Rolle rückwärts? Kirchliche Dienste, Werke und Einrichtungen reif zum Ab-, Aus- oder Umbau
Von Johannes Rehm
Transformation ist zu einem Zentralbegriff des gegenwärtigen öffentlichen Diskurses geworden. Transformation beinhaltet eine allgemeine Zustandsbeschreibung, denn, alles, von Institutionen, Arbeitsprozessen bis hin zu menschlichen Verhaltensweisen, ist aktuell nach allgemeinem Empfinden, im fortlaufenden Wandel begriffen.1 Transformation ist auch eine Zielbestimmung politischen Handelns, denn nach verbreiteter Übereinkunft muss Transformation einfach sein, weil vieles so wie es derzeit ist, wirklich nicht bleiben kann. Denn die Rahmenbedingungen menschlichen Lebens haben sich grundlegend geändert und die Ressourcen für die bisherig geübte Praxis fehlen zunehmend. Die weitverbreitete Rede von Klimakrise, Wirtschaftskrise, Vertrauenskrise einschließlich von Kirchenkrise signalisieren Zustände der Gefährdung, der Instabilität bis hin zur Lebensbedrohung, welche rasches und zielgerichtetes Handeln erforderlich machen. Transformation verstanden als Wandel, Veränderung und Erneuerung beinhaltet eine belebende Verheißung auf ein besseres, auf ein gelingendes und gutes Leben. Transformation erweist sich zugleich als eine beunruhigende Herausforderung, einschließlich der Aussicht auf eine Zukunft, deren Gestalt eben niemand kennt.
Nun soll in den folgenden Ausführungen nicht von der Welt im Allgemeinen, sondern von der Kirche im Besonderen die Rede sein. Da Kirche nur in dieser Welt Kirche sein kann, darum macht die große allgemeine Transformation auch vor der Kirche nicht halt. In einer sich wandelnden, sich grundlegend verändernden und transformierenden Welt hat die Kirche bzw. haben die Kirchen natürlich Anteil an allen auch sonst im Gang befindlichen Transformationsprozessen.2 Auch die Kirchen müssen digitaler, diverser, klimaneutraler, agiler und hybrider werden in ihrem öffentlichen Erscheinungsbild sowie in den Arbeitsprozessen ihrer institutionellen bzw. organisatorischen Gestalt.3 Dieser transformative Veränderungsdruck betrifft jede einzelne Kirchen- und Pfarrgemeinde und nicht zuletzt die kirchlichen Dienste, Werke und Einrichtungen. Er wird tatsächlich insbesondere spürbar in den überparochialen Einrichtungen.4 Und diese verintensivierte Auswirkung der Transformation hängt schon damit zusammen, dass die genannten Bereiche vorrangig außerhalb innerkirchlicher Zusammenhänge, also ohne schützende Kirchenmauern wirksam und aktiv sind. Dienste, Werke und Einrichtungen sind von ihrem Auftrag her und von ihrer Arbeitsweise Kirche in der säkularen, sich gegenwärtig wieder einmal transformierenden Welt. Da die derzeitige Kirchenkrise sich nicht zuletzt als eine innerkirchliche Finanzkrise auswirkt, sind aber gerade die Dienste, Werke und Einrichtungen insbesondere im Fokus eingespart und abgebaut zu werden. Die meisten Synodalen, die über kirchliche Haushalte zu beschließen haben, sind mehrheitlich von Kirchengemeinden delegiert. Sie neigen naturgemäß dazu die Förderung und Fortführung von Kirchengemeinden als Pflichtaufgabe kirchlichen Handelns anzusehen und die Ermöglichung der Wirksamkeit von Diensten, Werken und Einrichtungen als luxuriöse „Kür“ oder als fakultative Zusatzaufgabe vornehmlich für finanziell gute Zeiten einzustufen. Deshalb besteht aktuell einmal mehr die Gefahr, dass für die evangelische Kirche die stattfindende Transformation zur Rolle rückwärts gerät. Denn die Dienste, Werke und Einrichtungen waren im 20. Jahrhundert als Ausdruck der Öffnung von Kirche in die säkulare Welt der Moderne etabliert worden, die nun möglicherweise zurückgenommen zu werden droht raus aus der säkularen Welt und hinein in eine gesellschaftliche Nische, die keine größere öffentliche Beachtung mehr erfährt. Die Meinungen über die künftige Bedeutung von kirchlichen Diensten, Werken und Einrichtungen scheinen mir weit auseinander zu gehen: Sind sie reif zum Ab-, Aus- oder Umbau? Diese Fragestellung möchte ich diesem Beitrag voranstellen bzw. ihr nachgehen, indem ich die Situation der Kirche zu beschreiben versuche. Deshalb nun erst einmal zur Situation der evangelischen Kirche, die gegenwärtig in Deutschland sowohl von kirchlichen Mitarbeitenden als auch von Medienvertretern als inhaltlich ernst und in ihrem Fortbestand existenzgefährdend eingestuft wird.
- Alles fließt – Kirche im Krisenmodus
Im zeitlichen Anschluss an die alle Mitbürger betreffende Corona–Krise kamen die Kirchen in Deutschland durch die zahlreichen Enthüllungen von sexuellen Missbrauchsfällen aus dem Krisenmodus nicht mehr heraus. Waren in den Jahren der Corona–Pandemie viele langjährig gepflegte personale Kontakte zwischen Kirchenvertretern und ihren Mitgliedern durch die Corona–Maßnahmen unterbrochen worden, so stellte sich anschließend heraus, dass eine Fortführung derselben nach der Corona–Krise nicht mehr so ohne weiteres möglich und von den Menschen erwünscht war. Corona brachte die Regelmäßigkeit von Gottesdienst- bzw. Veranstaltungsbesuchen und Kontaktaufnahmen zur Kirche sowie die Teilnahme an kirchlichen Treffen von Gruppen zum Erliegen. Eine Wiederaufnahme früher gepflegter Kontakte ergab sich bei vielen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr. Nach den verstörenden Berichten über zahlreiche Missbrauchsfälle auch in der evangelischen Kirche war es anscheinend für viele langjährige Kirchenmitglieder zum vollzogenen Austritt nur ein kleiner Schritt. Jedenfalls erlebten kirchliche Mitarbeitende und eine staunende Öffentlichkeit, dass die Zahl der Kirchenmitglieder plötzlich im freien Fall waren und von einer „Volkskirche“ im milieuübergreifenden Sinn bei der evangelischen Kirche immer weniger gesprochen werden kann. Die Kirchenkrise hat inzwischen noch einmal eine neue Qualität angenommen: „Wir müssen sehen, dass die Stellung der Kirche und (!) des Glaubens in der Moderne prekär geworden ist.“5 Es ist inzwischen alles andere als selbstverständlich, dass die Dienste der Kirche nachgefragt werden. „Kirchenmitgliedschaft und insbesondere die Inanspruchnahme kirchlicher Angebote werden somit mehr und mehr zu einer Option, die nicht mehr im Sinn einer Normalitätsunterstellung in Anspruch genommen wird, sondern zunehmend in Rechtfertigungsdruck gerät.“6 Der Bochumer Sozialethiker Traugott Jähnichen problematisiert von daher das bisherige volkskirchliche Modell: „Traditionelle Merkmale der Volkskirche, wie eine Allzuständigkeit bei Lebenskrisen und Schnittpunkten des Lebens, eine flächendeckende räumliche Präsenz und gesellschaftsintegrative Kraft sind in neuer Weise zu profilieren. Dementsprechend sind die bisherigen kulturellen Selbstverständlichkeiten und ein staatsanaloges Selbstverständnis der Kirche einem grundlegenden Transformationsprozess zu unterziehen.“7
Panta rhei (alles fließt) war das erschreckende Grundgefühl, das die alte Lehre des Heraklit nicht nur das Leben im Allgemeinen, sondern den derzeitigen Zustand der Institution Kirche und die allgemeine Akzeptanz des christlichen Glaubens treffend charakterisiert. Mit der Aufgabe von Kirchenmitgliedschaften ging beispielsweise eine Relativierung des bisherigen auf Volkskirche abzielenden rechtlichen Rahmens für kirchliches Handeln einher. Die Fragen stellten sich: Passen etwa die Kirchengemeindeordnung, das Pfarrerdienstrecht und das Synodenwahlgesetz noch in die Zeit, wenn es die „Volkskirche“, auf die sie sich beziehen, so gar nicht mehr gibt? Muss nicht alles anders werden, was dem kirchlichen Leben bisher eine strukturierende Ordnung gegeben hat? Alles ist in einem fortlaufenden Prozess der Veränderung begriffen mit offenem Ausgang. Für die einen bedeutete diese Situation die Chance sich von ungeliebten als nicht mehr zeitgemäß empfundenen Strukturen nun auch offiziell zu verabschieden, andere beklagen die Relativierung und Infragestellung von bisheriger kirchlicher Praxis. Die Modernisierer waren bzw. sind in ihrem Element, die Bewahrer sind eher der Überzeugung, dass es mit der Kirche den Bach hinunter geht. Aber ist das Fluide nicht nur Fluch, sondern vielmehr Segen, welcher eben dem allgemeinen Lebensgefühl des modernen Menschen zu entsprechen scheint? Für die Referentin für Strategische Planung der EKD Friederike Erichson-Wendt hat die „…Entwicklung von Kirchlichkeit…Anteil an der `Verflüssigung der Moderne`“8. Was ist damit gemeint? „Wie es Flüssigkeiten unmöglich ist, von sich aus eine Form zu halten, verfallen demnach in Gegenwartsgesellschaften soziale Formen schneller als sie sich überhaupt etablieren können. In einer Atmosphäre von Transformation und Situationen von Übergang zu leben, wird damit zum Normalfall.“9 Die zugrunde liegende Gesellschaftsanalyse hat längst ihre kirchliche Entsprechung mit der Rede von der liquiden Kirche als Richtungsangabe für die erforderliche und gewünschte Weiterentwicklung von Kirche gefunden. Ist Erichson-Wendt sich der damit verbundenen sozialethischen Problematik hinreichend bewusst, wenn sie schreibt: „Kirchliche Organisation oszilliert zwischen einer Anlehnung an organisationale Marktlogiken, die ihr Platz im Kampf um gesellschaftliche Aufmerksamkeit verschaffen, und einem gleichermaßen deutlichen Mandat für diejenigen, die sich unter den Bedingungen der liquid modernity nicht behaupten können.“10 Unter den Bedingungen einer Industriegesellschaft erfolgte einst eine Ausdifferenzierung der kirchlichen Vollversorgung einschließlich der notwendig gewordenen Profilbildungsprozesse. Dabei stellte sich Folgendes heraus: „Zugleich wurde es in der Differenzierungsphase kirchlicher Organisation schwieriger nach innen die gleiche Sprache zu sprechen. Mitarbeitende erlebten, dass es wenig Gemeinsames gab, das die Organisation Kirche insgesamt wirklich zusammenhielt. Immer wieder wurde die Frage nach dem Proprium gestellt, einem alle einenden Alleinstellungsmerkmal.“11
Doch was bedeutet nun diese Zeitanalyse einer liqid modernity einschließlich einer liquid church für die Wirksamkeit überparochialer Einrichtungen? Zunächst einmal ist zu beachten: Erichson-Wendt hält die überkommene Unterscheidung von Parochien und überparochialen Einrichtungen grundsätzlich für weitgehend überholt. Durch den Dienstleistungscharakter sieht sie den überparochialen Bereich als besser vorbreitet auf die neuen Anforderungen. „Es könnte nun aber zum Charakteristikum von Diensten, Werken und Einrichtungen gehören, dass sie mit Aufgabenorientierung besser umgehen können, weil ihre Form der Kirchlichkeit genuin organisationalem Denken entspringt. Aufgabenorientierung provoziert dann, im Sinne von Transprofessionalität Arbeit zu organisieren: Menschen tragen jeweils das ihre dazu bei, eine Aufgabe gemeinsam zu lösen – unabhängig von ihrer Herkunftsprofession und den damit verbundenen Kompetenzen.“12 Das traditionelle Verständnis vom geistlichen Amt bzw. den verschiedenen kirchlichen Diensten scheint hier nicht mehr von Interesse oder als nicht mehr zeitgemäß angesehen zu werden. Ziel kirchlicher Arbeit sei es letztlich, so lese ich die Ausführungen von Friedericke Erichson–Wendt, liquide in Sachen Kommunikation des Evangeliums zu sein. Diese „Auszahlungsfähigkeit“ wird zum Dreh- und Angelpunkt kirchlichen Wirkens: „Dieser Liquidität haben kirchliche Formen zu dienen, sie ist das Kriterium ihrer Angemessenheit. Formen, die erst gefunden werden müssen, die sich eher zeigen, als dass sie vollständig gestaltet werden können, sind in der so verstandenen `Liquidität` dem Evangelium familienähnlich. Es sind Gestalten kirchlichen Lebens, die nicht an Langfristigkeit, Dauer und Stabilität orientiert sind.“13 Dafür werden natürlich keine Häuser, „Ämter“ oder Institutionen gebraucht. Sie sind für eine solche Zielvorstellung eher Ballast. „Kirchliche Formen, Inszenierungen und Interaktionen, die sich unter dem Sammelbegriff `Dienste, Werke und Einrichtungen’ in unterschiedlichen Rechtsformen verbergen, sind unterschiedlich kristallin und damit auch unterschiedlich fähig, sich zu verflüssigen. Deshalb ist es notwendigerweise so, dass es Melanges gibt, Reibungen, auch Funkenflug.“ 14 Dieser nicht nur auf die Kirchen zukommende Kulturwandel in der Wirksamkeit und insbesondere in der Angebotsstruktur braucht nicht gefürchtet zu werden. „Kirchliche Organisation hat hier einen großen (Markt-) Vorteil gegenüber anderen, als sie von je her eine Kultur der Informalität pflegt.“15 Insbesondere die Dienste, Werke und Einrichtungen kommt hierbei von ihrem Auftrag sowie von ihrer Geschichte her eine „Vorreiterfunktion“ für den erforderlichen „organisierten Wandel“ zu16. Die Anwendung der Organisationslogik auf die Kirche verändert die Perspektive und die Gewichtung, weil sie von der „Totalinklusion des Menschen“ absieht. Das bedeutet: „Die Frage der Gemeinschaftserfahrung tritt in der Metaphorik der Liquidität in den Hintergrund.“17 Aus ihren Überlegungen zieht die Autorin die Schlussfolgerung: „Wichtiger, als sich am Spannungsfeld von Profil und Liquidität abzuarbeiten, ist es für kirchliche Organisationen, liquide zu lernen.“18 Dabei sieht sie bei den Diensten, Werken und Einrichtungen einen „organisatorischen Vorsprung.“19 Die Notwendigkeit liquiden Lernens und Wirkens wird nicht nur aus der Analyse aktueller gesellschaftlicher Gegebenheiten abgeleitet, sondern theologisch begründet: „Die gemeinsamen Beschreibungsversuche der Bewegung Gottes in und mit seiner Welt sind das Evangelium als Auftrag der Kirche. Damit ist es seinem Wesen nach nicht vollständig beschreibbar, nicht völlig absehbar und nach vorne hin zwar von Gott her bestimmt, aber offen.“20 Menschliche Bedürfnisse und Wünsche an die Kirche gehen nicht vollständig in „Marktlogiken“ auf. „Organisational kann man also die Negation des Organisationalen nicht verhindern.“21
Die Programmatik von Friedericke Erichson-Wendt ist viel mehr als eine Einzelmeinung. Sie bringt ein verbreitetes Zeitempfinden zur Sprache. Sie wird deshalb auch nicht etwa in der Haltung vorgetragen, dass damit aus der Not eine Tugend gemacht wird. Für mich überraschend ist die ‚liquid modernity‘ aber gerade nicht Gegenstand theologischer Kritik, sondern scheint als Gegebenheit vorausgesetzt zu werden, die es als Chance für die Kirche zu nutzen bzw. als Grundlage ihrer Wirksamkeit wahrzunehmen gilt. Allerdings stellen sich ernste Rückfragen: Wird hier in bürgerlicher Manier für eine intellektuelle Elite eine milieuverengte Kirche projektiert? Verfehlt diese nachvolkskirchliche Kirche, die doch auch weiterhin von Menschen mit unterschiedlichen Frömmigkeits- und Bildungshintergründen zusammengesetzt sein wird, nicht die geistlichen Bedürfnisse der Mitgliederschaft nach Beheimatung? Ferner scheinen mir die Ausführungen auf einen kirchlichen Traditions- sowie auf einen normativen Schriftbezug zugunsten einer neoliberalen Beliebigkeit verzichten zu wollen. Sie ignorieren den bei kirchlich hochverbundenen Kirchenmitgliedern verbreiteten Wunsch nach einem zumindest ansatzweise gemeinsamen christlichen Leben. Auch empfinde ich einen Mangel an Zutrauen auf das kritische Potential christlicher Hoffnung. Jedenfalls stellt sich mir dabei die Frage, ob nicht nur zeitbedingte Formen kirchlicher Praxis, sondern auch der Gehalt christlichen Glaubens damit für viele inzwischen fluide geworden ist. So viel als erste Rückfragen auf eine hoffentlich noch folgende künftige Debatte.
Nachdem nun schlaglichtartig die Situation kirchlichen Handelns in einer Welt der Transformation einschließlich eines Programms einer transformativen Praxis zumindest ansatzweise zur Sprache kam, werde ich im Folgenden auf den Sitz im Leben des Jubilars sowie des Autors dieser Zeilen von kirchlicher Praxis in den Diensten, Werken und Einrichtungen zu sprechen kommen.
Deshalb nun:
- Pfarrersleben etwas anders – biographische Zwischenüberlegungen
In den reformatorischen Kirchen erfolgte traditionell eine verbreitete Gleichsetzung von Pfarrer mit Gemeindepfarrer, welche einer Ineinssetzung von Kirche mit Gemeinde insbesondere in der reformierten Tradition entspricht.22 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden sich dann vermehrt Berufsbiographien von Pfarrerinnen und Pfarrern, welche den größten Teil ihrer aktiven Dienstzeit im überparochialen bzw. landesweiten Dienst in sogenannten Spezialpfarrämtern absolvierten. Dies traf auf den Adressaten dieser Festschrift sowie auf den Verfasser dieses Beitrags zu. Eine solche Berufsbiographie führte zu einer anderen Pfarrersexistenz jenseits des herkömmlichen Pfarrhauses mit anderen Perspektiven und Herausforderungen.
Hanns Kerner war ich erstmals als Student Ende der 70er Jahre begegnet. Er wirkte damals als wissenschaftlicher Assistent bei dem Kirchengeschichtler Prof. Dr. Gerhard Müller an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen – Nürnberg. Von da an blieben wir in gutem Kontakt, der sich nach meiner Übernahme der Studierendenpfarrstelle an der Universität Bamberg im Jahr 1990 intensivierte, denn Kerner war damals selbst noch Studierendenpfarrer in Nürnberg. Die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung waren die bayerischen Universitäten durch den Zustrom von Studierenden aus den neuen Bundesländern herausgefordert, was zu einem rapiden Wachstum der jüngeren Universitäten Bamberg, Bayreuth, Regensburg und Passau führte. Dies zog eine nachhaltige Veränderung der bayerischen Hochschullandschaft einschließlich der kirchlichen Hochschulseelsorge nach sich, die bisher auf die traditionell großen Universitätsstandorte Augsburg, Würzburg, Erlangen und München ausgerichtet waren. Inhaltlich experimentierte unsere Generation von Studierendenpfarrerinnen- und pfarrern mit neuen Formaten einer hochschulförmigen Präsenz von Kirche an den Universitäten, die klassische Formen von Studierendenarbeit ergänzen sollten, welche sich stärker an der kirchlichen Jugendarbeit orientiert hatten.23 In diesem Zusammenhang ist auch eine Zunahme von Inhabern von Studierendenpfarrstellen zu sehen, die sich selbst akademisch qualifizierten bzw. zusätzlich Lehraufträge wahrnahmen, was auch auf uns beide zutraf. Hochschulseelsorge findet schon lange in einem säkularen Umfeld statt, das keinen selbstverständlichen Rückgriff auf feste Formen kirchlicher Arbeit ermöglicht, sondern zu Beginn eines jeden Studienjahrs einen vollständigen Neuanfang sowohl inhaltlich als auch mit neuen Gemeindemitgliedern, Veranstaltungsteilnehmenden und ehrenamtlichen Mitarbeitenden erforderlich macht.24 Meine persönliche Erfahrung im Studierendenpfarramt war es gewesen, dass die kirchliche Hochschularbeit mir als Pfarrer vielfältige Möglichkeiten öffentlicher Kommunikation des Evangeliums sowie Seelsorge an Hochschulangehörigen eröffnete, die über die kirchengemeindliche Wirksamkeit sich nicht ergeben hätten. In der damaligen Studierendenpfarrkonferenz (SPK) fanden sich nicht wenige Kolleginnen und Kollegen mit eindrücklichen intellektuellen und bzw. musischen Fähigkeiten, welche der frühere Personalreferent der Landeskirche Oberkirchenrat Theodor Glaser für die Übernahme aus seiner Sicht besonders verantwortlicher Aufgaben im Blick hatte. So führte Kerners Weg 1992 als Ökumenereferent ins Landeskirchenamt nach München, bevor er im Jahr 2000 die Leitung des neuen Gottesdienst-Instituts der ELKB übernahm. Ab 2006 ermöglichte uns die gemeinsame Zugehörigkeit zur „Konferenz der Dienste und Einrichtungen“ (KDE) dann erneut eine Phase intensiver Zusammenarbeit, da ich inzwischen die Leitung des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der ELKB (kda) angetreten hatte. Im Studentenpfarramt machten wir vergleichbare dienstliche Erfahrungen und hatten fachliche Kontakte geknüpft, die sich bei unseren anschließenden dienstlichen Verwendungen als hilfreich erweisen sollten. Trotz aller Gemeinsamkeit gingen die Erfahrungen und Möglichkeiten als Amtsleiter bei uns beiden dann doch auseinander. Kerner war mit dem Aufbau eines neu gegründeten Amtes betraut, während ich ein „altes“ Amt zu leiten hatte, das 1954 zunächst als Sozialpfarrstelle gegründet worden war und mit dem sich u.a. auch volkskirchlich ausgerichtete Hoffnungen und politische Visionen einer früheren Zeit verbanden.25 Insofern beinhaltete meine Aufgabe bereits auch Stellenabbau und konzeptionellen Umbau. Vor allem aber durfte ich als kda-Pfarrer erneut die Erfahrung machen, dass auch diese überparochiale Wirksamkeit zahlreiche öffentliche Gelegenheiten der Kommunikation des Evangeliums beinhaltete vor Personenkreisen in arbeitsweltlichen Kontexten, welche meist am kirchengemeindlichen Leben gar nicht oder nur sporadisch teilnehmen.26 Die sich selbst organisierende KDE führte jedoch alte und neue Ämter zu gemeinsamem Beraten und Tun sowie zur gemeinsamen Interessenvertretung gegenüber den kircheleitenden Organen zusammen. Mehrere Jahre war ich als Sprecher der KDE Mitglied der bayerischen Landessynode. In der KDE selbst vertrat ich den nach außen an eine säkulare Gesellschaft gerichteten und zwangsläufig politisch umstrittenen kda, während Kerner das damals eben kirchenpolitisch gewollte Gottesdienst-Institut leitete, das sich aber auch mit seinen Dienstleistungen an eine Kirche richtet mit hauptamtlichen Mitarbeitenden, deren theologische Einstellungen und deren liturgisches Stilempfinden weit divergieren. Diese Vielgestaltigkeit und Unterschiedlichkeit von Ansätzen und Herausforderungen kirchlicher Arbeit in einer unübersichtlich gewordenen kirchlichen Landschaft kam besonders anregend und manchmal auch aufregend in den Tagungen der KDE zum Ausdruck. Deshalb nun eine kleine tour de horizon zu den Diensten, Werken und Einrichtungen unter
- `Ein weites Feld`- der Kosmos der kirchlichen Dienste, Werke und Einrichtungen am Beispiel Bayern
„Effi Briest“ von Theodor Fontane ist bekanntlich ein Klassiker der deutschen Literatur. „Ein weites Feld“ nennt in ihm der Vater der Hauptromanfigur solche Themen, die in ihrer Vielschichtigkeit weit über das hinausgehen, was in einem einzelnen Gespräch erschöpfend behandelt werden kann. Um ein solches vielschichtiges Themenfeld handelt es sich auch eindeutig beim Kosmos der kirchlichen Dienste, Werke und Einrichtungen in Bayern. Diese Vielzahl und Vielfalt ist nicht zuletzt Ausdruck der Pluralität durch verschiedenartige geographische Gegebenheiten, der unterschiedlichen religiös-kirchlichen Prägungen der Regionen im Freistaat sowie deren differenzierte geschichtliche Traditionen und Frömmigkeitsstile.27 Zum Gebiet der ELKB gehören kirchengeschichtlich betrachtet bekanntlich die ehemals freie Reichsstadt Nürnberg, das Gebiet der Markgrafenschaft Ansbach-Bayreuth, die ursprünglich teilweise evangelische Oberpfalz, das traditionell katholische Altbayern, das ebenfalls katholisch geprägte Unterfranken sowie das gemischt konfessionelle Schwaben. Damit sind nur in groben Zügen sehr unterschiedliche Frömmigkeitsräume für die verschiedenen bayerischen Volksstämme angesprochen. Da ist an die gegensätzliche Prägung des pietistisch beeinflussten Oberfranken zu denken sowie an das schon lange sehr säkulare München. Im bayerischen Schwaben sind bis heute Fernwirkungen der Schweizer Reformation im Frömmigkeitsstil evangelischer Gemeinden spürbar, die anders gelagert ist als eine bodenständige lutherische Frömmigkeit, die man in Mittelfranken antreffen wird bis hin zur traditionellen Kirchendistanz im evangelisch geprägten Coburg. Jedenfalls soll der geschichtlich, sozial und geistlich vielgestaltigen Landeskirche eine Vielzahl von Diensten, Werken und Einrichtungen dienen, die in unterschiedlichen Regionen mit anhaltend starkem Zuzug von außerhalb Bayerns angesiedelt bzw. situiert und wirksam sind, welche ein unterschiedliches Umfeld haben und sich mit ihren Angeboten bzw. Dienstleistungen an Menschen richten, die in Bezug auf landsmannschaftliche und milieubedingte Zugehörigkeit sich sehr stark unterscheiden. Auch auf die bayerische Landeskirche trifft zu, was Philipp Elhaus, Referent am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD, als Proprium der landeskirchlichen Dienste, Werke und Einrichtungen herausstellt: „Das Verbindende dieser kirchlichen Sozialformen ist die kirchliche Präsenz in beruflichen Lebenswelten, die ortsgemeindlich nicht erreicht werden.“28 Diese entwickelten sich in der Nachkriegszeit „…zu einer flexiblen Organisationseinheit innerhalb der verfassten Kirche, die zwischen ortsgemeindlicher Unterstützung und gesellschaftspolitischer Ausrichtung chargierte“29 . In den 60er und 70er Jahren wurden sie stark als Modell für die Zukunft von Kirche empfunden, weil sie das als überholt erlebte Parochialprinzip überwanden. „Sie standen paradigmatisch für das Modell einer Funktionskirche, die sich nicht an territorialen Bezügen und generalistischer Zuständigkeit, sondern an Funktionen im Blick auf den kirchlichen Auftrag und der Bedarfslage von Menschen in ihren diversen Lebenswelten ausrichtet.“30 Elhaus weist daraufhin, dass die gesellschaftspolitische Öffnung zur Gesellschaft eine bis in die Gegenwart nachwirkende inhaltliche „Ethisierung“ beförderte.31 In den 90er Jahren erfolgte schließlich ein Ausbau von Diensten, welche beratende Funktionen übernahmen sowie die Implementierung von betriebswirtschaftlichen Instrumentarien.32 In allen Landeskirchen, einschließlich der bayerischen Landeskirche, finden sich die von Elhaus identifizierten vier Grundtypen von Diensten, Werken und Einrichtungen: „a. Kirchliche Präsenz an spezifischen Orten und Lebenswelten jenseits der Parochie… b. Fachdienste, die bestimmte Arbeitsfelder in der Ortsgemeinde …unterstützen. c) Aus-, Fort- und Weiterbildung – sowie Beratung und Coaching… d) Dialogische Arbeitsfelder sowie Foren…“33
Die Unterscheidung in die genannten vier Grundtypen erfolgt aufgrund ihrer Funktionen. Darüber hinaus differenziert Elhaus noch einmal anhand von unterschiedlichen Verhältnisbestimmungen zwischen Kirche und Gesellschaft: a) Dienste, Werke und Einrichtungen als „Kirche für gesellschaftliche Stände, Schichten und Berufsgruppen…“ bis hin zu „… Gemeindeprofilen und – bildungen, die sich stärker lebensweltlich bzw. auf Lebensphasen ausrichteten.“34 Dieser Bereich bildet nach Elhaus das älteste Segment von Diensten, Werken und Einrichtungen. b) „Seit Ende der 1950er Jahre wird dieses Muster durch Dienste, Werke und Einrichtungen ergänzt, die Kirche in bestimmten Bereichen der sich wandelnden Gesellschaft präsent machen oder halten wollen (z.B. KDA…)“35 Damit ist die Entwicklung noch längst nicht vollständig beschrieben, sondern Elhaus nennt noch zwei weitere Entwicklungsstufen. Nämlich c) „Eine dritte Schicht bilden Dienste, Werke und Einrichtungen, die als Folge der Wechselwirkung mit den Neuen Sozialen Bewegungen und im Zuge der Kirchenreformbewegung entstehen.“36 Abschließend ist noch auf Arbeitsbereiche hinzuweisen, die mit ihrer Wirksamkeit auf die durch Multikulturalität und Multireligiosität veränderte Prägung der Gesellschaft reagieren. d) „Die vierte Schicht bilden Arbeitsfelder wie Ökumene, Weltanschauungsfragen, Judentum, Islam sowie Kirche und Kultur oder Kirche im Dialog, mit denen die Landeskirchen anderen Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen gegenübertreten.“37. Philipp Elhaus räumt ein, dass nicht alle Dienste, Werke und Einrichtungen in seiner Systematik unterzubringen sind. „Quer zu diesen Mustern liegt der große Aus-, Fort- und Weiterbildungsbereich, der den Ausdifferenzierungs- und Professionalisierungsprozessen der gesellschaftlichen Modernisierung folgt, aber sich auf der Ebene der Muster aller vier Schichten vollzieht.“38
Die hilfreiche Einteilung und Übersicht von Elhaus dokumentiert, dass die Entstehung und Etablierung neuer Dienste, Werke und Einrichtungen als strukturelle Reaktionen auf gesellschaftliche Herausforderungen anzusehen und zu verstehen sind. Das dahinterstehende geistliche und kirchenpolitische Anliegen war zunächst volkskirchlicher Natur: „a) Deutlich zeigt sich bei den Diensten, Werken und Einrichtungen das Anliegen einer umfassenden Integration.“39 Zeiten einer soliden Finanzlage ermöglichten einen weiteren Ausbau des überparochialen Bereichs. „b) Ein zweites Prinzip stellt die Addition dar.“40 Gemeindepfarrämter und Ortsgemeinde sind so vorherrschend, dass sich für die Etablierung sogenannter überparochialer Einrichtungen stets ein Rechtfertigungsdruck ergab. „c) Darüber hinaus ist das Prinzip der Asymmetrie zu nennen.“41 Immer wieder galt es die Unterstützungs- und Rückbezugsfunktion der Dienste, Werke und Einrichtungen nachzuweisen bzw. zusätzliche Förderung für gemeindliche Belange zu generieren, um sich des Verdachts einer Vernachlässigung von Gemeinden zu erwehren. Thematisch ist die Bandbreite denkbar breit, wenn auch nicht jede einzelne der Dienste, Werke und Einrichtungen trennscharf einem bestimmten Themensegment zugeordnet werden kann. “Spiritualität hat sich in den letzten 20 Jahren zunehmend zu einem Querschnittsthema entwickelt.“42 Der kirchliche Grundauftrag wird gegenüber unterschiedlichen Adressaten und an verschiedenen Orten umgesetzt und gelebt. „Dienste, Werke und Einrichtungen leisten daher einen integralen Beitrag sowohl im Blick auf direkte wie indirekte Formen der Kommunikation des Evangeliums. Über direkte Interaktionen und Inszenierungen erreichen sie Menschen jenseits kerngemeindlicher Milieus und entwickeln kontextualisierte Formen an nichtkirchlichen Orten.“43
Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Dienste, Werke und Einrichtungen verdient hervorgehoben zu werden. „Mit ihrer historisch verankerten und aktuell forcierten zivilgesellschaftlichen Ausrichtung verstärken Dienste, Werke und Einrichtungen den Wandel der evangelischen Kirche von einer staatsanalogen Institution zur zivilgesellschaftlichen Organisation.“44 Insofern ist die Rolle der Dienste, Werke und Einrichtungen für die Gesamtkirche nicht hoch genug einzuschätzen. „Sie erschöpft sich nicht nur in gemeindeunterstützenden oder ergänzenden Funktionen, sondern nimmt Funktionen in Repräsentanz für die Gesamtkirche wahr.“45
Die Darstellung von Philipp Elhaus mündet im Anschluss an Uta Pohl-Patalong in ein Plädoyer, den alten Antagonismus von Ortsgemeinden und überparochialen Diensten, Werken und Einrichtungen aufzugeben. Es stellt sich aber doch die Frage, ob diese strategische Grundentscheidung nicht zulasten der Kirchengemeinden gehen würde. Dies wäre im Fall der bayerischen Landeskirche aus meiner Sicht schon deshalb unverantwortlich, weil zahlreiche Kirchengemeinden nach wie vor auf einen guten Veranstaltungs- und insbesondere erfreulichen Gottesdienstbesuch verweisen können. Insofern ist die herkömmliche Kirchengemeinde weder in der bayerischen Landeskirche noch in der evangelischen Kirche insgesamt überlebt. Jedenfalls wird an der Veröffentlichung von Elhaus deutlich, dass sich die kirchlichen Situationen in den Landeskirchen der EKD unterschiedlich darstellen. Auch in Bayern kann man eine historische und organisatorisch-strukturelle Systematisierung der Dienste, Werke und Einrichtungen vornehmen, was aber nicht hinreichend ist, um ihre Bedeutsamkeit für und in der Landeskirche zu erfassen.46 Unter den Einrichtungen, welche auch heute noch in der bayerischen KDE vertreten sind, haben Mission Eine Welt, das Predigerseminar und das Evangelische Frauenwerk die ältesten in die 20er Jahre zurückreichende Wurzeln. Die Gründung des Amtes für Gemeindedienst und des Amtes für Jugendarbeit erfolgte Anfang der 30er Jahre unter dem Eindruck der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg wurden die Augustana-Hochschule, das Pastoralkolleg, das Katechetische Amt und die Akademie Tutzing gegründet. In den 50er Jahren führte das Werben der `Aktionsgemeinschaft für Arbeiterfragen` zur Errichtung einer Sozialpfarrstelle, welche in den 60er Jahren zum Amt für Industrie- und Sozialarbeit, dem heutigen kda weiterentwickelt wurde.47 In den 70er Jahren errichtete die Landeskirche die Evangelisch-Lutherische Gemeindeakademie Rummelsberg. Bereits in die unmittelbare Nachkriegszeit zurück reichen die Evangelischen Landvolkshochschulen und Bildungszentren im ländlichen Raum Hesselberg, Pappenheim und Bad Alexandersbad sowie das Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit Josefstal. In den 80er Jahren erwarb die Landeskirche das Wildbad-Rothenburg, das zu einer Evangelischen Tagungsstätte weiterentwickelt wurde. Ferner sind die evangelischen Kommunitäten Selbitz und Schwanberg mit ihren Bildungshäusern ebenfalls Gründungen der Nachkriegszeit. Die Arbeitsstelle Kokon (konstruktive Konfliktberatung) ist eine Weiterentwicklung der früheren Beratungsstelle von Kriegsdienstverweigerern, welche in die 50er Jahre zurückreicht. Im 20. Jahrhundert erfolgte in der ELKB ein organisches und kontinuierliches Wachstum des überparochialen Bereichs durch zahlreiche Neugründungen. Stets machten charismatische Pfarrersgestalten den Anfang. Abgesehen von Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen verfügen alle großen Arbeitszentralen über unterschiedliche Formen von Gruppierungen von Ehrenamtlichen, häufig mit kirchlich Engagierten aus allen Regionen Bayerns. Auch aus diesem Grund verfehlt eine Entgegensetzung von Kirchengemeinden und überparochialen Einrichtungen die gelebte kirchliche Realität. Ein Spezifikum der bayerischen Landekirche ist darin zu sehen, dass es zu einem deutlichen konfessionell bedingten Nord-Süd-Gefälle kommt. Damit meine ich die unterschiedliche Bedeutsamkeit und traditionelle Verbundenheit mit der evangelischen Kirche in Nordbayern und in Südbayern. Während sich in Mittel- und Oberfranken insbesondere im ländlichen Raum Regionen ein weiterhin guter Kirchenbesuch vorfindet und dort eine hohe Kirchenverbundenheit vielfältig zum Ausdruck kommt, ist München seit langem eine sehr säkulare Großstadt und Ober- und Niederbayern für die evangelische Kirche insgesamt Diasporagebiet. Für die Dienste, Werke und Einrichtungen bedeutet dies, dass etwa Angebote der Akademie Tutzing in Nordbayern nur unzureichend wahrgenommen werden. Dafür profitieren die nordbayerischen Kirchengemeinden und kirchlichen Mitarbeitenden davon, dass zahlreiche Dienste, Werke und Einrichtungen der Landeskirche ihren Sitz in Mittelfranken haben. Die traditionelle lutherische Frömmigkeit, die sich an Gesangbuch und Kirchenjahr orientiert, ist am ehesten in Mittel- und Oberfranken anzutreffen. So viel sollte deutlich geworden sein: der Kosmos der Dienste, Werke und Einrichtungen in Bayern ist wirklich das, was bei Fontane „ein weites Feld“ genannt wird. Es handelt sich aber keineswegs einfach um ein undurchschaubaren organisationalen „Wildwuchs“, sondern bei einer differenzierten Wahrnehmung dieses Bereichs sind geschichtliche, regionale, soziale und geistliche Aspekte in die Überlegungen mit einzubeziehen. Über Elhaus hinaus ist bei jeder einzelnen Einrichtung, bei jedem Werk und jedem Dienst zu fragen, was der spezifisch geistlich-theologische Beitrag zur Erfüllung des Verkündigungsauftrags der Landeskirche insgesamt ist. Eine vornehmlich formal strukturell-organisatorische Betrachtungsweise ergibt noch keine hinreichende Begründung für die Existenz oder Fortführung einer gesonderten Einrichtung. Die jüngste Arbeitszentrale und Fortbildungseinrichtung der Landeskirche ist nun aber das im Jahr 2000 gegründete Gottesdienst Institut, von dem im Folgenden etwas eingehender die Rede sein soll.
- ‚Gnade der späten Geburt‘- das Gottesdienst-Institut der ELKB als Nachzügler kirchlichen Lebens
Mit seiner Rede von der `Gnade der später Geburt` hatte einst der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl, als sogenannter „weißer Jahrgang“, öffentlichen Widerspruch ausgelöst, weil ein solcher Sprachgebrauch als Relativierung der deutschen Kollektivverantwortung für die Unheilsgeschichte des Nationalsozialismus verstanden werden konnte. Im ironisch-augenzwinkernden „Kirchensprech“ des 21. Jahrhunderts der bayerischen Landeskirche wurde in informellen Gesprächen im Kollegenkreis gerne damit etwas völlig anderes, nämlich dasjenige Phänomen salopp kommentiert, dass in einer Zeit zurückgehender Mitgliederzahlen und nachlassender Finanzkraft der Kirche eine neue überparochiale Einrichtung gegründet wurde, während andere Dienste, Werke und Einrichtungen mit jahrzehntelanger Tradition bereits um ihren Fortbestand fürchteten. Das Gottesdienst-Institut der ELKB war wirklich so etwas wie ein Nachzügler des kirchlichen Lebens, denn es entstand zu einem Zeitpunkt, als die Ära von Neugründungen kirchlicher Einrichtungen endgültig vorbei zu sein schien.
Das Gottesdienst-Institut, zum 1. Januar 2000 etabliert, hatte in der „Materialstelle für Gottesdienst“, welche am 1. November 1983 ihren Anfang genommen hatte, eine wirkmächtige Vorgängerorganisation. Ehrenamtlich begann der Vikar Dr. Hanns Kerner mit unklarem kirchlichem Auftrag und bescheidenster Ausstattung eine Sammlung von Gottesdienstentwürfen und liturgiedidaktischen Materialien aufzubereiten, die er bestrebt war der Pfarrerschaft und ehrenamtlichen Gemeindemitarbeitenden zugänglich zu machen. Den Anstoß dazu hatte er von seinem Predigerseminarsrektor Gotthart Preiser erhalten, der ihn auf einschlägige Synodenbeschlüsse von 1977 verwies und der ihn in jeder Hinsicht ermutigte sowie für die Aufgabe dem Landeskirchenrat empfahl. Die Wirksamkeit der Materialstelle entwickelte sich so erfolgreich, ihre Materialangebote wurden so intensiv nachgefragt, dass Jahre später dann wirklich die Institutsgründung möglich wurde, weil der Bedarf an hilfreichen Materialien für die Gottesdienstvorbereitung und -gestaltung mehr als offensichtlich war. Materialstelle für Gottesdienst und später das Gottesdienst-Institut konnten sich wohl als einzige der bayerischen Dienste, Werke und Einrichtungen der aufmerksamen Wahrnehmung durch die Mehrheit der Pfarrerschaft sowie der zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Landeskirche erfreuen, weil sie sich der kirchlichen Querschnittsaufgabe schlechthin widmeten, welche letztlich alle gemeinsam betraf und immer wieder neu herausforderte. Nun waren aber bereits vor Gründung der Materialstelle andere Einrichtungen im Bereich Gottesdienst in Bayern langjährig aktiv gewesen, nämlich Gemeindeakademie Rummelsberg, Katechetisches Amt Heilsbronn, Amt für Jugendarbeit sowie die Weltgebetstagsarbeit des Frauenwerks in Stein bei Nürnberg. Darüber hinaus waren ein landeskirchlicher Beirat für Gottesdienst so wie die Lutherische Liturgische Konferenz in Bayern im breiten Feld des Gottesdienstes beratend tätig. Insofern verwundert es nicht, dass kooperierende bzw. konkurrierende Einrichtungen nicht begeistert und die Gründung beider Institutionen somit innerkirchlich, zumindest bei den anderen stakeholdern in Sachen Gottesdienst, umstritten waren. Die Gründungsphase von 1983 bis 1990 unter der ehrenamtlichen Leitung von Kerner wird anhand zahlreicher Quellen und eigener Aufzeichnungen inzwischen eingehend geschildert von Kerner selbst in seinem gründlich recherchierten Buch „Start-Up für den Gottesdienst“48. Trotz des sachlich-nüchternen Stils der Darstellung liest sich das Buch spannend wie ein Krimi, da es ein Lehrstück kirchlichen Leitungshandelns abbildet, das in eine Art Hinketanz, ein Schritt vor und dann wieder ein Schritt zurück, den gegenläufigen Interessen in der evangelischen Kirche gerecht zu werden trachtete. Kirchliche Dienste, Werke und Einrichtungen bedurften zu ihrer Gründung schon immer eines Basis Bezugs, der immer wieder neu zu erarbeiten war bzw. insbesondere des Rückhalts in der Pfarrerschaft. Jedenfalls wäre es nicht zur Etablierung der Materialstelle gekommen, wenn ihr ursprünglicher Auftrag nicht einem verbreiteten dringenden Bedürfnis entsprochen hätte. Zentrale Aufgabe war von Anfang an: „Sammlung und Weitergabe von Vorschlägen zur Gestaltung von Gottesdiensten.“49 Mit ihrer Dienstleisterfunktion versprach die Materialstelle die Gottesdienstnot vieler Pfarrerinnen und Pfarrer zu lindern. Ein Pfingstereignis war es schließlich, welches 1985 den Durchbruch hinsichtlich der Akzeptanz von Angeboten der neuen Materialstelle bei der Pfarrerschaft brachte: Kerner bot eine Kunstpostkarte mit einem pfingstlichen Motiv sowie mit einer homiletischen Erschließungshilfe zu finanziell günstigen Bedingungen allgemein zum Kauf an. Die Karte war zunächst für die Verkündigung im Gottesdienst gedacht und sollte von den Besuchern anschließend mit nach Hause mitgenommen werden können, sozusagen als Erinnerungsstütze für den geistlichen Gehalt des erlebten Gottesdienstes. Diese Aktion wurde ein voller Erfolg und die Nachfrage nach weiteren gottesdienstlichen Materialien war geweckt. Ein theologisch weit aufgestellter ehrenamtlicher Arbeitskreis von Pfarrerskollegen beriet und unterstützte Kerner mit eigenen Texten sowie liturgischen Entwürfen. „Sie entschlossen sich, bei den Gottesdienstabläufen und den Texten, die angeboten werden sollten, darauf zu achten, dass diese in der gottesdienstlich sozialisierten Gemeinde keine Entfremdungsprozesse auslösen würden.“50 Dieses nicht avantgardistisch, sondern marktorientierte, an den Bedürfnissen von Pfarrerschaft und den Erwartungen traditionsbewusster Gemeinden ausgerichtet Konzept war auch wirtschaftlich überaus erfolgreich. „Während die bereits etablierten Einrichtungen in Rummelsberg und Frankfurt kirchenreformorientiert agierten und veröffentlichten, hat die Nürnberger Materialstelle primär gemeindeorientiert versucht die Bedürfnisse der Pfarrerschaft nach Unterstützung und einer Erneuerung der gottesdienstlichen Struktur, Sprache und Stilistik mit den Erwartungen jener Gemeindeglieder, die in die Gottesdienste gingen in einen Abgleich zu bringen.“51 Die Distanzierung von der Kirchenreformbewegung, aber auch eine Deprofilierung in formaler und inhaltlicher Hinsicht trug mit zum Erfolg der Veröffentlichungen der Materialstelle bei, die von der Pfarrerschaft auf die eigene Gemeindesituation bzw. auf die eigenen theologischen Anliegen hin umgearbeitet werden konnten. „Gleichzeitig mit der Publikationstätigkeit begann man, sich zielgerichtet um die Klärung liturgischer und theologischer Sachfragen zu bemühen.“52 In diesem Zusammenhang erwies sich der kollegiale Kontakt mit dem Deutschen Liturgischen Institut Trier und der fachliche Austausch mit römisch-katholischen Theologen als bedeutsam. Die Kirchenleitung schien zunächst keine theologisch-grundsätzlichen Interessen mit der neu etablierten Materialstelle zu verbinden, vielmehr dachte man pragmatisch lediglich an eine Art „Ideenbörse“: „So hat man von ihr vor allem erhofft, Impulse aus dem gottesdienstlichen Leben der Gemeinden gesamtkirchlich wirksam werden lassen zu können.“53 Die punktuelle Verlebendigung des klassischen agendarischen Gottesdienstes durch neue Texte und Impulse war von Anfang an das Anliegen der zunächst ehren- und später auch hauptamtlichen Mitarbeitenden der Materialstelle. „Die Materialstelle wuchs und wurde zur meist genützten evangelischen Arbeitsstelle im deutschsprachigen Raum.“54 Auf dem Hintergrund dieser auch in Zahlen sich ausdrückenden Erfolgsgeschichte wurde die Initierung eines Stellenerrichtungsprozesses mit der Landessynode aussichtsreich möglich. Im Jahr 1990 erarbeiteten nun Hanns Kerner und Konrad Müller einen Antrag zur Errichtung von zwei Pfarrstellen sowie zur Bestätigung einer inzwischen vorhandenen Pfarrer z.A. Stelle. Dieser Antrag wurde in enger Abstimmung mit der Erlanger Synodalin Renate Seitz erstellt, die jenen Antrag anschließend in den synodalen Gremien vertrat. Als Aufgaben wurden im Antrag genannt:
- „Hilfestellungen für die Problembereiche des gottesdienstlichen Handelns,
- Eine Neugewinnung der bewussten Feier von Festtagen durch besondere Ausgestaltung der Gottesdienste (z.B. Epiphanias…) angestrebt, eine Entlastung in den Festzeiten des Kirchenjahres für die Pfarrerinnen und Pfarrer (Passion/ Ostern, Advent/ Christfest) und
- besondere Impulse (z.B. zu Tauferinnerung oder Beichte) gegeben werden.“55
Hinzu kamen fünf weitere Aufgabengebiete der Materialstelle, die vertieft angegangen werden sollten. Denn nun kamen dezidiert liturgiewissenschaftliche Aufgabenstellungen in den Blick, welche bis heute vom Gottesdienst-Institut in und für die Landeskirche wahrgenommen werden. Bereits beim Übergang von der ehrenamtlichen zur hauptamtlichen Struktur der Materialstelle entwickelte Kerner folgende Programmatik:
- „Die Analyse von liturgischen Strömungen und Begleitung der Agendenentwicklung, aktuell insbesondere alles rund um die Erneuerte Agende.
- Gemeindepädagogische und liturgiedidaktische Aufgaben. Hier sind die Kirchenvorsteher, Gottesdienstteams und interessierte Gemeindeglieder im Blick.
- Die Verknüpfung von praktischer und wissenschaftlicher Arbeit. Dabei sollte in der Materialstelle keine eigene Forschung betrieben, aber im Austausch mit den Theologischen Fakultäten beispielsweise die Erforschung der kommunikationstheoretischen und sozialpsychologischen Bedingungen des gottesdienstlichen Feierns vorangetrieben werden.
- Der Ausbau der Bibliothek und der Archive (Literatur, Musik, Diathek).
- Kooperation und Koordinationsaufgaben. Hier ging es um eine sinnvolle Aufgabenverteilung im Gottesdienstbereich, sowohl in der Landeskirche wie bei den Gottesdienstlichen Arbeitsstellen, innerhalb der EKD und der VELKD, aber auch um punktuelle Kooperationen wie mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen.“56
Jedenfalls wird bereits in der Antragstellung für eine Materialstelle unter hauptamtlicher Leitung von 1990 die wissenschaftliche Zusammen- und Mitarbeit der neuen gottesdienstlichen Arbeitsstelle der ELKB intendiert, während bisher die kirchlichen Einrichtungen der Landeskirche vorrangig auf die kirchliche Praxis ausgerichtet waren bzw. es noch sind weitgehend ohne eigene fachwissenschaftliche Ambition. Mit der ab 1991 hauptamtlich besetzten Materialstelle, welche ab 2000 als Gottesdienst-Institut in ausgebauter und professionalisierter Form fortgeführt wurde, betrat ein neuer Player die Bühne der evangelischen Gottesdienstlandschaft sowie der überparochialen Einrichtungen, welcher über Praxisbezug durch die Verankerung bei Pfarrerschaft und Gemeinden sowie über einen kontinuierlich gepflegten Wissenschaftsbezug durch die Zusammenarbeit mit den akademischen Fachvertretern verfügte. Wie zu erwarten gewesen war, so war der Antrag an die Synode nicht sofort vollumfänglich erfolgreich. Aber zumindest eine Pfarrstelle mit entsprechender Ausstattung wurde genehmigt, so dass der Akademische Rat Konrad Müller von der Universität Bamberg herkommend 1991 seinen Dienst antreten und den Weg für die endgültige Etablierung des Gottesdienst-Instituts mit seinem Team bahnen konnte. Die Wirksamkeit der Materialstelle beschränkte sich nun längst nicht mehr auf die Funktion einer „Ideenbörse“. „Auch im Bereich der Homiletik entwickelten zunächst Materialstelle und später das Gottesdienst-Institut ein eigenes Profil. Die Publikationsarbeit der Materialstelle und später des Gottesdienst-Instituts zielte nicht nur auf Entlastung. Es ging immer auch um Qualität.“57 Müller weist in seiner Kerner ergänzenden Darstellung des Werdegangs der Einrichtung darauf hin, dass mit der Institutsgründung im Jahr 2000 eine Schwerpunktverlagerung verbunden war über die bisherige Form der Publikationstätigkeit hinaus auf eine Fortbildungstätigkeit von mehreren hauptamtlichen Referenten und Referentinnen in den verschiedenen Feldern gottesdienstlichen Lebens. War es in den 50er und 60er Jahren die Öffnung der Kirche zur zunehmend säkular werdenden Welt gewesen, welche zur Etablierung von kirchlichen Diensten, Werken und Einrichtungen führte, so ist die Gründung des Gottesdienst-Instituts im Zusammenhang der notwendig gewordenen Rückbesinnung auf das – wenn man so will – Alleinstellungsmerkmal bzw. die Kernkompetenz von Kirche zu sehen, um es mit den damals modischen Begrifflichkeiten auszudrücken. Müller resümiert: „Wenn in gottesdienstlichen Einrichtungen Freiheit, eine gewisse finanzielle Eigenständigkeit und ein unideologischer Pragmatismus zusammenfinden, nutzt dies allen. Gottesdienstliche Einrichtungen sind Dienste, deren Dienst eine dreifache Zielrichtung besitzt: Es geht um Arbeit am Gottesdienst selbst, ohne den es keine `Kirche` gibt, um Dienst an der Gemeinde und auch darum, Kirchenleitungen beratend zu begleiten, zu unterstützen und ihre Vorgaben umzusetzen.“58
Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Weiterentwicklung der Materialstelle zum Gottesdienst-Institut als einem Nachzügler kirchlichen Lebens zu keinem Zeitpunkt ein Selbstläufer gewesen war. Weil sich das Gottesdienst-Institut dem Gottesdienst als zentralem Ereignis von Kirche sowie als Querschnittsaufgabe kirchlichen Handelns widmet, deshalb sollte hier die Entstehungsgeschichte in Grundzügen rekapituliert werden. Zukunftsaufgaben werden für diesen Arbeitsbereich sein wie eine gemeinsame Agende, welche in Gemeinden sowie bei den Veranstaltungen von Diensten, Werken und Einrichtungen auch wirklich allgemeine Verwendung findet, künftig aussehen könnte und wie ein neues Gesangbuch gestaltet sein müsste, welche unter den Vorzeichen gesellschaftlicher sowie kirchlicher Pluralität Wiedererkennbarkeit und Beheimatung mit Zeitgemäßheit zu verbinden wissen, indem sie das biblische Hoffnungspotential milieuübergreifend zur Sprache bringen. Auch die für die evangelische Kirche von jeher profilbildende biblische Predigt verdient erneute fachliche Aufmerksamkeit. Heute stellt sich vordinglich und grundsätzlich die Frage angesichts des anhaltenden Mitgliederschwunds: Wie soll und wie kann es weitergehen mit der Kirche insgesamt einschließlich ihrer verschiedenen Dienste, Werke und Einrichtungen? Deshalb nun abschließend:
- ‚Herr, wohin sollen wir gehen?‘ – zum künftigen Auftrag kirchlicher Dienste, Werke und Einrichtungen
Orientierungskrisen in und unter der Nachfolgerschaft Jesu sind keine neuen Phänomene. Bereits das Johannesevangelium berichtet nüchtern davon, dass sich schon zu Jesu Lebzeiten viele wieder von ihm abwandten, so dass er selbst seine Jünger fragte, ob sie nicht auch noch weggehen wollten. „Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: du bist der Heilige Gottes.“ (Joh 6, 68f.) Schmerzlich machen gegenwärtig die Kirchen eben diese Erfahrung, dass langjährige Weggefährten den Weg der Nachfolge Jesu mit ihnen nicht weiter mitgehen wollen und für sich andere Wege einschlagen. Andere Menschen wiederum sind noch unentschlossen. Und wieder andere sehen für sich auch nach wie vor keinen anderen Weg der Glaubensorientierung und sind ihrer Kirche weiterhin verbunden. Aber sehr viele andere bleiben eben auch ratlos zurück, fragen sich und andere nach dem Weg für ihr Leben und dem ihrer Kirche, welcher ihnen so ungewiss geworden ist und ob sie selbst wirklich künftig ihrer Kirche noch treu bleiben sollen. Was ist da an der Zeit? Bedenkenswert scheint mir nun zu sein, in einer solchen Situation der Suche nach Orientierung an der biblischen Überlieferung zuallererst zu beachten, an wen sich die Frage des Simon Petrus richtet. Dieser Fragerichtung möchte ich gerne nachzugehen bestrebt sein.
Zunächst muss eingestanden werden: Zahlreiche kirchliche Werbekampagnen gingen in den letzten Jahren in Deutschland bereits übers Land, welche die Kirchenmitgliedschaft bekräftigen bzw. dem Evangelium neue Aufmerksamkeit verschaffen sollten, aber letztlich wohl faktisch nur die stattfindende Austrittswelle dynamisierten. Die meisten der klassischen Dienste, Werke und Einrichtungen hätten von ihren Ursprüngen her nun gerade jenem volkskirchlichen Ziel der Integration möglichst aller Menschen in das kirchliche Leben dienen und die aktuelle Entwicklung verhindern helfen sollen. Die Intensität der gegenwärtigen Kirchenaustrittsbewegung macht viele regional und überregional Verantwortliche in den Kirchen ratlos: es muss alles anders werden, das ist oft zu hören. Aber, was ist und was beinhaltet dieses andere, das jetzt möglichst schnell werden soll? Geht es um eine andere Kirche als Organisation oder gar um ein anderes Evangelium, weil die bisherige Kirche einschließlich des von ihr bezeugten Evangeliums nicht mehr in die Zeit passt? Die Einsicht scheint sich hoffentlich langsam breit zu machen, dass allein strukturelle Veränderungen im Sinne von strukturell Verschlanken und Vernetzen überhaupt nicht hinreichen. Es geht auch nicht nur um eine bessere, weil zeitgemäß geschmeidigere Außendarstellung. Das entscheidend strittige Thema ist auch innerkirchlich der inhaltliche Gehalt des Glaubens der Kirche selbst. Glaubt sie in Gestalt ihrer berufenen Vertreter vertrauensvoll selbst noch, dass Jesus Christus der Heilige Gottes ist? Und wenn ja, was bedeutet dieser Glaube für die kirchliche Praxis. Steht es so schlecht um die Kirchen und ihre Mitgliederbindung, weil sie noch immer so sind, wie sie immer waren oder im Gegenteil, weil sie nicht mehr so sind, wie sie früher einmal waren? Wer weiß?
Aus der durch die zahlreichen Missbrauchsfälle in den Kirchen einschließlich des anschließenden Umgangs damit, ausgelösten Glaubwürdigkeitskrise, werden die im politischen und im wirtschaftlichen Leben üblichen pragmatischen Maßnahmenkataloge allein nicht heraushelfen. Vielmehr bedarf es doch einer neuen, bußfertigen Rückbesinnung der Kirchen auf die eigenen Grundlagen des christlichen Glaubens. Jüngst hatte der Praktische Theologe Klaus Raschzok in Anknüpfung an Martin Luther für die Ein- und Ausübung einer lebensnahen bibeltextbezogenen Frömmigkeit plädiert, die mir derzeit für die evangelische Kirche von besonderer aktueller Bedeutung zu sein scheint.59 Das biblische Zeugnis ermutigt nämlich zugleich zu Bewahrung und Aufbruch. Beide Haltungen haben ihre Zeit und wären von daher nicht gegeneinander auszuspielen, sondern weisheitlich aufeinander zu beziehen. Die Mahnung gilt weiter: „Halte dich an die Unterweisung, lass nicht von ihr ab, bewahre sie, denn sie ist dein Leben.“ Spr 4, 13 Aber, was bedeutet es für mein Leben, wenn ich diesem Rat folge? Wie sieht christliche Lebensform im 21. Jahrhundert konkret aus? Genauso gilt aber auch künftig die Aufforderung zum Aufbruch: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ Röm 12, 2 Und bereits hier stellen sich sogleich vielfältige Fragen nach den praktischen Konsequenzen einer solchen Änderung der eigenen Haltung bzw. des Bewusstseins.
Bewahrung und Aufbruch – sind das nicht nur orientierende Ratschläge für ein gutes und gelingendes Leben des einzelnen Gläubigen, sondern die anstehende Aufgabenbeschreibung für die Kirche insgesamt? Liegt es entscheidend an mir oder liegt es an uns allen, dann wäre dies die Stimme des Gesetzes, das befolgt sein will?! Die biblische Weisheit beinhaltet da doch sehr viel mehr und anderes, nämlich bereits den vorausgehenden Zuspruch des Evangeliums: „Der Herr gibt Weisheit und aus seinem Munde kommt Erkenntnis und Einsicht.“ Spr 2, 6 Weisheit ist von daher mehr als ein erstrebenswerter Zustand der Vollkommenheit, vielmehr ist sie Gabe des Schöpfers. „Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.“ 1. Kor 1, 30 Jesus Christus als menschgewordene Weisheit Gottes uns zugute. Wie können wir daran Anteil bekommen? Liegt hier die bleibende Bedeutung von Kirche als Ort der sakramentalen Nähe Gottes?
Jedenfalls: Die aktuelle Kirchenkrise kann zum richtigen Zeitpunkt und zur geeigneten Gelegenheit werden die transformative Kraft der biblischen Verheißung erneut in einem geistlichen Prozess eines neuen Hörens in Anspruch zu nehmen. So wie es war, man denke nur an den Problemkreis Missbrauch einschließlich des Umgangs mit den betroffenen Personen, so darf es wirklich nicht mehr werden und so wie es ist, dabei denke ich an manche Indifferenz gegenüber den eigenen Grundlagen in den Kirchen selbst, so kann es keinesfalls bleiben. Dass Menschen sexuellen Missbrauch in den Kirchen selbst erleben mussten, das hätte es nicht geben dürfen. Die Kirche insgesamt erwies sich dabei als peccatrix maxima, als die allergrößte Sünderin, da in ihr in beträchtlichen Umfang, im Wissen um das christliche Ethos Unrecht vertuscht wurde. In den Kirchen ist aber doch von jeher bekannt, dass nur aus Buße und Umkehr erneute Glaubwürdigkeit erwachsen kann. Die Aufgabe der Kirche insgesamt. einschließlich ihrer Dienste, Werke und Einrichtungen, ist nun dabei in Wort und Tat, die aktualisierende Bewahrung der biblischen Weisheit eben nicht als museales, sondern als lebenspraktisches Unterfangen zu pflegen und zu befördern. Kirche verstanden als Ort der einfachen Gottesrede (Friedrich Mildenberger), die andernorts kaum mehr gepflegt wird, das ist bleibend der kirchliche Auftrag.60 Dienste, Werke und Einrichtungen stellen überregional und regional Orte dar, wo biblisches Wort und säkulare Welt zusammengesprochen werden und sich inhaltlich qualifiziert begegnen. „Die Orte der einfachen Gottesrede sind alle jene Lebenszusammenhänge, in denen anstehende Wirklichkeit von Gott her und auf Gott hin zur Sprache kommt.“61 Im Kontext der Dienste, Werke und Einrichtungen können Menschen, die mit dem Charisma der einfachen und zu Herzen gehenden Gottesrede begabt sind, die Möglichkeit erhalten aus dem Geist des Evangeliums unbeschwert von pfarramtlichen Routinen öffentlich wirksam zu werden. Eine mobile Gesellschaft und eine Welt in fortwährendem Umbruch verlangen nach einer Kirche, die über lokale kirchengemeindliche Grenzen hinauswirkt. Doch die Kirchengemeinden werden dadurch nicht überflüssig, ganz im Gegenteil. Denn wo sollte man denn sonst von der sonn- oder manchmal auch werktäglichen einfachen Gottesrede erreicht werden und die Sakramente empfangen? Kirchengemeinden, aber auch Tagungs- oder Richtungsgemeinden werden gemeinsam von Kirchenmitgliedern als Orte der Erfahrung der sakramentalen Nähe des Gottesreiches gebraucht. Die Corona –Krise machte die Bedeutsamkeit von persönlicher Begegnung für die Weitergabe des Glaubens erst so richtig deutlich. Dabei ist mehr gemeint als die Erledigung abstrakter Aufgaben kirchlichen Handelns, vielmehr ist ein gemeinsames Leben aus dem Geist des Evangeliums erstrebenswert, das Freiheit und Verbindlichkeit in geeigneter Weise aufeinander zu beziehen weiß. Eine Kirche, welche im Vertrauen auf den lebt und handelt, der von sich sagen kann: „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21, 5) Eine Kirche, welche auf die transformative Kraft ihres auferstandenen Herrn vertraut, eine solche Kirche ist durch ihre unverwechselbare Botschaft relevant und damit dabei ihre aktuelle Krise bereits zu überwinden. Damit wende ich mich, eine Analyse von Gerhard Wegner aufgreifend, gegen „…den in den letzten Jahren in der Kirche unter dem Rubrum Kirchenreform laufenden Prozess, indem dieser weitgehend auf Theologie verzichtet und nach den Sozialwissenschaften nunmehr die Ökonomie in die Kirche hineingeholt hat.“62 Der Soziologe Hartmut Rosa hat jüngst ein eindrückliches Plädoyer für die Bedeutsamkeit von Religion für die Demokratie abgegeben: „Religion hat die Kraft, sie hat ein Ideenreservoir und ein rituelles Arsenal voller entsprechender Lieder, entsprechender Gesten, entsprechender Räume, entsprechender Traditionen und entsprechender Praktiken, die einen Sinn dafür öffnen, was es heißt, sich anrufen zu lassen, sich transformieren zu lassen, in Resonanz zu stehen. Wenn die Gesellschaft das verliert, diese Form der Beziehungsmöglichkeit vergisst, dann ist sie endgültig erledigt. Und deshalb kann die Antwort auf die Frage, ob die heutige Gesellschaft noch der Kirche oder der Religion bedarf, nur lauten: Ja!“63
Ortsgemeinden oder auch überparochiale Einrichtungen eröffnen, wenn sie komplementär sich ergänzende Orte der einfachen Gottesrede sind, eine Perspektive der Hoffnung, die über die Herausforderungen des Alltags weit hinausweist. Jürgen Moltmann ermuntert die Gemeinde Christi sich stets eschatologisch als von Gottes kommendem Reich her zu verstehen. „Die Gemeinde Christi ist zugleich das Volk des Reiches. Sie ist nicht Nicht-Welt, sondern die Welt, die jetzt schon zur Zukunft Gottes umkehrt, weil sie dem Ruf der Freiheit folgt.“64 Die eschatologische Perspektive von Gemeinde hat ekklesiologische Konsequenzen. Im ökumenischen Dialog hat die evangelische Kirche immer wieder gegenüber der römisch-katholischen Kirche im Gestus der Verbindlichkeit über sich selbst ausgesagt: „So ist die um Wort und Sakrament versammelte Gemeinde nach evangelischer Auffassung zeichenhafte Darstellung der in Jesus Christus mit Gott und untereinander versöhnten Gemeinschaft.“65 Insofern eignet der Gemeinde eine theologische Dignität, weil sie mehr und anderes ist als eine Form von Organisation.
Doch wie können Kirchenleitungen bzw. Kirchenvorstände in Zeiten von Umbruch und Neuorientierung ihren Aufgaben gerecht werden und nicht in Rat- und Orientierungslosigkeit verharren? Wie kann eine sachgerechte Zuordnung von Prioritäten und Posterioritäten kirchlichen Handelns gefunden werden? Eberhard Jüngel erinnerte in diesem thematischen Zusammenhang bis heute wegweisend an die theologische Aufgabe von evangelischer Kirchenleitung. Die Confessio Augustana hatte ja der reformatorischen Bewegung das Bekenntnis zu der Gewissheit ins Stammbuch geschrieben, dass Gott selbst seine Kirche erhält (CA VII). Diese Verheißung gilt fraglos, aber sie hat auch eine Grenze: „Gott erhält die Kirche, aber nicht als Selbstzweck.“66 Dies betrifft nicht zuletzt die Inhaber kirchenleitender Ämter, welchen eine dienende Funktion zukommt. „Nicht die Autorität des Amtes, sondern die Autorität des Auftrages konstituiert kirchenleitendes Handeln.“67 In dieser Perspektive verliert der traditionelle Gegensatz von Laien und Klerus seine Bedeutung sowie seine Berechtigung. „Kirchenleitung ist vielmehr diejenige Gestaltung des kirchlichen Lebens, in der sich die Kirche selbstkritisch gegenübertritt.“68 Doch wie kann evangelische Kirchenleitung, welche ihre theologische Aufgabe wahrnimmt zu den notwendigen Entscheidungen gelangen und Konsensfähigkeit entwickeln? „Und für diesen methodischen Ausweis der Konsensfähigkeit von Lehraussagen gilt nach evangelischem Verständnis genauerhin: daß die entsprechenden Lehraussagen sich als Auslegung der Heiligen Schrift ausweisen können müssen, so dass allein die Bibel als Norm der geltenden Lehre zum Zuge kommt.“69
Eine evangelische Kirche, die sich in ihrem Reden und Hoffen, aber auch in ihrem praktischen Gestalten normativ am Evangelium ausrichtet – das wäre doch wirklich ein ökumenisches Novum. Ein „Schriftprinzip“, welches nicht nur behauptet, sondern in allen auch den praktischen Entscheidungen kirchlicher Gremien bedacht und berücksichtigt wird, das wäre in der Tat ein „Alleinstellungsmerkmal“ für die evangelische Kirche. Damit wende ich mich gegen die verbreitete Praxis, dass die ritualisierte Andacht zu Beginn einer kirchlichen Gremiensitzung unverbunden und inhaltlich losgelöst von dem anschließendem Beratungsprozess erfolgt. Vielmehr stelle ich mir einen ernsthaften, dialogischen und weisheitlichen Umgang mit dem biblischen Zeugnis vor, zu dem wissenschaftliche Exegese, jüdische und feministische Perspektiven und insbesondere der lebenspraktische Umgang mit der Schrift selbst entscheidend beitragen können. Diese theologische Aufgabe kann nicht exklusiv an die Theologen und Theologinnen delegiert werden, sondern bildet einen geistlichen Auftrag für die Kirche mit allen ihren Mitgliedern einschließlich ihrer Theologinnen und Theologen.
Pfarrer und Pfarrerinnen werden auch künftig die öffentlich besonders wahrgenommenen Repräsentanten ihrer Kirche sein. Ihr Dienst wird allerdings in einer nachvolkskirchlichen Kirche und einer sich fortlaufend wandelnden Gesellschaft erfolgen. All dies beinhaltet eine enorme Herausforderung für alle Einrichtungen theologischer Aus- und Fortbildung. Klaus Raschzok hat perspektivenreiche Überlegungen zu einer Reform der Pfarrersausbildung angestellt. Grundsätzlich ist zu beachten: „In der pastoralen beruflichen Praxis geht es um eine kontinuierliche Transformationsleistung der theologischen Bildung hin zu einer überzeugenden wie lebensfähigen pastoralen Identität als einer aus der Ordination resultierenden Verpflichtung. Theorie und Wertschätzung des eigenen beruflichen Handelns hängen dabei eng zusammen.“70 Erschwert und herausgefordert werden Bemühungen von Institutionen und Personen der Aus- und Fortbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern aktuell durch die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse zum sexuellen Missbrauch. Der Kirchensoziologe Gerhard Wegner weist zurecht daraufhin: „Der Verlust an Vertrauen der Menschen in diese so bedeutende Gruppe von religiösen Protagonisten ist immens – zählt doch der Kontakt zu Familien und dabei an Kindern und Jugendlichen zu ihrer Kernkompetenz.“71
Auch im Bereich der Religionspädagogik beinhaltet die veränderte gesellschaftliche Situation nach der Volkskirche neue Herausforderungen z. B. für Religionspädagogische Zentren. Der Saarbrücker Religionspädagoge Karlo Meyer resümiert seine einschlägigen Studien so: „Kirchliche Praxis gerät im evangelischen Religionsunterricht der Sekundarstufe bemerkenswert häufig aus dem Blick… Viele Aspekte ritueller Glaubenspraxis werden nur marginal aufgenommen.“72 Möglicherweise meinte man von einer elementaren Vertrautheit mit der Praxis christlichen Glaubens von der Familie, der Jugendarbeit und der kirchlichen Arbeit mit Kindern ausgehen zu können, was aber so inzwischen nicht mehr der Fall ist. Dies wirkt sich bisher nicht entsprechend konzeptionell auf den Religionsunterricht aus. „Die Aufnahme der Praxis im Blick auf Weihnachten, Ostern oder auch Bestattungen mit ihren thematischen Implikationen wäre auch deshalb zu erwarten, da seit gut zwei Jahrzehnten lebensweltliche Kompetenzen religionspädagogisch besonders betont werden. Die Chance, hier Verbindungen herzustellen, wird jedoch vertan und fügt sich in das gesellschaftliche Gesamtbild zunehmender Marginalisierung der Kirchen.“73 Die Aufmerksamkeit scheint dagegen vorrangig anderen Religionen zu gelten. „Bemerkenswert ist diese Zurückhaltung bei Gottesdienst-, Andachts-, Fest- und Kasualpraxis auch im Blick darauf, dass die evangelischen Religionsbücher Ritualen anderer Religionen – wie sie z.B. muslimisch Hoch-Verbundene durchführen – einen vergleichsweise hohen Stellenwert einräumen.“74
Auch den gottesdienstlichen Arbeitsstellen wird die Arbeit unter veränderten Rahmenbedingungen nicht ausgehen. Folkert Fendler und Jochen Kaiser werteten die Kirchgangsstudie der Liturgischen Konferenz aus und stellten fest: „Menschen suchen also den Gottesdienst nach ihren eigenen Angaben vor allem deshalb auf, weil sie dort Gemeinschaft finden und ihrem Glauben Ausdruck verleihen können. Dies ist ein Bekenntnis zu den auch theologisch zentralen Funktionen des Gottesdienstes, das in dieser Eindeutigkeit in bisherigen empirischen Befragungen nicht zutage trat.“75 Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Kirche gehen vielfach von anderen Erwartungen von Gottesdienstbesuchern aus. „Manchmal scheint es, dass Gottesdienstverantwortliche ein Image vom Image der Gottesdienstbesuchenden haben, als wollten diese mehr Weltlichkeit im Gottesdienst finden. Das Gegenteil scheint der Fall, traut man den Ergebnissen dieser Studie.“76 Dieses Resümee der Studie sollte in seinen möglichen Konsequenzen bedacht werden: „Das Image des
Gottesdienstes hat starke Wurzeln in der Kindheit.“77
Ein Dauerproblem der evangelischen Kirche bildet die Milieuverengung bei der Mitgliederschaft auf Mittelschicht und Bürgertum. Hier ist auch künftig ein artikulationsfähiger Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt gefragt.78 Dessen öffentliche Seelsorge wird auch schon um die Glaubwürdigkeit der Kirchen willen immer wieder neu die sozialethisch begründete Parteinahme für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen beinhalten.79 Gerade unter den Voraussetzungen einer Arbeitswelt 4.0 stellt sich Menschen im Beruf die Frage nach einer gelebten Frömmigkeit der Arbeit, die Mitarbeitenden in arbeitsweltlichen Diensten herausfordert.80
Doch, was ist nun das rechte Wort für eine Zeit, die gerne als fluid bezeichnet und empfunden wird? Ist nicht die Erfahrung der dahinfließenden Zeit voller Veränderungen und Umgestaltungen eine menschliche Urerfahrung, die man zu jeder Zeit schon machen konnte? Verfehlt nicht eine fluide Kirche mit fluiden Veranstaltungsformen und womöglich fluiden Inhalten ihren Auftrag, den sie sich nicht selbst gegeben hat? Dem verständlichen Bedürfnis von Menschen nach Orientierung und Stärkung versagt sich eine fluide Kirche. Wie wäre es, wenn Kirchen die Suche nach einem festen Halt doch neu ernst nehmen und dieses Thema nicht den Fundamentalisten überließen? Im Kontext von Veranstaltungen von kirchlichen Diensten, Werken und Einrichtungen ist es weiterhin lohnend immer wieder diesem Lebensthema nachzugehen: Was gibt meinem Leben Stabilität? Wie wird für mich Jesus Christus als Grund meiner Hoffnung erfahrbar? Denn: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1. Kor 3, 11)
Der katholische Theologe Hans Küng hat wie kaum ein anderer öffentlichkeitswirksam die Wechselwirkung von Glauben und Vertrauen reflektiert.81 Seine diesbezüglichen Überlegungen scheinen mir in als fluid erlebten Zeiten erneut von besonderer Aktualität zu sein. Der Gottesglaube muss im kirchlichen Reden und Gestalten mehr sein als eine steile These: „Der Glaube an Gott darf nicht nur behauptet, kann aber auch nicht bewiesen werden. Doch soll er bewahrheitet werden.“82 Erfahrungen einer solchen Bewahrheitung des Gottesglaubens können im Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher kirchlicher bzw. religiöser Beheimatung entborgen werden. Solche Dialoge zu initiieren und kundig zu begleiten sind vornehmliche Aufgaben kirchlicher Bildungseinrichtungen einschließlich von Akademien und Tagungsstätten. Diese Dialoge können für die Beteiligten zu vertrauensbildenden Maßnahmen werden, indem sie eine Antwort wagen auf die verbreitete Suche nach einem im Glauben begründeten Grundvertrauen, mit dem es sich leben lässt. „An Gott als den Vollender der Welt glauben, heißt, in aufgeklärtem Vertrauen bejahen, daß Welt und Mensch nicht im letzten Wohin unerklärlich bleiben, sondern in Gott eine bleibende Geborgenheit und wahre Vollendung finden.“83 Kirchliche Dienste, Werke und Einrichtungen sind Orte bzw. schaffen Gelegenheiten mit Menschen über den kerngemeindlichen Bereich hinaus diese Gottesfrage erneut auf die Tagesordnung der öffentlichen Agenda zu setzen und dialogisch nach der Bewahrheitung des Glaubens einschließlich seiner lebenspraktischen Konsequenzen zu fragen. In Zeiten einer multikulturell und multireligiös geprägten Gesellschaft wird diese Frage nicht zuletzt in Formaten bzw. Foren interreligiösen Dialogs zu erörtern sein. Da wo die Gottesfrage gestellt und eine zeitgemäße Antwort riskiert wird, dort werden sich wie von selbst kulturellen Bezügen und intellektuelle Wechselwirkungen ergeben.
Von daher wäre ein Rückbau kirchlicher Dienste, Werke und Einrichtungen, also eine Rolle rückwärts, gerade nicht empfehlenswert, da sich die Kirche damit weitgehend aus dem öffentlichen Leben in die Unsichtbarkeit zurückziehen würde. Vielmehr bedarf es, um im Bild zu bleiben, eines Bauchaufschwungs in Form einer Revitalisierung der missionarischen Kraft der Kirche in einem säkularen Umfeld. Für die Teilnahme und Mitwirkung an der missio dei müssen kirchliche Mitarbeitende ausgebildet, fortgebildet und in ihrer Wirksamkeit unterstützt werden. Ferner sind Foren, Orte und Gelegenheiten erforderlich, welche missionarisch angelegt sind ohne plump zu missionieren. Die kirchliche Arbeit wird sich insofern grundlegend ändern müssen, da sie kein allgemein bekanntes religiöses Wissen oder gar Glaubenserfahrungen mehr voraussetzen kann. Schon von daher ist eine einfache Gottesrede erforderlich, die aber nicht flach simplifizierend sein darf. In vielerlei Hinsicht fängt die Kirche nun wieder einmal ganz von vorne an. Aus Meinungsumfragen unter religiös oder kirchlich Unkundigen bzw. Distanzierten wird sie sich ihres Auftrags nicht versichern können und gewiss werden.84 Vielmehr wird die Wiedergewinnung eines Gottesdienstes, der Wiedererkennbarkeit, Gemeinschaft und Beheimatung ermöglicht, eine vordringliche Herausforderung sein. Die ökumenische Zusammenarbeit der Kirchen ist sachdienlich weiterzuentwickeln unter Respektierung unterschiedlicher konfessioneller Profile. Die Nachbarschaft der Religionen will in einer multireligiösen Gesellschaft ebenfalls kundig und mit Herzblut gepflegt sein.85 Damit sind gesamtkirchliche Anliegen angesprochen, aber eben auch fachliche Spezialaufgaben für kirchliche Dienste, Werke und Einrichtungen. Die Zeit der großen kirchlichen „Ämter“ bzw. Arbeitszentralen mit großem Mitarbeitendenstab ist sicherlich vorbei, aber die Zeit ist umso mehr reif für agile, missionarisch ausgerichtete, charismatisch begabte, bibelfeste kirchliche Mitarbeitende, die sich vertrauensvoll in eine sich fortlaufend transformierende Welt senden lassen: „Darum gehet hin und lehret alle Völker… Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Matth 28, 19f.
Quelle: Thomas Melzl, Konrad Müller (Hg.), Gottesdienst im Leben der Kirche. Erkundungen, FS für Hanns Kerner, Leipzig: EVA, 2025, S. 79-107.
1 Vgl. Kirchenamt der EKD (Hg.), Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt. Eine Denkschrift des Rates der EKD, Gütersloh 2015, S. 40ff.; Roland Pelikan, Johannes Rehm (Hg.), Arbeit im Alltag 4.0. – Wie Digitalisierung ethisch zu lernen ist, Berlin 2018.
2 Traugott Jähnichen, Transformationen kirchlicher Organisationsstrukturen des deutschen Protestantismus in Geschichte und Gegenwart, in: Traugott Jähnichen, Torsten Meireis, Johannes Rehm, Sigrid Reihs, Hans-Richard Reuter (Hg.), Krisen – Aufbrüche – Transformationen. Zur Sozialität der Evangelischen Kirche, Leipzig 2020, S. 188ff.
3 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland (Hg.), Freiheit digital. Die Zehn Gebote in Zeiten des digitalen Wandels. Eine Denkschrift der EKD, Leipzig 2021; Traugott Jähnichen, Freiheit digital? Ansätze einer evangelischen Digitalethik in der Perspektive der EKD-Denkschrift von 2021, in: Hanns Kerner, Peter Lysy, Sabine Weingärtner (Hg.), Wort und Welt. Dimensionen gelebten Glaubens, FS Johannes Rehm, Leipzig 2923, S. 45ff.
4 Überparochiale Einrichtungen werden durchaus einleuchtend in der katholischen Kirche als kategoriale Pastoral bezeichnet.
5 Detlef Pollack, Von Gelegenheiten, Personen und Erfahrungen des Ergriffenwerdens: Kommentar zu den Beiträgen des Bandes, in: Christel Gärtner, Georg Lämmlin, Stefanie Lorenzen, Gerhard Wegner (Hg.), Kirchenkrise als Glaubenskrise? Möglichkeiten und Grenzen für die Reproduktion der Evangelischen Kirche, Leipzig 2024, S. 508.
6 Traugott Jähnichen, Kirchliche Handlungsperspektiven zur Stabilisierung der Kommunikation des Evangeliums – Erfahrungen und Überlegungen aus der Sicht kirchenleitenden Handelns, in: Christel Gärtner, Georg Lämmlin, Stefanie Lorenzen, Gerhard Wegner (Hg.), Kirchenkrise als Glaubenskrise? Möglichkeiten und Grenzen für die Reproduktion der Evangelischen Kirche, a.a.O., S. 518.
7 Ebd. S. 519.
8 Friedericke Erichson – Wendt, Dienste, Werke, Einrichtungen in der Grenzflächenspannung. Kirchliche Organisation angesichts der liquid modernity, in: Philipp Elhaus, Uta Pohl-Patalong (Hg.), Fluide Formen von Kirche, Dienste, Werke und Einrichtungen in Gesellschaft und Kirche des 21. Jahrhunderts, Stuttgart 2024, S. 212.
9 Ebd. S. 313.
10 Ebd. S. 215.
11 Ebd. S. 216.
12 Ebd. S. 218.
13 Ebd.
14 Ebd.
15 Ebd. S. 219.
16 Ebd.
17 Ebd. S. 220.
18 Ebd. S. 222.
19 Ebd.
20 Ebd.
21 Ebd. S. 224.
22 Vgl. Hanns Kerner, Johannes Rehm, Hans-Martin Weiss (Hg.), Das geistliche Amt im Wandel, Entwicklungen und Perspektiven, Leipzig 2017.
23 Vgl. Kirchenamt der EKD (Hg.), Der Dienst der Evangelischen Kirche an der Hochschule, Gütersloh 1991.
24 Vgl. Johannes Rehm, Gemeinde auf Zeit – Kirchliche Hochschularbeit im Umbruch. Aufsatz in: Nachrichten der ELKB, 62. Jg., 2007/3, S. 68f.
25 Vgl. Johannes Rehm, Roland Pelikan, Philip Büttner (Hg.), Kirchliches Handeln in der Arbeitswelt. Grundlegung – Grenzüberschreitungen – Gestaltungsfelder, Nürnberg 2009; Traugott Jähnichen, Roland Pelikan, Sigrid Reihs, Johannes Rehm (Hg.), Priorität für die Arbeit. Profile kirchlicher Präsenz in der Arbeitswelt gestern und heute, FS Günter Brakelmann, Berlin 2021.
26 Vgl. Konrad Müller / Johannes Rehm (Hrsg.), Arbeit als Gottesdienst? Wertschöpfung in christlicher Verkündigung? Leipzig 2021; Johannes Rehm, Öffentliche Seelsorge, in: Manfred Böhm, Johannes Rehm (Hg.), Würde ist kein Konjunktiv! Seelsorge in der Arbeitswelt, Würzburg 2024, S. 17ff.
27 Vgl. Gerhard Müller, Horst Weigelt und Wolfgang Zorn (Hg.), Geschichte der Evangelischer Kirche in Bayern, Bd 1, St. Ottilien 2002 und Bd. 1 St. Ottilien 2000.
28 Philipp Elhaus, Vermessung eines komplexen Feldes. Dienste, Werke und Einrichtungen als landeskirchliche Organisations- und Sozialform – ein Überblick, in: Philipp Elhaus, Uta Pohl-Patalong (Hrsg.), Fluide Formen von Kirche. Dienste, Werke und Einrichtungen in Gesellschaft und Kirche des 21. Jahrhunderts, a.a.O., S. 24.
29 Ebd. S. 27.
30 Ebd. S. 28.
31 Ebd.
32 Ebd. S. 30.
33 Ebd. S. 31.
34 Ebd. S. 32.
35 Ebd.
36 Ebd.
37 Ebd. S. 33.
38 Ebd.
39 Ebd.
40 Ebd.
41 Ebd.
42 Ebd. S. 35.
43 Ebd. S. 37.
44 Ebd.
45 Ebd. S. 41.
46 Vgl. Hermann Blendinger, Aufbruch der Kirche in die Moderne. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern 1945 – 1990, Stuttgart 2000.
47 Ebd. S. 255.
48 Hanns Kerner, Start-Up für den Gottesdienst. Die Materialstelle für Gottesdienst 1983 bis 1990, Hamburg 2022.
49 Ebd. S. 153.
50 Konrad Müller, Zwischen Freiheit und Funktion. Die Materialstelle für Gottesdienst und das Gottesdienst-Institut der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern im Wandel, Liturgisches Jahrbuch, 72. Jg. Heft 3, 2022, S. 184.
51 Ebd. S. 195.
52 Ebd. S. 198.
53 Ebd. S. 193.
54 Ebd. S. 199.
55 Hanns Kerner, Start-Up für den Gottesdienst. Die Materialstelle für Gottesdienst 1983 bis 1990, a.a.O., S. 153.
56 Ebd. S. 154.
57 Konrad Müller, Zwischen Freiheit und Funktion, a.a.O. S. 199.
58 Ebd. S. 201f.
59 Klaus Rschzok, Martin Luthers Anleitungsschriften zum geistlichen Leben als Übungsinstrumente einer lebensnahen bibeltextbezogenen Frömmigkeit, in: Hanns Kerner, Peter Lysy, Sabine Weingärtner (Hg.), Wort und Welt. Dimensionen gelebten Glaubens, FS Johannes Rehm, a.a.O., S. 17ff.
60Vgl. „Die einfache Gottesrede bringt durch die biblischen Texte Anstehendes auf Gott hin zur Sprache.“ Friedrich Mildenberger, Biblische Dogmatik, Bd. 1, Stuttgart 1991, S. 30; Jürgen Roloff, Hans G. Ulrich (Hg.), Einfach von Gott reden, FS Friedrich Mildenberger, Stuttgart 1994; Karl Eberlein, Zeitgemäß und Schriftgemäß: Friedrich Mildenberger, Berlin 2022, S. 282ff.
61Friedrich Mildenberger, Biblische Dogmatik, Bd. 1, Stuttgart 1991, S. 29; vgl. Michael Krug, Ruth Lödel, Johannes Rehm (Hrsg.), Beim Wort nehmen. Die Schrift als Zentrum für kirchliches Reden und Gestalten, Friedrich Mildenberger zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2004.
62 Gerhard Wegner, Substanzielles Christentum. Soziotheologische Erkundungen, Leipzig 2022, S. 243.
63 Hartmut Rosa, Demokratie braucht Religion, München 20237, S. 74f.
64 Jürgen Moltmann, Kirche in der Kraft des Geistes, München 1981, S. 101.
65 Dorothea Sattler und Volker Leppin (Hg.), Gemeinsam am Tisch des Herrn. Ein Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen, Dialog der Kirchen Bd. 17, Freiburg 2020, S. 79.
66 Eberhard Jüngel, Was ist die theologische Aufgabe evangelischer Kirchenleitung, in: ders. Indikativ der Gnade – Imperative der Freiheit, Tübingen 2000, S. 353.
67 Ebd. S. 358.
68 Ebd. S. 359.
69 Ebd. S. 361.
70 Klaus Raschzok, Überlegungen zu einer umfassenden Reform der Ausbildung zum evangelischen Pfarrberuf, in: Hanns Kerner, Johannes Rehm und Hans-Martin Weiss (Hg.), Das geistliche Amt im Wandel. Entwicklung und Perspektiven, Leipzig 2017, S. 65.
71 Gerhard Wegner, Repräsentanten der Kirche und des Glaubens: Pfarrerinnen und Pfarrer, in: Detlef Pollack, Von Gelegenheiten, Personen und Erfahrungen des Ergriffenwerdens: Kommentar zu den Beiträgen des Bandes, in: Christel Gärtner, Georg Lämmlin, Stefanie Lorenzen, Gerhard Wegner (Hg.), Kirchenkrise als Glaubenskrise? Möglichkeiten und Grenzen für die Reproduktion der Evangelischen Kirche, a.a.O., S. 473.
72 Karlo Meyer, Kirchliche Praxis als Tabu im Religionsunterricht? Zwei kleine Studien zu einem weitreichenden Problem, in: Christel Gärtner, Georg Lämmlin, Stefanie Lorenzen, Gerhard Wegner (Hg.), Kirchenkrise als Glaubenskrise? Möglichkeiten und Grenzen für die Reproduktion der Evangelischen Kirche, a.a.O., S. 289.
73 Ebd.
74 Ebd. S. 292.
75 Folkert Fendler/ Jochen Kaiser, Das Image des Gottesdienstes, in: Christel Gärtner, Georg Lämmlin, Stefanie Lorenzen, Gerhard Wegner (Hg.), Kirchenkrise als Glaubenskrise? Möglichkeiten und Grenzen für die Reproduktion der Evangelischen Kirche, a.a.O., S. 342.
76 Ebd. S. 347.
77 Ebd. S. 350.
78 Vgl. Johannes Rehm (Hg.), Kirche und Arbeiterfrage. Eine sozialwissenschaftlich-theologische Untersuchung zu Nähe und Distanz zwischen Arbeiterschaft und Evangelischer Kirche, Stuttgart 2017.
79 Vgl. Manfred Böhm, Johannes Rehm (Hg.), Würde ist kein Konjunktiv! Seelsorge in der Arbeitswelt, a.a.O.
80 Vgl. Johannes Rehm, Arbeit als geistliche Übung – Zwölf Übungsschritte zu einem evangelischen Arbeitsethos, ThB 55.Jg. 24-5, S. 333ff.
81 Vgl. Johannes Rehm, Streitbarkeit und Versöhnungsbereitschaft. Erinnerung eines evangelischen Theologen an Hans Küng, in: Claudio Ettl, Bernd Elmar Koziel, Hans-Peter Weigel (Hg.), „Wo der Geist wirkt, da ist Freiheit“. Zum Gedenken an Hans Küng, Würzburg 2022, S. 37ff.
82 Hans Küng, 24 Thesen zur Gottesfrage, München 19802, S. 50.
83 Ebd. S. 98.
84 „Bevölkerungsrepräsentative Studien erheben lediglich, was vermutlich allgemein gewusst wird. Damit geben sie ein atmosphärisches Gesamtbild wieder, das auf dem basiert, was allgemein von Glaube, Kirche und Religion als zugänglich angesehen wird. Als solches kann es nur als Ausgangspunkt kirchenentwicklerischer Maßnahmen dienen, allenfalls als Impulsgeber, nicht jedoch als Datenmaterial, das direkte Handlungsempfehlungen für zukünftige Entwicklungen enthält.“ Friedericke Erichson-Wendt in: Sozialwissenschaftliches ‚Institut der EKD, Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (Hg.), Wie hältst du`s mit der Kirche? Zur Relevanz von Religion und Kirche in der pluralen Gesellschaft. Analysen zur 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, Leipzig 2024, S. 644.
85 Vgl. Johannes Rehm, Ökumenisches Lernen im 21. Jahrhundert. Eine Herausforderung für Gemeindepädagogik und kirchliche Erwachsenenbildung, in: Uta Pohl-Patalong, Religiöse Bildung im Plural. Konzeptionen und Perspektiven, Schenefeld 2003, S. 171ff.