„Wenn auch für unsere Kirche wieder Zeiten kommen werden, wo Märtyrerblut gefordert werden wird.“ Aus einer Predigt zu Kolosser 3,1-4 (1932)
Von Dietrich Bonhoeffer
Daran entscheidet sich heute Gewaltiges, ob wir Christen Kraft genug haben, der Welt zu bezeugen, daß wir keine Träumer und Wolkenwandler sind. Daß wir nicht die Dinge kommen und gehen lassen, wie sie nun einmal sind. Daß unser Glaube wirklich nicht das Opium ist, das uns zufrieden sein läßt inmitten einer ungerechten Welt. Sondern daß wir, gerade weil wir trachten nach dem, was droben ist, nur umso hartnäckiger und zielbewußter protestieren auf dieser Erde. Protestieren mit Worten und Taten, um um jeden Preis voranzuführen. Muß es denn so sein, daß das Christentum, das einstmals so ungeheuer revolutionär begonnen, nun für alle Zeiten konservativ ist? Daß jede neue Bewegung ohne die Kirche sich Bahn brechen muß, daß die Kirche immer erst zwanzig Jahre hinterher einsieht, was eigentlich geschehen ist? Muß dem wirklich so sein, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn auch für unsere Kirche wieder Zeiten kommen werden, wo Märtyrerblut gefordert werden wird. Aber dieses Blut, wenn wir denn wirklich noch den Mut und die Ehre und die Treue haben, es zu vergießen, wird nicht so unschuldig und leuchtend sein wie jenes der ersten Zeugen. Auf unserem Blute läge große eigene Schuld: Die Schuld des unnützen Knechtes, der hinaus geworfen wird in die Finsternis.
Aus der Predigt zu Kolosser 3,1-4, gehalten am Sonntag nach Trinitatis, 19 . Juni 1932, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Quelle: DBW 11, S. 446.