, wenn es uns so lebendig ist, daß wir ganz und gar drin stecken, eben als sei sonst nichts anderes geschrieben als: Christus ist auferstanden.
Da ist Paulus ein rechter Meister, diesen Artikel näher auszuführen. Röm. 4, 25: »Christus ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Rechtfertigung willen auferweckt«, Eph. 2, 5 f.: »Die wir tot waren in den Sünden, hat er samt Christus lebendig gemacht und hat uns samt ihm auferweckt und samt ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christus Jesus«, 1. Thess. 4, 14: »Wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch, die da entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen«.
Wenn wir das nun glaubten, so hätten wir gut leben und sterben. Denn Christus hat nicht allein für seine Person den Tod überwunden und ist von den Toten auferstanden. Sondern du mußts so aneinander hängen, daß es uns gelte, und auch wir in dem »Christus ist auferstanden« stehen und gefaßt sind und um und durch dasselbe auch auferstehen und mit ihm ewig leben müssen. So hat unsere Auferstehung und unser Leben schon in Christus angefangen, und zwar so sicher, als wäre es schon ganz geschehen, nur daß es noch verborgen und nicht offenbar ist.
So genau sollen wir diesen Artikel ansehen, dass alle anderen Anblicke dagegen nichts sind, so als sähen wir nichts anderes im ganzen Himmel und Erde. Wenn du einen Christen sterben siehst und begraben werden und nichts als einen toten Leichnam daliegen, und vor Augen und Ohren bloß Grab, Totengesang, Totenwort, ja eitel Tod ist: dann sollst du doch solch Totenbild aus den Augen tun und im Glauben ein anderes Bild an Stelle jenes Totenbildes sehen. Nicht als sähest du ein Grab und einen toten Körper, sondern eitel Leben und einen schönen, luftigen Garten und Paradies, darin kein Toter, sondern eitel neue, lebendige, fröhliche Menschen sind.
Denn wenn das wahr ist, daß Christus vom Tode auferstanden ist, so haben wir schon das beste Stück von der Auferstehung hinweg, so daß die leibliche Auferstehung des Fleisches aus dem Grabe (die noch zukünftig ist) im Vergleich dazu gering zu rechnen ist. Denn was sind wir und alle Welt gegen Christus, unser Haupt? Kaum ein Tröpflein gegenüber dem Meer oder ein Stäublein gegenüber einem großen Berg. Weil nun Christus, das Haupt der Christenheit, durch welchen sie lebt und alles hat, und der so groß ist, daß er Himmel und Erde füllt, und gegen den Sonne, Mond und alle Kreaturen nichts sind, aus dem Grabe erstanden ist und dadurch ein mächtiger Herr aller Dinge, auch des Todes und der Hölle geworden ist, so müssen auch wir als seine Glieder durch seine Auferstehung getroffen und angerührt werden und eben des teilhaftig werden, was er damit ausgerichtet hat, als um unsertwillen geschehen. Denn wie er durch sein Auferstehen alles mit sich genommen hat, so daß beides, Himmel und Erde, Sonne und Mond und alle Kreaturen auferstehen und neu werden müssen, so wird er auch uns mit sich führen. Derselbe Gott, der Christus von den Toten auferweckt hat, wird auch unsere sterblichen Leiber lebendig machen, und mit uns alle Kreaturen, die jetzt der Vergänglichkeit unterworfen sind und sich ängstlich nach unserer Herrlichkeit sehnen, aber auch von dem vergänglichen Wesen frei und herrrlich werden sollen. So haben wir schon mehr als die Hälfte unserer Auferstehung, weil das Haupt und Herz bereits droben ist und es nur noch um das Geringste zu tun ist, daß der Leib in der Erde verscharret werde, auf daß er auch erneuert werden möge. Denn wo das Haupt bleibt, da muß der Leib auch hintennach, wie wir an allen Tieren sehen, wenn sie zu diesem Leben geboren werden. Zudem ist auch noch eine andere Hälfte geschehen, ja, auch weit über die Hälfte, daß nämlich wir durch die Taufe im Glauben schon geistlich auferstanden sind, das heißt, nach dem besten Stück an uns. Und so ist nicht allein leiblich das Allerbeste daran geschehen, daß unser Haupt aus dem Grabe gen Himmel gefahren ist, sondern auch unsere Seele hat nach dem geistlichen Wesen ihr Teil hinweg und ist mit Christus im Himmel. Und allein die Hülsen und Schalen oder Scherben bleiben noch hier auf Erden, aber sie müssen um des Hauptstücks willen auch hintennach fahren. Denn die Hülse und Schale soll noch auferstehen, aber das rechte Stück und der Kern ist schon auferstanden.
Das soll man nun fest glauben. So sollen wir, wenn wir einen Christen sehen krank sein, sterben, ins Grab gelegt werden, oder auch wenn wir selber sterben sollen, alles aus den Augen hinwegtun und das »Er ist auferstanden« recht beten. Wir sollen bekennen und sagen: Das beste Stück an der Auferstehung ist schon geschehen, Christus, das Haupt der ganzen Christenheit, ist durch den Tod hindurch und von den Toten auferstanden. Zudem ist das vornehmste Stück an mir, meine Seele, auch durch den Tod hindurch und mit Christus im himmlischen Wesen. Was kann mir denn das Grab und der Tod schaden? Ist doch dieser Leib, wie Paulus (2. Kor. 5, 1) sagt, nur eine Hütte der Seele, von Erde oder Lehm gemacht und ein veraltetes Kleid oder ein alter, schäbiger, lausiger Pelz. Weil aber die Seele durch den Glauben bereits im neuen, ewigen, himmlischen Leben ist, und nicht sterben noch begraben werden kann, so haben wir nicht mehr zu warten, als daß diese arme Hütte und der alte Pelz auch hintennachfolge und neu werde und nicht mehr vergehen könne, weil das beste Stück droben ist und uns nicht hinter sich lassen kann. Wenn Christus, der da heißt: »Er ist auferstanden«, hinweg ist aus dem Tod und Grab, so muß, der sagt: »Ich glaube« und an ihm hanget, auch hintennach. Denn er ist uns deshalb vorangegangen, damit wir hintennachfolgen sollen; und hat solches auch schon in uns angefangen, dass wir durch das Wort und die Taufe täglich in ihm auferstehen.
Siehe, so sollten wir uns zu solchen Gedanken des Glaubens hingewöhnen, wider den äußerlichen, leiblichen Anblick des Fleisches, der uns eitel Tod vor die Augen stellt und mit solchem Bilde schrecken und den Artikel von der Auferstehung in Zweifel stellen und zerrütten will. Dazu verleihe uns Gott seine Gnade, daß wir es erfassen und andere damit trösten können, Amen.
Gehalten am Ostersonntag, 31. März 1532, nachmittags.
WA 36, 159-164 (Nachschrift Rörer).
Quelle: Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers in Auswahl, hrsg. v. Kurt Aland, Bd. 8: Die Predigten, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1991, S. 176-183.