Von Rowan Williams
„Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis“ (1 Johannes 1,5). Texte wie dieser haben einige christliche Autoren zögern lassen, vom Aufstieg zu Gott in der Kontemplation als einem Vorstoß in die Dunkelheit zu sprechen. Doch seit Philo hat die jüdisch-christliche Kontemplationstradition die Geschichte von Moses’ Aufstieg auf den Berg Sinai als ein Bild für die reifende Seele betrachtet; und Moses geht in Exodus 19 und 20 in die Wolken und die Dunkelheit, um Gott zu begegnen.
Die „Finsternis“ (gnophos, im Gegensatz zu skotia oder skotos, die in der Regel sehr negativ konnotiert sind) dient als Metapher sowohl für die unergründliche Transzendenz Gottes als auch für die Blindheit des menschlichen Verstandes, der Gott gegenübersteht – obwohl es ein Fehler ist, nach absolut klaren und wasserdichten Unterscheidungen zwischen beiden zu suchen. Einige Autoren sehen gnophos als schuldhafte Unwissenheit, geistige Verbohrtheit oder Unreife; andere einfach als den unvermeidlichen Zustand des Verstandes, solange er sich noch im Schatten des Körpers befindet (Origenes’ Bild); und wieder andere als eine Art Befreiung von der Blockade durch Bilder und Vorstellungen.
Diese letzte Interpretation ist charakteristisch für Gregor von Nyssa, der als erster die „Wolke“ des Exodus mit der „Nacht“ des Hoheliedes verbindet, der Dunkelheit, in der sich die Liebe vollendet. Wenn wir lernen, dass die göttliche Natur nicht festgehalten oder erfasst werden kann, dass sie sich jeder Definition entzieht, dann lernen wir auch, dass Gott zu erkennen eine Sache der Sehnsucht, der Liebe und der aktiven Nachfolge ist und nicht nur eine Sache des Verstandes. Die Dunkelheit unserer Gotteserfahrung ist eine Offenbarung seiner Unerschöpflichkeit, und so weckt sie das Wachstum einer unendlichen Sehnsucht, der Selbsttranszendenz. So gelangen wir vom anfänglichen Licht – der Erleuchtung der Bekehrung – in eine „leuchtende Dunkelheit“, während wir uns immer mehr von der Bindung an geschaffene Objekte und Ziele, seien sie materiell oder geistig, lösen.
Aber es ist Dionysius Areopagita, der den Gedanken, dass die Dunkelheit selbst sowohl die Bedingung als auch die Eigenschaft der wahren Gotteserkenntnis ist, am deutlichsten zum Ausdruck bringt. Dionysius macht sich nicht die Mühe, gnophos und skotos zu unterscheiden, und kann in einer berühmten Passage der Mystischen Theologie davon sprechen, dass Gott einen „Strahl der Finsternis“ aussendet, mit dem das sich selbst vergessende Selbst vereint ist. Jenseits der affirmativen und negativen Sprache über Gott liegt die „Dunkelheit“ einer Begegnung mit dem, was nicht benannt oder abgebildet werden kann, in der Ekstase der Selbsttranszendenz, wo wir der selbsttranszendierenden, „ekstatischen“ Liebe Gottes begegnen. Wie Vladimir Lossky feststellte, vereint die Sprache von Dionysius die Begriffe der Selbstmitteilung Gottes als Licht und seiner wesentlichen Unvorstellbarkeit und Unerschöpflichkeit als Dunkelheit. Das Paradoxon bestätigt, dass die christliche Sprache unheilbar dialektisch ist. Kein Versuch, es aufzulösen, selbst wenn man annimmt, dass es sowohl einen mitteilbaren als auch einen nicht-mitteilbaren „Teil“ Gottes gibt, ist ausreichend. Die Erleuchtung ist selbst eine Offenbarung der Dimensionen der Unabschließbarkeit, der Herausforderung und der Infragestellung in jedem Reden über das, was wir als Gott bezeichnen.
Im christlichen Osten dominierte die Symbolik des Lichts mehr und mehr die mystischen Schriften der byzantinischen Periode; aber im Westen kam es im späteren Mittelalter zu einer auffälligen Wiederaufnahme der dionysischen Sprache der „göttlichen Dunkelheit“. Sowohl Tauler als auch Ruysbroeck sprechen von der „Nacht“ der Kontemplation, und die englische Cloud of Unknowing entwickelt das Bild der Seele, die im Gebet zwischen zwei „Wolken“ schwebt: unten die Wolke des Vergessens, der Schleier, der die geschaffenen Sorgen und geringeren Lieben verbirgt; oben die Wolke des Unwissens, die Dunkelheit Gottes, die nur durch den „Pfeil der sehnsüchtigen Liebe“ durchdrungen werden kann, der auf den obskuren Strahl der Gnade antwortet, der sie wie ein „Funke aus der Kohle“ entzündet.
Tauler und Ruysbroeck betonen jedoch mehr als alle früheren Autoren, dass die fragliche Dunkelheit nicht nur eine Blockade für das Wissen ist, sondern auch für das Gefühl. Die „Nacht“ ist somit auch eine Erfahrung emotionaler oder „affektiver“ Trockenheit – ein Bild, das fast mit „Wüste“ austauschbar ist. So spricht Tauler in einer Passionspredigt von der „unbegreiflichen wilden Wüste, in der man weder Weg noch Weise findet, denn sie steht über allen Weisen“ und von der „verborgenen Dunkelheit des weiselosen Gottes“.1 Dunkelheit und Wüste stehen gleichermaßen für die Erfahrung der grundlegenden Orientierungslosigkeit des Kontemplativen, die zunächst als eine totale Untergrabung der Realität und des Wertes des Selbst erscheint.
Die klarste Systematisierung findet sich bei Johannes vom Kreuz. Er nimmt (wie Gregor von Nyssa) die nächtliche Bildsprache des Hoheliedes als Ausgangspunkt und teilt die Nacht in drei Teile ein. Es gibt die wachsende Dunkelheit der „Nacht der Sinne“, in der das Ich sein Verlangen auf Gott allein und nicht auf irgendwelche äußeren Ziele konzentriert. Der dunkelste Teil der Nacht ist jedoch die „Nacht des Geistes“ (die gewöhnlich als „Dunkle Nacht der Seele“ bezeichnet wird), in der das Selbst sogar von jeder verbleibenden geistigen Befriedigung und von jedem tröstlichen Bild von sich selbst beraubt wird. Erst darüber hinaus bricht die Morgendämmerung der Erleuchtung zur endgültigen Vereinigung auf.
Diese beiden Zustände sind nicht als geradlinig aufeinanderfolgende Zustände zu verstehen. Sie überschneiden und interagieren in hohem Maße, und beide „Nächte“ haben aktive und passive Aspekte (Kampf und Empfänglichkeit zusammen). Johannes kann die Sprache der „Vernichtung“ verwenden, um zu beschreiben, was in der Nacht des Geistes geschieht, doch sollte man nicht vergessen, dass er durchweg die Realität eines frei einwilligenden menschlichen Willens voraussetzt. Das letzte Stadium der völligen Durchlässigkeit des Selbst für die Gnade ist keine Verschmelzung mit einer Art kosmischem Bewusstsein. Thomas Merton vergleicht den Prozess mit der Zen-Erleuchtung, einer einfachen Ganzheit der Antwort, die durch die „dunkle Nacht“ eines systematischen Zusammenbruchs des Bildes vom Selbst oder vom Geist als losgelöstem und allmächtigem Problemlöser erreicht wird. Es gibt hier durchaus Parallelen, obwohl Johannes die „Nacht“ viel eher als etwas sieht, das uns aufgezwungen wird, und zwar nicht von einem spirituellen Meister nach einer bestimmten Technik, sondern einfach durch eine Kombination von äußeren Umständen, einer inneren Ehrlichkeit über die notwendige Formlosigkeit unserer Gotteserfahrung und einem daraus folgenden Misstrauen gegenüber intellektueller oder spiritueller Befriedigung, gegenüber Ideen oder Gefühlen, die Leistung und Endgültigkeit suggerieren.
Das Gefühl der Verlassenheit, das mit der Nacht des Geistes verbunden ist (Johannes bezieht sich hier auf den Schrei Jesu vom Kreuz), wird von späteren Autoren, insbesondere Augustine Baker im siebzehnten und J.-P. de Caussade im achtzehnten Jahrhundert, einfühlsam erforscht. Die positive Interpretation dieser negativen Erfahrungen war einer der Streitpunkte in der hitzigen Debatte zwischen den Wesleys und William Law, obwohl John Wesley im Alter zu einer Sichtweise überging, die der des Johannes vom Kreuz viel näher kam. Unter den Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts ist Abt John Chapman vielleicht der beste Interpret dieses Themas, obwohl es auch in einigen modernen religiösen Gedichten – Eliots Vier Quartette, der spätere R. S. Thomas, Geoffrey Hill – immens wichtig geworden ist.
Bibliographie. John Chapman, Spiritual Letters, 1935; A. Cugno, St John of the Cross, 1982; Vladimir Lossky, „Darkness“ and „Light“ in the Knowledge of God, in In the Image and Likeness of God, 1975; A. Louth, The Origins of Christian Mystical Theology, 1981; Thomas Merton, New Seeds of Contemptation, 1963; On Zen, 1976.
Quelle: Gordon S. Wakefield (Hrsg.), A Dictionary of Christian Spirituality, London: SCM, 1983, S. 103-105.
1 Vgl. Johannes Tauler, Predigten, Bd. 1, übertragen und herausgegeben von Georg Hofmann, Einsiedeln: Johannes Verlag, 1979, S. 80.