Martin Luther über guten Käse: „Der Käse – kein Argus, doch großzügig; kein Methusalem, [sondern] Magdalena; kein Habakuk, [sondern] Lazarus: dieser Käse ist gut. Brot hat Augen – der Käse bewahrt keine.“

Martin Luthers Distichon über guten Käse1

Caseus.
Non Argus2, largus;
non Methusalem3, Magdalena;
Non Habakuk, Lazarus4:
Caseus iste bonus.
Panis habens oculos,
non servans caseus ullos.

„Der Käse – kein Argus, doch großzügig; kein Methusalem, [sondern] Magdalena; kein Habakuk, [sondern] Lazarus: dieser Käse ist gut. Brot hat Augen – der Käse bewahrt keine.“

Dieses Distichon Luthers wurde 1893 von Otto Schanzenbach (1837-1910), Direktor der Hofbibliothek in Stuttgart, in Reimform gebracht:

Soll der Käse etwas taugen,
hab er nicht 10 000 Augen
wie einst Argus. Auch nicht klein,
breit und dick, so soll er sein!
Kein Methusalem an Jahren
werd er durch zu langes Sparen;
nein, der Büß’rin reich an Thränen
soll er gleichen, Magdalenen5.
Habakuk6 einst kochte Brei,
breiig nicht der Käse sei!
Was man liest von Lazarus,
gelte auch vom caseus:
Dort hört man’s im Klageton,
hier als Ruhm: »er stinket schon«.

Schanzenbach schreibt dazu:

Mönchslatein. Neulich erhielt ich von einem Freunde ein in Luthers Tischreden stehendes lateinisches Distichon, dessen Inhalt er nicht ganz zu enträtseln vermochte, mit dem Ersuchen zugeschickt, ich möchte ihm meine Auffassung desselben mitteilen. Die Verse stammen jedenfalls aus dem Mittelalter und sind nach Form und Inhalt so eigentümlich, daß ich sie wohl den Lesern dieser Blätter mitteilen darf. Sie lauten:

Non Argus, largus, non Methusalem, Magdalena
Non Habacuc, Lazarus; caseus iste bonus
.

Was soll das heißen? Klar ist, was Argus und Methusalem bedeuten soll. Auch largus macht keine Schwierigkeit: ein Käslaib muß eine ge­wisse Größe haben, um schön auszureifen. Aber Magdalena, Habakuk und Lazarus? Ich denke bei Magdalena an die sprichwörtliche Redens­art des Französischen pleurer comme une Madeleine = pleurer abondamment (vergl. englisch maudlin weinerlich). Habakuk ist wohl gesetzt in Erinnerung an die Stelle des apokryphischen Zusatzes zu Daniel „Vom Drachen zu Babel“, wo erzählt wird, Habakuk habe einen Brei gekocht und Brot eingebrockt, um das Essen seinen Schnittern auf dem Felde zu bringen, sei aber von einem Engel mit dem Gerichte zu dem hungernden Daniel entführt worden. Wegen des Lazarus vergleiche Joh. 11, 39. So ließen sich die lateinischen Verse (etwas frei) folgendermaßen deutsch wiedergeben:

Soll der Käse etwas tauge,
Hab’ er nicht zehntausend Augen,
Wie einst Argus; auch nicht klein,
Breit und dick, so soll er sein.
Kein Methusalem an Jahren
Werd’ er durch zu langes Sparen;
Nein, der Büß’rin, reich an Thränen,
Soll er gleichen, Magdalenen.
Habakuk einst kochte Brei:
Breiig nicht der Käse sei!
Was man liest von Lazarus,
Gelte auch vom caseus;
Dort hört man’s im Klageton,
Hier als Ruhm: „Er …..et schon.“

Quelle: Süddeutsche Blätter für höhere Unterrichtsanstalten, 1. Jahrgang, Nr. 2 vom 15. Juli 1893, S. 24.

Von Ernst Ludwig Leitner gibt es eine Vertonung dieses Gedichtes.

1WA.TR Nr. 4163 vom 29. und 30. November 1538 (D. Martin Luthers Tischreden, Band 4, 1916, S. 175).

2 Argus, mit vielen Augen.

3 Uralt.

4 Joh. 11, 39.

5 Von Tränen feucht.

6 Hab. 3, 2? Der Käse soll nicht „lebendig“ sein? Oder Hab. 3, 16: subter me scateat?

Hier der Text als pdf.

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